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Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg, 8. März 1840.

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Peel und die Tories.

Unter der Aufschrift "die Tories und Sir Robert Peel" enthält der Examiner vom letzten Sonntag folgenden Artikel: "Was soll mit Sir R. Peel werden? Das wird nachgerade eine dringende Frage. Die Torypartei kann weder mit ihm, noch ohne ihn leben. Sie murrt gegen ihn, sie treibt Meuterei gegen ihn, sie macht ihm Vorwürfe, verlästert ihn, insultirt ihn, duldet ihn aber gleichwohl. Es fragt sich nur, kann er sie noch länger dulden? Er ist den Tories nothwendig, und sie brauchen und mißbrauchen ihn; dabei übersehen sie nur, daß sie durch den Mißbrauch ihn für ihren Gebrauch beschädigen. Sie zerbrechen ihr Werkzeug, ohne mit ihrem Werkzeug zu brechen. Ihren einzigen Führer im Hause der Gemeinen, den sie sehen lassen können, verstümmeln sie und bedecken sie mit Schmutz. Ihre Armuth, nicht ihr Wille, läßt sich seine Führerschaft gefallen; der Lust ihres Willens, nicht der Klugheit ihrer Armuth fröhnen sie mit den Aufwallungen ihres Spleens gegen ihn. Seine Reputation ist ihr "peau de chagrin"; die Existenz, die Lebensfähigkeit ihrer Partei beruht auf dieser Peel'schen Reputation, aber ihre Leidenschaftlichkeit kann es sich nicht versagen, derselben mehr und mehr Abbruch zu thun. Der Dienst bei der Tory-Aristokratie ist ein harter Dienst, insofern er die Bedingung enthält, daß ihr Führer auch ihr gehorsamer Nachtreter seyn soll. Die Tories sprechen mit der Mistreß Malaprop: "Zeige den Weg, und ich will vorangehen." Sir R. Peel steht zugleich über und unter seinem Platz, und für beides, für dieß Darüber und Darunter, hat er sein volles Maaß von Haß zu tragen. Die Abneigung, die sich eine Zeit lang auf gerümpfte Nasen und mißliebige Winke beschränkte, ist bei der parlamentarischen Privilegiumsfrage offen hervorgebrochen, denn die Tories sehen wohl ein, zu was für goldenen Factionszwecken dieser Handel hätte ausgebeutet werden können, wenn Sir R. Peel nicht seinem Pflichtgefühl gefolgt, oder mindestens wieder rückwärts gegangen wäre, als er sah, daß der Weg zum Ministerium über den Ruin der Privilegien des Hauses führe. Sehet, wie für diesen einmaligen Vorzug, welchen der Torychef der öffentlichen Tugend vor den Factionsinteressen einräumte, derselbe von seinem eigenen Organ, der Times, mißhandelt wird. In einem sonst ruhig und ohne Bitterkeit geschriebenen leitenden Artikel verläßt es auf Einmal den Ton der Mäßigung, um dem Sir Robert diesen Hieb zu versetzen: ""Es ist ein trauriger Anblick, zu sehen, wie der sehr ehrenwerthe Baronet eine Nacht um die andere sich abarbeitet in dem Labyrinth des Irrthums, in das ihn sein Mangel an Scharfsichtigkeit geführt hat, während er zugleich nicht den männlichen Muth besitzt, seinen Mißgriff zu gestehen und seine Schritte zurück zu thun."" In der folgenden Nummer der Times ist diese Stelle zum Text eines - wirklichen oder fingirten - Briefs an Sir R. Peel gewählt, worin dieser also geschult wird: ""Herr, wenn Sie nicht im Stande sind, die Argumente zu fassen, welche in letzter Zeit die Nation im Großen gegen die Handlungen des Ministeriums influirt haben, warum nehmen Sie kein Amt neben oder unter demselben an? Warum betrügen Sie uns mit dem Namen eines Oppositionsmitglieds, da Sie doch in der That ein williges oder verblendetes Werkzeug der Whigs sind? "" Der Briefsteller unterzeichnet sich: ""mit sehr verminderter Hochachtung, Harmodius."" Indessen ist in dem ganzen Brief, von Anfang bis zu Ende, gar keine Spur von Achtung, und nächsten Tags lieferte der Correspondent das Postscript: ""Sir R. Peels moralischen Muth habe ich schon seit längerer Zeit bezweifelt; es thut mir leid, sagen zu müssen, daß nun auch meine Meinung von seinem Talent einen Stoß erlitten hat."" Ein anderer Mitarbeiter der Times eröffnet eine lange Expectoration mit der Drohung, Sir Robert solle es bei der nächsten allgemeinen Parlamentswahl empfinden, wenn er nicht alsbald sein "pater peccavi" anstimme...

So ist demnach Sir Robert zur Zeit Robert der Teufel bei seiner Partei. Aber was wird die Entwicklung dieses neuen Stücks: "Rule a chief and have a chief (Einen Chef befehligen und einen Chef haben)" seyn? Der Anschein möchte auf einen Bruch, auf den Rücktritt Peels von seinem verdrießlichen Posten deuten; aber wir erwarten keinen solchen Ausgang. Wir haben einen solchen Stand der Dinge schon früher erlebt und dessen Folgen gesehen; Ursache und Wirkung werden sich wiederholen. Die Zwietracht, die giftige Feindseligkeit der Tories, die auf die Annahme der Katholikenemancipation folgte, machte Peel seiner Partei nicht abtrünnig; aber sie trug wesentlich mit bei zum Sturze der Toryregierung im Jahr 1830, lähmte die Partei auf ganze fünf Jahre und hat ihr Wunden zurückgelassen, die, wenn schon vernarbt, bei jedem Anlaß wieder aufbrechen. Wellingtons Gleichgültigkeit oder positive Abneigung gegen die Uebernahme der Regierung ist bekannt, und läßt sich wohl annehmen, daß die Behandlung, die er wegen der Katholikenemancipation bei seiner Partei erfuhr, und die daraus erfolgte Auflösung seiner Administration außer Zusammenhang stehen mit seiner jetzigen Zögerung, das Staatsruder wieder zu ergreifen und dabei in die Abhängigkeiten von Menschen zu gerathen, die ihn vormals auf die Fersen getreten? Dergleichen mag von denen vergessen werden, welche die Püffe austheilten, aber nicht von denen, die sie empfingen. Die torystischen Ultras haben das Mittel gefunden, ihren Führern den Appetit nach dem Amte zu verderben. Ihre feurigen Vordergliedmänner, ihre neuen Proselyten, ihr Lord Stanley und Sir James Graham kennen ihre Rücken- und Seitenhiebe noch nicht aus Erfahrung, aber der Herzog und Sir Robert tragen die Denkzettel davon an ihrem Leibe. In der Privilegiumsfrage hat sich jetzt das Schisma von 1829 erneuert, aber eine Lossagung Peels von der Partei erwarten wir darum nicht, denn, wie in der Fabel des Menenius Agrippa auf dem heiligen Berg, würde der ganze Körper zusammenfallen, wenn die Tory-Hände und Beine ihre Empörung gegen den Tory-Kopf Peel so weit trieben. Gegenwärtige Meinungsdifferenzen können beseitigt, das Murren, so laut und trotzig es jetzt auch ist, zum Schweigen gebracht werden; - zeigte die Gelegenheit zur Wiedergewinnung der Regierungsgewalt sich morgen, so würde alle Zwietracht im Torylager verstummen, Alles Friede und cordiale Eintracht scheinen. Die bittersten Verunglimpfer Peels würden in diesem Fall ihren faulen Athem an sich halten und die Feindseligkeiten suspendiren; selbst die Orangemänner würden ein Eingehen auf Rathschläge der Mäßigung heucheln, jedoch in der klüglichen Berechnung, daß, wenn es ihnen erst gelänge, den Sir Robert ins Amt zu heben, sie dann den von ihrer Unterstützung Abhängigen ganz nach ihrem Gefallen lenken könnten. Sie wissen recht gut, daß ein Staatsmann, um sich im Amte zu erhalten, Manches zu thun bewogen werden kann, was er nicht thun würde,

Peel und die Tories.

Unter der Aufschrift „die Tories und Sir Robert Peel“ enthält der Examiner vom letzten Sonntag folgenden Artikel: „Was soll mit Sir R. Peel werden? Das wird nachgerade eine dringende Frage. Die Torypartei kann weder mit ihm, noch ohne ihn leben. Sie murrt gegen ihn, sie treibt Meuterei gegen ihn, sie macht ihm Vorwürfe, verlästert ihn, insultirt ihn, duldet ihn aber gleichwohl. Es fragt sich nur, kann er sie noch länger dulden? Er ist den Tories nothwendig, und sie brauchen und mißbrauchen ihn; dabei übersehen sie nur, daß sie durch den Mißbrauch ihn für ihren Gebrauch beschädigen. Sie zerbrechen ihr Werkzeug, ohne mit ihrem Werkzeug zu brechen. Ihren einzigen Führer im Hause der Gemeinen, den sie sehen lassen können, verstümmeln sie und bedecken sie mit Schmutz. Ihre Armuth, nicht ihr Wille, läßt sich seine Führerschaft gefallen; der Lust ihres Willens, nicht der Klugheit ihrer Armuth fröhnen sie mit den Aufwallungen ihres Spleens gegen ihn. Seine Reputation ist ihr „peau de chagrin“; die Existenz, die Lebensfähigkeit ihrer Partei beruht auf dieser Peel'schen Reputation, aber ihre Leidenschaftlichkeit kann es sich nicht versagen, derselben mehr und mehr Abbruch zu thun. Der Dienst bei der Tory-Aristokratie ist ein harter Dienst, insofern er die Bedingung enthält, daß ihr Führer auch ihr gehorsamer Nachtreter seyn soll. Die Tories sprechen mit der Mistreß Malaprop: „Zeige den Weg, und ich will vorangehen.“ Sir R. Peel steht zugleich über und unter seinem Platz, und für beides, für dieß Darüber und Darunter, hat er sein volles Maaß von Haß zu tragen. Die Abneigung, die sich eine Zeit lang auf gerümpfte Nasen und mißliebige Winke beschränkte, ist bei der parlamentarischen Privilegiumsfrage offen hervorgebrochen, denn die Tories sehen wohl ein, zu was für goldenen Factionszwecken dieser Handel hätte ausgebeutet werden können, wenn Sir R. Peel nicht seinem Pflichtgefühl gefolgt, oder mindestens wieder rückwärts gegangen wäre, als er sah, daß der Weg zum Ministerium über den Ruin der Privilegien des Hauses führe. Sehet, wie für diesen einmaligen Vorzug, welchen der Torychef der öffentlichen Tugend vor den Factionsinteressen einräumte, derselbe von seinem eigenen Organ, der Times, mißhandelt wird. In einem sonst ruhig und ohne Bitterkeit geschriebenen leitenden Artikel verläßt es auf Einmal den Ton der Mäßigung, um dem Sir Robert diesen Hieb zu versetzen: „„Es ist ein trauriger Anblick, zu sehen, wie der sehr ehrenwerthe Baronet eine Nacht um die andere sich abarbeitet in dem Labyrinth des Irrthums, in das ihn sein Mangel an Scharfsichtigkeit geführt hat, während er zugleich nicht den männlichen Muth besitzt, seinen Mißgriff zu gestehen und seine Schritte zurück zu thun.““ In der folgenden Nummer der Times ist diese Stelle zum Text eines – wirklichen oder fingirten – Briefs an Sir R. Peel gewählt, worin dieser also geschult wird: „„Herr, wenn Sie nicht im Stande sind, die Argumente zu fassen, welche in letzter Zeit die Nation im Großen gegen die Handlungen des Ministeriums influirt haben, warum nehmen Sie kein Amt neben oder unter demselben an? Warum betrügen Sie uns mit dem Namen eines Oppositionsmitglieds, da Sie doch in der That ein williges oder verblendetes Werkzeug der Whigs sind? ““ Der Briefsteller unterzeichnet sich: „„mit sehr verminderter Hochachtung, Harmodius.““ Indessen ist in dem ganzen Brief, von Anfang bis zu Ende, gar keine Spur von Achtung, und nächsten Tags lieferte der Correspondent das Postscript: „„Sir R. Peels moralischen Muth habe ich schon seit längerer Zeit bezweifelt; es thut mir leid, sagen zu müssen, daß nun auch meine Meinung von seinem Talent einen Stoß erlitten hat.““ Ein anderer Mitarbeiter der Times eröffnet eine lange Expectoration mit der Drohung, Sir Robert solle es bei der nächsten allgemeinen Parlamentswahl empfinden, wenn er nicht alsbald sein „pater peccavi“ anstimme…

So ist demnach Sir Robert zur Zeit Robert der Teufel bei seiner Partei. Aber was wird die Entwicklung dieses neuen Stücks: „Rule a chief and have a chief (Einen Chef befehligen und einen Chef haben)“ seyn? Der Anschein möchte auf einen Bruch, auf den Rücktritt Peels von seinem verdrießlichen Posten deuten; aber wir erwarten keinen solchen Ausgang. Wir haben einen solchen Stand der Dinge schon früher erlebt und dessen Folgen gesehen; Ursache und Wirkung werden sich wiederholen. Die Zwietracht, die giftige Feindseligkeit der Tories, die auf die Annahme der Katholikenemancipation folgte, machte Peel seiner Partei nicht abtrünnig; aber sie trug wesentlich mit bei zum Sturze der Toryregierung im Jahr 1830, lähmte die Partei auf ganze fünf Jahre und hat ihr Wunden zurückgelassen, die, wenn schon vernarbt, bei jedem Anlaß wieder aufbrechen. Wellingtons Gleichgültigkeit oder positive Abneigung gegen die Uebernahme der Regierung ist bekannt, und läßt sich wohl annehmen, daß die Behandlung, die er wegen der Katholikenemancipation bei seiner Partei erfuhr, und die daraus erfolgte Auflösung seiner Administration außer Zusammenhang stehen mit seiner jetzigen Zögerung, das Staatsruder wieder zu ergreifen und dabei in die Abhängigkeiten von Menschen zu gerathen, die ihn vormals auf die Fersen getreten? Dergleichen mag von denen vergessen werden, welche die Püffe austheilten, aber nicht von denen, die sie empfingen. Die torystischen Ultras haben das Mittel gefunden, ihren Führern den Appetit nach dem Amte zu verderben. Ihre feurigen Vordergliedmänner, ihre neuen Proselyten, ihr Lord Stanley und Sir James Graham kennen ihre Rücken- und Seitenhiebe noch nicht aus Erfahrung, aber der Herzog und Sir Robert tragen die Denkzettel davon an ihrem Leibe. In der Privilegiumsfrage hat sich jetzt das Schisma von 1829 erneuert, aber eine Lossagung Peels von der Partei erwarten wir darum nicht, denn, wie in der Fabel des Menenius Agrippa auf dem heiligen Berg, würde der ganze Körper zusammenfallen, wenn die Tory-Hände und Beine ihre Empörung gegen den Tory-Kopf Peel so weit trieben. Gegenwärtige Meinungsdifferenzen können beseitigt, das Murren, so laut und trotzig es jetzt auch ist, zum Schweigen gebracht werden; – zeigte die Gelegenheit zur Wiedergewinnung der Regierungsgewalt sich morgen, so würde alle Zwietracht im Torylager verstummen, Alles Friede und cordiale Eintracht scheinen. Die bittersten Verunglimpfer Peels würden in diesem Fall ihren faulen Athem an sich halten und die Feindseligkeiten suspendiren; selbst die Orangemänner würden ein Eingehen auf Rathschläge der Mäßigung heucheln, jedoch in der klüglichen Berechnung, daß, wenn es ihnen erst gelänge, den Sir Robert ins Amt zu heben, sie dann den von ihrer Unterstützung Abhängigen ganz nach ihrem Gefallen lenken könnten. Sie wissen recht gut, daß ein Staatsmann, um sich im Amte zu erhalten, Manches zu thun bewogen werden kann, was er nicht thun würde,

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[0537/0009] Peel und die Tories. London, 28 Febr. Unter der Aufschrift „die Tories und Sir Robert Peel“ enthält der Examiner vom letzten Sonntag folgenden Artikel: „Was soll mit Sir R. Peel werden? Das wird nachgerade eine dringende Frage. Die Torypartei kann weder mit ihm, noch ohne ihn leben. Sie murrt gegen ihn, sie treibt Meuterei gegen ihn, sie macht ihm Vorwürfe, verlästert ihn, insultirt ihn, duldet ihn aber gleichwohl. Es fragt sich nur, kann er sie noch länger dulden? Er ist den Tories nothwendig, und sie brauchen und mißbrauchen ihn; dabei übersehen sie nur, daß sie durch den Mißbrauch ihn für ihren Gebrauch beschädigen. Sie zerbrechen ihr Werkzeug, ohne mit ihrem Werkzeug zu brechen. Ihren einzigen Führer im Hause der Gemeinen, den sie sehen lassen können, verstümmeln sie und bedecken sie mit Schmutz. Ihre Armuth, nicht ihr Wille, läßt sich seine Führerschaft gefallen; der Lust ihres Willens, nicht der Klugheit ihrer Armuth fröhnen sie mit den Aufwallungen ihres Spleens gegen ihn. Seine Reputation ist ihr „peau de chagrin“; die Existenz, die Lebensfähigkeit ihrer Partei beruht auf dieser Peel'schen Reputation, aber ihre Leidenschaftlichkeit kann es sich nicht versagen, derselben mehr und mehr Abbruch zu thun. Der Dienst bei der Tory-Aristokratie ist ein harter Dienst, insofern er die Bedingung enthält, daß ihr Führer auch ihr gehorsamer Nachtreter seyn soll. Die Tories sprechen mit der Mistreß Malaprop: „Zeige den Weg, und ich will vorangehen.“ Sir R. Peel steht zugleich über und unter seinem Platz, und für beides, für dieß Darüber und Darunter, hat er sein volles Maaß von Haß zu tragen. Die Abneigung, die sich eine Zeit lang auf gerümpfte Nasen und mißliebige Winke beschränkte, ist bei der parlamentarischen Privilegiumsfrage offen hervorgebrochen, denn die Tories sehen wohl ein, zu was für goldenen Factionszwecken dieser Handel hätte ausgebeutet werden können, wenn Sir R. Peel nicht seinem Pflichtgefühl gefolgt, oder mindestens wieder rückwärts gegangen wäre, als er sah, daß der Weg zum Ministerium über den Ruin der Privilegien des Hauses führe. Sehet, wie für diesen einmaligen Vorzug, welchen der Torychef der öffentlichen Tugend vor den Factionsinteressen einräumte, derselbe von seinem eigenen Organ, der Times, mißhandelt wird. In einem sonst ruhig und ohne Bitterkeit geschriebenen leitenden Artikel verläßt es auf Einmal den Ton der Mäßigung, um dem Sir Robert diesen Hieb zu versetzen: „„Es ist ein trauriger Anblick, zu sehen, wie der sehr ehrenwerthe Baronet eine Nacht um die andere sich abarbeitet in dem Labyrinth des Irrthums, in das ihn sein Mangel an Scharfsichtigkeit geführt hat, während er zugleich nicht den männlichen Muth besitzt, seinen Mißgriff zu gestehen und seine Schritte zurück zu thun.““ In der folgenden Nummer der Times ist diese Stelle zum Text eines – wirklichen oder fingirten – Briefs an Sir R. Peel gewählt, worin dieser also geschult wird: „„Herr, wenn Sie nicht im Stande sind, die Argumente zu fassen, welche in letzter Zeit die Nation im Großen gegen die Handlungen des Ministeriums influirt haben, warum nehmen Sie kein Amt neben oder unter demselben an? Warum betrügen Sie uns mit dem Namen eines Oppositionsmitglieds, da Sie doch in der That ein williges oder verblendetes Werkzeug der Whigs sind? ““ Der Briefsteller unterzeichnet sich: „„mit sehr verminderter Hochachtung, Harmodius.““ Indessen ist in dem ganzen Brief, von Anfang bis zu Ende, gar keine Spur von Achtung, und nächsten Tags lieferte der Correspondent das Postscript: „„Sir R. Peels moralischen Muth habe ich schon seit längerer Zeit bezweifelt; es thut mir leid, sagen zu müssen, daß nun auch meine Meinung von seinem Talent einen Stoß erlitten hat.““ Ein anderer Mitarbeiter der Times eröffnet eine lange Expectoration mit der Drohung, Sir Robert solle es bei der nächsten allgemeinen Parlamentswahl empfinden, wenn er nicht alsbald sein „pater peccavi“ anstimme… So ist demnach Sir Robert zur Zeit Robert der Teufel bei seiner Partei. Aber was wird die Entwicklung dieses neuen Stücks: „Rule a chief and have a chief (Einen Chef befehligen und einen Chef haben)“ seyn? Der Anschein möchte auf einen Bruch, auf den Rücktritt Peels von seinem verdrießlichen Posten deuten; aber wir erwarten keinen solchen Ausgang. Wir haben einen solchen Stand der Dinge schon früher erlebt und dessen Folgen gesehen; Ursache und Wirkung werden sich wiederholen. Die Zwietracht, die giftige Feindseligkeit der Tories, die auf die Annahme der Katholikenemancipation folgte, machte Peel seiner Partei nicht abtrünnig; aber sie trug wesentlich mit bei zum Sturze der Toryregierung im Jahr 1830, lähmte die Partei auf ganze fünf Jahre und hat ihr Wunden zurückgelassen, die, wenn schon vernarbt, bei jedem Anlaß wieder aufbrechen. Wellingtons Gleichgültigkeit oder positive Abneigung gegen die Uebernahme der Regierung ist bekannt, und läßt sich wohl annehmen, daß die Behandlung, die er wegen der Katholikenemancipation bei seiner Partei erfuhr, und die daraus erfolgte Auflösung seiner Administration außer Zusammenhang stehen mit seiner jetzigen Zögerung, das Staatsruder wieder zu ergreifen und dabei in die Abhängigkeiten von Menschen zu gerathen, die ihn vormals auf die Fersen getreten? Dergleichen mag von denen vergessen werden, welche die Püffe austheilten, aber nicht von denen, die sie empfingen. Die torystischen Ultras haben das Mittel gefunden, ihren Führern den Appetit nach dem Amte zu verderben. Ihre feurigen Vordergliedmänner, ihre neuen Proselyten, ihr Lord Stanley und Sir James Graham kennen ihre Rücken- und Seitenhiebe noch nicht aus Erfahrung, aber der Herzog und Sir Robert tragen die Denkzettel davon an ihrem Leibe. In der Privilegiumsfrage hat sich jetzt das Schisma von 1829 erneuert, aber eine Lossagung Peels von der Partei erwarten wir darum nicht, denn, wie in der Fabel des Menenius Agrippa auf dem heiligen Berg, würde der ganze Körper zusammenfallen, wenn die Tory-Hände und Beine ihre Empörung gegen den Tory-Kopf Peel so weit trieben. Gegenwärtige Meinungsdifferenzen können beseitigt, das Murren, so laut und trotzig es jetzt auch ist, zum Schweigen gebracht werden; – zeigte die Gelegenheit zur Wiedergewinnung der Regierungsgewalt sich morgen, so würde alle Zwietracht im Torylager verstummen, Alles Friede und cordiale Eintracht scheinen. Die bittersten Verunglimpfer Peels würden in diesem Fall ihren faulen Athem an sich halten und die Feindseligkeiten suspendiren; selbst die Orangemänner würden ein Eingehen auf Rathschläge der Mäßigung heucheln, jedoch in der klüglichen Berechnung, daß, wenn es ihnen erst gelänge, den Sir Robert ins Amt zu heben, sie dann den von ihrer Unterstützung Abhängigen ganz nach ihrem Gefallen lenken könnten. Sie wissen recht gut, daß ein Staatsmann, um sich im Amte zu erhalten, Manches zu thun bewogen werden kann, was er nicht thun würde,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg, 8. März 1840, S. 0537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_068_18400308/9>, abgerufen am 29.04.2024.