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Allgemeine Zeitung. Nr. 63. Augsburg, 3. März 1840.

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Die von England projectirte Nigerexpedition.

Eine in den englischen Blättern auszugsweise mitgetheilte Correspondenz zwischen Lord J. Russel und den Lords der Schatzkammer gibt eine officielle, doch, wie natürlich, höchst oberflächliche Nachricht von diesem Unternehmen, das von größerem Belang ist, als man sich auf den ersten Anblick einbilden möchte, denn es handelt sich um nichts Geringeres, als das ganze westliche Hochland Afrika's südwärts von der Sahara und westwärts vom Niger mit einer Kette von Handels- und Militärposten zu umziehen und sich durch den Tschadda einen Weg ins Innere von Afrika und wo möglich bis an den Tschadsee zu bahnen. Daß ein solches Unternehmen andere Nationen vom Handel im Innern von Afrika ausschließen müßte, versteht sich denn wohl von selbst. Es sollen zu dem Ende vorerst drei eiserne Dampfboote ausgerüstet werden, welche den Nil hinauffahren und mit den verschiedenen Häuptlingen Verbindungen anknüpfen sollen. Der Vorwand ist wieder eine wirksamere Unterdrückung des Sklavenhandels, indem man die Waaren, gegen welche gewöhnlich die Sklaven eingetauscht werden, selbst auf die innern Märkte führt, und dadurch dem Anreiz zu Sklavenhandel und Sklavenjagden entgegenarbeiten will.

Der Plan, den man nicht offen ausspricht, der aber schon vor vier Jahren von Mac Gregor Laird vorgeschlagen wurde, dem bekannten Reisenden, der mit dem Quorra und der Alburkah in Begleitung Landers die Nigerfahrt machte, ist folgender. Es sollen fürs erste etwa sieben Handels- und Militärstationen angelegt werden, nämlich in der Nähe des ersten großen Marktplatzes am Niger, zweitens bei der Einmündung des Tschadda, drittens bei Rabbah, viertens bei Bussa, dann noch an zwei Punkten zwischen Bussa und Sego, und endlich an diesem letzten Orte. Von Sego müßte man dann einen bequemen Landweg nach der Westküste suchen.

Mac Gregor Laird schlug damals vor, Militärposten anzulegen und jeden mit einer Compagnie Afrikaner unter europäischen Officieren zu besetzen. Dieser Vorschlag wird jetzt um so mehr Beifall finden, als man auch in Cap Coast Castle die Zahl der europäischen Soldaten, die bei ihrem Branntweintrinken wie die Fliegen hinstarben und sehr kostspielig zu unterhalten waren, größtentheils mit Afrikanern ersetzt hat. Die Geschenke, welche die Expedition nach Russells Schreiben mitnehmen soll, deuten darauf hin, daß man eine feste Ansiedlung jedenfalls beabsichtigt. Es fragt sich indeß noch, ob diesem Unternehmen sich nicht ein bedeutendes Hinderniß entgegen setzen wird. Von der Nigermündung aufwärts bis zur Einmündung des Tschadda wird man auf keinen Widerstand stoßen, ja man würde die Engländer mit offenen Armen als Beschützer gegen die Felatahs aufnehmen. In Rabbah aber ändert sich das Verhältniß: hier herrschen die Felatahs, deren Vornehme sich bereits zum Islam bekehrt haben. Der Islam ist das Civilisationsprincip in diesem Theil Afrika's, und die arabischen Kaufleute genießen eines großen Ansehens. Diese würden durch die Engländer entschieden verdrängt, und somit würde sich verletztes Interesse und Religionsfanatismus gegen sie vereinigen. Bekanntlich breiten die Felatahs ihre Eroberungen und der Islam seine Macht allmählich den Niger abwärts aus, beide würden hier an den Engländern auf Widersacher stoßen, und da den letztern das Klima so sehr entgegen ist, möchten sie mehr Schwierigkeiten finden, als die Unternehmer sich vielleicht denken. (Ausland.)

Die Expedition auf dem weißen Nil.

Auf Befehl des Vicekönigs von Aegypten wurde gegen das Ende des Jahres 1838 zum Aufsuchen der Quellen des weißen Nils eine Expedition veranlaßt, welche jedoch leider eben so wenig, wie alle frühern Unternehmungen gleicher Art, zu einem erwünschten Resultat führte; denn abgesehen davon, daß Leute hiezu gewählt wurden, denen zwar der gute Wille nicht, außer diesem aber Alles fehlt, sind noch Hindernisse zu überwinden, die wenigstens für eine geraume Zeit sich nicht so leicht beseitigen lassen. Würden die Europäer früher auf ein solches Unternehmen gedacht, und mit Hülfe Mehemed Ali's, der seine hülfreiche Hand zu solchen Zwecken bereitwillig bietet, dasselbe ausgeführt haben, so könnte wahrscheinlich nunmehr ein großer Theil des Schleiers, der noch dicht über das Innere Afrika's gezogen ist, wenn nicht gehoben, doch gelüftet seyn.

Die erwähnte Expedition bestand aus drei Barken, jede von einem türkischen Officier befehligt und mit 30 Soldaten bemannt, mit zwei Kanonen; außerdem wurde Capitän Mohammed, ein Renegat (ein Deutscher von Geburt), beauftragt, die Karte vom Laufe des Nils zu entwerfen, während ein Franzose als Pilote - jedoch bloß dem Namen nach - dieser Expedition beigegeben war. Allein schon im April des Jahres 1839 trafen Alle wieder in Kartum ein, nachdem sie bis zum 12° u. Br. im Lande der Schelluks vorgedrungen waren. Diese Fahrt sollte bloß als eine Probefahrt gelten. Das Betragen der Türken gegen die Schelluks war mehr als roh zu nennen; denn wo Viehheerden am Ufer weideten, ließen die türkischen Officiere zur Unterhaltung mit Kanonen hineinschießen. So floh, wo sich die Barken den Dörfern näherten, Alles. Die Soldaten plünderten nicht nur die Häuser, sondern sogar die Leichen im Grabe. Mehemed Ali hatte einige Monate früher einem Scheikh der Schelluks ein Kleid zum Geschenk gemacht. Als sich eines Tages die Expedition einer Insel näherte, sahen sie eine große Anzahl Schelluks versammelt, welche jedoch, sobald sie der Barken ansichtig wurden, sogleich in das Wasser sprangen und sich auf das Land flüchteten. Nur ein alter Mann, dessen Kräfte ihm nicht erlaubten, den andern zu folgen, blieb zurück, und von diesem erfuhr man, daß so eben der Scheikh, dem Mehemed Ali das Kleid zum Geschenk gemacht hatte, mit solchem angethan, begraben wurde. Die Soldaten, sobald sie dieses hörten, ließen sich das Grab zeigen, scharrten mit den Händen den Leichnam heraus und beraubten ihn der Kleider. Ein Officier, welcher das Tagebuch führte, bemerkte in solchem bloß, wie viele Stunden sie des Tags zurückgelegt haben, und als etwas besonders Merkwürdiges, daß in einer Nacht der Bediente eines Officiers, welcher am Ufer schlief, von einem Löwen aufgefressen wurde. Man kann hiernach schließen, worauf diese Menschen, denen eine solche äußerst delicate Aufgabe zur Ausführung übergeben wurde, ihr Augenmerk richten. Capitän Mohammed, obwohl aus keiner polytechnischen Schule hervorgegangen, hatte durch ein unermüdetes Selbststudium, unterstützt von natürlichen Anlagen, sich so viele praktische Kenntnisse erworben, daß man mit Recht etwas Gutes von ihm hätte er warten können; leider starb derselbe nach einer kurzen Krankheit,

Die von England projectirte Nigerexpedition.

Eine in den englischen Blättern auszugsweise mitgetheilte Correspondenz zwischen Lord J. Russel und den Lords der Schatzkammer gibt eine officielle, doch, wie natürlich, höchst oberflächliche Nachricht von diesem Unternehmen, das von größerem Belang ist, als man sich auf den ersten Anblick einbilden möchte, denn es handelt sich um nichts Geringeres, als das ganze westliche Hochland Afrika's südwärts von der Sahara und westwärts vom Niger mit einer Kette von Handels- und Militärposten zu umziehen und sich durch den Tschadda einen Weg ins Innere von Afrika und wo möglich bis an den Tschadsee zu bahnen. Daß ein solches Unternehmen andere Nationen vom Handel im Innern von Afrika ausschließen müßte, versteht sich denn wohl von selbst. Es sollen zu dem Ende vorerst drei eiserne Dampfboote ausgerüstet werden, welche den Nil hinauffahren und mit den verschiedenen Häuptlingen Verbindungen anknüpfen sollen. Der Vorwand ist wieder eine wirksamere Unterdrückung des Sklavenhandels, indem man die Waaren, gegen welche gewöhnlich die Sklaven eingetauscht werden, selbst auf die innern Märkte führt, und dadurch dem Anreiz zu Sklavenhandel und Sklavenjagden entgegenarbeiten will.

Der Plan, den man nicht offen ausspricht, der aber schon vor vier Jahren von Mac Gregor Laird vorgeschlagen wurde, dem bekannten Reisenden, der mit dem Quorra und der Alburkah in Begleitung Landers die Nigerfahrt machte, ist folgender. Es sollen fürs erste etwa sieben Handels- und Militärstationen angelegt werden, nämlich in der Nähe des ersten großen Marktplatzes am Niger, zweitens bei der Einmündung des Tschadda, drittens bei Rabbah, viertens bei Bussa, dann noch an zwei Punkten zwischen Bussa und Sego, und endlich an diesem letzten Orte. Von Sego müßte man dann einen bequemen Landweg nach der Westküste suchen.

Mac Gregor Laird schlug damals vor, Militärposten anzulegen und jeden mit einer Compagnie Afrikaner unter europäischen Officieren zu besetzen. Dieser Vorschlag wird jetzt um so mehr Beifall finden, als man auch in Cap Coast Castle die Zahl der europäischen Soldaten, die bei ihrem Branntweintrinken wie die Fliegen hinstarben und sehr kostspielig zu unterhalten waren, größtentheils mit Afrikanern ersetzt hat. Die Geschenke, welche die Expedition nach Russells Schreiben mitnehmen soll, deuten darauf hin, daß man eine feste Ansiedlung jedenfalls beabsichtigt. Es fragt sich indeß noch, ob diesem Unternehmen sich nicht ein bedeutendes Hinderniß entgegen setzen wird. Von der Nigermündung aufwärts bis zur Einmündung des Tschadda wird man auf keinen Widerstand stoßen, ja man würde die Engländer mit offenen Armen als Beschützer gegen die Felatahs aufnehmen. In Rabbah aber ändert sich das Verhältniß: hier herrschen die Felatahs, deren Vornehme sich bereits zum Islam bekehrt haben. Der Islam ist das Civilisationsprincip in diesem Theil Afrika's, und die arabischen Kaufleute genießen eines großen Ansehens. Diese würden durch die Engländer entschieden verdrängt, und somit würde sich verletztes Interesse und Religionsfanatismus gegen sie vereinigen. Bekanntlich breiten die Felatahs ihre Eroberungen und der Islam seine Macht allmählich den Niger abwärts aus, beide würden hier an den Engländern auf Widersacher stoßen, und da den letztern das Klima so sehr entgegen ist, möchten sie mehr Schwierigkeiten finden, als die Unternehmer sich vielleicht denken. (Ausland.)

Die Expedition auf dem weißen Nil.

Auf Befehl des Vicekönigs von Aegypten wurde gegen das Ende des Jahres 1838 zum Aufsuchen der Quellen des weißen Nils eine Expedition veranlaßt, welche jedoch leider eben so wenig, wie alle frühern Unternehmungen gleicher Art, zu einem erwünschten Resultat führte; denn abgesehen davon, daß Leute hiezu gewählt wurden, denen zwar der gute Wille nicht, außer diesem aber Alles fehlt, sind noch Hindernisse zu überwinden, die wenigstens für eine geraume Zeit sich nicht so leicht beseitigen lassen. Würden die Europäer früher auf ein solches Unternehmen gedacht, und mit Hülfe Mehemed Ali's, der seine hülfreiche Hand zu solchen Zwecken bereitwillig bietet, dasselbe ausgeführt haben, so könnte wahrscheinlich nunmehr ein großer Theil des Schleiers, der noch dicht über das Innere Afrika's gezogen ist, wenn nicht gehoben, doch gelüftet seyn.

Die erwähnte Expedition bestand aus drei Barken, jede von einem türkischen Officier befehligt und mit 30 Soldaten bemannt, mit zwei Kanonen; außerdem wurde Capitän Mohammed, ein Renegat (ein Deutscher von Geburt), beauftragt, die Karte vom Laufe des Nils zu entwerfen, während ein Franzose als Pilote – jedoch bloß dem Namen nach – dieser Expedition beigegeben war. Allein schon im April des Jahres 1839 trafen Alle wieder in Kartum ein, nachdem sie bis zum 12° u. Br. im Lande der Schelluks vorgedrungen waren. Diese Fahrt sollte bloß als eine Probefahrt gelten. Das Betragen der Türken gegen die Schelluks war mehr als roh zu nennen; denn wo Viehheerden am Ufer weideten, ließen die türkischen Officiere zur Unterhaltung mit Kanonen hineinschießen. So floh, wo sich die Barken den Dörfern näherten, Alles. Die Soldaten plünderten nicht nur die Häuser, sondern sogar die Leichen im Grabe. Mehemed Ali hatte einige Monate früher einem Scheikh der Schelluks ein Kleid zum Geschenk gemacht. Als sich eines Tages die Expedition einer Insel näherte, sahen sie eine große Anzahl Schelluks versammelt, welche jedoch, sobald sie der Barken ansichtig wurden, sogleich in das Wasser sprangen und sich auf das Land flüchteten. Nur ein alter Mann, dessen Kräfte ihm nicht erlaubten, den andern zu folgen, blieb zurück, und von diesem erfuhr man, daß so eben der Scheikh, dem Mehemed Ali das Kleid zum Geschenk gemacht hatte, mit solchem angethan, begraben wurde. Die Soldaten, sobald sie dieses hörten, ließen sich das Grab zeigen, scharrten mit den Händen den Leichnam heraus und beraubten ihn der Kleider. Ein Officier, welcher das Tagebuch führte, bemerkte in solchem bloß, wie viele Stunden sie des Tags zurückgelegt haben, und als etwas besonders Merkwürdiges, daß in einer Nacht der Bediente eines Officiers, welcher am Ufer schlief, von einem Löwen aufgefressen wurde. Man kann hiernach schließen, worauf diese Menschen, denen eine solche äußerst delicate Aufgabe zur Ausführung übergeben wurde, ihr Augenmerk richten. Capitän Mohammed, obwohl aus keiner polytechnischen Schule hervorgegangen, hatte durch ein unermüdetes Selbststudium, unterstützt von natürlichen Anlagen, sich so viele praktische Kenntnisse erworben, daß man mit Recht etwas Gutes von ihm hätte er warten können; leider starb derselbe nach einer kurzen Krankheit,

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[0497/0008] Die von England projectirte Nigerexpedition. Eine in den englischen Blättern auszugsweise mitgetheilte Correspondenz zwischen Lord J. Russel und den Lords der Schatzkammer gibt eine officielle, doch, wie natürlich, höchst oberflächliche Nachricht von diesem Unternehmen, das von größerem Belang ist, als man sich auf den ersten Anblick einbilden möchte, denn es handelt sich um nichts Geringeres, als das ganze westliche Hochland Afrika's südwärts von der Sahara und westwärts vom Niger mit einer Kette von Handels- und Militärposten zu umziehen und sich durch den Tschadda einen Weg ins Innere von Afrika und wo möglich bis an den Tschadsee zu bahnen. Daß ein solches Unternehmen andere Nationen vom Handel im Innern von Afrika ausschließen müßte, versteht sich denn wohl von selbst. Es sollen zu dem Ende vorerst drei eiserne Dampfboote ausgerüstet werden, welche den Nil hinauffahren und mit den verschiedenen Häuptlingen Verbindungen anknüpfen sollen. Der Vorwand ist wieder eine wirksamere Unterdrückung des Sklavenhandels, indem man die Waaren, gegen welche gewöhnlich die Sklaven eingetauscht werden, selbst auf die innern Märkte führt, und dadurch dem Anreiz zu Sklavenhandel und Sklavenjagden entgegenarbeiten will. Der Plan, den man nicht offen ausspricht, der aber schon vor vier Jahren von Mac Gregor Laird vorgeschlagen wurde, dem bekannten Reisenden, der mit dem Quorra und der Alburkah in Begleitung Landers die Nigerfahrt machte, ist folgender. Es sollen fürs erste etwa sieben Handels- und Militärstationen angelegt werden, nämlich in der Nähe des ersten großen Marktplatzes am Niger, zweitens bei der Einmündung des Tschadda, drittens bei Rabbah, viertens bei Bussa, dann noch an zwei Punkten zwischen Bussa und Sego, und endlich an diesem letzten Orte. Von Sego müßte man dann einen bequemen Landweg nach der Westküste suchen. Mac Gregor Laird schlug damals vor, Militärposten anzulegen und jeden mit einer Compagnie Afrikaner unter europäischen Officieren zu besetzen. Dieser Vorschlag wird jetzt um so mehr Beifall finden, als man auch in Cap Coast Castle die Zahl der europäischen Soldaten, die bei ihrem Branntweintrinken wie die Fliegen hinstarben und sehr kostspielig zu unterhalten waren, größtentheils mit Afrikanern ersetzt hat. Die Geschenke, welche die Expedition nach Russells Schreiben mitnehmen soll, deuten darauf hin, daß man eine feste Ansiedlung jedenfalls beabsichtigt. Es fragt sich indeß noch, ob diesem Unternehmen sich nicht ein bedeutendes Hinderniß entgegen setzen wird. Von der Nigermündung aufwärts bis zur Einmündung des Tschadda wird man auf keinen Widerstand stoßen, ja man würde die Engländer mit offenen Armen als Beschützer gegen die Felatahs aufnehmen. In Rabbah aber ändert sich das Verhältniß: hier herrschen die Felatahs, deren Vornehme sich bereits zum Islam bekehrt haben. Der Islam ist das Civilisationsprincip in diesem Theil Afrika's, und die arabischen Kaufleute genießen eines großen Ansehens. Diese würden durch die Engländer entschieden verdrängt, und somit würde sich verletztes Interesse und Religionsfanatismus gegen sie vereinigen. Bekanntlich breiten die Felatahs ihre Eroberungen und der Islam seine Macht allmählich den Niger abwärts aus, beide würden hier an den Engländern auf Widersacher stoßen, und da den letztern das Klima so sehr entgegen ist, möchten sie mehr Schwierigkeiten finden, als die Unternehmer sich vielleicht denken. (Ausland.) Die Expedition auf dem weißen Nil. _ Kairo, Anfangs Januar. Auf Befehl des Vicekönigs von Aegypten wurde gegen das Ende des Jahres 1838 zum Aufsuchen der Quellen des weißen Nils eine Expedition veranlaßt, welche jedoch leider eben so wenig, wie alle frühern Unternehmungen gleicher Art, zu einem erwünschten Resultat führte; denn abgesehen davon, daß Leute hiezu gewählt wurden, denen zwar der gute Wille nicht, außer diesem aber Alles fehlt, sind noch Hindernisse zu überwinden, die wenigstens für eine geraume Zeit sich nicht so leicht beseitigen lassen. Würden die Europäer früher auf ein solches Unternehmen gedacht, und mit Hülfe Mehemed Ali's, der seine hülfreiche Hand zu solchen Zwecken bereitwillig bietet, dasselbe ausgeführt haben, so könnte wahrscheinlich nunmehr ein großer Theil des Schleiers, der noch dicht über das Innere Afrika's gezogen ist, wenn nicht gehoben, doch gelüftet seyn. Die erwähnte Expedition bestand aus drei Barken, jede von einem türkischen Officier befehligt und mit 30 Soldaten bemannt, mit zwei Kanonen; außerdem wurde Capitän Mohammed, ein Renegat (ein Deutscher von Geburt), beauftragt, die Karte vom Laufe des Nils zu entwerfen, während ein Franzose als Pilote – jedoch bloß dem Namen nach – dieser Expedition beigegeben war. Allein schon im April des Jahres 1839 trafen Alle wieder in Kartum ein, nachdem sie bis zum 12° u. Br. im Lande der Schelluks vorgedrungen waren. Diese Fahrt sollte bloß als eine Probefahrt gelten. Das Betragen der Türken gegen die Schelluks war mehr als roh zu nennen; denn wo Viehheerden am Ufer weideten, ließen die türkischen Officiere zur Unterhaltung mit Kanonen hineinschießen. So floh, wo sich die Barken den Dörfern näherten, Alles. Die Soldaten plünderten nicht nur die Häuser, sondern sogar die Leichen im Grabe. Mehemed Ali hatte einige Monate früher einem Scheikh der Schelluks ein Kleid zum Geschenk gemacht. Als sich eines Tages die Expedition einer Insel näherte, sahen sie eine große Anzahl Schelluks versammelt, welche jedoch, sobald sie der Barken ansichtig wurden, sogleich in das Wasser sprangen und sich auf das Land flüchteten. Nur ein alter Mann, dessen Kräfte ihm nicht erlaubten, den andern zu folgen, blieb zurück, und von diesem erfuhr man, daß so eben der Scheikh, dem Mehemed Ali das Kleid zum Geschenk gemacht hatte, mit solchem angethan, begraben wurde. Die Soldaten, sobald sie dieses hörten, ließen sich das Grab zeigen, scharrten mit den Händen den Leichnam heraus und beraubten ihn der Kleider. Ein Officier, welcher das Tagebuch führte, bemerkte in solchem bloß, wie viele Stunden sie des Tags zurückgelegt haben, und als etwas besonders Merkwürdiges, daß in einer Nacht der Bediente eines Officiers, welcher am Ufer schlief, von einem Löwen aufgefressen wurde. Man kann hiernach schließen, worauf diese Menschen, denen eine solche äußerst delicate Aufgabe zur Ausführung übergeben wurde, ihr Augenmerk richten. Capitän Mohammed, obwohl aus keiner polytechnischen Schule hervorgegangen, hatte durch ein unermüdetes Selbststudium, unterstützt von natürlichen Anlagen, sich so viele praktische Kenntnisse erworben, daß man mit Recht etwas Gutes von ihm hätte er warten können; leider starb derselbe nach einer kurzen Krankheit,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 63. Augsburg, 3. März 1840, S. 0497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_063_18400303/8>, abgerufen am 19.04.2024.