Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 87. Augsburg, 27. März 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Fehler wäre, darf man wohl schwerlich den preußischen Officieren zum Vorwurf machen. Beauftragt von der türkischen Regierung nach den Dardanellen zu reisen und darüber zu berichten, muß man von ihnen als von Ehrenmännern voraussetzen, daß sie an den analogen Fall mit dem Bosporus erinnert haben. Außerdem muß man sich überzeugt halten, daß es einer solchen Erinnerung bei den Türken gar nicht bedarf, weil ja die Analogie mit den Dardanellen dieselben ganz natürlich auf die Vertheidigung des Bosporus führen muß. Wenn also trotz dem jene Officiere nicht beauftragt wurden, die Vertheidigungsfähigkeit der bestehenden Batterien im Bosporus zu untersuchen, so folgt daraus nur, entweder, daß das türkische Gouvernement von der hinlänglichen Stärke derselben überzeugt ist, oder aber, daß es seine bestimmten Gründe hatte, davon weder etwas zu ändern, noch die Untersuchung zu veranlassen.

Daß das Gouvernement nicht geneigt ist, irgend etwas für die Verbesserung der Bosporusvertheidigung aufzuwenden, geht noch aus folgendem Zuge hervor. Im Spätherbst 1839 erhielt ein europäischer Officier den Auftrag, die Batterien dieses Canals zu besehen. Da derselbe aber wußte, welches Schicksal die Eingaben der preußischen Officiere gehabt, so benutzte er zwar die Gelegenheit, die Batterien zu untersuchen, glaubte aber, die Mühe, seine Ideen ins Detail auszuarbeiten, sich ersparen zu können, wodurch, nach seiner Meinung, der hohen Pforte noch der Vortheil erwuchs, daß seine Plane nicht verloren gehen, und also möglicherweise nicht in unrechte Hände fallen können. Jener Officier begnügte sich daher mit einigen vorläufigen Anfragen beim türkischen Gouvernement, um nach dem Ausfall der Antwort seine Ideen, wo es seyn kann, zu modificiren, wird aber seine eingegangene Wette: daß darauf binnen drei Monaten in keiner Art ein Bescheid erfolgen werde, nächstens gewonnen haben.

Bei der Gelegenheit wollen wir vor einem Irrthum warnen, in den man leicht verfallen könnte. Die preußischen Officiere waren, wie allgemein bekannt und überdieß schon erwähnt, vor zwei Jahren beauftragt, über die Dardanellen zu berichten. Seit einem Jahre hat man daselbst Einiges gebaut. Es ist natürlich, daß das Publicum glauben wird, es würden daselbst Vorschläge jener Officiere ausgeführt. Zwar kennen wir diese Vorschläge nicht, eben so wenig wissen wir, was in den Dardanellen gebaut ist und wird; aber daß man nicht nach den Vorschlägen der preußischen Officiere arbeitet, ist unbezweifelt, denn keiner von jenen Officieren hat den Bau beaufsichtigt, oder nur jemals besichtigt, und noch viel weniger an Ort und Stelle angeordnet, und kein türkischer, armenischer oder griechischer Baumeister (und solche hat man hingeschickt) ist im Stande, einen Plan zu lesen. Gesetzt also, das Memoire über die Dardanellen wäre beim Beginn der Arbeit noch nicht verloren gewesen, sondern wirklich jenen Baumeistern mitgegeben worden, um darnach zu bauen, so hätten sie es doch gewiß nicht verstanden, und also nicht benutzen können. Im besten Fall sind also nur von jenen Officieren angebene Ideen ganz im Allgemeinen und in so fern befolgt, als sie ihre Ideen den höhern türkischen Befehlshabern an Ort und Stelle wahrscheinlicherweise werden mitgetheilt haben, und je nachdem dieselben von den Türken aufgefaßt und behalten worden sind. Man glaube aber nicht, daß die Baumeister irgend eine Verantwortlichkeit zu fürchten hätten, wenn sie nicht nach den vielleicht erhaltenen Planen gearbeitet haben. Eine solche Verantwortlichkeit kann sie niemals treffen, weil keine Behörde im Stande ist, sie zu controliren und ihnen Fehler nachzuweisen. Sollte ihnen aber doch eine Revision gefährlich erscheinen, so haben sie ein leichtes Mittel, derselben auszuweichen und alle nächsten Folgen von sich abzuwenden: sie brauchen nur die Plane nicht wieder herauszugeben unter dem Vorwand sie wären durch häufigen Gebrauch vollständig abgenutzt gewesen, und existirten nicht mehr. Damit begnügen sich die Türken so lange, bis etwa einmal eine feindliche Flotte den Durchgang forcirt hat. Alsdann würde der Pascha von den Dardanellen wahrscheinlich zu seiner Entschuldigung sagen: die Neubauten seyen fehlerhaft gewesen. Eine solche Beschwerde bringt alsdann die Baumeister, natürlich ohne alle Untersuchung, um ihren Kopf. - Wer die Türken kennt, wird einräumen, daß die hier gewagten Voraussetzungen ganz in der Natur dieses Volks liegen und in seiner Geschichte begründet sind.

Die Türken lieben es, einen Europäer auszufragen und sich von ihm Vorschläge aller Art machen zu lassen; aber man wird schon aus obigen wenigen Thatsachen entnehmen können, daß das in der Regel zu nichts führt. Die Türken sind nicht im Stande, die Vorschläge, die man ihnen macht, zu würdigen, und da sie von Natur mißtrauisch sind, so fragen sie jedesmal erst eine Menge anderer Leute um Rath, ehe sie an irgend eine Ausführung gehen; da kann es denn nicht fehlen, daß man ihnen vielerlei vorerzählt, wodurch sie völlig unschlüssig werden, und dann retten sie sich leicht aus allen Widersprüchen dadurch, daß sie ihrer innersten Neigung zur Unthätigkeit folgen, und das ganze Project fallen lassen.

Ostindien.

(Beschluß des in der vorgestrigen Zeitung abgebrochenen Schreibens.) Die Entthronung des Radscha von Sattara und die Einsetzung seines Bruders haben keinen guten Eindruck gemacht. Der Stolz, mit dem der Radscha die Vorschläge von Sir J. Carnac, sich Vergehen gegen die Compagnie schuldig zu erkennen, und dafür ihre Verzeihung anzunehmen, ausgeschlagen hat, steht einem Nachkommen von Siwadschi, dem Gründer des marattischen Reichs, wohl an, und ein Theil der Anklagen, welche gegen ihn erhoben wurden, sind so offenbar falsch, daß das Publicum vollkommen geneigt ist, seiner Versicherung, daß er von keiner Verschwörung wisse, und Alles Intriguen seines Bruders seyen, Glauben zu schenken. Unter Elphinstone und Malcolm, so wie unter Lord Clare, welcher noch die Traditionen dieser beiden großen Gouverneure befolgte, hatte sich kein Schatten von Verdacht gegen den Rascha erhoben. Erst der pedantische Gouverneur R. Grant fing an, ihn durch eine jetzt als falsch anerkannte Auslegung des Vertrags mit der Compagnie zu quälen. Ueber das persönliche Betragen des gegenwärtigen Gouverneurs Sir J. Carnac in dieser Sache sind die Meinungen getheilt; da aber alle Papiere nach England geschickt worden sind, so ist wahrscheinlich, daß sie gedruckt werden, und man kann erst dann völlig entscheiden. Indessen ist der Eindruck, den die Maaßregel gemacht hat, schlecht, um so mehr als der neueingesetzte Radscha ein allgemein verachteter Mensch, ein Trunkenbold und Wüstling ist, dessen Leben eben so unanständig war, als das des Radscha immer decent gewesen ist. Die Verhandlung muß allen indischen Fürsten großes Mißtrauen einflößen, um so mehr, als die hier bekannt gemachten Anklagen gegen den Radscha so unbestimmt sind, daß wahrscheinlich kein indischer Fürst ähnlichen entgehen könnte. Man sollte nie vergessen, daß sie in einer falschen Lage sich befinden, daß sie die englische Souveränetät nicht gerne sehen können, daß sie von einem mißvergnügten Adel umgeben sind, dessen Macht die englische Herrschaft ruinirt hat, und daß die meisten nicht Kenntnisse genug haben, ihre Lage richtig zu beurtheilen. Daher

Fehler wäre, darf man wohl schwerlich den preußischen Officieren zum Vorwurf machen. Beauftragt von der türkischen Regierung nach den Dardanellen zu reisen und darüber zu berichten, muß man von ihnen als von Ehrenmännern voraussetzen, daß sie an den analogen Fall mit dem Bosporus erinnert haben. Außerdem muß man sich überzeugt halten, daß es einer solchen Erinnerung bei den Türken gar nicht bedarf, weil ja die Analogie mit den Dardanellen dieselben ganz natürlich auf die Vertheidigung des Bosporus führen muß. Wenn also trotz dem jene Officiere nicht beauftragt wurden, die Vertheidigungsfähigkeit der bestehenden Batterien im Bosporus zu untersuchen, so folgt daraus nur, entweder, daß das türkische Gouvernement von der hinlänglichen Stärke derselben überzeugt ist, oder aber, daß es seine bestimmten Gründe hatte, davon weder etwas zu ändern, noch die Untersuchung zu veranlassen.

Daß das Gouvernement nicht geneigt ist, irgend etwas für die Verbesserung der Bosporusvertheidigung aufzuwenden, geht noch aus folgendem Zuge hervor. Im Spätherbst 1839 erhielt ein europäischer Officier den Auftrag, die Batterien dieses Canals zu besehen. Da derselbe aber wußte, welches Schicksal die Eingaben der preußischen Officiere gehabt, so benutzte er zwar die Gelegenheit, die Batterien zu untersuchen, glaubte aber, die Mühe, seine Ideen ins Detail auszuarbeiten, sich ersparen zu können, wodurch, nach seiner Meinung, der hohen Pforte noch der Vortheil erwuchs, daß seine Plane nicht verloren gehen, und also möglicherweise nicht in unrechte Hände fallen können. Jener Officier begnügte sich daher mit einigen vorläufigen Anfragen beim türkischen Gouvernement, um nach dem Ausfall der Antwort seine Ideen, wo es seyn kann, zu modificiren, wird aber seine eingegangene Wette: daß darauf binnen drei Monaten in keiner Art ein Bescheid erfolgen werde, nächstens gewonnen haben.

Bei der Gelegenheit wollen wir vor einem Irrthum warnen, in den man leicht verfallen könnte. Die preußischen Officiere waren, wie allgemein bekannt und überdieß schon erwähnt, vor zwei Jahren beauftragt, über die Dardanellen zu berichten. Seit einem Jahre hat man daselbst Einiges gebaut. Es ist natürlich, daß das Publicum glauben wird, es würden daselbst Vorschläge jener Officiere ausgeführt. Zwar kennen wir diese Vorschläge nicht, eben so wenig wissen wir, was in den Dardanellen gebaut ist und wird; aber daß man nicht nach den Vorschlägen der preußischen Officiere arbeitet, ist unbezweifelt, denn keiner von jenen Officieren hat den Bau beaufsichtigt, oder nur jemals besichtigt, und noch viel weniger an Ort und Stelle angeordnet, und kein türkischer, armenischer oder griechischer Baumeister (und solche hat man hingeschickt) ist im Stande, einen Plan zu lesen. Gesetzt also, das Memoire über die Dardanellen wäre beim Beginn der Arbeit noch nicht verloren gewesen, sondern wirklich jenen Baumeistern mitgegeben worden, um darnach zu bauen, so hätten sie es doch gewiß nicht verstanden, und also nicht benutzen können. Im besten Fall sind also nur von jenen Officieren angebene Ideen ganz im Allgemeinen und in so fern befolgt, als sie ihre Ideen den höhern türkischen Befehlshabern an Ort und Stelle wahrscheinlicherweise werden mitgetheilt haben, und je nachdem dieselben von den Türken aufgefaßt und behalten worden sind. Man glaube aber nicht, daß die Baumeister irgend eine Verantwortlichkeit zu fürchten hätten, wenn sie nicht nach den vielleicht erhaltenen Planen gearbeitet haben. Eine solche Verantwortlichkeit kann sie niemals treffen, weil keine Behörde im Stande ist, sie zu controliren und ihnen Fehler nachzuweisen. Sollte ihnen aber doch eine Revision gefährlich erscheinen, so haben sie ein leichtes Mittel, derselben auszuweichen und alle nächsten Folgen von sich abzuwenden: sie brauchen nur die Plane nicht wieder herauszugeben unter dem Vorwand sie wären durch häufigen Gebrauch vollständig abgenutzt gewesen, und existirten nicht mehr. Damit begnügen sich die Türken so lange, bis etwa einmal eine feindliche Flotte den Durchgang forcirt hat. Alsdann würde der Pascha von den Dardanellen wahrscheinlich zu seiner Entschuldigung sagen: die Neubauten seyen fehlerhaft gewesen. Eine solche Beschwerde bringt alsdann die Baumeister, natürlich ohne alle Untersuchung, um ihren Kopf. – Wer die Türken kennt, wird einräumen, daß die hier gewagten Voraussetzungen ganz in der Natur dieses Volks liegen und in seiner Geschichte begründet sind.

Die Türken lieben es, einen Europäer auszufragen und sich von ihm Vorschläge aller Art machen zu lassen; aber man wird schon aus obigen wenigen Thatsachen entnehmen können, daß das in der Regel zu nichts führt. Die Türken sind nicht im Stande, die Vorschläge, die man ihnen macht, zu würdigen, und da sie von Natur mißtrauisch sind, so fragen sie jedesmal erst eine Menge anderer Leute um Rath, ehe sie an irgend eine Ausführung gehen; da kann es denn nicht fehlen, daß man ihnen vielerlei vorerzählt, wodurch sie völlig unschlüssig werden, und dann retten sie sich leicht aus allen Widersprüchen dadurch, daß sie ihrer innersten Neigung zur Unthätigkeit folgen, und das ganze Project fallen lassen.

Ostindien.

(Beschluß des in der vorgestrigen Zeitung abgebrochenen Schreibens.) Die Entthronung des Radscha von Sattara und die Einsetzung seines Bruders haben keinen guten Eindruck gemacht. Der Stolz, mit dem der Radscha die Vorschläge von Sir J. Carnac, sich Vergehen gegen die Compagnie schuldig zu erkennen, und dafür ihre Verzeihung anzunehmen, ausgeschlagen hat, steht einem Nachkommen von Siwadschi, dem Gründer des marattischen Reichs, wohl an, und ein Theil der Anklagen, welche gegen ihn erhoben wurden, sind so offenbar falsch, daß das Publicum vollkommen geneigt ist, seiner Versicherung, daß er von keiner Verschwörung wisse, und Alles Intriguen seines Bruders seyen, Glauben zu schenken. Unter Elphinstone und Malcolm, so wie unter Lord Clare, welcher noch die Traditionen dieser beiden großen Gouverneure befolgte, hatte sich kein Schatten von Verdacht gegen den Rascha erhoben. Erst der pedantische Gouverneur R. Grant fing an, ihn durch eine jetzt als falsch anerkannte Auslegung des Vertrags mit der Compagnie zu quälen. Ueber das persönliche Betragen des gegenwärtigen Gouverneurs Sir J. Carnac in dieser Sache sind die Meinungen getheilt; da aber alle Papiere nach England geschickt worden sind, so ist wahrscheinlich, daß sie gedruckt werden, und man kann erst dann völlig entscheiden. Indessen ist der Eindruck, den die Maaßregel gemacht hat, schlecht, um so mehr als der neueingesetzte Radscha ein allgemein verachteter Mensch, ein Trunkenbold und Wüstling ist, dessen Leben eben so unanständig war, als das des Radscha immer decent gewesen ist. Die Verhandlung muß allen indischen Fürsten großes Mißtrauen einflößen, um so mehr, als die hier bekannt gemachten Anklagen gegen den Radscha so unbestimmt sind, daß wahrscheinlich kein indischer Fürst ähnlichen entgehen könnte. Man sollte nie vergessen, daß sie in einer falschen Lage sich befinden, daß sie die englische Souveränetät nicht gerne sehen können, daß sie von einem mißvergnügten Adel umgeben sind, dessen Macht die englische Herrschaft ruinirt hat, und daß die meisten nicht Kenntnisse genug haben, ihre Lage richtig zu beurtheilen. Daher

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div type="jArticle" n="2">
          <p><pb facs="#f0012" n="0692"/>
Fehler wäre, darf man wohl schwerlich den preußischen Officieren zum Vorwurf machen. Beauftragt von der türkischen Regierung nach den Dardanellen zu reisen und darüber zu berichten, muß man von ihnen als von Ehrenmännern voraussetzen, daß sie an den analogen Fall mit dem Bosporus erinnert haben. Außerdem muß man sich überzeugt halten, daß es einer solchen Erinnerung bei den Türken gar nicht bedarf, weil ja die Analogie mit den Dardanellen dieselben ganz natürlich auf die Vertheidigung des Bosporus führen muß. Wenn also trotz dem jene Officiere nicht beauftragt wurden, die Vertheidigungsfähigkeit der bestehenden Batterien im Bosporus zu untersuchen, so folgt daraus nur, entweder, daß das türkische Gouvernement von der hinlänglichen Stärke derselben überzeugt ist, oder aber, daß es seine bestimmten Gründe hatte, davon weder etwas zu ändern, noch die Untersuchung zu veranlassen.</p><lb/>
          <p>Daß das Gouvernement nicht geneigt ist, irgend etwas für die Verbesserung der Bosporusvertheidigung aufzuwenden, geht noch aus folgendem Zuge hervor. Im Spätherbst 1839 erhielt ein europäischer Officier den Auftrag, die Batterien dieses Canals zu besehen. Da derselbe aber wußte, welches Schicksal die Eingaben der preußischen Officiere gehabt, so benutzte er zwar die Gelegenheit, die Batterien zu untersuchen, glaubte aber, die Mühe, seine Ideen ins Detail auszuarbeiten, sich ersparen zu können, wodurch, nach seiner Meinung, der hohen Pforte noch der Vortheil erwuchs, daß seine Plane nicht verloren gehen, und also möglicherweise nicht in unrechte Hände fallen können. Jener Officier begnügte sich daher mit einigen vorläufigen Anfragen beim türkischen Gouvernement, um nach dem Ausfall der Antwort seine Ideen, wo es seyn kann, zu modificiren, wird aber seine eingegangene Wette: daß darauf binnen drei Monaten in keiner Art ein Bescheid erfolgen werde, nächstens gewonnen haben.</p><lb/>
          <p>Bei der Gelegenheit wollen wir vor einem Irrthum warnen, in den man leicht verfallen könnte. Die preußischen Officiere waren, wie allgemein bekannt und überdieß schon erwähnt, vor zwei Jahren beauftragt, über die Dardanellen zu berichten. Seit einem Jahre hat man daselbst Einiges gebaut. Es ist natürlich, daß das Publicum glauben wird, es würden daselbst Vorschläge jener Officiere ausgeführt. Zwar kennen wir diese Vorschläge nicht, eben so wenig wissen wir, was in den Dardanellen gebaut ist und wird; aber daß man nicht nach den Vorschlägen der preußischen Officiere arbeitet, ist unbezweifelt, denn keiner von jenen Officieren hat den Bau beaufsichtigt, oder nur jemals besichtigt, und noch viel weniger an Ort und Stelle angeordnet, und kein türkischer, armenischer oder griechischer Baumeister (und solche hat man hingeschickt) ist im Stande, einen Plan zu lesen. Gesetzt also, das Memoire über die Dardanellen wäre beim Beginn der Arbeit noch nicht verloren gewesen, sondern wirklich jenen Baumeistern mitgegeben worden, um darnach zu bauen, so hätten sie es doch gewiß nicht verstanden, und also nicht benutzen können. <hi rendition="#g">Im besten Fall</hi> sind also nur von jenen Officieren angebene Ideen ganz im Allgemeinen und in so fern befolgt, als sie ihre Ideen den höhern türkischen Befehlshabern an Ort und Stelle wahrscheinlicherweise werden mitgetheilt haben, und je nachdem dieselben von den Türken aufgefaßt und behalten worden sind. Man glaube aber nicht, daß die Baumeister irgend eine Verantwortlichkeit zu fürchten hätten, wenn sie nicht nach den vielleicht erhaltenen Planen gearbeitet haben. Eine solche Verantwortlichkeit kann sie niemals treffen, weil keine Behörde im Stande ist, sie zu controliren und ihnen Fehler nachzuweisen. Sollte ihnen aber doch eine Revision gefährlich erscheinen, so haben sie ein leichtes Mittel, derselben auszuweichen und alle nächsten Folgen von sich abzuwenden: sie brauchen nur die Plane nicht wieder herauszugeben unter dem Vorwand sie wären durch häufigen Gebrauch vollständig abgenutzt gewesen, und existirten nicht mehr. Damit begnügen sich die Türken so lange, bis etwa einmal eine feindliche Flotte den Durchgang forcirt hat. Alsdann würde der Pascha von den Dardanellen wahrscheinlich zu seiner Entschuldigung sagen: die Neubauten seyen fehlerhaft gewesen. Eine solche Beschwerde bringt alsdann die Baumeister, natürlich ohne alle Untersuchung, um ihren Kopf. &#x2013; Wer die Türken kennt, wird einräumen, daß die hier gewagten Voraussetzungen ganz in der Natur dieses Volks liegen und in seiner Geschichte begründet sind.</p><lb/>
          <p>Die Türken lieben es, einen Europäer auszufragen und sich von ihm Vorschläge aller Art machen zu lassen; aber man wird schon aus obigen wenigen Thatsachen entnehmen können, daß das in der Regel zu nichts führt. Die Türken sind nicht im Stande, die Vorschläge, die man ihnen macht, zu würdigen, und da sie von Natur mißtrauisch sind, so fragen sie jedesmal erst eine Menge anderer Leute um Rath, ehe sie an irgend eine Ausführung gehen; da kann es denn nicht fehlen, daß man ihnen vielerlei vorerzählt, wodurch sie völlig unschlüssig werden, und dann retten sie sich leicht aus allen Widersprüchen dadurch, daß sie ihrer innersten Neigung zur Unthätigkeit folgen, und das ganze Project fallen lassen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Ostindien.</hi> </head><lb/>
        <div type="jArticle" n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Bombay,</hi> 29 Jan.</dateline>
          <p> (Beschluß des in der vorgestrigen Zeitung abgebrochenen Schreibens.) Die Entthronung des Radscha von Sattara und die Einsetzung seines Bruders haben keinen guten Eindruck gemacht. Der Stolz, mit dem der Radscha die Vorschläge von Sir J. Carnac, sich Vergehen gegen die Compagnie schuldig zu erkennen, und dafür ihre Verzeihung anzunehmen, ausgeschlagen hat, steht einem Nachkommen von Siwadschi, dem Gründer des marattischen Reichs, wohl an, und ein Theil der Anklagen, welche gegen ihn erhoben wurden, sind so offenbar falsch, daß das Publicum vollkommen geneigt ist, seiner Versicherung, daß er von keiner Verschwörung wisse, und Alles Intriguen seines Bruders seyen, Glauben zu schenken. Unter Elphinstone und Malcolm, so wie unter Lord Clare, welcher noch die Traditionen dieser beiden großen Gouverneure befolgte, hatte sich kein Schatten von Verdacht gegen den Rascha erhoben. Erst der pedantische Gouverneur R. Grant fing an, ihn durch eine jetzt als falsch anerkannte Auslegung des Vertrags mit der Compagnie zu quälen. Ueber das persönliche Betragen des gegenwärtigen Gouverneurs Sir J. Carnac in dieser Sache sind die Meinungen getheilt; da aber alle Papiere nach England geschickt worden sind, so ist wahrscheinlich, daß sie gedruckt werden, und man kann erst dann völlig entscheiden. Indessen ist der Eindruck, den die Maaßregel gemacht hat, schlecht, um so mehr als der neueingesetzte Radscha ein allgemein verachteter Mensch, ein Trunkenbold und Wüstling ist, dessen Leben eben so unanständig war, als das des Radscha immer decent gewesen ist. Die Verhandlung muß allen indischen Fürsten großes Mißtrauen einflößen, um so mehr, als die hier bekannt gemachten Anklagen gegen den Radscha so unbestimmt sind, daß wahrscheinlich kein indischer Fürst ähnlichen entgehen könnte. Man sollte nie vergessen, daß sie in einer falschen Lage sich befinden, daß sie die englische Souveränetät nicht gerne sehen können, daß sie von einem mißvergnügten Adel umgeben sind, dessen Macht die englische Herrschaft ruinirt hat, und daß die meisten nicht Kenntnisse genug haben, ihre Lage richtig zu beurtheilen. Daher<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0692/0012] Fehler wäre, darf man wohl schwerlich den preußischen Officieren zum Vorwurf machen. Beauftragt von der türkischen Regierung nach den Dardanellen zu reisen und darüber zu berichten, muß man von ihnen als von Ehrenmännern voraussetzen, daß sie an den analogen Fall mit dem Bosporus erinnert haben. Außerdem muß man sich überzeugt halten, daß es einer solchen Erinnerung bei den Türken gar nicht bedarf, weil ja die Analogie mit den Dardanellen dieselben ganz natürlich auf die Vertheidigung des Bosporus führen muß. Wenn also trotz dem jene Officiere nicht beauftragt wurden, die Vertheidigungsfähigkeit der bestehenden Batterien im Bosporus zu untersuchen, so folgt daraus nur, entweder, daß das türkische Gouvernement von der hinlänglichen Stärke derselben überzeugt ist, oder aber, daß es seine bestimmten Gründe hatte, davon weder etwas zu ändern, noch die Untersuchung zu veranlassen. Daß das Gouvernement nicht geneigt ist, irgend etwas für die Verbesserung der Bosporusvertheidigung aufzuwenden, geht noch aus folgendem Zuge hervor. Im Spätherbst 1839 erhielt ein europäischer Officier den Auftrag, die Batterien dieses Canals zu besehen. Da derselbe aber wußte, welches Schicksal die Eingaben der preußischen Officiere gehabt, so benutzte er zwar die Gelegenheit, die Batterien zu untersuchen, glaubte aber, die Mühe, seine Ideen ins Detail auszuarbeiten, sich ersparen zu können, wodurch, nach seiner Meinung, der hohen Pforte noch der Vortheil erwuchs, daß seine Plane nicht verloren gehen, und also möglicherweise nicht in unrechte Hände fallen können. Jener Officier begnügte sich daher mit einigen vorläufigen Anfragen beim türkischen Gouvernement, um nach dem Ausfall der Antwort seine Ideen, wo es seyn kann, zu modificiren, wird aber seine eingegangene Wette: daß darauf binnen drei Monaten in keiner Art ein Bescheid erfolgen werde, nächstens gewonnen haben. Bei der Gelegenheit wollen wir vor einem Irrthum warnen, in den man leicht verfallen könnte. Die preußischen Officiere waren, wie allgemein bekannt und überdieß schon erwähnt, vor zwei Jahren beauftragt, über die Dardanellen zu berichten. Seit einem Jahre hat man daselbst Einiges gebaut. Es ist natürlich, daß das Publicum glauben wird, es würden daselbst Vorschläge jener Officiere ausgeführt. Zwar kennen wir diese Vorschläge nicht, eben so wenig wissen wir, was in den Dardanellen gebaut ist und wird; aber daß man nicht nach den Vorschlägen der preußischen Officiere arbeitet, ist unbezweifelt, denn keiner von jenen Officieren hat den Bau beaufsichtigt, oder nur jemals besichtigt, und noch viel weniger an Ort und Stelle angeordnet, und kein türkischer, armenischer oder griechischer Baumeister (und solche hat man hingeschickt) ist im Stande, einen Plan zu lesen. Gesetzt also, das Memoire über die Dardanellen wäre beim Beginn der Arbeit noch nicht verloren gewesen, sondern wirklich jenen Baumeistern mitgegeben worden, um darnach zu bauen, so hätten sie es doch gewiß nicht verstanden, und also nicht benutzen können. Im besten Fall sind also nur von jenen Officieren angebene Ideen ganz im Allgemeinen und in so fern befolgt, als sie ihre Ideen den höhern türkischen Befehlshabern an Ort und Stelle wahrscheinlicherweise werden mitgetheilt haben, und je nachdem dieselben von den Türken aufgefaßt und behalten worden sind. Man glaube aber nicht, daß die Baumeister irgend eine Verantwortlichkeit zu fürchten hätten, wenn sie nicht nach den vielleicht erhaltenen Planen gearbeitet haben. Eine solche Verantwortlichkeit kann sie niemals treffen, weil keine Behörde im Stande ist, sie zu controliren und ihnen Fehler nachzuweisen. Sollte ihnen aber doch eine Revision gefährlich erscheinen, so haben sie ein leichtes Mittel, derselben auszuweichen und alle nächsten Folgen von sich abzuwenden: sie brauchen nur die Plane nicht wieder herauszugeben unter dem Vorwand sie wären durch häufigen Gebrauch vollständig abgenutzt gewesen, und existirten nicht mehr. Damit begnügen sich die Türken so lange, bis etwa einmal eine feindliche Flotte den Durchgang forcirt hat. Alsdann würde der Pascha von den Dardanellen wahrscheinlich zu seiner Entschuldigung sagen: die Neubauten seyen fehlerhaft gewesen. Eine solche Beschwerde bringt alsdann die Baumeister, natürlich ohne alle Untersuchung, um ihren Kopf. – Wer die Türken kennt, wird einräumen, daß die hier gewagten Voraussetzungen ganz in der Natur dieses Volks liegen und in seiner Geschichte begründet sind. Die Türken lieben es, einen Europäer auszufragen und sich von ihm Vorschläge aller Art machen zu lassen; aber man wird schon aus obigen wenigen Thatsachen entnehmen können, daß das in der Regel zu nichts führt. Die Türken sind nicht im Stande, die Vorschläge, die man ihnen macht, zu würdigen, und da sie von Natur mißtrauisch sind, so fragen sie jedesmal erst eine Menge anderer Leute um Rath, ehe sie an irgend eine Ausführung gehen; da kann es denn nicht fehlen, daß man ihnen vielerlei vorerzählt, wodurch sie völlig unschlüssig werden, und dann retten sie sich leicht aus allen Widersprüchen dadurch, daß sie ihrer innersten Neigung zur Unthätigkeit folgen, und das ganze Project fallen lassen. Ostindien. _ Bombay, 29 Jan. (Beschluß des in der vorgestrigen Zeitung abgebrochenen Schreibens.) Die Entthronung des Radscha von Sattara und die Einsetzung seines Bruders haben keinen guten Eindruck gemacht. Der Stolz, mit dem der Radscha die Vorschläge von Sir J. Carnac, sich Vergehen gegen die Compagnie schuldig zu erkennen, und dafür ihre Verzeihung anzunehmen, ausgeschlagen hat, steht einem Nachkommen von Siwadschi, dem Gründer des marattischen Reichs, wohl an, und ein Theil der Anklagen, welche gegen ihn erhoben wurden, sind so offenbar falsch, daß das Publicum vollkommen geneigt ist, seiner Versicherung, daß er von keiner Verschwörung wisse, und Alles Intriguen seines Bruders seyen, Glauben zu schenken. Unter Elphinstone und Malcolm, so wie unter Lord Clare, welcher noch die Traditionen dieser beiden großen Gouverneure befolgte, hatte sich kein Schatten von Verdacht gegen den Rascha erhoben. Erst der pedantische Gouverneur R. Grant fing an, ihn durch eine jetzt als falsch anerkannte Auslegung des Vertrags mit der Compagnie zu quälen. Ueber das persönliche Betragen des gegenwärtigen Gouverneurs Sir J. Carnac in dieser Sache sind die Meinungen getheilt; da aber alle Papiere nach England geschickt worden sind, so ist wahrscheinlich, daß sie gedruckt werden, und man kann erst dann völlig entscheiden. Indessen ist der Eindruck, den die Maaßregel gemacht hat, schlecht, um so mehr als der neueingesetzte Radscha ein allgemein verachteter Mensch, ein Trunkenbold und Wüstling ist, dessen Leben eben so unanständig war, als das des Radscha immer decent gewesen ist. Die Verhandlung muß allen indischen Fürsten großes Mißtrauen einflößen, um so mehr, als die hier bekannt gemachten Anklagen gegen den Radscha so unbestimmt sind, daß wahrscheinlich kein indischer Fürst ähnlichen entgehen könnte. Man sollte nie vergessen, daß sie in einer falschen Lage sich befinden, daß sie die englische Souveränetät nicht gerne sehen können, daß sie von einem mißvergnügten Adel umgeben sind, dessen Macht die englische Herrschaft ruinirt hat, und daß die meisten nicht Kenntnisse genug haben, ihre Lage richtig zu beurtheilen. Daher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_087_18400327
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_087_18400327/12
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 87. Augsburg, 27. März 1840, S. 0692. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_087_18400327/12>, abgerufen am 18.04.2024.