Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Herz unserer Whigminister hervorgebracht; denn so kraftvoll auch die Sprache der Whigs gegen außen seyn mag, so ist gewiß, daß ihnen fremde Macht ausnehmend imponirt; das Intimidationsystem, das sie auswärts befolgen und wodurch sie die Welt in Schrecken setzen möchten, läßt Ausnahmen zu, sobald direct oder indirect zum Widerstand Miene gemacht wird. Freilich wird man gegen das schwache sicilianische Reich consequent verfahren und auf seinem Recht bestehen, denn hier fühlt man sich zum Ueberfluß gestärkt und beruhigt durch Frankreichs Mediation. Es wäre inzwischen nicht schwer zu beweisen, daß die Annahme der französischen Intervention, wenn diese Annahme ernstlich gemeint ist, ein politischer Fehlgriff war. Dem Hrn. Thiers war der Monopolstreit ein gewünschtes Spiel, das ihm bei den in Italien herrschenden Conjuncturen ein kaum zu berechnendes Gewicht ertheilt. Zwar versichert er, daß er nur im Sinne der Ordnung, im Interesse des Friedens zwischen England und Neapel getreten sey, und unter gewissen Bedingungen mag sich dieß Vorgeben bestätigen; im Allgemeinen aber dürfte es keinen höhern Grad von Wahrheit ansprechen, als seine ausgesprochene Neutralität, im Falle man zu Coercitivmitteln gegen Aegypten schreiten wollte. Möge sich Lord Palmerston ja nicht einbilden, daß Thiers, sobald die projectirte Demonstration vor Alexandria zur Ausführung kommt, unter jedweder Constellation einen ruhigen Zuschauer abgeben werde; möge er nicht vergessen, daß das französische Cabinet bei der dem Vicekönig ertheilten Protection nicht von Freundschaftsgefühlen allein geleitet ward, daß vielmehr wichtige Beweggründe, weit ausstehende Plane dem künftigen Benehmen Frankreichs als Motiv zu Grunde liegen werden.

Im Oberhaus ist gestern die irische Corporationsreformbill endlich zum zweiten Verlesen gekommen, und zwar indem Wellington und alle gemäßigten Tories mit den Whigs stimmten, während die Ultras, 32 an der Zahl, die Bill verworfen haben wollten. Doch war der alte Herzog dabei höchst übel gelaunt, indem er behauptete, die Regierung habe die Bedingungen, unter welchen er versprochen, diese Corporationsreform zuzulassen, nämlich die Schlichtung des Zehntenstreits und die Einführung gesetzlicher Armenpflege in Irland, nicht redlich ausgeführt. Besonders meint er, habe man bei der Wahl der Armenpfleger (Guardians of the poor) den Katholiken und Repealern zu viele Vortheile eingeräumt. Er drohte, wenn nicht im Ausschusse Veränderungen in der Bill gemacht würden, wodurch so viel wie möglich verhindert werde, daß die Katholiken an der Stelle der Protestanten den Corporationen einen einseitigen Charakter einflößten, er für die Verwerfung der ganzen Maaßregel stimmen wolle. Dieses ist im Angesichte der großen Aufregung, welche jetzt in Irland stattfindet, kühn, besonders von dem Manne, welcher einer ähnlichen Aufregung wegen in so viel Größerem, nämlich in der Emancipation der Katholiken nachgegeben. Lord Melbourne tadelte O'Connells Aufregung aufs höflichste. Aber weder des Premiers glimpflicher Tadel, noch Wellingtons unwirscher Trotz werden den Gang der Begebenheiten hemmen, Irland erhält gewiß gleiche Rechte mit England und Schottland. Morgen Abend will Lord Stanley seine gehässige Maaßregel poussiren, gewiß ohne Erfolg. Lord John Russell hat ihm ganz leise einen Schlagbaum in den Weg geschoben, indem er gestern Abend eine Bill ins Unterhaus brachte, wodurch das Wahlrecht in England näher bestimmt, und die Erlangung und Behauptung desselben, wo einer nur immer die Bedingungen dazu besitzt, auf alle Weise erleichtert werden soll. Die Maaßregel ist von der Art, daß kein einziger Tory etwas Bedeutendes dagegen einzuwenden wußte, und da der edle Lord gleiche Maaßregeln für Schottland und Irland versprach, so müßten die Tories kühner seyn, als sie sich bis jetzt gezeigt, wenn sie bei der ihrigen beharren wollten, welche offenbar auf dem Grundsatze ruht, dem gemeinen Manne die Erlangung und Behauptung jenes Rechts auf alle Weise zu erschweren. Zugleich muß die Regierungsmaaßregel die Radicalen enger an sie knüpfen.

Frankreich.

Der Moniteur bringt folgende telegraphische Depeschen aus Algier. I. Im Lager bei Afrun, 30 April. Der Marschall Valee an den Kriegsminister. "Die Armee hat gestern die Araber am Ouedjez *) angegriffen. Der Feind wurde auf seinen beiden Flügeln gefaßt, und auf die Anhöhe von Afrun zurückgeworfen, welche mit dem Bajonnet genommen wurde. Die Armee verfolgte den Feind bis zu einbrechender Nacht. Alle unsre Truppen benahmen sich vollkommen gut. Wir verloren wenig Leute. Die Herzoge von Orleans und Aumale, welche an der Spitze der Truppen marschirten, befinden sich wohl. Das Wetter ist schön; ich setze meine Operationen fort." II. Toulon, 6 Mai. Der Marinepräfect an den Marineminister. "Der Marinecommandant in Algier und der Obercommandant der Dampfschiffe melden mir, daß die Armee am 27 einen bedeutenden Erfolg errungen hat. Der Herzog von Aumale überbrachte der Cavallerie den Befehl des Kronprinzen zum Angriff. Er machte diesen Reiterangriff selbst mit, und seine Tapferkeit wurde von der ganzen Armee bewundert."

(Moniteur.) Die Regierung hat einen Viceconsul nach Damaskus geschickt mit dem Auftrag, über die Ermordung des Paters Thomas und über Alles, was auf dieses traurige Ereigniß sich bezieht, Erkundigungen einzuziehen.

(Commerce.) Hr. v. Medem wird unverzüglich nach seinem Gesandtschaftsposten in Stuttgart abreisen.

(Commerce.) Man beschäftigt sich fortwährend in der k. Familie viel mit Heirathsprojecten für die Prinzessin Clementine. Von einem spanischen Infanten, dem Sohne des Don Francisco de Paula, ist nicht mehr die Rede. Der Herzog von Coburg soll den Vermittler zwischen dem Hofe der Tuilerien und einer deutschen Fürstenfamilie machen.

(Deputirtenkammersitzung vom 6 Mai.) Die allgemeine Discussion über den Zuckergesetzesentwurf dauerte fort. Die Redner fanden aber nur taube Ohren, fast Niemand gab auf sie Acht, und ihre Worte verhallten in dem Gesumme beständiger Privatplaudereien. "Entweder, äußert das Journal des Debats, ist die Kammer nicht vollkommen überzeugt, daß sie gegenwärtig eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen der materiellen Interessen zu erledigen hat, eine jener Fragen, welche die Politik zunächst berühren, oder sie hält Reden, die im voraus abgefaßt aufeinander folgen, ohne einander zu antworten, und die sich reiben, ohne sich zu bekämpfen, für sehr überflüssig." Auf Hrn. Defitte, der, wie gestern erwähnt wurde, eine lange Vertheidigung der Runkelrübe führte, folgte Hr. Duvergier de Hauranne, welcher eben so eifrig dem Colonialzucker das Wort redete. Er wünscht eine Erhöhung der Steuern auf den Rübenzucker und eine allmähliche Gleichstellung beider Industrien. Durch die bisherige übertriebene

*) Es gibt in der Umgegend Algiers kein Gewässer dieses Namens. Wahrscheinlich ist der Uad-el-Dscher damit gemeint, der im Westen der Metidscha mit der Chiffa sich vereinigt, und den die Armee auf ihrem Marsche nach Medeah passiren mußte. Der Moniteur ist freilich für geographische Namen die schlechteste Autorität. In einer telegraphischen Depesche vor einigen Tagen hieß es Mora de l'Albe statt Mora de Ebro.

Herz unserer Whigminister hervorgebracht; denn so kraftvoll auch die Sprache der Whigs gegen außen seyn mag, so ist gewiß, daß ihnen fremde Macht ausnehmend imponirt; das Intimidationsystem, das sie auswärts befolgen und wodurch sie die Welt in Schrecken setzen möchten, läßt Ausnahmen zu, sobald direct oder indirect zum Widerstand Miene gemacht wird. Freilich wird man gegen das schwache sicilianische Reich consequent verfahren und auf seinem Recht bestehen, denn hier fühlt man sich zum Ueberfluß gestärkt und beruhigt durch Frankreichs Mediation. Es wäre inzwischen nicht schwer zu beweisen, daß die Annahme der französischen Intervention, wenn diese Annahme ernstlich gemeint ist, ein politischer Fehlgriff war. Dem Hrn. Thiers war der Monopolstreit ein gewünschtes Spiel, das ihm bei den in Italien herrschenden Conjuncturen ein kaum zu berechnendes Gewicht ertheilt. Zwar versichert er, daß er nur im Sinne der Ordnung, im Interesse des Friedens zwischen England und Neapel getreten sey, und unter gewissen Bedingungen mag sich dieß Vorgeben bestätigen; im Allgemeinen aber dürfte es keinen höhern Grad von Wahrheit ansprechen, als seine ausgesprochene Neutralität, im Falle man zu Coërcitivmitteln gegen Aegypten schreiten wollte. Möge sich Lord Palmerston ja nicht einbilden, daß Thiers, sobald die projectirte Demonstration vor Alexandria zur Ausführung kommt, unter jedweder Constellation einen ruhigen Zuschauer abgeben werde; möge er nicht vergessen, daß das französische Cabinet bei der dem Vicekönig ertheilten Protection nicht von Freundschaftsgefühlen allein geleitet ward, daß vielmehr wichtige Beweggründe, weit ausstehende Plane dem künftigen Benehmen Frankreichs als Motiv zu Grunde liegen werden.

Im Oberhaus ist gestern die irische Corporationsreformbill endlich zum zweiten Verlesen gekommen, und zwar indem Wellington und alle gemäßigten Tories mit den Whigs stimmten, während die Ultras, 32 an der Zahl, die Bill verworfen haben wollten. Doch war der alte Herzog dabei höchst übel gelaunt, indem er behauptete, die Regierung habe die Bedingungen, unter welchen er versprochen, diese Corporationsreform zuzulassen, nämlich die Schlichtung des Zehntenstreits und die Einführung gesetzlicher Armenpflege in Irland, nicht redlich ausgeführt. Besonders meint er, habe man bei der Wahl der Armenpfleger (Guardians of the poor) den Katholiken und Repealern zu viele Vortheile eingeräumt. Er drohte, wenn nicht im Ausschusse Veränderungen in der Bill gemacht würden, wodurch so viel wie möglich verhindert werde, daß die Katholiken an der Stelle der Protestanten den Corporationen einen einseitigen Charakter einflößten, er für die Verwerfung der ganzen Maaßregel stimmen wolle. Dieses ist im Angesichte der großen Aufregung, welche jetzt in Irland stattfindet, kühn, besonders von dem Manne, welcher einer ähnlichen Aufregung wegen in so viel Größerem, nämlich in der Emancipation der Katholiken nachgegeben. Lord Melbourne tadelte O'Connells Aufregung aufs höflichste. Aber weder des Premiers glimpflicher Tadel, noch Wellingtons unwirscher Trotz werden den Gang der Begebenheiten hemmen, Irland erhält gewiß gleiche Rechte mit England und Schottland. Morgen Abend will Lord Stanley seine gehässige Maaßregel poussiren, gewiß ohne Erfolg. Lord John Russell hat ihm ganz leise einen Schlagbaum in den Weg geschoben, indem er gestern Abend eine Bill ins Unterhaus brachte, wodurch das Wahlrecht in England näher bestimmt, und die Erlangung und Behauptung desselben, wo einer nur immer die Bedingungen dazu besitzt, auf alle Weise erleichtert werden soll. Die Maaßregel ist von der Art, daß kein einziger Tory etwas Bedeutendes dagegen einzuwenden wußte, und da der edle Lord gleiche Maaßregeln für Schottland und Irland versprach, so müßten die Tories kühner seyn, als sie sich bis jetzt gezeigt, wenn sie bei der ihrigen beharren wollten, welche offenbar auf dem Grundsatze ruht, dem gemeinen Manne die Erlangung und Behauptung jenes Rechts auf alle Weise zu erschweren. Zugleich muß die Regierungsmaaßregel die Radicalen enger an sie knüpfen.

Frankreich.

Der Moniteur bringt folgende telegraphische Depeschen aus Algier. I. Im Lager bei Afrun, 30 April. Der Marschall Valée an den Kriegsminister. „Die Armee hat gestern die Araber am Ouedjez *) angegriffen. Der Feind wurde auf seinen beiden Flügeln gefaßt, und auf die Anhöhe von Afrun zurückgeworfen, welche mit dem Bajonnet genommen wurde. Die Armee verfolgte den Feind bis zu einbrechender Nacht. Alle unsre Truppen benahmen sich vollkommen gut. Wir verloren wenig Leute. Die Herzoge von Orleans und Aumale, welche an der Spitze der Truppen marschirten, befinden sich wohl. Das Wetter ist schön; ich setze meine Operationen fort.“ II. Toulon, 6 Mai. Der Marinepräfect an den Marineminister. „Der Marinecommandant in Algier und der Obercommandant der Dampfschiffe melden mir, daß die Armee am 27 einen bedeutenden Erfolg errungen hat. Der Herzog von Aumale überbrachte der Cavallerie den Befehl des Kronprinzen zum Angriff. Er machte diesen Reiterangriff selbst mit, und seine Tapferkeit wurde von der ganzen Armee bewundert.“

(Moniteur.) Die Regierung hat einen Viceconsul nach Damaskus geschickt mit dem Auftrag, über die Ermordung des Paters Thomas und über Alles, was auf dieses traurige Ereigniß sich bezieht, Erkundigungen einzuziehen.

(Commerce.) Hr. v. Medem wird unverzüglich nach seinem Gesandtschaftsposten in Stuttgart abreisen.

(Commerce.) Man beschäftigt sich fortwährend in der k. Familie viel mit Heirathsprojecten für die Prinzessin Clementine. Von einem spanischen Infanten, dem Sohne des Don Francisco de Paula, ist nicht mehr die Rede. Der Herzog von Coburg soll den Vermittler zwischen dem Hofe der Tuilerien und einer deutschen Fürstenfamilie machen.

(Deputirtenkammersitzung vom 6 Mai.) Die allgemeine Discussion über den Zuckergesetzesentwurf dauerte fort. Die Redner fanden aber nur taube Ohren, fast Niemand gab auf sie Acht, und ihre Worte verhallten in dem Gesumme beständiger Privatplaudereien. „Entweder, äußert das Journal des Débats, ist die Kammer nicht vollkommen überzeugt, daß sie gegenwärtig eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen der materiellen Interessen zu erledigen hat, eine jener Fragen, welche die Politik zunächst berühren, oder sie hält Reden, die im voraus abgefaßt aufeinander folgen, ohne einander zu antworten, und die sich reiben, ohne sich zu bekämpfen, für sehr überflüssig.“ Auf Hrn. Defitte, der, wie gestern erwähnt wurde, eine lange Vertheidigung der Runkelrübe führte, folgte Hr. Duvergier de Hauranne, welcher eben so eifrig dem Colonialzucker das Wort redete. Er wünscht eine Erhöhung der Steuern auf den Rübenzucker und eine allmähliche Gleichstellung beider Industrien. Durch die bisherige übertriebene

*) Es gibt in der Umgegend Algiers kein Gewässer dieses Namens. Wahrscheinlich ist der Uad-el-Dscher damit gemeint, der im Westen der Metidscha mit der Chiffa sich vereinigt, und den die Armee auf ihrem Marsche nach Medeah passiren mußte. Der Moniteur ist freilich für geographische Namen die schlechteste Autorität. In einer telegraphischen Depesche vor einigen Tagen hieß es Mora de l'Albe statt Mora de Ebro.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0004" n="1060"/>
Herz unserer Whigminister hervorgebracht; denn so kraftvoll auch die Sprache der Whigs gegen außen seyn mag, so ist gewiß, daß ihnen fremde Macht ausnehmend imponirt; das Intimidationsystem, das sie auswärts befolgen und wodurch sie die Welt in Schrecken setzen möchten, läßt Ausnahmen zu, sobald direct oder indirect zum Widerstand Miene gemacht wird. Freilich wird man gegen das schwache sicilianische Reich consequent verfahren und auf seinem Recht bestehen, denn hier fühlt man sich zum Ueberfluß gestärkt und beruhigt durch Frankreichs Mediation. Es wäre inzwischen nicht schwer zu beweisen, daß die Annahme der französischen Intervention, wenn diese Annahme ernstlich gemeint ist, ein politischer Fehlgriff war. Dem Hrn. Thiers war der Monopolstreit ein gewünschtes Spiel, das ihm bei den in Italien herrschenden Conjuncturen ein kaum zu berechnendes Gewicht ertheilt. Zwar versichert er, daß er nur im Sinne der Ordnung, im Interesse des Friedens zwischen England und Neapel getreten sey, und unter gewissen Bedingungen mag sich dieß Vorgeben bestätigen; im Allgemeinen aber dürfte es keinen höhern Grad von Wahrheit ansprechen, als seine ausgesprochene Neutralität, im Falle man zu Coërcitivmitteln gegen Aegypten schreiten wollte. Möge sich Lord Palmerston ja nicht einbilden, daß Thiers, sobald die projectirte Demonstration vor Alexandria zur Ausführung kommt, unter jedweder Constellation einen ruhigen Zuschauer abgeben werde; möge er nicht vergessen, daß das französische Cabinet bei der dem Vicekönig ertheilten Protection nicht von Freundschaftsgefühlen allein geleitet ward, daß vielmehr wichtige Beweggründe, weit ausstehende Plane dem künftigen Benehmen Frankreichs als Motiv zu Grunde liegen werden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <gap reason="insignificant" unit="chars" quantity="1"/>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">London,</hi> 5 Mai.</dateline>
          <p> Im Oberhaus ist gestern die irische Corporationsreformbill endlich zum zweiten Verlesen gekommen, und zwar indem Wellington und alle gemäßigten Tories mit den Whigs stimmten, während die Ultras, 32 an der Zahl, die Bill verworfen haben wollten. Doch war der alte Herzog dabei höchst übel gelaunt, indem er behauptete, die Regierung habe die Bedingungen, unter welchen er versprochen, diese Corporationsreform zuzulassen, nämlich die Schlichtung des Zehntenstreits und die Einführung gesetzlicher Armenpflege in Irland, nicht redlich ausgeführt. Besonders meint er, habe man bei der Wahl der Armenpfleger (Guardians of the poor) den Katholiken und Repealern zu viele Vortheile eingeräumt. Er drohte, wenn nicht im Ausschusse Veränderungen in der Bill gemacht würden, wodurch so viel wie möglich verhindert werde, daß die Katholiken an der Stelle der Protestanten den Corporationen einen einseitigen Charakter einflößten, er für die Verwerfung der ganzen Maaßregel stimmen wolle. Dieses ist im Angesichte der großen Aufregung, welche jetzt in Irland stattfindet, kühn, besonders von dem Manne, welcher einer ähnlichen Aufregung wegen in so viel Größerem, nämlich in der Emancipation der Katholiken nachgegeben. Lord Melbourne tadelte O'Connells Aufregung aufs höflichste. Aber weder des Premiers glimpflicher Tadel, noch Wellingtons unwirscher Trotz werden den Gang der Begebenheiten hemmen, Irland erhält gewiß gleiche Rechte mit England und Schottland. Morgen Abend will Lord Stanley seine gehässige Maaßregel poussiren, gewiß ohne Erfolg. Lord John Russell hat ihm ganz leise einen Schlagbaum in den Weg geschoben, indem er gestern Abend eine Bill ins Unterhaus brachte, wodurch das Wahlrecht in England näher bestimmt, und die Erlangung und Behauptung desselben, wo einer nur immer die Bedingungen dazu besitzt, auf alle Weise <hi rendition="#g">erleichtert</hi> werden soll. Die Maaßregel ist von der Art, daß kein einziger Tory etwas Bedeutendes dagegen einzuwenden wußte, und da der edle Lord gleiche Maaßregeln für Schottland und Irland versprach, so müßten die Tories kühner seyn, als sie sich bis jetzt gezeigt, wenn sie bei der ihrigen beharren wollten, welche offenbar auf dem Grundsatze ruht, dem gemeinen Manne die Erlangung und Behauptung jenes Rechts auf alle Weise zu <hi rendition="#g">erschweren</hi>. Zugleich muß die Regierungsmaaßregel die Radicalen enger an sie knüpfen.</p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Frankreich.</hi> </head><lb/>
        <div n="2">
          <byline>
            <docAuthor>
              <gap reason="insignificant"/>
            </docAuthor>
          </byline>
          <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 7 Mai.</dateline>
          <p/><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Moniteur</hi> bringt folgende telegraphische Depeschen aus Algier. <hi rendition="#b">I. Im Lager bei Afrun,</hi> 30 April. Der Marschall Valée an den Kriegsminister. &#x201E;Die Armee hat gestern die Araber am Ouedjez <note place="foot" n="*)"><p>Es gibt in der Umgegend Algiers kein Gewässer dieses Namens. Wahrscheinlich ist der Uad-el-Dscher damit gemeint, der im Westen der Metidscha mit der Chiffa sich vereinigt, und den die Armee auf ihrem Marsche nach Medeah passiren mußte. Der <hi rendition="#g">Moniteur</hi> ist freilich für geographische Namen die schlechteste Autorität. In einer telegraphischen Depesche vor einigen Tagen hieß es Mora de l'Albe statt Mora de Ebro.</p></note> angegriffen. Der Feind wurde auf seinen beiden Flügeln gefaßt, und auf die Anhöhe von Afrun zurückgeworfen, welche mit dem Bajonnet genommen wurde. Die Armee verfolgte den Feind bis zu einbrechender Nacht. Alle unsre Truppen benahmen sich vollkommen gut. Wir verloren wenig Leute. Die Herzoge von Orleans und Aumale, welche an der Spitze der Truppen marschirten, befinden sich wohl. Das Wetter ist schön; ich setze meine Operationen fort.&#x201C; <hi rendition="#b">II. Toulon,</hi> 6 Mai. Der Marinepräfect an den Marineminister. &#x201E;Der Marinecommandant in Algier und der Obercommandant der Dampfschiffe melden mir, daß die Armee am 27 einen bedeutenden Erfolg errungen hat. Der Herzog von Aumale überbrachte der Cavallerie den Befehl des Kronprinzen zum Angriff. Er machte diesen Reiterangriff selbst mit, und seine Tapferkeit wurde von der ganzen Armee bewundert.&#x201C;</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Moniteur</hi>.) Die Regierung hat einen Viceconsul nach Damaskus geschickt mit dem Auftrag, über die Ermordung des Paters Thomas und über Alles, was auf dieses traurige Ereigniß sich bezieht, Erkundigungen einzuziehen.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Commerce</hi>.) Hr. v. Medem wird unverzüglich nach seinem Gesandtschaftsposten in Stuttgart abreisen.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Commerce</hi>.) Man beschäftigt sich fortwährend in der k. Familie viel mit Heirathsprojecten für die Prinzessin Clementine. Von einem spanischen Infanten, dem Sohne des Don Francisco de Paula, ist nicht mehr die Rede. Der Herzog von Coburg soll den Vermittler zwischen dem Hofe der Tuilerien und einer deutschen Fürstenfamilie machen.</p><lb/>
          <p>(<hi rendition="#g">Deputirtenkammersitzung</hi> vom 6 Mai.) Die allgemeine Discussion über den Zuckergesetzesentwurf dauerte fort. Die Redner fanden aber nur taube Ohren, fast Niemand gab auf sie Acht, und ihre Worte verhallten in dem Gesumme beständiger Privatplaudereien. &#x201E;Entweder, äußert das <hi rendition="#g">Journal des Débats</hi>, ist die Kammer nicht vollkommen überzeugt, daß sie gegenwärtig eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen der materiellen Interessen zu erledigen hat, eine jener Fragen, welche die Politik zunächst berühren, oder sie hält Reden, die im voraus abgefaßt aufeinander folgen, ohne einander zu antworten, und die sich reiben, ohne sich zu bekämpfen, für sehr überflüssig.&#x201C; Auf Hrn. Defitte, der, wie gestern erwähnt wurde, eine lange Vertheidigung der Runkelrübe führte, folgte Hr. <hi rendition="#g">Duvergier de Hauranne</hi>, welcher eben so eifrig dem Colonialzucker das Wort redete. Er wünscht eine Erhöhung der Steuern auf den Rübenzucker und eine allmähliche Gleichstellung beider Industrien. Durch die bisherige übertriebene<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1060/0004] Herz unserer Whigminister hervorgebracht; denn so kraftvoll auch die Sprache der Whigs gegen außen seyn mag, so ist gewiß, daß ihnen fremde Macht ausnehmend imponirt; das Intimidationsystem, das sie auswärts befolgen und wodurch sie die Welt in Schrecken setzen möchten, läßt Ausnahmen zu, sobald direct oder indirect zum Widerstand Miene gemacht wird. Freilich wird man gegen das schwache sicilianische Reich consequent verfahren und auf seinem Recht bestehen, denn hier fühlt man sich zum Ueberfluß gestärkt und beruhigt durch Frankreichs Mediation. Es wäre inzwischen nicht schwer zu beweisen, daß die Annahme der französischen Intervention, wenn diese Annahme ernstlich gemeint ist, ein politischer Fehlgriff war. Dem Hrn. Thiers war der Monopolstreit ein gewünschtes Spiel, das ihm bei den in Italien herrschenden Conjuncturen ein kaum zu berechnendes Gewicht ertheilt. Zwar versichert er, daß er nur im Sinne der Ordnung, im Interesse des Friedens zwischen England und Neapel getreten sey, und unter gewissen Bedingungen mag sich dieß Vorgeben bestätigen; im Allgemeinen aber dürfte es keinen höhern Grad von Wahrheit ansprechen, als seine ausgesprochene Neutralität, im Falle man zu Coërcitivmitteln gegen Aegypten schreiten wollte. Möge sich Lord Palmerston ja nicht einbilden, daß Thiers, sobald die projectirte Demonstration vor Alexandria zur Ausführung kommt, unter jedweder Constellation einen ruhigen Zuschauer abgeben werde; möge er nicht vergessen, daß das französische Cabinet bei der dem Vicekönig ertheilten Protection nicht von Freundschaftsgefühlen allein geleitet ward, daß vielmehr wichtige Beweggründe, weit ausstehende Plane dem künftigen Benehmen Frankreichs als Motiv zu Grunde liegen werden. _ London, 5 Mai. Im Oberhaus ist gestern die irische Corporationsreformbill endlich zum zweiten Verlesen gekommen, und zwar indem Wellington und alle gemäßigten Tories mit den Whigs stimmten, während die Ultras, 32 an der Zahl, die Bill verworfen haben wollten. Doch war der alte Herzog dabei höchst übel gelaunt, indem er behauptete, die Regierung habe die Bedingungen, unter welchen er versprochen, diese Corporationsreform zuzulassen, nämlich die Schlichtung des Zehntenstreits und die Einführung gesetzlicher Armenpflege in Irland, nicht redlich ausgeführt. Besonders meint er, habe man bei der Wahl der Armenpfleger (Guardians of the poor) den Katholiken und Repealern zu viele Vortheile eingeräumt. Er drohte, wenn nicht im Ausschusse Veränderungen in der Bill gemacht würden, wodurch so viel wie möglich verhindert werde, daß die Katholiken an der Stelle der Protestanten den Corporationen einen einseitigen Charakter einflößten, er für die Verwerfung der ganzen Maaßregel stimmen wolle. Dieses ist im Angesichte der großen Aufregung, welche jetzt in Irland stattfindet, kühn, besonders von dem Manne, welcher einer ähnlichen Aufregung wegen in so viel Größerem, nämlich in der Emancipation der Katholiken nachgegeben. Lord Melbourne tadelte O'Connells Aufregung aufs höflichste. Aber weder des Premiers glimpflicher Tadel, noch Wellingtons unwirscher Trotz werden den Gang der Begebenheiten hemmen, Irland erhält gewiß gleiche Rechte mit England und Schottland. Morgen Abend will Lord Stanley seine gehässige Maaßregel poussiren, gewiß ohne Erfolg. Lord John Russell hat ihm ganz leise einen Schlagbaum in den Weg geschoben, indem er gestern Abend eine Bill ins Unterhaus brachte, wodurch das Wahlrecht in England näher bestimmt, und die Erlangung und Behauptung desselben, wo einer nur immer die Bedingungen dazu besitzt, auf alle Weise erleichtert werden soll. Die Maaßregel ist von der Art, daß kein einziger Tory etwas Bedeutendes dagegen einzuwenden wußte, und da der edle Lord gleiche Maaßregeln für Schottland und Irland versprach, so müßten die Tories kühner seyn, als sie sich bis jetzt gezeigt, wenn sie bei der ihrigen beharren wollten, welche offenbar auf dem Grundsatze ruht, dem gemeinen Manne die Erlangung und Behauptung jenes Rechts auf alle Weise zu erschweren. Zugleich muß die Regierungsmaaßregel die Radicalen enger an sie knüpfen. Frankreich. _ Paris, 7 Mai. Der Moniteur bringt folgende telegraphische Depeschen aus Algier. I. Im Lager bei Afrun, 30 April. Der Marschall Valée an den Kriegsminister. „Die Armee hat gestern die Araber am Ouedjez *) angegriffen. Der Feind wurde auf seinen beiden Flügeln gefaßt, und auf die Anhöhe von Afrun zurückgeworfen, welche mit dem Bajonnet genommen wurde. Die Armee verfolgte den Feind bis zu einbrechender Nacht. Alle unsre Truppen benahmen sich vollkommen gut. Wir verloren wenig Leute. Die Herzoge von Orleans und Aumale, welche an der Spitze der Truppen marschirten, befinden sich wohl. Das Wetter ist schön; ich setze meine Operationen fort.“ II. Toulon, 6 Mai. Der Marinepräfect an den Marineminister. „Der Marinecommandant in Algier und der Obercommandant der Dampfschiffe melden mir, daß die Armee am 27 einen bedeutenden Erfolg errungen hat. Der Herzog von Aumale überbrachte der Cavallerie den Befehl des Kronprinzen zum Angriff. Er machte diesen Reiterangriff selbst mit, und seine Tapferkeit wurde von der ganzen Armee bewundert.“ (Moniteur.) Die Regierung hat einen Viceconsul nach Damaskus geschickt mit dem Auftrag, über die Ermordung des Paters Thomas und über Alles, was auf dieses traurige Ereigniß sich bezieht, Erkundigungen einzuziehen. (Commerce.) Hr. v. Medem wird unverzüglich nach seinem Gesandtschaftsposten in Stuttgart abreisen. (Commerce.) Man beschäftigt sich fortwährend in der k. Familie viel mit Heirathsprojecten für die Prinzessin Clementine. Von einem spanischen Infanten, dem Sohne des Don Francisco de Paula, ist nicht mehr die Rede. Der Herzog von Coburg soll den Vermittler zwischen dem Hofe der Tuilerien und einer deutschen Fürstenfamilie machen. (Deputirtenkammersitzung vom 6 Mai.) Die allgemeine Discussion über den Zuckergesetzesentwurf dauerte fort. Die Redner fanden aber nur taube Ohren, fast Niemand gab auf sie Acht, und ihre Worte verhallten in dem Gesumme beständiger Privatplaudereien. „Entweder, äußert das Journal des Débats, ist die Kammer nicht vollkommen überzeugt, daß sie gegenwärtig eine der wichtigsten und schwierigsten Fragen der materiellen Interessen zu erledigen hat, eine jener Fragen, welche die Politik zunächst berühren, oder sie hält Reden, die im voraus abgefaßt aufeinander folgen, ohne einander zu antworten, und die sich reiben, ohne sich zu bekämpfen, für sehr überflüssig.“ Auf Hrn. Defitte, der, wie gestern erwähnt wurde, eine lange Vertheidigung der Runkelrübe führte, folgte Hr. Duvergier de Hauranne, welcher eben so eifrig dem Colonialzucker das Wort redete. Er wünscht eine Erhöhung der Steuern auf den Rübenzucker und eine allmähliche Gleichstellung beider Industrien. Durch die bisherige übertriebene *) Es gibt in der Umgegend Algiers kein Gewässer dieses Namens. Wahrscheinlich ist der Uad-el-Dscher damit gemeint, der im Westen der Metidscha mit der Chiffa sich vereinigt, und den die Armee auf ihrem Marsche nach Medeah passiren mußte. Der Moniteur ist freilich für geographische Namen die schlechteste Autorität. In einer telegraphischen Depesche vor einigen Tagen hieß es Mora de l'Albe statt Mora de Ebro.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Deutsches Textarchiv: Bereitstellung der Texttranskription. (2016-06-28T11:37:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-28T11:37:15Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: Lautwert transkribiert; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: gekennzeichnet; langes s (?): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: Lautwert transkribiert; Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert; Vollständigkeit: teilweise erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_133_18400512
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_133_18400512/4
Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 133. Augsburg, 12. Mai 1840, S. 1060. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_133_18400512/4>, abgerufen am 23.04.2024.