Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg, 8. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

angestellten Beobachtungen berechtigen mich zu dem Schlusse, daß ein förmliches Complott organisirt war, dessen Zweck dahin ging, Toreno, Mon und einige andere Deputirte zu ermorden, und dann vermittelst des Ayuntamiento's und eines Theils der Nationalgarde der Königin zu erklären, daß man die Ruhe nicht wiederherstellen könne, falls sie nicht ein Ministerium aus reinen Progressisten bilde, und die Cortes auflöse. - Indem ich so eben (8 Uhr Abends) meine Wohnung verließ, fand ich alle Straßen verödet und die Häuser verschlossen. Auf der Puerta del Sol hält der General-Capitän mit einer Schwadron Cuirassiere. - Bei Eröffnung der heutigen Sitzung des Congresses erklärte der Präsident, er habe alle Anstalten zur persönlichen Sicherheit der Deputirten getroffen, und die Regierung habe ihn dabei unterstützt. Man discutirte darauf die Gültigkeit der Wahlen von Oviedo, wobei es denn an heftigen gegenseitigen Beschuldigungen, an denen die HH. Pidal, Caballero, San Miguel und Lopez Theil nahmen, nicht fehlte. Als draußen der Lärmen entstand, erklärte der Präsident die Sitzung für suspendirt; die Deputirten aber wurden durch den Minister des Innern aufgefordert, ihre Bänke nicht zu verlassen, damit ganz Europa sehe, daß sie sich nicht vor Meuchelmördern fürchteten. Der Graf v. Toreno befragte den Justizminister, welche Maaßregeln zur Sicherheit des Congresses er getroffen habe. Dieser erwiederte, er hätte die bewaffnete Macht zur Verfügung des Präsidenten gestellt, von dessen Gutdünken es nun abhänge, davon Gebrauch zu machen. Die Minister seyen bereit, mit den Deputirten auf ihren Bänken die Dolche der Meuchelmörder zu erwarten. Der Präsident erklärte, er habe den Nationalmilizen befohlen, den Platz vor dem Congreß frei zu halten. Der Graf Toreno wies die Minister darauf hin, daß jetzt der Augenblick gekommen sey, um Kraft und Festigkeit zu entwickeln; man höre das aufrührerische Geschrei, ohne daß er die Mittel gewahr werde, um es zu unterdrücken. Darauf beschwerte sich Hr. Olozaga, daß die Regierung Truppen in der Nähe des Congresses aufgestellt habe, ohne das Ayuntamiento davon zu benachrichtigen; die Regierung zeige Mißtrauen gegen die Nationalmiliz. "Ich wünsche, sagte er, daß man die Truppen zurückziehe, alsdann werde ich allein hinausgehen und die Ruhe herstellen." Sogleich erscholl Beifallklatschen auf der Volksgalerie, in dessen Folge man dort einige Personen festnahm. Endlich erklärte man die Sitzung für geheim, und die Deputirten verließen nach und nach das Haus.

Vormittags. Als gestern Nachmittags die Volksmenge hinter dem Wagen Toreno's herlief und das aufrührerische Geschrei nicht einstellen wollte, ließ der Generalcapitän die Lanciers chargiren, wobei einer der Schreier, Officier der Nationalmiliz, das Leben verlor. Ein Miliciano schoß darauf auf den Generalcapitän, jedoch ohne ihn zu treffen. Die Truppen blieben auf der Puerta del Sol und beim königlichen Palast aufgestellt. Madrid wurde in Belagerungszustand erklärt. Das Ayuntamiento hielt während der Nacht eine außerordentliche Sitzung; der Generalcapitän suspendirte sie aber, und untersagte alle ferneren Versammlungen während des Belagerungszustandes. In Folge desselben steht die Nationalmiliz unter den ausschließlichen Befehlen des Generalcapitäns, und darf sich ohne diese nicht versammeln. Der Senat und der Congreß haben den vernünftigen Beschluß gefaßt, ihre Sitzungen auf einige Tage einzustellen. Bemerkenswerth ist, daß die Aufrührer vor dem Congresse gestern auch den Ausruf: es lebe Espartero! unter ihr Geschrei mischten, als ob der Feldherr sich dadurch geschmeichelt fühlen würde! Das "Eco" fordert heute lauter als je zum Aufruhr auf, indessen scheint beim Abgang der Post (3 Uhr Nachmittag) Alles ruhig zu seyn, obgleich die Puerta del Sol von zahllosem Gesindel angefüllt ist.

(Moniteur.) Telegraphische Depeschen. I. Bayonne, 2 März. (Von dem Generalcommandanten.) Ich erhalte diesen Augenblick die officielle Nachricht, daß sich Segura auf Discretion ergeben hat. Man hat beinahe 500 Gefangene gemacht. II. Bayonne, 2 März. (Von dem Unterpräfecten.) Die Uebergabe von Segura bestätigt sich officiell; 274 Gefangene, sechs Kanonen, Kriegsmunition und eine große Menge Lebensmittel sind in der Gewalt Espartero's. Madrid war am 27 ruhig. Der Belagerungszustand dauerte fort. III. Bayonne, 2 März. Die Ruhe war in Madrid am 26 völlig hergestellt. General Balboa war mit seiner Division dort eingerückt. Der politische Chef und der Militärgouverneur wurden abgesetzt. Das Ayuntamiento ward aufgefordert, seine Sitzungen während des Belagerungsstandes zu suspendiren.

Großbritannien.

Am 28 Abends beehrten die Königin und Prinz Albert auch das Coventgarden-Theater mit einem Besuch in großem Cortege. Der Zudrang des Publicums war gleich groß, wie einige Tage zuvor im Drurylane, und der Empfang nicht minder enthusiastisch. Als der Vorhang aufging, stand das ganze Schauspielerpersonal auf der Bühne, und stimmte die Nationalhymne an, in die eine Strophe zu Ehren des Prinzen eingelegt war. Dann folgte die letzte Scene: - der "Stern Braunschweigs" - aus der unlängst beschriebenen Gelegenheits-Pantomime "die glückseligen Inseln." Hierauf wurde Knowles' neues Drama "die Liebe", und zum Schluß, da die junge Königin gern lacht, eine Posse: "Patter and Clatter (Platschen und Klatschen)" gegeben, worin sich der Komiker Mathews der jüngere auszeichnete. Victoria war in Halbtrauer, der Prinz in Marschallsuniform. "Rule Britannia" mußte zweimal gesungen werden.

(M. Post.) Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg fuhr am 28 Febr. Nachmittags aus dem Buckinghampalast in einem vierspännigen Hofwagen nach Woolwich ab, um sich nach dem Continent einzuschiffen. Se. Durchl. wurde von Obrist Wemyß, Stallmeister Ihrer Maj. und Lieutenant Seymour, Kammerjunker des Prinzen Albert, bis an den Einschiffungspunkt begleitet; das Gefolge des Herzogs bestand aus dem Grafen Kolowrath, dem Baron Alvensleben und Baron v. Pöllnitz. In den letzten Tagen war Se. Durchl. noch einigemal dem Hofmaler Hrn. Hayter für das große Vermählungstableau gesessen.

Das Deportationsschiff Mandarin, an dessen Bord Frost, Jones und Williams sich befinden, wurde durch einen Sturm, worin es einige seiner Stängen (top-masts) verlor, genöthigt, in den Hafen von Falmouth einzulaufen. Die drei Chartisten bewohnen, von den übrigen Verurtheilten getrennt, eine reinliche, mit allen Bedürfnissen wohlausgestattete Cajüte, tragen zwar die Kleidung der Sträflinge, sind aber nicht gefesselt. Frost zeigt sich fortwährend sehr niedergeschlagen, seine Gefährten aber sind gefaßten Muthes. - Die Assisen von Newcastle am Tyne haben die daselbst in Haft befindlichen Chartisten, O'Brien und seine Genossen, sämmtlich wegen Aufruhrs u. s. w. in Anklagestand erklärt (true bills of indictment gegen sie gefunden). Einer, der gegen Bürgschaft auf freiem Fuß den Assisen entgegenharrte, ein gewisser Dwyr, ist nach Amerika abgesegelt. Die Assisenverhandlungen sollen nächster Tage eröffnet werden.

angestellten Beobachtungen berechtigen mich zu dem Schlusse, daß ein förmliches Complott organisirt war, dessen Zweck dahin ging, Toreno, Mon und einige andere Deputirte zu ermorden, und dann vermittelst des Ayuntamiento's und eines Theils der Nationalgarde der Königin zu erklären, daß man die Ruhe nicht wiederherstellen könne, falls sie nicht ein Ministerium aus reinen Progressisten bilde, und die Cortes auflöse. – Indem ich so eben (8 Uhr Abends) meine Wohnung verließ, fand ich alle Straßen verödet und die Häuser verschlossen. Auf der Puerta del Sol hält der General-Capitän mit einer Schwadron Cuirassiere. – Bei Eröffnung der heutigen Sitzung des Congresses erklärte der Präsident, er habe alle Anstalten zur persönlichen Sicherheit der Deputirten getroffen, und die Regierung habe ihn dabei unterstützt. Man discutirte darauf die Gültigkeit der Wahlen von Oviedo, wobei es denn an heftigen gegenseitigen Beschuldigungen, an denen die HH. Pidal, Caballero, San Miguel und Lopez Theil nahmen, nicht fehlte. Als draußen der Lärmen entstand, erklärte der Präsident die Sitzung für suspendirt; die Deputirten aber wurden durch den Minister des Innern aufgefordert, ihre Bänke nicht zu verlassen, damit ganz Europa sehe, daß sie sich nicht vor Meuchelmördern fürchteten. Der Graf v. Toreno befragte den Justizminister, welche Maaßregeln zur Sicherheit des Congresses er getroffen habe. Dieser erwiederte, er hätte die bewaffnete Macht zur Verfügung des Präsidenten gestellt, von dessen Gutdünken es nun abhänge, davon Gebrauch zu machen. Die Minister seyen bereit, mit den Deputirten auf ihren Bänken die Dolche der Meuchelmörder zu erwarten. Der Präsident erklärte, er habe den Nationalmilizen befohlen, den Platz vor dem Congreß frei zu halten. Der Graf Toreno wies die Minister darauf hin, daß jetzt der Augenblick gekommen sey, um Kraft und Festigkeit zu entwickeln; man höre das aufrührerische Geschrei, ohne daß er die Mittel gewahr werde, um es zu unterdrücken. Darauf beschwerte sich Hr. Olozaga, daß die Regierung Truppen in der Nähe des Congresses aufgestellt habe, ohne das Ayuntamiento davon zu benachrichtigen; die Regierung zeige Mißtrauen gegen die Nationalmiliz. „Ich wünsche, sagte er, daß man die Truppen zurückziehe, alsdann werde ich allein hinausgehen und die Ruhe herstellen.“ Sogleich erscholl Beifallklatschen auf der Volksgalerie, in dessen Folge man dort einige Personen festnahm. Endlich erklärte man die Sitzung für geheim, und die Deputirten verließen nach und nach das Haus.

Vormittags. Als gestern Nachmittags die Volksmenge hinter dem Wagen Toreno's herlief und das aufrührerische Geschrei nicht einstellen wollte, ließ der Generalcapitän die Lanciers chargiren, wobei einer der Schreier, Officier der Nationalmiliz, das Leben verlor. Ein Miliciano schoß darauf auf den Generalcapitän, jedoch ohne ihn zu treffen. Die Truppen blieben auf der Puerta del Sol und beim königlichen Palast aufgestellt. Madrid wurde in Belagerungszustand erklärt. Das Ayuntamiento hielt während der Nacht eine außerordentliche Sitzung; der Generalcapitän suspendirte sie aber, und untersagte alle ferneren Versammlungen während des Belagerungszustandes. In Folge desselben steht die Nationalmiliz unter den ausschließlichen Befehlen des Generalcapitäns, und darf sich ohne diese nicht versammeln. Der Senat und der Congreß haben den vernünftigen Beschluß gefaßt, ihre Sitzungen auf einige Tage einzustellen. Bemerkenswerth ist, daß die Aufrührer vor dem Congresse gestern auch den Ausruf: es lebe Espartero! unter ihr Geschrei mischten, als ob der Feldherr sich dadurch geschmeichelt fühlen würde! Das „Eco“ fordert heute lauter als je zum Aufruhr auf, indessen scheint beim Abgang der Post (3 Uhr Nachmittag) Alles ruhig zu seyn, obgleich die Puerta del Sol von zahllosem Gesindel angefüllt ist.

(Moniteur.) Telegraphische Depeschen. I. Bayonne, 2 März. (Von dem Generalcommandanten.) Ich erhalte diesen Augenblick die officielle Nachricht, daß sich Segura auf Discretion ergeben hat. Man hat beinahe 500 Gefangene gemacht. II. Bayonne, 2 März. (Von dem Unterpräfecten.) Die Uebergabe von Segura bestätigt sich officiell; 274 Gefangene, sechs Kanonen, Kriegsmunition und eine große Menge Lebensmittel sind in der Gewalt Espartero's. Madrid war am 27 ruhig. Der Belagerungszustand dauerte fort. III. Bayonne, 2 März. Die Ruhe war in Madrid am 26 völlig hergestellt. General Balboa war mit seiner Division dort eingerückt. Der politische Chef und der Militärgouverneur wurden abgesetzt. Das Ayuntamiento ward aufgefordert, seine Sitzungen während des Belagerungsstandes zu suspendiren.

Großbritannien.

Am 28 Abends beehrten die Königin und Prinz Albert auch das Coventgarden-Theater mit einem Besuch in großem Cortege. Der Zudrang des Publicums war gleich groß, wie einige Tage zuvor im Drurylane, und der Empfang nicht minder enthusiastisch. Als der Vorhang aufging, stand das ganze Schauspielerpersonal auf der Bühne, und stimmte die Nationalhymne an, in die eine Strophe zu Ehren des Prinzen eingelegt war. Dann folgte die letzte Scene: – der „Stern Braunschweigs“ – aus der unlängst beschriebenen Gelegenheits-Pantomime „die glückseligen Inseln.“ Hierauf wurde Knowles' neues Drama „die Liebe“, und zum Schluß, da die junge Königin gern lacht, eine Posse: „Patter and Clatter (Platschen und Klatschen)“ gegeben, worin sich der Komiker Mathews der jüngere auszeichnete. Victoria war in Halbtrauer, der Prinz in Marschallsuniform. „Rule Britannia“ mußte zweimal gesungen werden.

(M. Post.) Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg fuhr am 28 Febr. Nachmittags aus dem Buckinghampalast in einem vierspännigen Hofwagen nach Woolwich ab, um sich nach dem Continent einzuschiffen. Se. Durchl. wurde von Obrist Wemyß, Stallmeister Ihrer Maj. und Lieutenant Seymour, Kammerjunker des Prinzen Albert, bis an den Einschiffungspunkt begleitet; das Gefolge des Herzogs bestand aus dem Grafen Kolowrath, dem Baron Alvensleben und Baron v. Pöllnitz. In den letzten Tagen war Se. Durchl. noch einigemal dem Hofmaler Hrn. Hayter für das große Vermählungstableau gesessen.

Das Deportationsschiff Mandarin, an dessen Bord Frost, Jones und Williams sich befinden, wurde durch einen Sturm, worin es einige seiner Stängen (top-masts) verlor, genöthigt, in den Hafen von Falmouth einzulaufen. Die drei Chartisten bewohnen, von den übrigen Verurtheilten getrennt, eine reinliche, mit allen Bedürfnissen wohlausgestattete Cajüte, tragen zwar die Kleidung der Sträflinge, sind aber nicht gefesselt. Frost zeigt sich fortwährend sehr niedergeschlagen, seine Gefährten aber sind gefaßten Muthes. – Die Assisen von Newcastle am Tyne haben die daselbst in Haft befindlichen Chartisten, O'Brien und seine Genossen, sämmtlich wegen Aufruhrs u. s. w. in Anklagestand erklärt (true bills of indictment gegen sie gefunden). Einer, der gegen Bürgschaft auf freiem Fuß den Assisen entgegenharrte, ein gewisser Dwyr, ist nach Amerika abgesegelt. Die Assisenverhandlungen sollen nächster Tage eröffnet werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0002" n="0538"/>
angestellten Beobachtungen berechtigen mich zu dem Schlusse, daß ein förmliches Complott organisirt war, dessen Zweck dahin ging, Toreno, Mon und einige andere Deputirte zu ermorden, und dann vermittelst des Ayuntamiento's und eines Theils der Nationalgarde der Königin zu erklären, daß man die Ruhe nicht wiederherstellen könne, falls sie nicht ein Ministerium aus reinen Progressisten bilde, und die Cortes auflöse. &#x2013; Indem ich so eben (8 Uhr Abends) meine Wohnung verließ, fand ich alle Straßen verödet und die Häuser verschlossen. Auf der Puerta del Sol hält der General-Capitän mit einer Schwadron Cuirassiere. &#x2013; Bei Eröffnung der heutigen Sitzung des Congresses erklärte der Präsident, er habe alle Anstalten zur persönlichen Sicherheit der Deputirten getroffen, und die Regierung habe ihn dabei unterstützt. Man discutirte darauf die Gültigkeit der Wahlen von Oviedo, wobei es denn an heftigen gegenseitigen Beschuldigungen, an denen die HH. Pidal, Caballero, San Miguel und Lopez Theil nahmen, nicht fehlte. Als draußen der Lärmen entstand, erklärte der Präsident die Sitzung für suspendirt; die Deputirten aber wurden durch den Minister des Innern aufgefordert, ihre Bänke nicht zu verlassen, damit ganz Europa sehe, daß sie sich nicht vor Meuchelmördern fürchteten. Der Graf v. Toreno befragte den Justizminister, welche Maaßregeln zur Sicherheit des Congresses er getroffen habe. Dieser erwiederte, er hätte die bewaffnete Macht zur Verfügung des Präsidenten gestellt, von dessen Gutdünken es nun abhänge, davon Gebrauch zu machen. Die Minister seyen bereit, mit den Deputirten auf ihren Bänken die Dolche der Meuchelmörder zu erwarten. Der Präsident erklärte, er habe den Nationalmilizen befohlen, den Platz vor dem Congreß frei zu halten. Der Graf Toreno wies die Minister darauf hin, daß jetzt der Augenblick gekommen sey, um Kraft und Festigkeit zu entwickeln; man höre das aufrührerische Geschrei, ohne daß er die Mittel gewahr werde, um es zu unterdrücken. Darauf beschwerte sich Hr. Olozaga, daß die Regierung Truppen in der Nähe des Congresses aufgestellt habe, ohne das Ayuntamiento davon zu benachrichtigen; die Regierung zeige Mißtrauen gegen die Nationalmiliz. &#x201E;Ich wünsche, sagte er, daß man die Truppen zurückziehe, alsdann werde ich allein hinausgehen und die Ruhe herstellen.&#x201C; Sogleich erscholl Beifallklatschen auf der Volksgalerie, in dessen Folge man dort einige Personen festnahm. Endlich erklärte man die Sitzung für geheim, und die Deputirten verließen nach und nach das Haus.</p>
        </div><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>&#x2609;</docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Madrid,</hi> 25 Febr.</dateline>
          <p><hi rendition="#g">Vormittags</hi>. Als gestern Nachmittags die Volksmenge hinter dem Wagen Toreno's herlief und das aufrührerische Geschrei nicht einstellen wollte, ließ der Generalcapitän die Lanciers chargiren, wobei einer der Schreier, Officier der Nationalmiliz, das Leben verlor. Ein Miliciano schoß darauf auf den Generalcapitän, jedoch ohne ihn zu treffen. Die Truppen blieben auf der Puerta del Sol und beim königlichen Palast aufgestellt. Madrid wurde in Belagerungszustand erklärt. Das Ayuntamiento hielt während der Nacht eine außerordentliche Sitzung; der Generalcapitän suspendirte sie aber, und untersagte alle ferneren Versammlungen während des Belagerungszustandes. In Folge desselben steht die Nationalmiliz unter den ausschließlichen Befehlen des Generalcapitäns, und darf sich ohne diese nicht versammeln. Der Senat und der Congreß haben den vernünftigen Beschluß gefaßt, ihre Sitzungen auf einige Tage einzustellen. Bemerkenswerth ist, daß die Aufrührer vor dem Congresse gestern auch den Ausruf: es lebe Espartero! unter ihr Geschrei mischten, als ob der Feldherr sich dadurch geschmeichelt fühlen würde! Das &#x201E;Eco&#x201C; fordert heute lauter als je zum Aufruhr auf, indessen scheint beim Abgang der Post (3 Uhr Nachmittag) Alles ruhig zu seyn, obgleich die Puerta del Sol von zahllosem Gesindel angefüllt ist.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Moniteur</hi>.) Telegraphische Depeschen. I. <hi rendition="#b">Bayonne,</hi> 2 März. (Von dem Generalcommandanten.) Ich erhalte diesen Augenblick die officielle Nachricht, daß sich Segura auf Discretion ergeben hat. Man hat beinahe 500 Gefangene gemacht. II. <hi rendition="#b">Bayonne,</hi> 2 März. (Von dem Unterpräfecten.) Die Uebergabe von Segura bestätigt sich officiell; 274 Gefangene, sechs Kanonen, Kriegsmunition und eine große Menge Lebensmittel sind in der Gewalt Espartero's. Madrid war am 27 ruhig. Der Belagerungszustand dauerte fort. III. <hi rendition="#b">Bayonne,</hi> 2 März. Die Ruhe war in Madrid am 26 völlig hergestellt. General Balboa war mit seiner Division dort eingerückt. Der politische Chef und der Militärgouverneur wurden abgesetzt. Das Ayuntamiento ward aufgefordert, seine Sitzungen während des Belagerungsstandes zu suspendiren.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Großbritannien.</hi> </head><lb/>
        <p>Am 28 Abends beehrten die Königin und Prinz Albert auch das Coventgarden-Theater mit einem Besuch in großem Cortege. Der Zudrang des Publicums war gleich groß, wie einige Tage zuvor im Drurylane, und der Empfang nicht minder enthusiastisch. Als der Vorhang aufging, stand das ganze Schauspielerpersonal auf der Bühne, und stimmte die Nationalhymne an, in die eine Strophe zu Ehren des Prinzen eingelegt war. Dann folgte die letzte Scene: &#x2013; der &#x201E;Stern Braunschweigs&#x201C; &#x2013; aus der unlängst beschriebenen Gelegenheits-Pantomime &#x201E;die glückseligen Inseln.&#x201C; Hierauf wurde Knowles' neues Drama &#x201E;die Liebe&#x201C;, und zum Schluß, da die junge Königin gern lacht, eine Posse: &#x201E;Patter and Clatter (Platschen und Klatschen)&#x201C; gegeben, worin sich der Komiker Mathews der jüngere auszeichnete. Victoria war in Halbtrauer, der Prinz in Marschallsuniform. &#x201E;Rule Britannia&#x201C; mußte zweimal gesungen werden.</p><lb/>
        <p>(M. <hi rendition="#g">Post</hi>.) Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg fuhr am 28 Febr. Nachmittags aus dem Buckinghampalast in einem vierspännigen Hofwagen nach Woolwich ab, um sich nach dem Continent einzuschiffen. Se. Durchl. wurde von Obrist Wemyß, Stallmeister Ihrer Maj. und Lieutenant Seymour, Kammerjunker des Prinzen Albert, bis an den Einschiffungspunkt begleitet; das Gefolge des Herzogs bestand aus dem Grafen Kolowrath, dem Baron Alvensleben und Baron v. Pöllnitz. In den letzten Tagen war Se. Durchl. noch einigemal dem Hofmaler Hrn. Hayter für das große Vermählungstableau gesessen.</p><lb/>
        <p>Das Deportationsschiff Mandarin, an dessen Bord Frost, Jones und Williams sich befinden, wurde durch einen Sturm, worin es einige seiner Stängen (top-masts) verlor, genöthigt, in den Hafen von Falmouth einzulaufen. Die drei Chartisten bewohnen, von den übrigen Verurtheilten getrennt, eine reinliche, mit allen Bedürfnissen wohlausgestattete Cajüte, tragen zwar die Kleidung der Sträflinge, sind aber nicht gefesselt. Frost zeigt sich fortwährend sehr niedergeschlagen, seine Gefährten aber sind gefaßten Muthes. &#x2013; Die Assisen von Newcastle am Tyne haben die daselbst in Haft befindlichen Chartisten, O'Brien und seine Genossen, sämmtlich wegen Aufruhrs u. s. w. in Anklagestand erklärt (true bills of indictment gegen sie gefunden). Einer, der gegen Bürgschaft auf freiem Fuß den Assisen entgegenharrte, ein gewisser Dwyr, ist nach Amerika abgesegelt. Die Assisenverhandlungen sollen nächster Tage eröffnet werden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0538/0002] angestellten Beobachtungen berechtigen mich zu dem Schlusse, daß ein förmliches Complott organisirt war, dessen Zweck dahin ging, Toreno, Mon und einige andere Deputirte zu ermorden, und dann vermittelst des Ayuntamiento's und eines Theils der Nationalgarde der Königin zu erklären, daß man die Ruhe nicht wiederherstellen könne, falls sie nicht ein Ministerium aus reinen Progressisten bilde, und die Cortes auflöse. – Indem ich so eben (8 Uhr Abends) meine Wohnung verließ, fand ich alle Straßen verödet und die Häuser verschlossen. Auf der Puerta del Sol hält der General-Capitän mit einer Schwadron Cuirassiere. – Bei Eröffnung der heutigen Sitzung des Congresses erklärte der Präsident, er habe alle Anstalten zur persönlichen Sicherheit der Deputirten getroffen, und die Regierung habe ihn dabei unterstützt. Man discutirte darauf die Gültigkeit der Wahlen von Oviedo, wobei es denn an heftigen gegenseitigen Beschuldigungen, an denen die HH. Pidal, Caballero, San Miguel und Lopez Theil nahmen, nicht fehlte. Als draußen der Lärmen entstand, erklärte der Präsident die Sitzung für suspendirt; die Deputirten aber wurden durch den Minister des Innern aufgefordert, ihre Bänke nicht zu verlassen, damit ganz Europa sehe, daß sie sich nicht vor Meuchelmördern fürchteten. Der Graf v. Toreno befragte den Justizminister, welche Maaßregeln zur Sicherheit des Congresses er getroffen habe. Dieser erwiederte, er hätte die bewaffnete Macht zur Verfügung des Präsidenten gestellt, von dessen Gutdünken es nun abhänge, davon Gebrauch zu machen. Die Minister seyen bereit, mit den Deputirten auf ihren Bänken die Dolche der Meuchelmörder zu erwarten. Der Präsident erklärte, er habe den Nationalmilizen befohlen, den Platz vor dem Congreß frei zu halten. Der Graf Toreno wies die Minister darauf hin, daß jetzt der Augenblick gekommen sey, um Kraft und Festigkeit zu entwickeln; man höre das aufrührerische Geschrei, ohne daß er die Mittel gewahr werde, um es zu unterdrücken. Darauf beschwerte sich Hr. Olozaga, daß die Regierung Truppen in der Nähe des Congresses aufgestellt habe, ohne das Ayuntamiento davon zu benachrichtigen; die Regierung zeige Mißtrauen gegen die Nationalmiliz. „Ich wünsche, sagte er, daß man die Truppen zurückziehe, alsdann werde ich allein hinausgehen und die Ruhe herstellen.“ Sogleich erscholl Beifallklatschen auf der Volksgalerie, in dessen Folge man dort einige Personen festnahm. Endlich erklärte man die Sitzung für geheim, und die Deputirten verließen nach und nach das Haus. ☉ Madrid, 25 Febr. Vormittags. Als gestern Nachmittags die Volksmenge hinter dem Wagen Toreno's herlief und das aufrührerische Geschrei nicht einstellen wollte, ließ der Generalcapitän die Lanciers chargiren, wobei einer der Schreier, Officier der Nationalmiliz, das Leben verlor. Ein Miliciano schoß darauf auf den Generalcapitän, jedoch ohne ihn zu treffen. Die Truppen blieben auf der Puerta del Sol und beim königlichen Palast aufgestellt. Madrid wurde in Belagerungszustand erklärt. Das Ayuntamiento hielt während der Nacht eine außerordentliche Sitzung; der Generalcapitän suspendirte sie aber, und untersagte alle ferneren Versammlungen während des Belagerungszustandes. In Folge desselben steht die Nationalmiliz unter den ausschließlichen Befehlen des Generalcapitäns, und darf sich ohne diese nicht versammeln. Der Senat und der Congreß haben den vernünftigen Beschluß gefaßt, ihre Sitzungen auf einige Tage einzustellen. Bemerkenswerth ist, daß die Aufrührer vor dem Congresse gestern auch den Ausruf: es lebe Espartero! unter ihr Geschrei mischten, als ob der Feldherr sich dadurch geschmeichelt fühlen würde! Das „Eco“ fordert heute lauter als je zum Aufruhr auf, indessen scheint beim Abgang der Post (3 Uhr Nachmittag) Alles ruhig zu seyn, obgleich die Puerta del Sol von zahllosem Gesindel angefüllt ist. (Moniteur.) Telegraphische Depeschen. I. Bayonne, 2 März. (Von dem Generalcommandanten.) Ich erhalte diesen Augenblick die officielle Nachricht, daß sich Segura auf Discretion ergeben hat. Man hat beinahe 500 Gefangene gemacht. II. Bayonne, 2 März. (Von dem Unterpräfecten.) Die Uebergabe von Segura bestätigt sich officiell; 274 Gefangene, sechs Kanonen, Kriegsmunition und eine große Menge Lebensmittel sind in der Gewalt Espartero's. Madrid war am 27 ruhig. Der Belagerungszustand dauerte fort. III. Bayonne, 2 März. Die Ruhe war in Madrid am 26 völlig hergestellt. General Balboa war mit seiner Division dort eingerückt. Der politische Chef und der Militärgouverneur wurden abgesetzt. Das Ayuntamiento ward aufgefordert, seine Sitzungen während des Belagerungsstandes zu suspendiren. Großbritannien. Am 28 Abends beehrten die Königin und Prinz Albert auch das Coventgarden-Theater mit einem Besuch in großem Cortege. Der Zudrang des Publicums war gleich groß, wie einige Tage zuvor im Drurylane, und der Empfang nicht minder enthusiastisch. Als der Vorhang aufging, stand das ganze Schauspielerpersonal auf der Bühne, und stimmte die Nationalhymne an, in die eine Strophe zu Ehren des Prinzen eingelegt war. Dann folgte die letzte Scene: – der „Stern Braunschweigs“ – aus der unlängst beschriebenen Gelegenheits-Pantomime „die glückseligen Inseln.“ Hierauf wurde Knowles' neues Drama „die Liebe“, und zum Schluß, da die junge Königin gern lacht, eine Posse: „Patter and Clatter (Platschen und Klatschen)“ gegeben, worin sich der Komiker Mathews der jüngere auszeichnete. Victoria war in Halbtrauer, der Prinz in Marschallsuniform. „Rule Britannia“ mußte zweimal gesungen werden. (M. Post.) Der regierende Herzog von Sachsen-Coburg fuhr am 28 Febr. Nachmittags aus dem Buckinghampalast in einem vierspännigen Hofwagen nach Woolwich ab, um sich nach dem Continent einzuschiffen. Se. Durchl. wurde von Obrist Wemyß, Stallmeister Ihrer Maj. und Lieutenant Seymour, Kammerjunker des Prinzen Albert, bis an den Einschiffungspunkt begleitet; das Gefolge des Herzogs bestand aus dem Grafen Kolowrath, dem Baron Alvensleben und Baron v. Pöllnitz. In den letzten Tagen war Se. Durchl. noch einigemal dem Hofmaler Hrn. Hayter für das große Vermählungstableau gesessen. Das Deportationsschiff Mandarin, an dessen Bord Frost, Jones und Williams sich befinden, wurde durch einen Sturm, worin es einige seiner Stängen (top-masts) verlor, genöthigt, in den Hafen von Falmouth einzulaufen. Die drei Chartisten bewohnen, von den übrigen Verurtheilten getrennt, eine reinliche, mit allen Bedürfnissen wohlausgestattete Cajüte, tragen zwar die Kleidung der Sträflinge, sind aber nicht gefesselt. Frost zeigt sich fortwährend sehr niedergeschlagen, seine Gefährten aber sind gefaßten Muthes. – Die Assisen von Newcastle am Tyne haben die daselbst in Haft befindlichen Chartisten, O'Brien und seine Genossen, sämmtlich wegen Aufruhrs u. s. w. in Anklagestand erklärt (true bills of indictment gegen sie gefunden). Einer, der gegen Bürgschaft auf freiem Fuß den Assisen entgegenharrte, ein gewisser Dwyr, ist nach Amerika abgesegelt. Die Assisenverhandlungen sollen nächster Tage eröffnet werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_068_18400308
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_068_18400308/2
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg, 8. März 1840, S. 0538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_068_18400308/2>, abgerufen am 29.04.2024.