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Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg, 8. März 1840.

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Fast eine eben so heftige Sprache führt die Presse, ein dem Hofe eifrigst ergebenes Blatt: "Ueber den Charakter der Politik des neuen Cabinets gibt uns das frühere Wirken des Hrn. Thiers als Minister Aufschluß. Man erinnert sich, durch welche Widersprüche, durch welche Unbesonnenheiten Hr. Thiers unserm Einfluß doppelt geschadet hat, indem er sich bald zum Diener Oesterreichs machte, wie in der Angelegenheit der politischen Flüchtlinge in der Schweiz, bald unsern Gesandten Instructionen schickte, welche unwürdig ihres Charakters und noch unwürdiger der französischen Loyalität waren, wie bei der berüchtigten Depesche hinsichtlich der Räumung Ancona's. Es sind dieß übrigens nicht die einzigen Fehler, welche Hr. Thiers während seiner kurzen Verwaltung begangen. Niemand hat vergessen, mit welcher strafbaren Heimlichkeit er eine Expedition nach Spanien vorbereitete, ohne weder seine Collegen, die er eines solchen Vertrauens nicht würdig achtete, noch selbst den König, dessen Namen er compromittirte, in das Geheimniß einzuweihen. Hr. Thiers hat als Premierminister den fremden Mächten, wie dem Lande sich verdächtig gemacht. Seitdem hat er sein Unrecht noch vermehrt durch seine revolutionären Allianzen. Er hat sich zum Heros eines directen, leidenschaftlichen Kampfes gegen die Krone gemacht. Wir haben gehört, wie Hr. Thiers sich eines Tags mit dem Widerwillen, welchen die auswärtigen Mächte wider seine Person hegten, brüstete; wie er eben wegen dieses Widerwillens das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten forderte, und wie die Linke zu solchen dünkelhaften Ausbrüchen, die sie einfältigerweise für Zeichen des Nationalgefühls hielt, Beifall rief. England allein darf sich bei dem Siege des Hrn. Thiers die Hände reiben; es ist die einzige Macht in Europa, die sich zu seiner Erhebung Glück wünscht. England gewinnt dadurch einen mächtigen Bundesgenossen gegen unsere Interessen." Der Courrier francais, der, wie erwähnt, dem neuen Cabinet ziemlich gewogen ist, urtheilt folgendermaßen über die einzelnen Mitglieder: "Hr. Cousin wird als Minister des öffentlichen Unterrichts auf ziemlich viel Vorurtheile stoßen trotz seines unbestreitbaren Talents. General Cubieres wird seine Ernennung durch klügere und billigere Maaßregeln rechtfertigen müssen als jene, welche er früher als interimistischer Kriegsminister, namentlich gegen den tapfern Obersten Francois genommen. Hr. Vivien ist ein heller Kopf, mit Leichtigkeit der Rede begabt; er genießt in der Kammer einer verdienten Achtung, und man kann ihm höchstens vorwerfen, daß er so plötzlich zu dem hohen Posten eines Siegelbewahrers erhoben worden. Hr. Gouin ist ein ehrenwerther, fleißiger Deputirter, der nur etwas mehr Festigkeit nöthig haben dürfte, um seine Aufgabe als Minister des Handels gut auszufüllen. Der Admiral Roussin ist vielleicht der einzige von unsern Seemännern, der mit der Erfahrung in seiner Profession auch die Einsicht in die Administrativ-Arbeiten verbindet; er bringt in das Cabinet das Ansehen eines Namens, der überall groß ist, nur nicht in der Diplomatie. Die Ernennung des Hrn. v. Remusat zum Minister des Innern und die des Hrn. Jaubert zum Minister der öffentlichen Arbeiten hat in der Kammer einige Verwunderung erzeugt. Die Doctrinärs sind politisch und numerisch eine allzu kleine Partei, um ihnen, selbst in einem Coalitionscabinet die Leitung der innern Angelegenheiten zu überlassen. Wenn man aber einmal diesen Fehler begehen mußte, so geben wir billigerweise zu, daß die Wahl des Hrn. v. Remusat weniger Inconvenienzen als die jedes andern Doctrinärs hatte, und daß er in seiner Partei der Mann ist, dessen Meinungen denen unserer Freunde sich am meisten nähern. Hr. v. Remusat hat die Coalition nie verläugnet, sondern billigt noch heute all' ihre Folgen, und dieß hat er durch die Ernennung des Hrn. Malleville zum Unterstaatssecretär hinreichend bewiesen. Was Hrn. v. Jaubert anbelangt, so halten wir ihn, ungeachtet der Verschiedenheit unserer Meinungen, für einen zur Leitung der öffentlichen Arbeiten ganz tüchtigen Mann. Er hat überdieß in unsern Augen noch ein ganz besonderes Verdienst: er ist ein Gegner der Unterstützungsgelder für die Presse, und sein Eintritt in das Cabinet garantirt uns deren Unterdrückung."

Man zählt jetzt 22 Journale der Departemente, welche Subscriptionen in ihren Bureaux zu der Medaille für Hrn. v. Cormenin eröffnet haben. Die Summe der Subscriptionen bei dem National betrug am 2 März 2186 Fr. 95 C.

Auf dem Musard'schen Maskenball vom 1 März erschienen drei junge Leute in Hofkleidern bedeckt mit Bankbillets und Eigenthumsurkunden. Sie trugen am Hals einen Zettel mit der Aufschrift: "La charite s'il vous plait!" Diese drei Masken wurden von den Stadtsergenten festgenommen und nach dem Gefängniß des Corps-de-Garde abgeführt. Das heutige Charivari meldet, die Verhafteten seyen seine Setzer und das Blatt könne deßhalb am Aschermittwoch nicht erscheinen.

(Revue des deux Mondes.) Unsere Allianz mit England ist, was man auch immer sagen mag, ohne gerade gebrochen zu seyn, bedeutend geschwächt. Wir sind zwar verbündet, aber in Bezug auf eine argwöhnische Hauptfrage von höchster Bedeutung haben wir nicht denselben Gesichtspunkt, dasselbe Ziel vor Augen; wir sind Verbündete, die ohne demselben Ziele zuzusteuern, unsere Seemacht zu verstärken suchen. England unterhandelt unaufhörlich mit den andern Mächten, besonders mit Rußland, ohne unsere Theilnahme; England sucht unaufhörlich den Divan zu einer stolzen Haltung zu vermögen, während wir ihn zu vernünftigern Ideen und Entwürfen zurückführen möchten; England erbittert und bedroht unaufhörlich jenen Pascha von Aegypten, den wir sowohl aufrecht als im Zaume zu halten wünschen. In Griechenland verhindert und verwirrt England Alles durch seinen Gesandten Lyons, und vereitelte die beständigen eben so uneigennützigen als heilsamen Rathschläge Frankreichs für die griechische Regierung. Im englischen Parlament lassen sich täglich Anschuldigungen, Klagen, argwöhnische Aeußerungen gegen Frankreich vernehmen, die zwar höchst lächerlich sind, woran aber doch die angesehensten Parteiführer, Männer theilnehmen, welche den Ernst der Sache, und die Wichtigkeit der Verbündung beider Länder besser würdigen sollten. Dieß sind allerdings keine Verhältnisse, wie sie zwischen zwei innigen Verbündeten seyn sollten, und doch hängt von der englisch-französischen Allianz der Weltfrieden ab. Sollte dieser gebrochen werden, so wird das Feld der Ereignisse unermeßlich, und wir gerathen in ein uferloses Meer. Dabei vergesse man nicht, daß der natürliche Lauf der Dinge jeden Augenblick wichtige Zwischenfälle herbeiführen kann. Der Großwessier ist vom Schlag berührt und für die Geschäfte todt. Mehemed Ali ist nicht mehr jung, und nicht die einzige hohe Person, die dem Ende ihrer Laufbahn nahe steht. Allerdings wechseln die Menschen, während die Dinge und die Interessen dieselben bleiben; es verhält sich aber mit diesem Satze wie mit so manchen andern: er ist nur in gewisser Einschränkung wahr. Der Tod des Kaisers Paul, selbst der von Fox, waren für Frankreich nicht gleichgültig. Der Tod Ferdinands war der Anfang eines blutigen, schauderhaften Kriegs in Spanien. Dieser Krieg ist noch nicht an seinem Ende. Man weiß noch nicht, ob Cabrera todt oder in der Wiedergenesung begriffen ist. Da sage man noch, daß man in unserm Jahrhundert Alles erfahre, Alles sich mit Blitzesschnelligkeit mittheile! Spanien ist ein fortdauernder Widerspruch gegen unsere Civilisation.

Fast eine eben so heftige Sprache führt die Presse, ein dem Hofe eifrigst ergebenes Blatt: „Ueber den Charakter der Politik des neuen Cabinets gibt uns das frühere Wirken des Hrn. Thiers als Minister Aufschluß. Man erinnert sich, durch welche Widersprüche, durch welche Unbesonnenheiten Hr. Thiers unserm Einfluß doppelt geschadet hat, indem er sich bald zum Diener Oesterreichs machte, wie in der Angelegenheit der politischen Flüchtlinge in der Schweiz, bald unsern Gesandten Instructionen schickte, welche unwürdig ihres Charakters und noch unwürdiger der französischen Loyalität waren, wie bei der berüchtigten Depesche hinsichtlich der Räumung Ancona's. Es sind dieß übrigens nicht die einzigen Fehler, welche Hr. Thiers während seiner kurzen Verwaltung begangen. Niemand hat vergessen, mit welcher strafbaren Heimlichkeit er eine Expedition nach Spanien vorbereitete, ohne weder seine Collegen, die er eines solchen Vertrauens nicht würdig achtete, noch selbst den König, dessen Namen er compromittirte, in das Geheimniß einzuweihen. Hr. Thiers hat als Premierminister den fremden Mächten, wie dem Lande sich verdächtig gemacht. Seitdem hat er sein Unrecht noch vermehrt durch seine revolutionären Allianzen. Er hat sich zum Heros eines directen, leidenschaftlichen Kampfes gegen die Krone gemacht. Wir haben gehört, wie Hr. Thiers sich eines Tags mit dem Widerwillen, welchen die auswärtigen Mächte wider seine Person hegten, brüstete; wie er eben wegen dieses Widerwillens das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten forderte, und wie die Linke zu solchen dünkelhaften Ausbrüchen, die sie einfältigerweise für Zeichen des Nationalgefühls hielt, Beifall rief. England allein darf sich bei dem Siege des Hrn. Thiers die Hände reiben; es ist die einzige Macht in Europa, die sich zu seiner Erhebung Glück wünscht. England gewinnt dadurch einen mächtigen Bundesgenossen gegen unsere Interessen.“ Der Courrier français, der, wie erwähnt, dem neuen Cabinet ziemlich gewogen ist, urtheilt folgendermaßen über die einzelnen Mitglieder: „Hr. Cousin wird als Minister des öffentlichen Unterrichts auf ziemlich viel Vorurtheile stoßen trotz seines unbestreitbaren Talents. General Cubières wird seine Ernennung durch klügere und billigere Maaßregeln rechtfertigen müssen als jene, welche er früher als interimistischer Kriegsminister, namentlich gegen den tapfern Obersten François genommen. Hr. Vivien ist ein heller Kopf, mit Leichtigkeit der Rede begabt; er genießt in der Kammer einer verdienten Achtung, und man kann ihm höchstens vorwerfen, daß er so plötzlich zu dem hohen Posten eines Siegelbewahrers erhoben worden. Hr. Gouin ist ein ehrenwerther, fleißiger Deputirter, der nur etwas mehr Festigkeit nöthig haben dürfte, um seine Aufgabe als Minister des Handels gut auszufüllen. Der Admiral Roussin ist vielleicht der einzige von unsern Seemännern, der mit der Erfahrung in seiner Profession auch die Einsicht in die Administrativ-Arbeiten verbindet; er bringt in das Cabinet das Ansehen eines Namens, der überall groß ist, nur nicht in der Diplomatie. Die Ernennung des Hrn. v. Remusat zum Minister des Innern und die des Hrn. Jaubert zum Minister der öffentlichen Arbeiten hat in der Kammer einige Verwunderung erzeugt. Die Doctrinärs sind politisch und numerisch eine allzu kleine Partei, um ihnen, selbst in einem Coalitionscabinet die Leitung der innern Angelegenheiten zu überlassen. Wenn man aber einmal diesen Fehler begehen mußte, so geben wir billigerweise zu, daß die Wahl des Hrn. v. Remusat weniger Inconvenienzen als die jedes andern Doctrinärs hatte, und daß er in seiner Partei der Mann ist, dessen Meinungen denen unserer Freunde sich am meisten nähern. Hr. v. Remusat hat die Coalition nie verläugnet, sondern billigt noch heute all' ihre Folgen, und dieß hat er durch die Ernennung des Hrn. Malleville zum Unterstaatssecretär hinreichend bewiesen. Was Hrn. v. Jaubert anbelangt, so halten wir ihn, ungeachtet der Verschiedenheit unserer Meinungen, für einen zur Leitung der öffentlichen Arbeiten ganz tüchtigen Mann. Er hat überdieß in unsern Augen noch ein ganz besonderes Verdienst: er ist ein Gegner der Unterstützungsgelder für die Presse, und sein Eintritt in das Cabinet garantirt uns deren Unterdrückung.“

Man zählt jetzt 22 Journale der Departemente, welche Subscriptionen in ihren Bureaux zu der Medaille für Hrn. v. Cormenin eröffnet haben. Die Summe der Subscriptionen bei dem National betrug am 2 März 2186 Fr. 95 C.

Auf dem Musard'schen Maskenball vom 1 März erschienen drei junge Leute in Hofkleidern bedeckt mit Bankbillets und Eigenthumsurkunden. Sie trugen am Hals einen Zettel mit der Aufschrift: „La charité s'il vous plait!“ Diese drei Masken wurden von den Stadtsergenten festgenommen und nach dem Gefängniß des Corps-de-Garde abgeführt. Das heutige Charivari meldet, die Verhafteten seyen seine Setzer und das Blatt könne deßhalb am Aschermittwoch nicht erscheinen.

(Revue des deux Mondes.) Unsere Allianz mit England ist, was man auch immer sagen mag, ohne gerade gebrochen zu seyn, bedeutend geschwächt. Wir sind zwar verbündet, aber in Bezug auf eine argwöhnische Hauptfrage von höchster Bedeutung haben wir nicht denselben Gesichtspunkt, dasselbe Ziel vor Augen; wir sind Verbündete, die ohne demselben Ziele zuzusteuern, unsere Seemacht zu verstärken suchen. England unterhandelt unaufhörlich mit den andern Mächten, besonders mit Rußland, ohne unsere Theilnahme; England sucht unaufhörlich den Divan zu einer stolzen Haltung zu vermögen, während wir ihn zu vernünftigern Ideen und Entwürfen zurückführen möchten; England erbittert und bedroht unaufhörlich jenen Pascha von Aegypten, den wir sowohl aufrecht als im Zaume zu halten wünschen. In Griechenland verhindert und verwirrt England Alles durch seinen Gesandten Lyons, und vereitelte die beständigen eben so uneigennützigen als heilsamen Rathschläge Frankreichs für die griechische Regierung. Im englischen Parlament lassen sich täglich Anschuldigungen, Klagen, argwöhnische Aeußerungen gegen Frankreich vernehmen, die zwar höchst lächerlich sind, woran aber doch die angesehensten Parteiführer, Männer theilnehmen, welche den Ernst der Sache, und die Wichtigkeit der Verbündung beider Länder besser würdigen sollten. Dieß sind allerdings keine Verhältnisse, wie sie zwischen zwei innigen Verbündeten seyn sollten, und doch hängt von der englisch-französischen Allianz der Weltfrieden ab. Sollte dieser gebrochen werden, so wird das Feld der Ereignisse unermeßlich, und wir gerathen in ein uferloses Meer. Dabei vergesse man nicht, daß der natürliche Lauf der Dinge jeden Augenblick wichtige Zwischenfälle herbeiführen kann. Der Großwessier ist vom Schlag berührt und für die Geschäfte todt. Mehemed Ali ist nicht mehr jung, und nicht die einzige hohe Person, die dem Ende ihrer Laufbahn nahe steht. Allerdings wechseln die Menschen, während die Dinge und die Interessen dieselben bleiben; es verhält sich aber mit diesem Satze wie mit so manchen andern: er ist nur in gewisser Einschränkung wahr. Der Tod des Kaisers Paul, selbst der von Fox, waren für Frankreich nicht gleichgültig. Der Tod Ferdinands war der Anfang eines blutigen, schauderhaften Kriegs in Spanien. Dieser Krieg ist noch nicht an seinem Ende. Man weiß noch nicht, ob Cabrera todt oder in der Wiedergenesung begriffen ist. Da sage man noch, daß man in unserm Jahrhundert Alles erfahre, Alles sich mit Blitzesschnelligkeit mittheile! Spanien ist ein fortdauernder Widerspruch gegen unsere Civilisation.

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[0540/0004] Fast eine eben so heftige Sprache führt die Presse, ein dem Hofe eifrigst ergebenes Blatt: „Ueber den Charakter der Politik des neuen Cabinets gibt uns das frühere Wirken des Hrn. Thiers als Minister Aufschluß. Man erinnert sich, durch welche Widersprüche, durch welche Unbesonnenheiten Hr. Thiers unserm Einfluß doppelt geschadet hat, indem er sich bald zum Diener Oesterreichs machte, wie in der Angelegenheit der politischen Flüchtlinge in der Schweiz, bald unsern Gesandten Instructionen schickte, welche unwürdig ihres Charakters und noch unwürdiger der französischen Loyalität waren, wie bei der berüchtigten Depesche hinsichtlich der Räumung Ancona's. Es sind dieß übrigens nicht die einzigen Fehler, welche Hr. Thiers während seiner kurzen Verwaltung begangen. Niemand hat vergessen, mit welcher strafbaren Heimlichkeit er eine Expedition nach Spanien vorbereitete, ohne weder seine Collegen, die er eines solchen Vertrauens nicht würdig achtete, noch selbst den König, dessen Namen er compromittirte, in das Geheimniß einzuweihen. Hr. Thiers hat als Premierminister den fremden Mächten, wie dem Lande sich verdächtig gemacht. Seitdem hat er sein Unrecht noch vermehrt durch seine revolutionären Allianzen. Er hat sich zum Heros eines directen, leidenschaftlichen Kampfes gegen die Krone gemacht. Wir haben gehört, wie Hr. Thiers sich eines Tags mit dem Widerwillen, welchen die auswärtigen Mächte wider seine Person hegten, brüstete; wie er eben wegen dieses Widerwillens das Portefeuille der auswärtigen Angelegenheiten forderte, und wie die Linke zu solchen dünkelhaften Ausbrüchen, die sie einfältigerweise für Zeichen des Nationalgefühls hielt, Beifall rief. England allein darf sich bei dem Siege des Hrn. Thiers die Hände reiben; es ist die einzige Macht in Europa, die sich zu seiner Erhebung Glück wünscht. England gewinnt dadurch einen mächtigen Bundesgenossen gegen unsere Interessen.“ Der Courrier français, der, wie erwähnt, dem neuen Cabinet ziemlich gewogen ist, urtheilt folgendermaßen über die einzelnen Mitglieder: „Hr. Cousin wird als Minister des öffentlichen Unterrichts auf ziemlich viel Vorurtheile stoßen trotz seines unbestreitbaren Talents. General Cubières wird seine Ernennung durch klügere und billigere Maaßregeln rechtfertigen müssen als jene, welche er früher als interimistischer Kriegsminister, namentlich gegen den tapfern Obersten François genommen. Hr. Vivien ist ein heller Kopf, mit Leichtigkeit der Rede begabt; er genießt in der Kammer einer verdienten Achtung, und man kann ihm höchstens vorwerfen, daß er so plötzlich zu dem hohen Posten eines Siegelbewahrers erhoben worden. Hr. Gouin ist ein ehrenwerther, fleißiger Deputirter, der nur etwas mehr Festigkeit nöthig haben dürfte, um seine Aufgabe als Minister des Handels gut auszufüllen. Der Admiral Roussin ist vielleicht der einzige von unsern Seemännern, der mit der Erfahrung in seiner Profession auch die Einsicht in die Administrativ-Arbeiten verbindet; er bringt in das Cabinet das Ansehen eines Namens, der überall groß ist, nur nicht in der Diplomatie. Die Ernennung des Hrn. v. Remusat zum Minister des Innern und die des Hrn. Jaubert zum Minister der öffentlichen Arbeiten hat in der Kammer einige Verwunderung erzeugt. Die Doctrinärs sind politisch und numerisch eine allzu kleine Partei, um ihnen, selbst in einem Coalitionscabinet die Leitung der innern Angelegenheiten zu überlassen. Wenn man aber einmal diesen Fehler begehen mußte, so geben wir billigerweise zu, daß die Wahl des Hrn. v. Remusat weniger Inconvenienzen als die jedes andern Doctrinärs hatte, und daß er in seiner Partei der Mann ist, dessen Meinungen denen unserer Freunde sich am meisten nähern. Hr. v. Remusat hat die Coalition nie verläugnet, sondern billigt noch heute all' ihre Folgen, und dieß hat er durch die Ernennung des Hrn. Malleville zum Unterstaatssecretär hinreichend bewiesen. Was Hrn. v. Jaubert anbelangt, so halten wir ihn, ungeachtet der Verschiedenheit unserer Meinungen, für einen zur Leitung der öffentlichen Arbeiten ganz tüchtigen Mann. Er hat überdieß in unsern Augen noch ein ganz besonderes Verdienst: er ist ein Gegner der Unterstützungsgelder für die Presse, und sein Eintritt in das Cabinet garantirt uns deren Unterdrückung.“ Man zählt jetzt 22 Journale der Departemente, welche Subscriptionen in ihren Bureaux zu der Medaille für Hrn. v. Cormenin eröffnet haben. Die Summe der Subscriptionen bei dem National betrug am 2 März 2186 Fr. 95 C. Auf dem Musard'schen Maskenball vom 1 März erschienen drei junge Leute in Hofkleidern bedeckt mit Bankbillets und Eigenthumsurkunden. Sie trugen am Hals einen Zettel mit der Aufschrift: „La charité s'il vous plait!“ Diese drei Masken wurden von den Stadtsergenten festgenommen und nach dem Gefängniß des Corps-de-Garde abgeführt. Das heutige Charivari meldet, die Verhafteten seyen seine Setzer und das Blatt könne deßhalb am Aschermittwoch nicht erscheinen. (Revue des deux Mondes.) Unsere Allianz mit England ist, was man auch immer sagen mag, ohne gerade gebrochen zu seyn, bedeutend geschwächt. Wir sind zwar verbündet, aber in Bezug auf eine argwöhnische Hauptfrage von höchster Bedeutung haben wir nicht denselben Gesichtspunkt, dasselbe Ziel vor Augen; wir sind Verbündete, die ohne demselben Ziele zuzusteuern, unsere Seemacht zu verstärken suchen. England unterhandelt unaufhörlich mit den andern Mächten, besonders mit Rußland, ohne unsere Theilnahme; England sucht unaufhörlich den Divan zu einer stolzen Haltung zu vermögen, während wir ihn zu vernünftigern Ideen und Entwürfen zurückführen möchten; England erbittert und bedroht unaufhörlich jenen Pascha von Aegypten, den wir sowohl aufrecht als im Zaume zu halten wünschen. In Griechenland verhindert und verwirrt England Alles durch seinen Gesandten Lyons, und vereitelte die beständigen eben so uneigennützigen als heilsamen Rathschläge Frankreichs für die griechische Regierung. Im englischen Parlament lassen sich täglich Anschuldigungen, Klagen, argwöhnische Aeußerungen gegen Frankreich vernehmen, die zwar höchst lächerlich sind, woran aber doch die angesehensten Parteiführer, Männer theilnehmen, welche den Ernst der Sache, und die Wichtigkeit der Verbündung beider Länder besser würdigen sollten. Dieß sind allerdings keine Verhältnisse, wie sie zwischen zwei innigen Verbündeten seyn sollten, und doch hängt von der englisch-französischen Allianz der Weltfrieden ab. Sollte dieser gebrochen werden, so wird das Feld der Ereignisse unermeßlich, und wir gerathen in ein uferloses Meer. Dabei vergesse man nicht, daß der natürliche Lauf der Dinge jeden Augenblick wichtige Zwischenfälle herbeiführen kann. Der Großwessier ist vom Schlag berührt und für die Geschäfte todt. Mehemed Ali ist nicht mehr jung, und nicht die einzige hohe Person, die dem Ende ihrer Laufbahn nahe steht. Allerdings wechseln die Menschen, während die Dinge und die Interessen dieselben bleiben; es verhält sich aber mit diesem Satze wie mit so manchen andern: er ist nur in gewisser Einschränkung wahr. Der Tod des Kaisers Paul, selbst der von Fox, waren für Frankreich nicht gleichgültig. Der Tod Ferdinands war der Anfang eines blutigen, schauderhaften Kriegs in Spanien. Dieser Krieg ist noch nicht an seinem Ende. Man weiß noch nicht, ob Cabrera todt oder in der Wiedergenesung begriffen ist. Da sage man noch, daß man in unserm Jahrhundert Alles erfahre, Alles sich mit Blitzesschnelligkeit mittheile! Spanien ist ein fortdauernder Widerspruch gegen unsere Civilisation.

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Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg, 8. März 1840, S. 0540. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_068_18400308/4>, abgerufen am 28.04.2024.