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Allgemeine Zeitung. Nr. 86. Augsburg, 26. März 1840.

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den Tag, welchen sie zur Erörterung dieser Frage festsetzen wolle, den Montag oder den Dienstag. Er läßt zuerst über den Dienstag abstimmen. Bei der ersten Probe erheben sich die beiden Centren und ein Theil der Linken, worunter man Hrn. Barrot bemerkt. Bei der Gegenprobe erheben sich die radicale Linke und die legitimistische Rechte. Die Erörterung ward sonach auf den Dienstag festgesetzt.

Die vormaligen 221 sind auf den 22 März zusammenberufen, um sich über ihr bei Erörterung der geheimen Fonds zu beobachtendes Betragen zu verständigen.

Dem Verbot des Balzac'schen Drama's folgte die Bankeruterklärung des Theaterunternehmers der Porte Saint Martin. Hr. Balzac hat bereits mehrere Buchhändler und Zeitschriften fallit gemacht. Ein Journal nennt ihn den Attila der Litteratur.

Von den 40 Theilnehmern an den unruhigen Auftritten zu Autun wegen der Kornausfuhr im Januar wurden zwei freigesprochen, die übrigen zu Gefängnißstrafen von sechs Tagen bis zu drei Monaten verurtheilt.

Die österreichische Regierung hat dem Grafen Gonfalonieri auf die Bitte seiner Verwandten die Erlaubniß ertheilt, drei Monate in Mailand zuzubringen. Der Vater des Grafen ist ernstlich krank und in einem hohen Alter. Der Graf ist am 18 von Paris nach Italien abgereist.

Hr. Janvier, Deputirter von Montauban, der von dem Colonialconseil von Guadeloupe zum Vertreter der Colonie von Guadeloupe ernannt wurde, hat diese Stelle angenommen, aber den damit verbundenen Gehalt von 20,000 Fr. abgelehnt. Die HH. Karl Dupin und Laurence, seine zwei andern Collegen, beziehen diesen Gehalt fortwährend.

Belgien.

Im Independant liest man: "Die Bildung eines Ministeriums ist nicht leicht nach einem Votum, das fast alle Meinungsnuancen, welche die Kammer enthält, gemäßigte Liberale und Katholiken, Ultrakatholiken und Ultraliberale, Anhänger und Gegner des Vertrags, gouvernementale und provincialistische Männer vereinigt hat. Die Liebe zum öffentlichen Wohl muß daher alle einflußreichen Männer der beiden Kammern bestimmen, ihre Anstrengungen mit jenen der Krone zu vereinigen, damit die Schwierigkeiten verschwinden und die hohe Landesverwaltung sich schnell und mit Bürgschaften der Dauer aufs neue constituire. Die Meinung der Majorität des Landes ist zu offenbar, als daß es möglich wäre anzunehmen, daß die Minister anderwärts als aus den Reihen der gemäßigten Männer gewählt werden könnten, anzunehmen, daß sie nicht laut die erhaltenden Grundsätze aller constitutionellen Freiheiten proclamiren werden, zu glauben, daß sie nicht gleich jeden Verdacht, die Meinungen, die Gesinnungen, die Sympathien der Majorität zu verletzen, zurückweisen werden. In dieser Ueberzeugung sagen und wiederholen wir, daß die Nachfolger der jetzigen Minister nicht anders regieren werden, als jene, an deren Stelle sie treten." - Nach einer in dem "Journal d'Anvers" mitgetheilten Notiz haben folgende Personen Aussicht, Minister zu werden: die HH. Goblet oder de Puidt für das Kriegswesen; die HH. Liedts oder Fallon für die Justiz; Hr. Rogier für das Innere, Hr. de Muelenaere für die auswärtigen Angelegenheiten; der Herzog v. Ursel, ehemaliger Minister des Waterstaat, oder Hr. Teichmann für die öffentlichen Arbeiten; die HH. Meeus-Coghen oder d'Huart für die Finanzen. - In der "Freien Presse" liest man: "Es gibt jetzt eine Zukunft nur für ein Ministerium, in welchem das niederdeutsche Belgien durch Flamänder, Söhne von Flamändern, Flamändern von Seele und Herz repräsentirt seyn wird, und vorzüglich in der katholisch-demokratischen Nuance wird man diese Männer finden, denn der wahre Flamänder ist vor Allem ein freier Mann und ein religiöser Mann."

Die nächste Folge der Abstimmung der Repräsentantenkammer vom 14 März und der darauf erfolgten Dimission der Minister ist die Vertagung der Kammer auf unbestimmte Zeit. So sind also die parlamentarischen Arbeiten ins Stocken gerathen, und es gilt nun Versuche zur Constituirung eines neuen Ministeriums zu machen. Der Eindruck, den diese Ereignisse im besseren Theile des Publicums gemacht, ist der Opposition nicht günstig, weil man es als eine ausgemachte Sache annimmt, daß es unmöglich ist, aus so heterogenen Bestandtheilen, wie sie sich in dieser momentanen Majorität zusammen gefunden, ein dauerhaftes Cabinet zu bilden. Auch scheinen die ersten Schritte so wenig Erfolg gehabt zu haben, daß die Individuen, welche die öffentliche Meinung als die möglichen Nachfolger der abgetretenen Minister bezeichnete, gestern Brüssel verlassen haben, um jeder in seine Provinz zurückzukehren. Man hört von vielen Seiten Ausdrücke des Bedauerns, daß die Minister aus der Vandersmissen'schen Frage eine Cabinetsfrage gemacht, und fragt sich, ob es nicht gegen die Regeln der Vorsicht gehandelt ist, ein Ministerium zu entlassen, das bisher in allen wesentlichen Fragen eine bedeutende Majorität in beiden Kammern gehabt, und gerade nur in dieser Nebenfrage, weil einige seiner Gegner die alte revolutionäre Reizbarkeit wieder aufzuregen gewußt, mit geringer Majorität überstimmt worden ist. Man wägt die Voten ab, und findet, daß wenn alle Glieder der Kammer zugegen gewesen, und diejenigen fünf Glieder, die sich, obgleich zugegen, der Abstimmung enthalten (was jedem frei steht, jedoch nur unter Anführung der Gründe, warum er sich enthält), ihrer innersten Gesinnung nach sich entschieden ausgesprochen hätten, die Majorität auch dießmal den Ministern den Sieg verschafft haben würde. So kommt man zu dem Schlusse, daß der König, der bisher die Dimission des Cabinets nicht angenommen, sich wohl bewogen finden dürfte, sie abzulehnen, und es bei einer bloßen Aenderung des Kriegsministers bewenden zu lassen. Man spricht sogar von einem Schritte, den viele Glieder der Kammer bei Sr. Maj. zu diesem Zweck thun wollen. Hieraus geht einstweilen zur Genüge hervor, daß die gegenwärtige Krisis wohl neue Personen ans Ruder bringen kann, aber kein neues System herbeiführen dürfte, ohne auf die Mißbilligung der Majorität in beiden Kammern zu stoßen. Es ist eine Situation eigener Art, von der sich mit Sicherheit aussagen läßt, daß sie dem Lande schadet, weil es sich aus der Ruhe, auf deren Dauer es sich zu verlassen anfing, aufgeschreckt und in neue Schwankungen zurückgeworfen fühlt. Daher auch auf Seite der Gegner der jetzigen Ordnung, und bei allen, die auf Unruhen und Gährungen speculiren, der lauteste Jubel ausgebrochen ist; und ein orangistisches Blatt ausruft: Belgien sey durch diese Abstimmung um fünf bis sechs Jahre rückwärts gegangen. Uebrigens fehlt es selbst unter den Anhängern des Ministeriums nicht an Tadlern der Hartnäckigkeit, womit es diese Frage solidarisch vertheidigte, und auf seiner Ansicht über den 20sten Artikel des Friedenstractats bestand. Zum Theil mochte es den Collegen des Kriegsministers unedel scheinen, ihn im Stiche zu lassen; sodann ist es aber auch unverkennbar, daß gewichtige politische Motive, abgesehen vom strengen Recht, ihr Verfahren bestimmt haben. Schon gleich in der nächsten Sitzung kam die Petition eines Maestrichters zur Sprache, den die holländische Regierung, weil er im Jahr 1830 desertirt, jetzt vor

den Tag, welchen sie zur Erörterung dieser Frage festsetzen wolle, den Montag oder den Dienstag. Er läßt zuerst über den Dienstag abstimmen. Bei der ersten Probe erheben sich die beiden Centren und ein Theil der Linken, worunter man Hrn. Barrot bemerkt. Bei der Gegenprobe erheben sich die radicale Linke und die legitimistische Rechte. Die Erörterung ward sonach auf den Dienstag festgesetzt.

Die vormaligen 221 sind auf den 22 März zusammenberufen, um sich über ihr bei Erörterung der geheimen Fonds zu beobachtendes Betragen zu verständigen.

Dem Verbot des Balzac'schen Drama's folgte die Bankeruterklärung des Theaterunternehmers der Porte Saint Martin. Hr. Balzac hat bereits mehrere Buchhändler und Zeitschriften fallit gemacht. Ein Journal nennt ihn den Attila der Litteratur.

Von den 40 Theilnehmern an den unruhigen Auftritten zu Autun wegen der Kornausfuhr im Januar wurden zwei freigesprochen, die übrigen zu Gefängnißstrafen von sechs Tagen bis zu drei Monaten verurtheilt.

Die österreichische Regierung hat dem Grafen Gonfalonieri auf die Bitte seiner Verwandten die Erlaubniß ertheilt, drei Monate in Mailand zuzubringen. Der Vater des Grafen ist ernstlich krank und in einem hohen Alter. Der Graf ist am 18 von Paris nach Italien abgereist.

Hr. Janvier, Deputirter von Montauban, der von dem Colonialconseil von Guadeloupe zum Vertreter der Colonie von Guadeloupe ernannt wurde, hat diese Stelle angenommen, aber den damit verbundenen Gehalt von 20,000 Fr. abgelehnt. Die HH. Karl Dupin und Laurence, seine zwei andern Collegen, beziehen diesen Gehalt fortwährend.

Belgien.

Im Indépendant liest man: „Die Bildung eines Ministeriums ist nicht leicht nach einem Votum, das fast alle Meinungsnuancen, welche die Kammer enthält, gemäßigte Liberale und Katholiken, Ultrakatholiken und Ultraliberale, Anhänger und Gegner des Vertrags, gouvernementale und provincialistische Männer vereinigt hat. Die Liebe zum öffentlichen Wohl muß daher alle einflußreichen Männer der beiden Kammern bestimmen, ihre Anstrengungen mit jenen der Krone zu vereinigen, damit die Schwierigkeiten verschwinden und die hohe Landesverwaltung sich schnell und mit Bürgschaften der Dauer aufs neue constituire. Die Meinung der Majorität des Landes ist zu offenbar, als daß es möglich wäre anzunehmen, daß die Minister anderwärts als aus den Reihen der gemäßigten Männer gewählt werden könnten, anzunehmen, daß sie nicht laut die erhaltenden Grundsätze aller constitutionellen Freiheiten proclamiren werden, zu glauben, daß sie nicht gleich jeden Verdacht, die Meinungen, die Gesinnungen, die Sympathien der Majorität zu verletzen, zurückweisen werden. In dieser Ueberzeugung sagen und wiederholen wir, daß die Nachfolger der jetzigen Minister nicht anders regieren werden, als jene, an deren Stelle sie treten.“ – Nach einer in dem „Journal d'Anvers“ mitgetheilten Notiz haben folgende Personen Aussicht, Minister zu werden: die HH. Goblet oder de Puidt für das Kriegswesen; die HH. Liedts oder Fallon für die Justiz; Hr. Rogier für das Innere, Hr. de Muelenaere für die auswärtigen Angelegenheiten; der Herzog v. Ursel, ehemaliger Minister des Waterstaat, oder Hr. Teichmann für die öffentlichen Arbeiten; die HH. Meeus-Coghen oder d'Huart für die Finanzen. – In der „Freien Presse“ liest man: „Es gibt jetzt eine Zukunft nur für ein Ministerium, in welchem das niederdeutsche Belgien durch Flamänder, Söhne von Flamändern, Flamändern von Seele und Herz repräsentirt seyn wird, und vorzüglich in der katholisch-demokratischen Nuance wird man diese Männer finden, denn der wahre Flamänder ist vor Allem ein freier Mann und ein religiöser Mann.“

Die nächste Folge der Abstimmung der Repräsentantenkammer vom 14 März und der darauf erfolgten Dimission der Minister ist die Vertagung der Kammer auf unbestimmte Zeit. So sind also die parlamentarischen Arbeiten ins Stocken gerathen, und es gilt nun Versuche zur Constituirung eines neuen Ministeriums zu machen. Der Eindruck, den diese Ereignisse im besseren Theile des Publicums gemacht, ist der Opposition nicht günstig, weil man es als eine ausgemachte Sache annimmt, daß es unmöglich ist, aus so heterogenen Bestandtheilen, wie sie sich in dieser momentanen Majorität zusammen gefunden, ein dauerhaftes Cabinet zu bilden. Auch scheinen die ersten Schritte so wenig Erfolg gehabt zu haben, daß die Individuen, welche die öffentliche Meinung als die möglichen Nachfolger der abgetretenen Minister bezeichnete, gestern Brüssel verlassen haben, um jeder in seine Provinz zurückzukehren. Man hört von vielen Seiten Ausdrücke des Bedauerns, daß die Minister aus der Vandersmissen'schen Frage eine Cabinetsfrage gemacht, und fragt sich, ob es nicht gegen die Regeln der Vorsicht gehandelt ist, ein Ministerium zu entlassen, das bisher in allen wesentlichen Fragen eine bedeutende Majorität in beiden Kammern gehabt, und gerade nur in dieser Nebenfrage, weil einige seiner Gegner die alte revolutionäre Reizbarkeit wieder aufzuregen gewußt, mit geringer Majorität überstimmt worden ist. Man wägt die Voten ab, und findet, daß wenn alle Glieder der Kammer zugegen gewesen, und diejenigen fünf Glieder, die sich, obgleich zugegen, der Abstimmung enthalten (was jedem frei steht, jedoch nur unter Anführung der Gründe, warum er sich enthält), ihrer innersten Gesinnung nach sich entschieden ausgesprochen hätten, die Majorität auch dießmal den Ministern den Sieg verschafft haben würde. So kommt man zu dem Schlusse, daß der König, der bisher die Dimission des Cabinets nicht angenommen, sich wohl bewogen finden dürfte, sie abzulehnen, und es bei einer bloßen Aenderung des Kriegsministers bewenden zu lassen. Man spricht sogar von einem Schritte, den viele Glieder der Kammer bei Sr. Maj. zu diesem Zweck thun wollen. Hieraus geht einstweilen zur Genüge hervor, daß die gegenwärtige Krisis wohl neue Personen ans Ruder bringen kann, aber kein neues System herbeiführen dürfte, ohne auf die Mißbilligung der Majorität in beiden Kammern zu stoßen. Es ist eine Situation eigener Art, von der sich mit Sicherheit aussagen läßt, daß sie dem Lande schadet, weil es sich aus der Ruhe, auf deren Dauer es sich zu verlassen anfing, aufgeschreckt und in neue Schwankungen zurückgeworfen fühlt. Daher auch auf Seite der Gegner der jetzigen Ordnung, und bei allen, die auf Unruhen und Gährungen speculiren, der lauteste Jubel ausgebrochen ist; und ein orangistisches Blatt ausruft: Belgien sey durch diese Abstimmung um fünf bis sechs Jahre rückwärts gegangen. Uebrigens fehlt es selbst unter den Anhängern des Ministeriums nicht an Tadlern der Hartnäckigkeit, womit es diese Frage solidarisch vertheidigte, und auf seiner Ansicht über den 20sten Artikel des Friedenstractats bestand. Zum Theil mochte es den Collegen des Kriegsministers unedel scheinen, ihn im Stiche zu lassen; sodann ist es aber auch unverkennbar, daß gewichtige politische Motive, abgesehen vom strengen Recht, ihr Verfahren bestimmt haben. Schon gleich in der nächsten Sitzung kam die Petition eines Maestrichters zur Sprache, den die holländische Regierung, weil er im Jahr 1830 desertirt, jetzt vor

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Die österreichische Regierung hat dem Grafen Gonfalonieri auf die Bitte seiner Verwandten die Erlaubniß ertheilt, drei Monate in Mailand zuzubringen. Der Vater des Grafen ist ernstlich krank und in einem hohen Alter. Der Graf ist am 18 von Paris nach Italien abgereist. Hr. Janvier, Deputirter von Montauban, der von dem Colonialconseil von Guadeloupe zum Vertreter der Colonie von Guadeloupe ernannt wurde, hat diese Stelle angenommen, aber den damit verbundenen Gehalt von 20,000 Fr. abgelehnt. Die HH. Karl Dupin und Laurence, seine zwei andern Collegen, beziehen diesen Gehalt fortwährend. Belgien. Brüssel, 18 März. Im Indépendant liest man: „Die Bildung eines Ministeriums ist nicht leicht nach einem Votum, das fast alle Meinungsnuancen, welche die Kammer enthält, gemäßigte Liberale und Katholiken, Ultrakatholiken und Ultraliberale, Anhänger und Gegner des Vertrags, gouvernementale und provincialistische Männer vereinigt hat. Die Liebe zum öffentlichen Wohl muß daher alle einflußreichen Männer der beiden Kammern bestimmen, ihre Anstrengungen mit jenen der Krone zu vereinigen, damit die Schwierigkeiten verschwinden und die hohe Landesverwaltung sich schnell und mit Bürgschaften der Dauer aufs neue constituire. Die Meinung der Majorität des Landes ist zu offenbar, als daß es möglich wäre anzunehmen, daß die Minister anderwärts als aus den Reihen der gemäßigten Männer gewählt werden könnten, anzunehmen, daß sie nicht laut die erhaltenden Grundsätze aller constitutionellen Freiheiten proclamiren werden, zu glauben, daß sie nicht gleich jeden Verdacht, die Meinungen, die Gesinnungen, die Sympathien der Majorität zu verletzen, zurückweisen werden. In dieser Ueberzeugung sagen und wiederholen wir, daß die Nachfolger der jetzigen Minister nicht anders regieren werden, als jene, an deren Stelle sie treten.“ – Nach einer in dem „Journal d'Anvers“ mitgetheilten Notiz haben folgende Personen Aussicht, Minister zu werden: die HH. Goblet oder de Puidt für das Kriegswesen; die HH. Liedts oder Fallon für die Justiz; Hr. Rogier für das Innere, Hr. de Muelenaere für die auswärtigen Angelegenheiten; der Herzog v. Ursel, ehemaliger Minister des Waterstaat, oder Hr. Teichmann für die öffentlichen Arbeiten; die HH. Meeus-Coghen oder d'Huart für die Finanzen. – In der „Freien Presse“ liest man: „Es gibt jetzt eine Zukunft nur für ein Ministerium, in welchem das niederdeutsche Belgien durch Flamänder, Söhne von Flamändern, Flamändern von Seele und Herz repräsentirt seyn wird, und vorzüglich in der katholisch-demokratischen Nuance wird man diese Männer finden, denn der wahre Flamänder ist vor Allem ein freier Mann und ein religiöser Mann.“ ✝ Brüssel, 19 März. Die nächste Folge der Abstimmung der Repräsentantenkammer vom 14 März und der darauf erfolgten Dimission der Minister ist die Vertagung der Kammer auf unbestimmte Zeit. So sind also die parlamentarischen Arbeiten ins Stocken gerathen, und es gilt nun Versuche zur Constituirung eines neuen Ministeriums zu machen. Der Eindruck, den diese Ereignisse im besseren Theile des Publicums gemacht, ist der Opposition nicht günstig, weil man es als eine ausgemachte Sache annimmt, daß es unmöglich ist, aus so heterogenen Bestandtheilen, wie sie sich in dieser momentanen Majorität zusammen gefunden, ein dauerhaftes Cabinet zu bilden. Auch scheinen die ersten Schritte so wenig Erfolg gehabt zu haben, daß die Individuen, welche die öffentliche Meinung als die möglichen Nachfolger der abgetretenen Minister bezeichnete, gestern Brüssel verlassen haben, um jeder in seine Provinz zurückzukehren. Man hört von vielen Seiten Ausdrücke des Bedauerns, daß die Minister aus der Vandersmissen'schen Frage eine Cabinetsfrage gemacht, und fragt sich, ob es nicht gegen die Regeln der Vorsicht gehandelt ist, ein Ministerium zu entlassen, das bisher in allen wesentlichen Fragen eine bedeutende Majorität in beiden Kammern gehabt, und gerade nur in dieser Nebenfrage, weil einige seiner Gegner die alte revolutionäre Reizbarkeit wieder aufzuregen gewußt, mit geringer Majorität überstimmt worden ist. Man wägt die Voten ab, und findet, daß wenn alle Glieder der Kammer zugegen gewesen, und diejenigen fünf Glieder, die sich, obgleich zugegen, der Abstimmung enthalten (was jedem frei steht, jedoch nur unter Anführung der Gründe, warum er sich enthält), ihrer innersten Gesinnung nach sich entschieden ausgesprochen hätten, die Majorität auch dießmal den Ministern den Sieg verschafft haben würde. So kommt man zu dem Schlusse, daß der König, der bisher die Dimission des Cabinets nicht angenommen, sich wohl bewogen finden dürfte, sie abzulehnen, und es bei einer bloßen Aenderung des Kriegsministers bewenden zu lassen. Man spricht sogar von einem Schritte, den viele Glieder der Kammer bei Sr. Maj. zu diesem Zweck thun wollen. Hieraus geht einstweilen zur Genüge hervor, daß die gegenwärtige Krisis wohl neue Personen ans Ruder bringen kann, aber kein neues System herbeiführen dürfte, ohne auf die Mißbilligung der Majorität in beiden Kammern zu stoßen. Es ist eine Situation eigener Art, von der sich mit Sicherheit aussagen läßt, daß sie dem Lande schadet, weil es sich aus der Ruhe, auf deren Dauer es sich zu verlassen anfing, aufgeschreckt und in neue Schwankungen zurückgeworfen fühlt. Daher auch auf Seite der Gegner der jetzigen Ordnung, und bei allen, die auf Unruhen und Gährungen speculiren, der lauteste Jubel ausgebrochen ist; und ein orangistisches Blatt ausruft: Belgien sey durch diese Abstimmung um fünf bis sechs Jahre rückwärts gegangen. Uebrigens fehlt es selbst unter den Anhängern des Ministeriums nicht an Tadlern der Hartnäckigkeit, womit es diese Frage solidarisch vertheidigte, und auf seiner Ansicht über den 20sten Artikel des Friedenstractats bestand. Zum Theil mochte es den Collegen des Kriegsministers unedel scheinen, ihn im Stiche zu lassen; sodann ist es aber auch unverkennbar, daß gewichtige politische Motive, abgesehen vom strengen Recht, ihr Verfahren bestimmt haben. Schon gleich in der nächsten Sitzung kam die Petition eines Maestrichters zur Sprache, den die holländische Regierung, weil er im Jahr 1830 desertirt, jetzt vor

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 86. Augsburg, 26. März 1840, S. 0683. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_086_18400326/3>, abgerufen am 30.04.2024.