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Allgemeine Zeitung. Nr. 70. Augsburg, 10. März 1840.

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der aufgehobenen vorgebracht worden. Hielt sich das Land für verpflichtet durch die aufgehobene Verfassung, aber nicht der Regent, so wird durch die neu zu begründende weder der Nachfolger des Regenten, als Regent, noch das Land sich rechtmäßig verpflichtet fühlen. Es kann also kein Vertrauen erweckt werden durch eine Verhandlung mit den Ständen von 1819, die von dem Lande für incompetent gehalten werden. Ich habe geglaubt, daß es im Interesse aller deutschen Regierungen liege, daß die Stände vom Jahr 1833 als diejenigen angesehen werden, welche unter "den dermaligen Ständen" zu verstehen sind. Ehe man nicht auf diesen Standpunkt der Sache zurückkehrt, und von diesem aus das Recht des einen und des andern Theils untersucht, ist zu einem erfreulichen Resultat nicht zu gelangen." Bei der darauf erfolgenden Abstimmung nahm die Kammer den zweiten Antrag gleichfalls einstimmig an. Beim dritten Antrag *) äußerte
Staatsminister v. Zeschau: "Ich glaube, die Kammer wird sich überzeugen, daß ein Antrag wie der vorliegende, selbst wenn die Regierung sich entschließen könnte, einen solchen an die Bundesversammlung zu richten, keinen Anklang finden kann und finden wird. Es ist ein Antrag, welcher in die dort einmal angenommene Geschäftsordnung tief eingreift, und kaum wird man einem solchen von einer einzelnen Regierung ausgehenden Antrage zu entsprechen geneigt seyn. Uebrigens theile ich vollständig die Ansicht, welche die Deputation an dieser Stelle ihres Berichts ausgesprochen hat. Ich wünsche, das Ministerium wünscht, es möchte die Bundesversammlung sich entschließen, in manchen Angelegenheiten, welche dort verhandelt werden, die Verhandlungen der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es würde über die Verhandlungen zuweilen eine ganz andere Ansicht im Publicum obwalten, als häufig bemerkt worden ist, d. h. es würde dasselbe den oft sehr gediegenen Arbeiten und dem Schlußresultate der dort verhandelten Gegenstände ein öffentliches Anerkenntniß zu Theil werden lassen, welches in Ermangelung der Oeffentlichkeit wenigstens schwankend ist."

Nachdem auch der dritte Antrag einstimmig angenommen war, stellte der Präsident den vierten **)**) zur Abstimmung, wobei Staatsminister v. Zeschau bemerkte: Es hat sich bei den vorhergehenden beiden Anträgen bestätigt, und wird sich gleichmäßig auch bei dem dritten bestätigen, daß das Bemühen des Ministeriums sehr vergeblich seyn wird, die geehrte Kammer zur Ablassung von dem vorliegenden Antrage zu bestimmen. Ich werde daher auch gegen den Antrag nicht sprechen, sondern erlaube mir nur eine Bemerkung als eine berichtigende, ohne darauf anzutragen, daß die Deputation oder die Kammer aus ihrem Antrag ein Wort weglasse, nämlich diese: es ist zugleich von den Justizverweigerungen die Rede, welche zur Entscheidung an das Reichsgericht auch gewiesen werden möchten. Ich muß in dieser Beziehung bemerken, daß darüber in der Bundesacte und den sonst dazu gehörigen Bestimmungen die vollständigsten Vorschriften vorhanden sind. Ich kann aus eigener Erfahrung darüber sprechen, daß mehrfach solche Beschwerden seit dem Bestehen der Bundesversammlung an sie gelangt sind, und in der That eine große Anzahl von Beschwerden über Justizverweigerung vollständig Abhülfe gefunden hat."

Referent v. Watzdorf entgegnete: "Der Standpunkt der Kammer, welche die vorliegenden Anträge an die Staatsregierung zu bringen beabsichtigt, und der der letztern selbst ist ein verschiedener. Die Staatsregierung kann bei diesen Anträgen vielleicht nach Thatsachen urtheilen, die ihr allein bekannt sind, von denen aber die Kammer keine Wissenschaft haben kann. Es ist daher möglich, daß die Staatsregierung diesen Anträgen vielleicht keine Folge geben wird und nicht geben kann. Sie kann darin vollkommen Recht haben, wenn die Verhältnisse, die ihr allein, der Kammer aber nicht bekannt sind, von der Art sind, daß für die gestellten Anträge ein günstiger Erfolg nicht zu erwarten ist. Die Kammer aber kann ihr Facit nur nach bekannten Größen ziehen. Da nun in den Anträgen des Berichtes ein Mittel zu liegen scheint, den gestörten Rechtsschutz in Deutschland wieder herzustellen, so glaubte die Deputation wohl zu thun, den Gebrauch dieses Mittels anzuempfehlen, wenn auch ein günstiger Erfolg nicht zu erwarten ist."

Abgeordneter Eisenstuck: "Es sind noch mehrere Gründe vorhanden, weßhalb der Antrag der Deputation auf die Genehmigung der Kammer Anspruch haben dürfte. Es ist nicht zu läugnen, im Artikel 29 der Wiener Schlußacte heißt es: "Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt der Bundesversammlung ob, erwiesene nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen jedes Landes zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken." Darauf beschränkt sich die Hülfe bei der Bundesregierung, welche zu der Beschwerde Veranlassung gegeben hat. Das ist doch zu bedenken, meine Herren. Mir scheint nicht, als ob da ein ganz ausreichender Rechtsschutz versprochen wird; denn es geschieht nichts weiter, als daß die Regierung veranlaßt wird, sie solle abhelfen. Aber ein zweiter Punkt, und der von besonderer Wichtigkeit zu seyn scheint, ist die Frage: wer ist der Betheiligte? Mir ist es nach der Bundesacte immer klar gewesen, daß darunter Jeder aus dem Volke zu verstehen ist. Wenn aber ein Reichsgericht organisirt wird, so wird sich dessen Wirksamkeit auch mit darauf erstrecken; denn es ist eine ganz andere Sache, wenn ein organisirtes Reichsgericht besteht und unabhängige Richter die Cognition haben. Es ist dieß um so wichtiger, weil nach der am Bundestage bestehenden Verfassung in vielen Fällen Stimmenmehrheit, ja Stimmeneinhelligkeit erfordert wird. Ein Gerichtshof mit Stimmenmehrheit gibt aber mehr Garantie. Unter der sonstigen Reichsverfassung konnte die Entscheidung des Reichsgerichts auch mit einem Antrag auf Execution verbunden werden. Ich habe selbst eine Execution vornehmen sehen gegen Kurhessen und Lüttich, und die Execution konnte ohne Weiteres erkannt werden. Das Alles vermißt man, wenn nicht ein Reichsgericht organisirt wird."

Staatsminister v. Zeschau: "Ich muß mir gegen eine Aeußerung des geehrten Abgeordneten die Berichtigung in facto erlauben, daß bei der Beurtheilung einer Justizverweigerung Stimmeneinhelligkeit nicht nothwendig ist, wie auch die Bundesacte deutlich sagt." Nach einstimmiger Zustimmung der Kammer kam der
Abg. Clauß (aus Chemnitz) auf seinen frühern Antrag zurück, begnügte sich jedoch damit, denselben nur als einfache Erklärung von seiner Seite zu Protokoll genommen zu sehen.

Präsident Dr. Haase: "Diese eben berathene Petition ist in jeder Beziehung eine ständische; sie ist eine solche nicht nur, weil sie von einem Mitglied unserer Kammer ausgegangen ist, sondern sie auch eine ständische Petition in Beziehung auf ihren Inhalt, welcher hochwichtig ist für alle deutsche constitutionelle Staaten. Lassen Sie daher uns und einen jeden Einzelnen von uns bei dem Namensaufruf

*) Wiederherstellung der Oeffentlichkeit der Bundesprotokolle.
**) Einsetzung eines Bundesstaatsgerichtshofs.

der aufgehobenen vorgebracht worden. Hielt sich das Land für verpflichtet durch die aufgehobene Verfassung, aber nicht der Regent, so wird durch die neu zu begründende weder der Nachfolger des Regenten, als Regent, noch das Land sich rechtmäßig verpflichtet fühlen. Es kann also kein Vertrauen erweckt werden durch eine Verhandlung mit den Ständen von 1819, die von dem Lande für incompetent gehalten werden. Ich habe geglaubt, daß es im Interesse aller deutschen Regierungen liege, daß die Stände vom Jahr 1833 als diejenigen angesehen werden, welche unter „den dermaligen Ständen“ zu verstehen sind. Ehe man nicht auf diesen Standpunkt der Sache zurückkehrt, und von diesem aus das Recht des einen und des andern Theils untersucht, ist zu einem erfreulichen Resultat nicht zu gelangen.“ Bei der darauf erfolgenden Abstimmung nahm die Kammer den zweiten Antrag gleichfalls einstimmig an. Beim dritten Antrag *) äußerte
Staatsminister v. Zeschau: „Ich glaube, die Kammer wird sich überzeugen, daß ein Antrag wie der vorliegende, selbst wenn die Regierung sich entschließen könnte, einen solchen an die Bundesversammlung zu richten, keinen Anklang finden kann und finden wird. Es ist ein Antrag, welcher in die dort einmal angenommene Geschäftsordnung tief eingreift, und kaum wird man einem solchen von einer einzelnen Regierung ausgehenden Antrage zu entsprechen geneigt seyn. Uebrigens theile ich vollständig die Ansicht, welche die Deputation an dieser Stelle ihres Berichts ausgesprochen hat. Ich wünsche, das Ministerium wünscht, es möchte die Bundesversammlung sich entschließen, in manchen Angelegenheiten, welche dort verhandelt werden, die Verhandlungen der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es würde über die Verhandlungen zuweilen eine ganz andere Ansicht im Publicum obwalten, als häufig bemerkt worden ist, d. h. es würde dasselbe den oft sehr gediegenen Arbeiten und dem Schlußresultate der dort verhandelten Gegenstände ein öffentliches Anerkenntniß zu Theil werden lassen, welches in Ermangelung der Oeffentlichkeit wenigstens schwankend ist.“

Nachdem auch der dritte Antrag einstimmig angenommen war, stellte der Präsident den vierten **)**) zur Abstimmung, wobei Staatsminister v. Zeschau bemerkte: Es hat sich bei den vorhergehenden beiden Anträgen bestätigt, und wird sich gleichmäßig auch bei dem dritten bestätigen, daß das Bemühen des Ministeriums sehr vergeblich seyn wird, die geehrte Kammer zur Ablassung von dem vorliegenden Antrage zu bestimmen. Ich werde daher auch gegen den Antrag nicht sprechen, sondern erlaube mir nur eine Bemerkung als eine berichtigende, ohne darauf anzutragen, daß die Deputation oder die Kammer aus ihrem Antrag ein Wort weglasse, nämlich diese: es ist zugleich von den Justizverweigerungen die Rede, welche zur Entscheidung an das Reichsgericht auch gewiesen werden möchten. Ich muß in dieser Beziehung bemerken, daß darüber in der Bundesacte und den sonst dazu gehörigen Bestimmungen die vollständigsten Vorschriften vorhanden sind. Ich kann aus eigener Erfahrung darüber sprechen, daß mehrfach solche Beschwerden seit dem Bestehen der Bundesversammlung an sie gelangt sind, und in der That eine große Anzahl von Beschwerden über Justizverweigerung vollständig Abhülfe gefunden hat.“

Referent v. Watzdorf entgegnete: „Der Standpunkt der Kammer, welche die vorliegenden Anträge an die Staatsregierung zu bringen beabsichtigt, und der der letztern selbst ist ein verschiedener. Die Staatsregierung kann bei diesen Anträgen vielleicht nach Thatsachen urtheilen, die ihr allein bekannt sind, von denen aber die Kammer keine Wissenschaft haben kann. Es ist daher möglich, daß die Staatsregierung diesen Anträgen vielleicht keine Folge geben wird und nicht geben kann. Sie kann darin vollkommen Recht haben, wenn die Verhältnisse, die ihr allein, der Kammer aber nicht bekannt sind, von der Art sind, daß für die gestellten Anträge ein günstiger Erfolg nicht zu erwarten ist. Die Kammer aber kann ihr Facit nur nach bekannten Größen ziehen. Da nun in den Anträgen des Berichtes ein Mittel zu liegen scheint, den gestörten Rechtsschutz in Deutschland wieder herzustellen, so glaubte die Deputation wohl zu thun, den Gebrauch dieses Mittels anzuempfehlen, wenn auch ein günstiger Erfolg nicht zu erwarten ist.“

Abgeordneter Eisenstuck: „Es sind noch mehrere Gründe vorhanden, weßhalb der Antrag der Deputation auf die Genehmigung der Kammer Anspruch haben dürfte. Es ist nicht zu läugnen, im Artikel 29 der Wiener Schlußacte heißt es: „Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt der Bundesversammlung ob, erwiesene nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen jedes Landes zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken.“ Darauf beschränkt sich die Hülfe bei der Bundesregierung, welche zu der Beschwerde Veranlassung gegeben hat. Das ist doch zu bedenken, meine Herren. Mir scheint nicht, als ob da ein ganz ausreichender Rechtsschutz versprochen wird; denn es geschieht nichts weiter, als daß die Regierung veranlaßt wird, sie solle abhelfen. Aber ein zweiter Punkt, und der von besonderer Wichtigkeit zu seyn scheint, ist die Frage: wer ist der Betheiligte? Mir ist es nach der Bundesacte immer klar gewesen, daß darunter Jeder aus dem Volke zu verstehen ist. Wenn aber ein Reichsgericht organisirt wird, so wird sich dessen Wirksamkeit auch mit darauf erstrecken; denn es ist eine ganz andere Sache, wenn ein organisirtes Reichsgericht besteht und unabhängige Richter die Cognition haben. Es ist dieß um so wichtiger, weil nach der am Bundestage bestehenden Verfassung in vielen Fällen Stimmenmehrheit, ja Stimmeneinhelligkeit erfordert wird. Ein Gerichtshof mit Stimmenmehrheit gibt aber mehr Garantie. Unter der sonstigen Reichsverfassung konnte die Entscheidung des Reichsgerichts auch mit einem Antrag auf Execution verbunden werden. Ich habe selbst eine Execution vornehmen sehen gegen Kurhessen und Lüttich, und die Execution konnte ohne Weiteres erkannt werden. Das Alles vermißt man, wenn nicht ein Reichsgericht organisirt wird.“

Staatsminister v. Zeschau: „Ich muß mir gegen eine Aeußerung des geehrten Abgeordneten die Berichtigung in facto erlauben, daß bei der Beurtheilung einer Justizverweigerung Stimmeneinhelligkeit nicht nothwendig ist, wie auch die Bundesacte deutlich sagt.“ Nach einstimmiger Zustimmung der Kammer kam der
Abg. Clauß (aus Chemnitz) auf seinen frühern Antrag zurück, begnügte sich jedoch damit, denselben nur als einfache Erklärung von seiner Seite zu Protokoll genommen zu sehen.

Präsident Dr. Haase: „Diese eben berathene Petition ist in jeder Beziehung eine ständische; sie ist eine solche nicht nur, weil sie von einem Mitglied unserer Kammer ausgegangen ist, sondern sie auch eine ständische Petition in Beziehung auf ihren Inhalt, welcher hochwichtig ist für alle deutsche constitutionelle Staaten. Lassen Sie daher uns und einen jeden Einzelnen von uns bei dem Namensaufruf

*) Wiederherstellung der Oeffentlichkeit der Bundesprotokolle.
**) Einsetzung eines Bundesstaatsgerichtshofs.
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[0556/0012] der aufgehobenen vorgebracht worden. Hielt sich das Land für verpflichtet durch die aufgehobene Verfassung, aber nicht der Regent, so wird durch die neu zu begründende weder der Nachfolger des Regenten, als Regent, noch das Land sich rechtmäßig verpflichtet fühlen. Es kann also kein Vertrauen erweckt werden durch eine Verhandlung mit den Ständen von 1819, die von dem Lande für incompetent gehalten werden. Ich habe geglaubt, daß es im Interesse aller deutschen Regierungen liege, daß die Stände vom Jahr 1833 als diejenigen angesehen werden, welche unter „den dermaligen Ständen“ zu verstehen sind. Ehe man nicht auf diesen Standpunkt der Sache zurückkehrt, und von diesem aus das Recht des einen und des andern Theils untersucht, ist zu einem erfreulichen Resultat nicht zu gelangen.“ Bei der darauf erfolgenden Abstimmung nahm die Kammer den zweiten Antrag gleichfalls einstimmig an. Beim dritten Antrag *) äußerte Staatsminister v. Zeschau: „Ich glaube, die Kammer wird sich überzeugen, daß ein Antrag wie der vorliegende, selbst wenn die Regierung sich entschließen könnte, einen solchen an die Bundesversammlung zu richten, keinen Anklang finden kann und finden wird. Es ist ein Antrag, welcher in die dort einmal angenommene Geschäftsordnung tief eingreift, und kaum wird man einem solchen von einer einzelnen Regierung ausgehenden Antrage zu entsprechen geneigt seyn. Uebrigens theile ich vollständig die Ansicht, welche die Deputation an dieser Stelle ihres Berichts ausgesprochen hat. Ich wünsche, das Ministerium wünscht, es möchte die Bundesversammlung sich entschließen, in manchen Angelegenheiten, welche dort verhandelt werden, die Verhandlungen der Oeffentlichkeit zu übergeben. Es würde über die Verhandlungen zuweilen eine ganz andere Ansicht im Publicum obwalten, als häufig bemerkt worden ist, d. h. es würde dasselbe den oft sehr gediegenen Arbeiten und dem Schlußresultate der dort verhandelten Gegenstände ein öffentliches Anerkenntniß zu Theil werden lassen, welches in Ermangelung der Oeffentlichkeit wenigstens schwankend ist.“ Nachdem auch der dritte Antrag einstimmig angenommen war, stellte der Präsident den vierten **) **) zur Abstimmung, wobei Staatsminister v. Zeschau bemerkte: Es hat sich bei den vorhergehenden beiden Anträgen bestätigt, und wird sich gleichmäßig auch bei dem dritten bestätigen, daß das Bemühen des Ministeriums sehr vergeblich seyn wird, die geehrte Kammer zur Ablassung von dem vorliegenden Antrage zu bestimmen. Ich werde daher auch gegen den Antrag nicht sprechen, sondern erlaube mir nur eine Bemerkung als eine berichtigende, ohne darauf anzutragen, daß die Deputation oder die Kammer aus ihrem Antrag ein Wort weglasse, nämlich diese: es ist zugleich von den Justizverweigerungen die Rede, welche zur Entscheidung an das Reichsgericht auch gewiesen werden möchten. Ich muß in dieser Beziehung bemerken, daß darüber in der Bundesacte und den sonst dazu gehörigen Bestimmungen die vollständigsten Vorschriften vorhanden sind. Ich kann aus eigener Erfahrung darüber sprechen, daß mehrfach solche Beschwerden seit dem Bestehen der Bundesversammlung an sie gelangt sind, und in der That eine große Anzahl von Beschwerden über Justizverweigerung vollständig Abhülfe gefunden hat.“ Referent v. Watzdorf entgegnete: „Der Standpunkt der Kammer, welche die vorliegenden Anträge an die Staatsregierung zu bringen beabsichtigt, und der der letztern selbst ist ein verschiedener. Die Staatsregierung kann bei diesen Anträgen vielleicht nach Thatsachen urtheilen, die ihr allein bekannt sind, von denen aber die Kammer keine Wissenschaft haben kann. Es ist daher möglich, daß die Staatsregierung diesen Anträgen vielleicht keine Folge geben wird und nicht geben kann. Sie kann darin vollkommen Recht haben, wenn die Verhältnisse, die ihr allein, der Kammer aber nicht bekannt sind, von der Art sind, daß für die gestellten Anträge ein günstiger Erfolg nicht zu erwarten ist. Die Kammer aber kann ihr Facit nur nach bekannten Größen ziehen. Da nun in den Anträgen des Berichtes ein Mittel zu liegen scheint, den gestörten Rechtsschutz in Deutschland wieder herzustellen, so glaubte die Deputation wohl zu thun, den Gebrauch dieses Mittels anzuempfehlen, wenn auch ein günstiger Erfolg nicht zu erwarten ist.“ Abgeordneter Eisenstuck: „Es sind noch mehrere Gründe vorhanden, weßhalb der Antrag der Deputation auf die Genehmigung der Kammer Anspruch haben dürfte. Es ist nicht zu läugnen, im Artikel 29 der Wiener Schlußacte heißt es: „Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizverweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt der Bundesversammlung ob, erwiesene nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen jedes Landes zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken.“ Darauf beschränkt sich die Hülfe bei der Bundesregierung, welche zu der Beschwerde Veranlassung gegeben hat. Das ist doch zu bedenken, meine Herren. Mir scheint nicht, als ob da ein ganz ausreichender Rechtsschutz versprochen wird; denn es geschieht nichts weiter, als daß die Regierung veranlaßt wird, sie solle abhelfen. Aber ein zweiter Punkt, und der von besonderer Wichtigkeit zu seyn scheint, ist die Frage: wer ist der Betheiligte? Mir ist es nach der Bundesacte immer klar gewesen, daß darunter Jeder aus dem Volke zu verstehen ist. Wenn aber ein Reichsgericht organisirt wird, so wird sich dessen Wirksamkeit auch mit darauf erstrecken; denn es ist eine ganz andere Sache, wenn ein organisirtes Reichsgericht besteht und unabhängige Richter die Cognition haben. Es ist dieß um so wichtiger, weil nach der am Bundestage bestehenden Verfassung in vielen Fällen Stimmenmehrheit, ja Stimmeneinhelligkeit erfordert wird. Ein Gerichtshof mit Stimmenmehrheit gibt aber mehr Garantie. Unter der sonstigen Reichsverfassung konnte die Entscheidung des Reichsgerichts auch mit einem Antrag auf Execution verbunden werden. Ich habe selbst eine Execution vornehmen sehen gegen Kurhessen und Lüttich, und die Execution konnte ohne Weiteres erkannt werden. Das Alles vermißt man, wenn nicht ein Reichsgericht organisirt wird.“ Staatsminister v. Zeschau: „Ich muß mir gegen eine Aeußerung des geehrten Abgeordneten die Berichtigung in facto erlauben, daß bei der Beurtheilung einer Justizverweigerung Stimmeneinhelligkeit nicht nothwendig ist, wie auch die Bundesacte deutlich sagt.“ Nach einstimmiger Zustimmung der Kammer kam der Abg. Clauß (aus Chemnitz) auf seinen frühern Antrag zurück, begnügte sich jedoch damit, denselben nur als einfache Erklärung von seiner Seite zu Protokoll genommen zu sehen. Präsident Dr. Haase: „Diese eben berathene Petition ist in jeder Beziehung eine ständische; sie ist eine solche nicht nur, weil sie von einem Mitglied unserer Kammer ausgegangen ist, sondern sie auch eine ständische Petition in Beziehung auf ihren Inhalt, welcher hochwichtig ist für alle deutsche constitutionelle Staaten. Lassen Sie daher uns und einen jeden Einzelnen von uns bei dem Namensaufruf *) Wiederherstellung der Oeffentlichkeit der Bundesprotokolle. **) Einsetzung eines Bundesstaatsgerichtshofs.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 70. Augsburg, 10. März 1840, S. 0556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_070_18400310/12>, abgerufen am 29.03.2024.