Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 84. Augsburg, 24. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 18 März wurden ohne eine allgemeine Erörterung die Artikel des Gesetzesentwurfs zu einem Credit von 6,565,000 Fr. für die Fonds der Rücktrittsgehalte bei den auswärtigen Angelegenheiten und den Finanzen angenommen. Ein specieller Credit von 79,950 Fr., der durch den Art. 2 zu rückständigen Pensionen angewiesen war, wurde von der Commission verworfen. Der Finanzminister verlangte aber die Beibehaltung dieses Art., der nach zweimaliger Probe von der Kammer angenommen ward. Der Art. 3, so wie er von der Commission amendirt wurde, und bestimmte, daß bis zur Promulgation eines allgemeinen Gesetzes über die Pensionen der Civilbeamten Pensionen nur im Verhältniß der durch Erlöschungen frei gewordenen Fonds bewilligt werden, und ohne daß die gegenwärtig bewilligten Credite überschritten werden könnten, und der von dieser Regel nur die Pensionen der Wittwen der im Dienste gestorbenen Beamten ausnahm, ward nach langer Erörterung angenommen. Im Scrutin fand das ganze Gesetz mit 219 gegen 20 Stimmen Annahme.

[irrelevantes Material] Die Deputirtenkammer brachte am 19 März die ganze Sitzung mit Erörterung des Gesetzesentwurfs für einen speciellen Credit von 3,600,000 Fr. zu, demzufolge 700,000 Feuerstein-Gewehre in Percussionsgewehre umgeändert werden sollen. Der Kriegsminister, General Schneider und General Bugeaud vertheidigten den Entwurf, gegen welchen die Obristen Schauenburg und Garraube gesprochen hatten. Der Entwurf ward am Ende mit 214 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Man bemerkte während des Scrutins Hrn. Thiers inmitten einer Gruppe von Deputirten des Centrums, die sich allmählich immer mehr vergrößerte, und der er Erläuterungen zu geben schien. - Die Commission für die geheimen Fonds war am 19 bei Abgang der Post noch versammelt. Es hieß, sie werde ihren Berichterstatter ernennen. Man glaubte, die Wahl werde Hrn. Berville (Ministeriellen) treffen.

Die französischen Radicalen von der Farbe des National und die gemäßigten Liberalen der Partei Barrot hadern fast täglich mit einander in den Journalen, und die Spaltung zwischen beiden Meinungen scheint sich mehr erweitern zu wollen, was freilich im Grund wenig bedeuten will, da die letzten Jahre sattsam gezeigt haben, wie Feindschaften und Coalitionen in Frankreich eben so flüchtig vergehen, wie entstehen. "In den großen parlamentarischen Kämpfen von 1837 und 1838, (so klagt der National) ließen die Mitglieder der Opposition, welche nicht auf die Rednerbühne gelangen konnten, sich wenigstens immer einschreiben gegen die geheimen Fonds. Der Redacteur des Siecle und Hr. Garnier Pages, Berryer und Barrot, Sade und Salverte votirten mit einander. Jetzt hat sich, mit Ausnahme einiger radicalen Deputirten, Alles geändert. Die ganze Linke zeigt sich bereitwillig, Hrn. Thiers jene Polizeigelder zuzugestehen, von denen sie vor einem Jahr noch sagte, es sey eine Schande sie zu verlangen, und eine feige Buhlerei sie zu bewilligen. Noch einige Tage und man wrd in der Kammer keine 30 Mitglieder mehr finden, die wenigstens nicht die ignoble Sünde der Verwilligung der geheimen Fonds begangen! Die eine Hälfte wird aus Höflingen des Schlosses, die andere aus Höflingen des Hrn. Thiers bestehen und beide werden die Corruption als einziges Regierungsmittel öffentlich verkünden." Der Courrier francais erwiedert diese Ausfälle des National in weniger schonendem Tone, als bisher. Die constitutionelle Opposition habe durch die Nachbarschaft der radicalen Partei immer viel zu leiden gehabt. Nachdem erstere durch die Heftigkeit der Radicalen schon allzu lange compromittirt worden, werde sie nun gar noch von diesen mit Verleumdungen überhäuft. Die französischen Radicalen seyen weit weniger politisch aufgeklärt, als die englischen; der Wahlspruch ihrer Zerstörungstaktik laute: Alles oder nichts. Die parlamentarische Linke dagegen nehme jede Verbesserung, jeden Fortschritt an, in Erwartung weiterer Reformen; ihre Principien seyen demnach nie die der Radicalen gewesen. "Als die Freunde des Hrn. Barrot - fragt der Courrier - ihre Ansichten über die Wahlreform darlegten, gab der National damals diesem Entwurf seinen Beifall? Gegen den Rath der Klügeren unter den Radicalen, sogar gegen den Rath des Hrn. Garnier Pages, begann der National wider die Redner und Journalisten der Linken einen eben so unpolitischen, als ungerechten und leidenschaftlichen Krieg. Weil nun die Linke das Ministerium des Hrn. Thiers dem letzten Ministerium vorzieht, fällt der National uns an, schreit: die Linke billige die Corruption der Polizei und wagt sogar, den reinsten Ruf unserer Zeit, den Ruf Odilon Barrots anzutasten! Die radicale Partei sage uns doch ein für allemal, was sie will. Will sie ein Ministerium Martignac stürzen auf die Gefahr hin, ein Ministerium Polignac herbeizuführen? Wir für unsern Theil wollen nichts von solchen abenteuerlichen Planen wissen, sondern denken mit allen verständigen Männern, man müsse das Gute einstweilen annehmen, in Erwartung eines Bessern. Da kein Ministerium, das die Wahlreform zugestehen wollte, zu hoffen war, so ziehen wir das jetzige Cabinet, welches diese Frage zu untersuchen verspricht, doch wenigstens dem früheren vor, das mit der Energie eines Sterbenden rief: "Nie die Reform!" Das gegenwärtige Cabinet verspricht ferner, der Jury den ganzen Umfang ihrer Attribute zurückzugeben, es schlägt eine Verminderung der geheimen Fonds und die Unterdrückung der Unterstützungsgelder für Journale vor. Endlich hat das Princip der parlamentarischen Regierung hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten den Sieg erlangt. Nachdem wir dem gegenwärtigen Cabinet zur Gewalt verholfen, sollen wir ihm jetzt unsern Beistand, der seine Stärke gegen den Hof ausmacht, entziehen?"

Ein vom Kriegsminister General Cubieres unterzeichneter Armeebefehl ertheilt den 123 Vertheidigern des africanischen Städchens Massagran, "welche, nur durch eine schwache, von Kanonenkugeln durchlöcherte Mauer gedeckt, vier Tage lang die Angriffe einiger tausend Araber zurückgewiesen," die wohlverdienten Belohnungen und Lobsprüche. Die 10te Compagnie des 1sten Bataillons der leichten africanischen Infanterie darf die von Kugeln durchlöcherte Fahne, welche auf der Mauer von Massagran flatterte, behalten, und in dem Abschied eines jeden Soldaten nach zurückgelegter Dienstzeit soll ausdrücklich bemerkt werden, daß er einer der 123 Vertheidiger Massagrans gewesen. Reelle Belohnungen, nämlich Beförderungen und Ehrenkreuze, sind übrigens nur einigen Officieren und Unterofficieren, keinem der gemeinen Soldaten geworden.

(Courrier francais.) Ein Generalgouverneur für Algerien, wie Hr. Bugeaud, würde die Colonie schnell zu ihrem Untergang führen. Wir haben seit 10 Jahren Fehler genug begangen; die Wahl der Männer wird jetzt mehr, als man glaubt, das Urtheil des Publicums über die Systeme bestimmen.

Der National äußert über die letzte Verhandlung in Betreff des Schlachtviehzolls: "Wenn die Kammer jemals den Maaßstab ihrer Bildung, ihres Liberalismus und ihrer Unabhängigkeit gegeben hat, so war dieß in der Sitzung vom 16 März der Fall. Fast einstimmig ward über die Petitionen der Fleischer von Paris, Lyon und Straßburg von beinahe der ganzen Kammer, ohne Unterschied der Meinung, die Tagesordnung votirt. Jeder Deputirte repräsentirte hier das Interesse der

In der Sitzung der Deputirtenkammer am 18 März wurden ohne eine allgemeine Erörterung die Artikel des Gesetzesentwurfs zu einem Credit von 6,565,000 Fr. für die Fonds der Rücktrittsgehalte bei den auswärtigen Angelegenheiten und den Finanzen angenommen. Ein specieller Credit von 79,950 Fr., der durch den Art. 2 zu rückständigen Pensionen angewiesen war, wurde von der Commission verworfen. Der Finanzminister verlangte aber die Beibehaltung dieses Art., der nach zweimaliger Probe von der Kammer angenommen ward. Der Art. 3, so wie er von der Commission amendirt wurde, und bestimmte, daß bis zur Promulgation eines allgemeinen Gesetzes über die Pensionen der Civilbeamten Pensionen nur im Verhältniß der durch Erlöschungen frei gewordenen Fonds bewilligt werden, und ohne daß die gegenwärtig bewilligten Credite überschritten werden könnten, und der von dieser Regel nur die Pensionen der Wittwen der im Dienste gestorbenen Beamten ausnahm, ward nach langer Erörterung angenommen. Im Scrutin fand das ganze Gesetz mit 219 gegen 20 Stimmen Annahme.

[irrelevantes Material] Die Deputirtenkammer brachte am 19 März die ganze Sitzung mit Erörterung des Gesetzesentwurfs für einen speciellen Credit von 3,600,000 Fr. zu, demzufolge 700,000 Feuerstein-Gewehre in Percussionsgewehre umgeändert werden sollen. Der Kriegsminister, General Schneider und General Bugeaud vertheidigten den Entwurf, gegen welchen die Obristen Schauenburg und Garraube gesprochen hatten. Der Entwurf ward am Ende mit 214 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Man bemerkte während des Scrutins Hrn. Thiers inmitten einer Gruppe von Deputirten des Centrums, die sich allmählich immer mehr vergrößerte, und der er Erläuterungen zu geben schien. – Die Commission für die geheimen Fonds war am 19 bei Abgang der Post noch versammelt. Es hieß, sie werde ihren Berichterstatter ernennen. Man glaubte, die Wahl werde Hrn. Berville (Ministeriellen) treffen.

Die französischen Radicalen von der Farbe des National und die gemäßigten Liberalen der Partei Barrot hadern fast täglich mit einander in den Journalen, und die Spaltung zwischen beiden Meinungen scheint sich mehr erweitern zu wollen, was freilich im Grund wenig bedeuten will, da die letzten Jahre sattsam gezeigt haben, wie Feindschaften und Coalitionen in Frankreich eben so flüchtig vergehen, wie entstehen. „In den großen parlamentarischen Kämpfen von 1837 und 1838, (so klagt der National) ließen die Mitglieder der Opposition, welche nicht auf die Rednerbühne gelangen konnten, sich wenigstens immer einschreiben gegen die geheimen Fonds. Der Redacteur des Siècle und Hr. Garnier Pagès, Berryer und Barrot, Sade und Salverte votirten mit einander. Jetzt hat sich, mit Ausnahme einiger radicalen Deputirten, Alles geändert. Die ganze Linke zeigt sich bereitwillig, Hrn. Thiers jene Polizeigelder zuzugestehen, von denen sie vor einem Jahr noch sagte, es sey eine Schande sie zu verlangen, und eine feige Buhlerei sie zu bewilligen. Noch einige Tage und man wrd in der Kammer keine 30 Mitglieder mehr finden, die wenigstens nicht die ignoble Sünde der Verwilligung der geheimen Fonds begangen! Die eine Hälfte wird aus Höflingen des Schlosses, die andere aus Höflingen des Hrn. Thiers bestehen und beide werden die Corruption als einziges Regierungsmittel öffentlich verkünden.“ Der Courrier français erwiedert diese Ausfälle des National in weniger schonendem Tone, als bisher. Die constitutionelle Opposition habe durch die Nachbarschaft der radicalen Partei immer viel zu leiden gehabt. Nachdem erstere durch die Heftigkeit der Radicalen schon allzu lange compromittirt worden, werde sie nun gar noch von diesen mit Verleumdungen überhäuft. Die französischen Radicalen seyen weit weniger politisch aufgeklärt, als die englischen; der Wahlspruch ihrer Zerstörungstaktik laute: Alles oder nichts. Die parlamentarische Linke dagegen nehme jede Verbesserung, jeden Fortschritt an, in Erwartung weiterer Reformen; ihre Principien seyen demnach nie die der Radicalen gewesen. „Als die Freunde des Hrn. Barrot – fragt der Courrier – ihre Ansichten über die Wahlreform darlegten, gab der National damals diesem Entwurf seinen Beifall? Gegen den Rath der Klügeren unter den Radicalen, sogar gegen den Rath des Hrn. Garnier Pagès, begann der National wider die Redner und Journalisten der Linken einen eben so unpolitischen, als ungerechten und leidenschaftlichen Krieg. Weil nun die Linke das Ministerium des Hrn. Thiers dem letzten Ministerium vorzieht, fällt der National uns an, schreit: die Linke billige die Corruption der Polizei und wagt sogar, den reinsten Ruf unserer Zeit, den Ruf Odilon Barrots anzutasten! Die radicale Partei sage uns doch ein für allemal, was sie will. Will sie ein Ministerium Martignac stürzen auf die Gefahr hin, ein Ministerium Polignac herbeizuführen? Wir für unsern Theil wollen nichts von solchen abenteuerlichen Planen wissen, sondern denken mit allen verständigen Männern, man müsse das Gute einstweilen annehmen, in Erwartung eines Bessern. Da kein Ministerium, das die Wahlreform zugestehen wollte, zu hoffen war, so ziehen wir das jetzige Cabinet, welches diese Frage zu untersuchen verspricht, doch wenigstens dem früheren vor, das mit der Energie eines Sterbenden rief: „Nie die Reform!“ Das gegenwärtige Cabinet verspricht ferner, der Jury den ganzen Umfang ihrer Attribute zurückzugeben, es schlägt eine Verminderung der geheimen Fonds und die Unterdrückung der Unterstützungsgelder für Journale vor. Endlich hat das Princip der parlamentarischen Regierung hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten den Sieg erlangt. Nachdem wir dem gegenwärtigen Cabinet zur Gewalt verholfen, sollen wir ihm jetzt unsern Beistand, der seine Stärke gegen den Hof ausmacht, entziehen?“

Ein vom Kriegsminister General Cubières unterzeichneter Armeebefehl ertheilt den 123 Vertheidigern des africanischen Städchens Massagran, „welche, nur durch eine schwache, von Kanonenkugeln durchlöcherte Mauer gedeckt, vier Tage lang die Angriffe einiger tausend Araber zurückgewiesen,“ die wohlverdienten Belohnungen und Lobsprüche. Die 10te Compagnie des 1sten Bataillons der leichten africanischen Infanterie darf die von Kugeln durchlöcherte Fahne, welche auf der Mauer von Massagran flatterte, behalten, und in dem Abschied eines jeden Soldaten nach zurückgelegter Dienstzeit soll ausdrücklich bemerkt werden, daß er einer der 123 Vertheidiger Massagrans gewesen. Reelle Belohnungen, nämlich Beförderungen und Ehrenkreuze, sind übrigens nur einigen Officieren und Unterofficieren, keinem der gemeinen Soldaten geworden.

(Courrier français.) Ein Generalgouverneur für Algerien, wie Hr. Bugeaud, würde die Colonie schnell zu ihrem Untergang führen. Wir haben seit 10 Jahren Fehler genug begangen; die Wahl der Männer wird jetzt mehr, als man glaubt, das Urtheil des Publicums über die Systeme bestimmen.

Der National äußert über die letzte Verhandlung in Betreff des Schlachtviehzolls: „Wenn die Kammer jemals den Maaßstab ihrer Bildung, ihres Liberalismus und ihrer Unabhängigkeit gegeben hat, so war dieß in der Sitzung vom 16 März der Fall. Fast einstimmig ward über die Petitionen der Fleischer von Paris, Lyon und Straßburg von beinahe der ganzen Kammer, ohne Unterschied der Meinung, die Tagesordnung votirt. Jeder Deputirte repräsentirte hier das Interesse der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0003" n="0667"/>
          <p>In der Sitzung der <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> am 18 März wurden ohne eine allgemeine Erörterung die Artikel des Gesetzesentwurfs zu einem Credit von 6,565,000 Fr. für die Fonds der Rücktrittsgehalte bei den auswärtigen Angelegenheiten und den Finanzen angenommen. Ein specieller Credit von 79,950 Fr., der durch den Art. 2 zu rückständigen Pensionen angewiesen war, wurde von der Commission verworfen. Der Finanzminister verlangte aber die Beibehaltung dieses Art., der nach zweimaliger Probe von der Kammer angenommen ward. Der Art. 3, so wie er von der Commission amendirt wurde, und bestimmte, daß bis zur Promulgation eines allgemeinen Gesetzes über die Pensionen der Civilbeamten Pensionen nur im Verhältniß der durch Erlöschungen frei gewordenen Fonds bewilligt werden, und ohne daß die gegenwärtig bewilligten Credite überschritten werden könnten, und der von dieser Regel nur die Pensionen der Wittwen der im Dienste gestorbenen Beamten ausnahm, ward nach langer Erörterung angenommen. Im Scrutin fand das ganze Gesetz mit 219 gegen 20 Stimmen Annahme.</p><lb/>
          <p><bibl><gap reason="insignificant"/></bibl> Die <hi rendition="#g">Deputirtenkammer</hi> brachte am 19 März die ganze Sitzung mit Erörterung des Gesetzesentwurfs für einen speciellen Credit von 3,600,000 Fr. zu, demzufolge 700,000 Feuerstein-Gewehre in Percussionsgewehre umgeändert werden sollen. Der Kriegsminister, General Schneider und General Bugeaud vertheidigten den Entwurf, gegen welchen die Obristen Schauenburg und Garraube gesprochen hatten. Der Entwurf ward am Ende mit 214 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Man bemerkte während des Scrutins Hrn. Thiers inmitten einer Gruppe von Deputirten des Centrums, die sich allmählich immer mehr vergrößerte, und der er Erläuterungen zu geben schien. &#x2013; Die Commission für die geheimen Fonds war am 19 bei Abgang der Post noch versammelt. Es hieß, sie werde ihren Berichterstatter ernennen. Man glaubte, die Wahl werde Hrn. Berville (Ministeriellen) treffen.</p><lb/>
          <p>Die französischen Radicalen von der Farbe des <hi rendition="#g">National</hi> und die gemäßigten Liberalen der Partei Barrot hadern fast täglich mit einander in den Journalen, und die Spaltung zwischen beiden Meinungen scheint sich mehr erweitern zu wollen, was freilich im Grund wenig bedeuten will, da die letzten Jahre sattsam gezeigt haben, wie Feindschaften und Coalitionen in Frankreich eben so flüchtig vergehen, wie entstehen. &#x201E;In den großen parlamentarischen Kämpfen von 1837 und 1838, (so klagt der <hi rendition="#g">National</hi>) ließen die Mitglieder der Opposition, welche nicht auf die Rednerbühne gelangen konnten, sich wenigstens immer einschreiben gegen die geheimen Fonds. Der Redacteur des Siècle und Hr. Garnier Pagès, Berryer und Barrot, Sade und Salverte votirten mit einander. Jetzt hat sich, mit Ausnahme einiger radicalen Deputirten, Alles geändert. Die ganze Linke zeigt sich bereitwillig, Hrn. Thiers jene Polizeigelder zuzugestehen, von denen sie vor einem Jahr noch sagte, es sey eine Schande sie zu verlangen, und eine feige Buhlerei sie zu bewilligen. Noch einige Tage und man wrd in der Kammer keine 30 Mitglieder mehr finden, die wenigstens nicht die ignoble Sünde der Verwilligung der geheimen Fonds begangen! Die eine Hälfte wird aus Höflingen des Schlosses, die andere aus Höflingen des Hrn. Thiers bestehen und beide werden die Corruption als einziges Regierungsmittel öffentlich verkünden.&#x201C; Der <hi rendition="#g">Courrier français</hi> erwiedert diese Ausfälle des National in weniger schonendem Tone, als bisher. Die constitutionelle Opposition habe durch die Nachbarschaft der radicalen Partei immer viel zu leiden gehabt. Nachdem erstere durch die Heftigkeit der Radicalen schon allzu lange compromittirt worden, werde sie nun gar noch von diesen mit Verleumdungen überhäuft. Die französischen Radicalen seyen weit weniger politisch aufgeklärt, als die englischen; der Wahlspruch ihrer Zerstörungstaktik laute: <hi rendition="#g">Alles oder nichts</hi>. Die parlamentarische Linke dagegen nehme jede Verbesserung, jeden Fortschritt an, in Erwartung weiterer Reformen; ihre Principien seyen demnach nie die der Radicalen gewesen. &#x201E;Als die Freunde des Hrn. Barrot &#x2013; fragt der Courrier &#x2013; ihre Ansichten über die Wahlreform darlegten, gab der National damals diesem Entwurf seinen Beifall? Gegen den Rath der Klügeren unter den Radicalen, sogar gegen den Rath des Hrn. Garnier Pagès, begann der National wider die Redner und Journalisten der Linken einen eben so unpolitischen, als ungerechten und leidenschaftlichen Krieg. Weil nun die Linke das Ministerium des Hrn. Thiers dem letzten Ministerium vorzieht, fällt der National uns an, schreit: die Linke billige die Corruption der Polizei und wagt sogar, den reinsten Ruf unserer Zeit, den Ruf Odilon Barrots anzutasten! Die radicale Partei sage uns doch ein für allemal, was sie will. Will sie ein Ministerium Martignac stürzen auf die Gefahr hin, ein Ministerium Polignac herbeizuführen? Wir für unsern Theil wollen nichts von solchen abenteuerlichen Planen wissen, sondern denken mit allen verständigen Männern, man müsse das Gute einstweilen annehmen, in Erwartung eines Bessern. Da kein Ministerium, das die Wahlreform zugestehen wollte, zu hoffen war, so ziehen wir das jetzige Cabinet, welches diese Frage zu untersuchen verspricht, doch wenigstens dem früheren vor, das mit der Energie eines Sterbenden rief: &#x201E;Nie die Reform!&#x201C; Das gegenwärtige Cabinet verspricht ferner, der Jury den ganzen Umfang ihrer Attribute zurückzugeben, es schlägt eine Verminderung der geheimen Fonds und die Unterdrückung der Unterstützungsgelder für Journale vor. Endlich hat das Princip der parlamentarischen Regierung hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten den Sieg erlangt. Nachdem wir dem gegenwärtigen Cabinet zur Gewalt verholfen, sollen wir ihm jetzt unsern Beistand, der seine Stärke gegen den Hof ausmacht, entziehen?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Ein vom Kriegsminister General Cubières unterzeichneter Armeebefehl ertheilt den 123 Vertheidigern des africanischen Städchens Massagran, &#x201E;welche, nur durch eine schwache, von Kanonenkugeln durchlöcherte Mauer gedeckt, vier Tage lang die Angriffe einiger tausend Araber zurückgewiesen,&#x201C; die wohlverdienten Belohnungen und Lobsprüche. Die 10te Compagnie des 1sten Bataillons der leichten africanischen Infanterie darf die von Kugeln durchlöcherte Fahne, welche auf der Mauer von Massagran flatterte, behalten, und in dem Abschied eines jeden Soldaten nach zurückgelegter Dienstzeit soll ausdrücklich bemerkt werden, daß er einer der 123 Vertheidiger Massagrans gewesen. Reelle Belohnungen, nämlich Beförderungen und Ehrenkreuze, sind übrigens nur einigen Officieren und Unterofficieren, keinem der gemeinen Soldaten geworden.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Courrier français</hi>.) Ein Generalgouverneur für Algerien, wie Hr. Bugeaud, würde die Colonie schnell zu ihrem Untergang führen. Wir haben seit 10 Jahren Fehler genug begangen; die Wahl der Männer wird jetzt mehr, als man glaubt, das Urtheil des Publicums über die Systeme bestimmen.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">National</hi> äußert über die letzte Verhandlung in Betreff des Schlachtviehzolls: &#x201E;Wenn die Kammer jemals den Maaßstab ihrer Bildung, ihres Liberalismus und ihrer Unabhängigkeit gegeben hat, so war dieß in der Sitzung vom 16 März der Fall. Fast einstimmig ward über die Petitionen der Fleischer von Paris, Lyon und Straßburg von beinahe der ganzen Kammer, ohne Unterschied der Meinung, die Tagesordnung votirt. Jeder Deputirte repräsentirte hier das Interesse der<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0667/0003] In der Sitzung der Deputirtenkammer am 18 März wurden ohne eine allgemeine Erörterung die Artikel des Gesetzesentwurfs zu einem Credit von 6,565,000 Fr. für die Fonds der Rücktrittsgehalte bei den auswärtigen Angelegenheiten und den Finanzen angenommen. Ein specieller Credit von 79,950 Fr., der durch den Art. 2 zu rückständigen Pensionen angewiesen war, wurde von der Commission verworfen. Der Finanzminister verlangte aber die Beibehaltung dieses Art., der nach zweimaliger Probe von der Kammer angenommen ward. Der Art. 3, so wie er von der Commission amendirt wurde, und bestimmte, daß bis zur Promulgation eines allgemeinen Gesetzes über die Pensionen der Civilbeamten Pensionen nur im Verhältniß der durch Erlöschungen frei gewordenen Fonds bewilligt werden, und ohne daß die gegenwärtig bewilligten Credite überschritten werden könnten, und der von dieser Regel nur die Pensionen der Wittwen der im Dienste gestorbenen Beamten ausnahm, ward nach langer Erörterung angenommen. Im Scrutin fand das ganze Gesetz mit 219 gegen 20 Stimmen Annahme. _ Die Deputirtenkammer brachte am 19 März die ganze Sitzung mit Erörterung des Gesetzesentwurfs für einen speciellen Credit von 3,600,000 Fr. zu, demzufolge 700,000 Feuerstein-Gewehre in Percussionsgewehre umgeändert werden sollen. Der Kriegsminister, General Schneider und General Bugeaud vertheidigten den Entwurf, gegen welchen die Obristen Schauenburg und Garraube gesprochen hatten. Der Entwurf ward am Ende mit 214 weißen gegen 41 schwarze Kugeln angenommen. Man bemerkte während des Scrutins Hrn. Thiers inmitten einer Gruppe von Deputirten des Centrums, die sich allmählich immer mehr vergrößerte, und der er Erläuterungen zu geben schien. – Die Commission für die geheimen Fonds war am 19 bei Abgang der Post noch versammelt. Es hieß, sie werde ihren Berichterstatter ernennen. Man glaubte, die Wahl werde Hrn. Berville (Ministeriellen) treffen. Die französischen Radicalen von der Farbe des National und die gemäßigten Liberalen der Partei Barrot hadern fast täglich mit einander in den Journalen, und die Spaltung zwischen beiden Meinungen scheint sich mehr erweitern zu wollen, was freilich im Grund wenig bedeuten will, da die letzten Jahre sattsam gezeigt haben, wie Feindschaften und Coalitionen in Frankreich eben so flüchtig vergehen, wie entstehen. „In den großen parlamentarischen Kämpfen von 1837 und 1838, (so klagt der National) ließen die Mitglieder der Opposition, welche nicht auf die Rednerbühne gelangen konnten, sich wenigstens immer einschreiben gegen die geheimen Fonds. Der Redacteur des Siècle und Hr. Garnier Pagès, Berryer und Barrot, Sade und Salverte votirten mit einander. Jetzt hat sich, mit Ausnahme einiger radicalen Deputirten, Alles geändert. Die ganze Linke zeigt sich bereitwillig, Hrn. Thiers jene Polizeigelder zuzugestehen, von denen sie vor einem Jahr noch sagte, es sey eine Schande sie zu verlangen, und eine feige Buhlerei sie zu bewilligen. Noch einige Tage und man wrd in der Kammer keine 30 Mitglieder mehr finden, die wenigstens nicht die ignoble Sünde der Verwilligung der geheimen Fonds begangen! Die eine Hälfte wird aus Höflingen des Schlosses, die andere aus Höflingen des Hrn. Thiers bestehen und beide werden die Corruption als einziges Regierungsmittel öffentlich verkünden.“ Der Courrier français erwiedert diese Ausfälle des National in weniger schonendem Tone, als bisher. Die constitutionelle Opposition habe durch die Nachbarschaft der radicalen Partei immer viel zu leiden gehabt. Nachdem erstere durch die Heftigkeit der Radicalen schon allzu lange compromittirt worden, werde sie nun gar noch von diesen mit Verleumdungen überhäuft. Die französischen Radicalen seyen weit weniger politisch aufgeklärt, als die englischen; der Wahlspruch ihrer Zerstörungstaktik laute: Alles oder nichts. Die parlamentarische Linke dagegen nehme jede Verbesserung, jeden Fortschritt an, in Erwartung weiterer Reformen; ihre Principien seyen demnach nie die der Radicalen gewesen. „Als die Freunde des Hrn. Barrot – fragt der Courrier – ihre Ansichten über die Wahlreform darlegten, gab der National damals diesem Entwurf seinen Beifall? Gegen den Rath der Klügeren unter den Radicalen, sogar gegen den Rath des Hrn. Garnier Pagès, begann der National wider die Redner und Journalisten der Linken einen eben so unpolitischen, als ungerechten und leidenschaftlichen Krieg. Weil nun die Linke das Ministerium des Hrn. Thiers dem letzten Ministerium vorzieht, fällt der National uns an, schreit: die Linke billige die Corruption der Polizei und wagt sogar, den reinsten Ruf unserer Zeit, den Ruf Odilon Barrots anzutasten! Die radicale Partei sage uns doch ein für allemal, was sie will. Will sie ein Ministerium Martignac stürzen auf die Gefahr hin, ein Ministerium Polignac herbeizuführen? Wir für unsern Theil wollen nichts von solchen abenteuerlichen Planen wissen, sondern denken mit allen verständigen Männern, man müsse das Gute einstweilen annehmen, in Erwartung eines Bessern. Da kein Ministerium, das die Wahlreform zugestehen wollte, zu hoffen war, so ziehen wir das jetzige Cabinet, welches diese Frage zu untersuchen verspricht, doch wenigstens dem früheren vor, das mit der Energie eines Sterbenden rief: „Nie die Reform!“ Das gegenwärtige Cabinet verspricht ferner, der Jury den ganzen Umfang ihrer Attribute zurückzugeben, es schlägt eine Verminderung der geheimen Fonds und die Unterdrückung der Unterstützungsgelder für Journale vor. Endlich hat das Princip der parlamentarischen Regierung hinsichtlich der auswärtigen Angelegenheiten den Sieg erlangt. Nachdem wir dem gegenwärtigen Cabinet zur Gewalt verholfen, sollen wir ihm jetzt unsern Beistand, der seine Stärke gegen den Hof ausmacht, entziehen?“ Ein vom Kriegsminister General Cubières unterzeichneter Armeebefehl ertheilt den 123 Vertheidigern des africanischen Städchens Massagran, „welche, nur durch eine schwache, von Kanonenkugeln durchlöcherte Mauer gedeckt, vier Tage lang die Angriffe einiger tausend Araber zurückgewiesen,“ die wohlverdienten Belohnungen und Lobsprüche. Die 10te Compagnie des 1sten Bataillons der leichten africanischen Infanterie darf die von Kugeln durchlöcherte Fahne, welche auf der Mauer von Massagran flatterte, behalten, und in dem Abschied eines jeden Soldaten nach zurückgelegter Dienstzeit soll ausdrücklich bemerkt werden, daß er einer der 123 Vertheidiger Massagrans gewesen. Reelle Belohnungen, nämlich Beförderungen und Ehrenkreuze, sind übrigens nur einigen Officieren und Unterofficieren, keinem der gemeinen Soldaten geworden. (Courrier français.) Ein Generalgouverneur für Algerien, wie Hr. Bugeaud, würde die Colonie schnell zu ihrem Untergang führen. Wir haben seit 10 Jahren Fehler genug begangen; die Wahl der Männer wird jetzt mehr, als man glaubt, das Urtheil des Publicums über die Systeme bestimmen. Der National äußert über die letzte Verhandlung in Betreff des Schlachtviehzolls: „Wenn die Kammer jemals den Maaßstab ihrer Bildung, ihres Liberalismus und ihrer Unabhängigkeit gegeben hat, so war dieß in der Sitzung vom 16 März der Fall. Fast einstimmig ward über die Petitionen der Fleischer von Paris, Lyon und Straßburg von beinahe der ganzen Kammer, ohne Unterschied der Meinung, die Tagesordnung votirt. Jeder Deputirte repräsentirte hier das Interesse der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_084_18400324
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_084_18400324/3
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 84. Augsburg, 24. März 1840, S. 0667. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_084_18400324/3>, abgerufen am 27.04.2024.