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Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840.

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57 Verurtheilten des Westens, die noch auf den Galeeren oder in den Gefängnissen des Königreichs detinirt waren, hat der König 46 die Freiheit wieder geschenkt, und für sie nur die Versetzung unter Aufsicht beibehalten; eilf erhielten Verminderungen oder Veränderungen der Strafe; keiner blieb auf den Galeeren."

Das Siecle und der Courrier francais waren die einzigen Journale, welche von der neuen Amnestie gesprochen hatten, ehe dieselbe im Moniteur erschien. Die Gazette de France hält dieß für sehr bedeutend; es beweise, meint sie, den mächtigen Einfluß des Hrn. Barrot auf die Regierung, denn obige Journale gelten für Barrot's Organe. Die übrigen Journale enthalten sich noch jeder Bemerkung über die Ordonnanzen des Moniteur und bringen dieselben erst in ihrer zweiten Ausgabe. Die Maaßregel betrifft hauptsächlich jene Individuen, welche bei den Aufständen in Paris, Lyon und Grenoble im April 1834 betheiligt waren und dem Processe vor dem Pairshof sich durch die Flucht entzogen hatten. Das Siecle schätzt die Zahl der in Folge der neuen Ordonnanz Amnestiirten auf 110 bis 120. Darunter befinden sich Guinard, Cavaignac, Marrast, die bekannten Redacteure des republicanischen Blattes Tribune, welche aus dem Gefängniß Sr. Pelagie entsprangen, kurz ehe der Aprilproceß vor dem Pairshof begann.

Der Toulonnais gibt über den Aufenthalt der französischen Prinzen in Algier ausführlichen Bericht. Bei einem Besuch der Officiere der afrikanischen Miliz und der Colonisten - letztere waren in Trauerkleidern - wurden die Klagen über die erlittenen Unfälle und das gegenwärtige Elend sehr laut. Der Herzog von Orleans ermahnte sie, Muth und Vertrauen nicht sinken zu lassen, und versicherte, daß die Regierung für die Angelegenheiten Algiers die wärmste Sympathie hege; Beweis hiefür sey die Gegenwart zweier Söhne des Königs. "Bei meiner Abreise von Toulon - fuhr der Herzog fort - habe ich durch telegraphische Depesche die Nachricht erhalten, daß die Commission der Deputirtenkammer sich für die beschränkte Occupation Algiers entschieden hat. Zugleich meldete mir aber die Regierung, daß sie diesen Antrag mit aller Kraft bekämpfen werde. Vielleicht ändern die Resultate des bevorstehenden Krieges auch die Ansichten der Commission. Hüten Sie sich vor Entmuthigung, zeigen Sie dieselbe besonders nicht, wenn Sie nach Paris gehen; Entmuthigung würde Ihre Sache zu Grund richten. Von den Colonisten hängt es ab, den Kammern einen Impuls zu Gunsten der Colonisation zu geben." Einigen Colonisten, welche bei dem Ausbruch des Kriegs am meisten gelitten hatten, und die dem Herzog einzeln vorgestellt wurden, bemerkte er noch insbesondere: "Die Nation wird sich nicht geizig zeigen; sie wird Sie entschädigen. Verlieren Sie die Hoffnung nicht. Das gesammte Ministerium theilt die Gesinnungen des Königs. Hr. Thiers hat sich für Ihre Sache verwendet, und Sie wissen, welchen Vertheidiger Sie an ihm haben! Ihr Unglück ist groß, aber nur vorübergehend. Warten Sie vertrauensvoll das Ende des Krieges ab, dessen Resultate zweifelsohne glücklich seyn werden. Die Deputirtenkammer wird auf einer Maaßregel nicht bestehen, welche Frankreich nur mit Leid sehen würde." Die Miliz, welche über die trostreichen Worte des Herzogs hoch entzückt war, drückte hm den Wunsch aus, seine Ehrengarde zu bilden. Der Prinz verweigerte dieß anfangs, weil er nach ihren vielen erlittenen Verlusten sie nicht auch noch ihrer Zeit berauben wolle. Auf die Bemerkung der Officiere aber, es sey dieß ein Glück, keine Last für sie, nahm der Prinz eine Wache von bloß fünf Mann an. Mit besonderer Freundlichkeit unterhielt sich der Herzog mit dem Prediger der reformirten Kirche, und freute sich, daß der protestantische Cultus in Afrika constituirt sey. Der erste Besuch beider Prinzen galt den Militärspitälern. Bei ihrer Rückkehr von dort erwarteten den Herzog von Orleans wieder Colonisten, welche über den Marschall Valee Klagen führten. "Ich bin, antwortete er ihnen, nach Algier gekommen, um unter den Befehlen des Generalgouverneurs zu fechten, nicht um Klagen gegen ihn anzuhören." Am 15 April hielten die Prinzen Musterung über die Truppen der Reservedivision. Der Herzog von Orleans übergab der Fremdenlegion ihre Fahne und hielt eine Rede an sie. Während dieser Heerschau überfiel eine zahlreiche Bande berittener Araber den Posten Maison Carree und trieb eine große Viehheerde, die zur Verproviantirung der Expeditionsarmee bestimmt war, aufs hurtigste in die Berge. Maison Carree liegt nur zwei Stunden von der Ebene entfernt, wo die Heerschau statt hatte. Als die nachsetzenden Truppen ankamen, waren Heerde und Araber verschwunden. Marschall Valee gerieth in große Wuth und brach sogleich nach dem Lager Fonduk auf, vermuthlich um Dellys, in dessen Umgebung berüchtigte Räuberstämme wohnen, zu besetzen.

Abd-El-Kader hat an die Europäer in Algier und die französischen Soldaten folgende Proclamation erlassen, welche in zahlreichen Exemplaren verbreitet ist. "Den Christen, welche in Algier und sonstwo wohnen, thun wir kund, daß alle, welche sich auf unser Gebiet begeben wollen, gute Aufnahme finden werden. Ihre persönliche Freiheit ist ihnen gesichert, eben so die freie Ausübung ihrer Religion. Den Kriegsleuten bewilligen wir das Doppelte ihres bisherigen Soldes, welchem Rang sie auch angehören mögen; den Civilisten steht es frei, ihrer Profession nachzugehen und denen, welche den Boden anbauen wollen, geben wir zu diesem Zweck Grundstücke, Getreide, Vieh und Geldzuschüsse aus unserm Schatze. - Die, welche während des Kriegs in unsere Hände fallen, werden anständig behandelt, und wenn sie uns dienen wollen, geben wir ihnen den doppelten Sold, den sie früher hatten. Die Verwundeten werden wir pflegen und ihnen gleichfalls doppelten Sold geben bis zu ihrer Heilung, und wenn sie uns dann dienen wollen, behalten sie diesen Sold. Wir fordern demnach alle Christen, welche zu uns zu kommen wünschen, auf, dieß ohne Furcht zu thun; wir versprechen ihnen auf unser Wort und unsere Ehre, sie wohl aufzunehmen und in jeder Hinsicht gut zu behandeln."

Von den 35 spanischen Soldaten der Fremdenlegion, welche der Ermordung ihres Lieutenants und der Desertion zum Feind angeklagt waren, stunden eilf am 13 April vor dem Kriegsgericht in Algier. Aus dem Verhör ergab sich, daß jenes Verbrechen keine Folge eines Complots war, und daß ein Theil der Soldaten nur auf die Drohungen der übrigen hin desertirt war. Fünf der Angeklagten wurden freigesprochen, sechs bloß zur gewöhnlichen Strafe der Desertion, den öffentlichen Arbeiten, und die 24 Abwesenden in contumaciam zum Tod verurtheilt.

Die Pairskammer kam 27 April mit Erörterung bei Gesetzesentwurfs, gerichtliche Immobiliarverkäufe betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 27 weißen gegen 4 schwarze Kugeln an.

(Courrier francais.) Die Conferenzen sollten heute (27) zwischen den Commissarien Frankreichs und Englands wieder aufgenommen werden. Einer der englischen Commissäre, Hr. Mac-Gregor ward durch seine Amtsverrichtungen in England zurückgehalten, weßwegen Hr. Bulwer und Hr. Porter allein ihre Regierung repräsentiren sollen. Es handelt sich übrigens nur von genauer Bestimmung der Conclusionen, deren Princip bereits festgestellt ward, und sodann von den Detailstipulationen.

57 Verurtheilten des Westens, die noch auf den Galeeren oder in den Gefängnissen des Königreichs detinirt waren, hat der König 46 die Freiheit wieder geschenkt, und für sie nur die Versetzung unter Aufsicht beibehalten; eilf erhielten Verminderungen oder Veränderungen der Strafe; keiner blieb auf den Galeeren.“

Das Siècle und der Courrier français waren die einzigen Journale, welche von der neuen Amnestie gesprochen hatten, ehe dieselbe im Moniteur erschien. Die Gazette de France hält dieß für sehr bedeutend; es beweise, meint sie, den mächtigen Einfluß des Hrn. Barrot auf die Regierung, denn obige Journale gelten für Barrot's Organe. Die übrigen Journale enthalten sich noch jeder Bemerkung über die Ordonnanzen des Moniteur und bringen dieselben erst in ihrer zweiten Ausgabe. Die Maaßregel betrifft hauptsächlich jene Individuen, welche bei den Aufständen in Paris, Lyon und Grenoble im April 1834 betheiligt waren und dem Processe vor dem Pairshof sich durch die Flucht entzogen hatten. Das Siècle schätzt die Zahl der in Folge der neuen Ordonnanz Amnestiirten auf 110 bis 120. Darunter befinden sich Guinard, Cavaignac, Marrast, die bekannten Redacteure des republicanischen Blattes Tribune, welche aus dem Gefängniß Sr. Pelagie entsprangen, kurz ehe der Aprilproceß vor dem Pairshof begann.

Der Toulonnais gibt über den Aufenthalt der französischen Prinzen in Algier ausführlichen Bericht. Bei einem Besuch der Officiere der afrikanischen Miliz und der Colonisten – letztere waren in Trauerkleidern – wurden die Klagen über die erlittenen Unfälle und das gegenwärtige Elend sehr laut. Der Herzog von Orleans ermahnte sie, Muth und Vertrauen nicht sinken zu lassen, und versicherte, daß die Regierung für die Angelegenheiten Algiers die wärmste Sympathie hege; Beweis hiefür sey die Gegenwart zweier Söhne des Königs. „Bei meiner Abreise von Toulon – fuhr der Herzog fort – habe ich durch telegraphische Depesche die Nachricht erhalten, daß die Commission der Deputirtenkammer sich für die beschränkte Occupation Algiers entschieden hat. Zugleich meldete mir aber die Regierung, daß sie diesen Antrag mit aller Kraft bekämpfen werde. Vielleicht ändern die Resultate des bevorstehenden Krieges auch die Ansichten der Commission. Hüten Sie sich vor Entmuthigung, zeigen Sie dieselbe besonders nicht, wenn Sie nach Paris gehen; Entmuthigung würde Ihre Sache zu Grund richten. Von den Colonisten hängt es ab, den Kammern einen Impuls zu Gunsten der Colonisation zu geben.“ Einigen Colonisten, welche bei dem Ausbruch des Kriegs am meisten gelitten hatten, und die dem Herzog einzeln vorgestellt wurden, bemerkte er noch insbesondere: „Die Nation wird sich nicht geizig zeigen; sie wird Sie entschädigen. Verlieren Sie die Hoffnung nicht. Das gesammte Ministerium theilt die Gesinnungen des Königs. Hr. Thiers hat sich für Ihre Sache verwendet, und Sie wissen, welchen Vertheidiger Sie an ihm haben! Ihr Unglück ist groß, aber nur vorübergehend. Warten Sie vertrauensvoll das Ende des Krieges ab, dessen Resultate zweifelsohne glücklich seyn werden. Die Deputirtenkammer wird auf einer Maaßregel nicht bestehen, welche Frankreich nur mit Leid sehen würde.“ Die Miliz, welche über die trostreichen Worte des Herzogs hoch entzückt war, drückte hm den Wunsch aus, seine Ehrengarde zu bilden. Der Prinz verweigerte dieß anfangs, weil er nach ihren vielen erlittenen Verlusten sie nicht auch noch ihrer Zeit berauben wolle. Auf die Bemerkung der Officiere aber, es sey dieß ein Glück, keine Last für sie, nahm der Prinz eine Wache von bloß fünf Mann an. Mit besonderer Freundlichkeit unterhielt sich der Herzog mit dem Prediger der reformirten Kirche, und freute sich, daß der protestantische Cultus in Afrika constituirt sey. Der erste Besuch beider Prinzen galt den Militärspitälern. Bei ihrer Rückkehr von dort erwarteten den Herzog von Orleans wieder Colonisten, welche über den Marschall Valée Klagen führten. „Ich bin, antwortete er ihnen, nach Algier gekommen, um unter den Befehlen des Generalgouverneurs zu fechten, nicht um Klagen gegen ihn anzuhören.“ Am 15 April hielten die Prinzen Musterung über die Truppen der Reservedivision. Der Herzog von Orleans übergab der Fremdenlegion ihre Fahne und hielt eine Rede an sie. Während dieser Heerschau überfiel eine zahlreiche Bande berittener Araber den Posten Maison Carrée und trieb eine große Viehheerde, die zur Verproviantirung der Expeditionsarmee bestimmt war, aufs hurtigste in die Berge. Maison Carrée liegt nur zwei Stunden von der Ebene entfernt, wo die Heerschau statt hatte. Als die nachsetzenden Truppen ankamen, waren Heerde und Araber verschwunden. Marschall Valée gerieth in große Wuth und brach sogleich nach dem Lager Fonduk auf, vermuthlich um Dellys, in dessen Umgebung berüchtigte Räuberstämme wohnen, zu besetzen.

Abd-El-Kader hat an die Europäer in Algier und die französischen Soldaten folgende Proclamation erlassen, welche in zahlreichen Exemplaren verbreitet ist. „Den Christen, welche in Algier und sonstwo wohnen, thun wir kund, daß alle, welche sich auf unser Gebiet begeben wollen, gute Aufnahme finden werden. Ihre persönliche Freiheit ist ihnen gesichert, eben so die freie Ausübung ihrer Religion. Den Kriegsleuten bewilligen wir das Doppelte ihres bisherigen Soldes, welchem Rang sie auch angehören mögen; den Civilisten steht es frei, ihrer Profession nachzugehen und denen, welche den Boden anbauen wollen, geben wir zu diesem Zweck Grundstücke, Getreide, Vieh und Geldzuschüsse aus unserm Schatze. – Die, welche während des Kriegs in unsere Hände fallen, werden anständig behandelt, und wenn sie uns dienen wollen, geben wir ihnen den doppelten Sold, den sie früher hatten. Die Verwundeten werden wir pflegen und ihnen gleichfalls doppelten Sold geben bis zu ihrer Heilung, und wenn sie uns dann dienen wollen, behalten sie diesen Sold. Wir fordern demnach alle Christen, welche zu uns zu kommen wünschen, auf, dieß ohne Furcht zu thun; wir versprechen ihnen auf unser Wort und unsere Ehre, sie wohl aufzunehmen und in jeder Hinsicht gut zu behandeln.“

Von den 35 spanischen Soldaten der Fremdenlegion, welche der Ermordung ihres Lieutenants und der Desertion zum Feind angeklagt waren, stunden eilf am 13 April vor dem Kriegsgericht in Algier. Aus dem Verhör ergab sich, daß jenes Verbrechen keine Folge eines Complots war, und daß ein Theil der Soldaten nur auf die Drohungen der übrigen hin desertirt war. Fünf der Angeklagten wurden freigesprochen, sechs bloß zur gewöhnlichen Strafe der Desertion, den öffentlichen Arbeiten, und die 24 Abwesenden in contumaciam zum Tod verurtheilt.

Die Pairskammer kam 27 April mit Erörterung bei Gesetzesentwurfs, gerichtliche Immobiliarverkäufe betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 27 weißen gegen 4 schwarze Kugeln an.

(Courrier français.) Die Conferenzen sollten heute (27) zwischen den Commissarien Frankreichs und Englands wieder aufgenommen werden. Einer der englischen Commissäre, Hr. Mac-Gregor ward durch seine Amtsverrichtungen in England zurückgehalten, weßwegen Hr. Bulwer und Hr. Porter allein ihre Regierung repräsentiren sollen. Es handelt sich übrigens nur von genauer Bestimmung der Conclusionen, deren Princip bereits festgestellt ward, und sodann von den Detailstipulationen.

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[0986/0002] 57 Verurtheilten des Westens, die noch auf den Galeeren oder in den Gefängnissen des Königreichs detinirt waren, hat der König 46 die Freiheit wieder geschenkt, und für sie nur die Versetzung unter Aufsicht beibehalten; eilf erhielten Verminderungen oder Veränderungen der Strafe; keiner blieb auf den Galeeren.“ Das Siècle und der Courrier français waren die einzigen Journale, welche von der neuen Amnestie gesprochen hatten, ehe dieselbe im Moniteur erschien. Die Gazette de France hält dieß für sehr bedeutend; es beweise, meint sie, den mächtigen Einfluß des Hrn. Barrot auf die Regierung, denn obige Journale gelten für Barrot's Organe. Die übrigen Journale enthalten sich noch jeder Bemerkung über die Ordonnanzen des Moniteur und bringen dieselben erst in ihrer zweiten Ausgabe. Die Maaßregel betrifft hauptsächlich jene Individuen, welche bei den Aufständen in Paris, Lyon und Grenoble im April 1834 betheiligt waren und dem Processe vor dem Pairshof sich durch die Flucht entzogen hatten. Das Siècle schätzt die Zahl der in Folge der neuen Ordonnanz Amnestiirten auf 110 bis 120. Darunter befinden sich Guinard, Cavaignac, Marrast, die bekannten Redacteure des republicanischen Blattes Tribune, welche aus dem Gefängniß Sr. Pelagie entsprangen, kurz ehe der Aprilproceß vor dem Pairshof begann. Der Toulonnais gibt über den Aufenthalt der französischen Prinzen in Algier ausführlichen Bericht. Bei einem Besuch der Officiere der afrikanischen Miliz und der Colonisten – letztere waren in Trauerkleidern – wurden die Klagen über die erlittenen Unfälle und das gegenwärtige Elend sehr laut. Der Herzog von Orleans ermahnte sie, Muth und Vertrauen nicht sinken zu lassen, und versicherte, daß die Regierung für die Angelegenheiten Algiers die wärmste Sympathie hege; Beweis hiefür sey die Gegenwart zweier Söhne des Königs. „Bei meiner Abreise von Toulon – fuhr der Herzog fort – habe ich durch telegraphische Depesche die Nachricht erhalten, daß die Commission der Deputirtenkammer sich für die beschränkte Occupation Algiers entschieden hat. Zugleich meldete mir aber die Regierung, daß sie diesen Antrag mit aller Kraft bekämpfen werde. Vielleicht ändern die Resultate des bevorstehenden Krieges auch die Ansichten der Commission. Hüten Sie sich vor Entmuthigung, zeigen Sie dieselbe besonders nicht, wenn Sie nach Paris gehen; Entmuthigung würde Ihre Sache zu Grund richten. Von den Colonisten hängt es ab, den Kammern einen Impuls zu Gunsten der Colonisation zu geben.“ Einigen Colonisten, welche bei dem Ausbruch des Kriegs am meisten gelitten hatten, und die dem Herzog einzeln vorgestellt wurden, bemerkte er noch insbesondere: „Die Nation wird sich nicht geizig zeigen; sie wird Sie entschädigen. Verlieren Sie die Hoffnung nicht. Das gesammte Ministerium theilt die Gesinnungen des Königs. Hr. Thiers hat sich für Ihre Sache verwendet, und Sie wissen, welchen Vertheidiger Sie an ihm haben! Ihr Unglück ist groß, aber nur vorübergehend. Warten Sie vertrauensvoll das Ende des Krieges ab, dessen Resultate zweifelsohne glücklich seyn werden. Die Deputirtenkammer wird auf einer Maaßregel nicht bestehen, welche Frankreich nur mit Leid sehen würde.“ Die Miliz, welche über die trostreichen Worte des Herzogs hoch entzückt war, drückte hm den Wunsch aus, seine Ehrengarde zu bilden. Der Prinz verweigerte dieß anfangs, weil er nach ihren vielen erlittenen Verlusten sie nicht auch noch ihrer Zeit berauben wolle. Auf die Bemerkung der Officiere aber, es sey dieß ein Glück, keine Last für sie, nahm der Prinz eine Wache von bloß fünf Mann an. Mit besonderer Freundlichkeit unterhielt sich der Herzog mit dem Prediger der reformirten Kirche, und freute sich, daß der protestantische Cultus in Afrika constituirt sey. Der erste Besuch beider Prinzen galt den Militärspitälern. Bei ihrer Rückkehr von dort erwarteten den Herzog von Orleans wieder Colonisten, welche über den Marschall Valée Klagen führten. „Ich bin, antwortete er ihnen, nach Algier gekommen, um unter den Befehlen des Generalgouverneurs zu fechten, nicht um Klagen gegen ihn anzuhören.“ Am 15 April hielten die Prinzen Musterung über die Truppen der Reservedivision. Der Herzog von Orleans übergab der Fremdenlegion ihre Fahne und hielt eine Rede an sie. Während dieser Heerschau überfiel eine zahlreiche Bande berittener Araber den Posten Maison Carrée und trieb eine große Viehheerde, die zur Verproviantirung der Expeditionsarmee bestimmt war, aufs hurtigste in die Berge. Maison Carrée liegt nur zwei Stunden von der Ebene entfernt, wo die Heerschau statt hatte. Als die nachsetzenden Truppen ankamen, waren Heerde und Araber verschwunden. Marschall Valée gerieth in große Wuth und brach sogleich nach dem Lager Fonduk auf, vermuthlich um Dellys, in dessen Umgebung berüchtigte Räuberstämme wohnen, zu besetzen. Abd-El-Kader hat an die Europäer in Algier und die französischen Soldaten folgende Proclamation erlassen, welche in zahlreichen Exemplaren verbreitet ist. „Den Christen, welche in Algier und sonstwo wohnen, thun wir kund, daß alle, welche sich auf unser Gebiet begeben wollen, gute Aufnahme finden werden. Ihre persönliche Freiheit ist ihnen gesichert, eben so die freie Ausübung ihrer Religion. Den Kriegsleuten bewilligen wir das Doppelte ihres bisherigen Soldes, welchem Rang sie auch angehören mögen; den Civilisten steht es frei, ihrer Profession nachzugehen und denen, welche den Boden anbauen wollen, geben wir zu diesem Zweck Grundstücke, Getreide, Vieh und Geldzuschüsse aus unserm Schatze. – Die, welche während des Kriegs in unsere Hände fallen, werden anständig behandelt, und wenn sie uns dienen wollen, geben wir ihnen den doppelten Sold, den sie früher hatten. Die Verwundeten werden wir pflegen und ihnen gleichfalls doppelten Sold geben bis zu ihrer Heilung, und wenn sie uns dann dienen wollen, behalten sie diesen Sold. Wir fordern demnach alle Christen, welche zu uns zu kommen wünschen, auf, dieß ohne Furcht zu thun; wir versprechen ihnen auf unser Wort und unsere Ehre, sie wohl aufzunehmen und in jeder Hinsicht gut zu behandeln.“ Von den 35 spanischen Soldaten der Fremdenlegion, welche der Ermordung ihres Lieutenants und der Desertion zum Feind angeklagt waren, stunden eilf am 13 April vor dem Kriegsgericht in Algier. Aus dem Verhör ergab sich, daß jenes Verbrechen keine Folge eines Complots war, und daß ein Theil der Soldaten nur auf die Drohungen der übrigen hin desertirt war. Fünf der Angeklagten wurden freigesprochen, sechs bloß zur gewöhnlichen Strafe der Desertion, den öffentlichen Arbeiten, und die 24 Abwesenden in contumaciam zum Tod verurtheilt. Die Pairskammer kam 27 April mit Erörterung bei Gesetzesentwurfs, gerichtliche Immobiliarverkäufe betreffend, zu Ende, und nahm ihn mit 27 weißen gegen 4 schwarze Kugeln an. (Courrier français.) Die Conferenzen sollten heute (27) zwischen den Commissarien Frankreichs und Englands wieder aufgenommen werden. Einer der englischen Commissäre, Hr. Mac-Gregor ward durch seine Amtsverrichtungen in England zurückgehalten, weßwegen Hr. Bulwer und Hr. Porter allein ihre Regierung repräsentiren sollen. Es handelt sich übrigens nur von genauer Bestimmung der Conclusionen, deren Princip bereits festgestellt ward, und sodann von den Detailstipulationen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 124. Augsburg, 3. Mai 1840, S. 0986. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_124_18400503/2>, abgerufen am 28.04.2024.