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Allgemeine Zeitung. Nr. 145. Augsburg, 24. Mai 1840.

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Betriebe, daß es nur zu klar am Tage liegt, nicht die Nächstenliebe und theilnahmvolle Sorge für den Handwerksstand, sondern Ehrsucht ohne Talente und oft ohne alle Moralität treibe dieses ganze Wesen aufwärts, und stelle sich drohend gegenüber allen gebildeten Classen der Gesellschaft. Aus diesem, ließe man es gewähren, käme nichts heraus als Clubismus, Propagandismus, ein Weltkrieg verzweifelter Menschen und Despotismen aller Formen. Denn Freiheit ist nicht das Wort der Demagogen, sondern Gewalt; die das nicht verstehen, mögen viele Dinge verstehen - von den Menschen, der Menschenführung, der Geschichte verstehen sie nichts.

Niederlande.

In der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten wurde außer dem Gesetzesentwurf, die ministerielle Verantwortlichkeit betreffend, auch ein Gesetzesentwurf vorgelegt, welcher das von der Vertheidigung des Landes handelnde achte Hauptstück des Staatsgrundgesetzes verändert. - Die Eröffnung der öffentlichen Discussion über die Budgets ist auf nächsten Montag festgesetzt. Die Budgets werden nun unzweifelhaft angenommen.

Italien.

Aus Neapel erfahren wir, daß man dort mit Sehnsucht Nachrichten aus Paris entgegen sieht. Der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus, Bruder des Königs, wird in einigen Tagen eine Reise durch die Schweiz und Deutschland nach Berlin antreten, und seinen Rückweg über München und Wien nehmen. Von dem Prinzen Karl von Capua hat man Briefe erhalten, worin er die in seinem Namen in Umlauf gesetzte Proclamation desavouirt. Von seiner bevorstehenden Abreise nach Italien, von der englische Blätter sagen, weiß man nichts Zuverlässiges. - Hier spricht man viel von Creirung mehrerer Cardinäle zu dem Feste von St. Peter und Paul, und nennt, wie immer, die Namen der Candidaten zu dieser Würde, ohne daß etwas Officielles darüber bekannt geworden wäre. - In unserer Nähe haben wir einen durch nichtige Gründe entstandenen Bauernkrieg zwischen den Bewohnern der beiden Ortschaften Albano und Castel Gandolfo, wodurch bereits einige Menschen das Leben eingebüßt haben und mehrere verwundet sind. Die Regierung hat, um diesen Unfug zu steuern und die Ruhe wieder herzustellen, gestern eine Abtheilung Dragoner dahin abgehen lassen.

Nach und nach haben sich bei dem König von Neapel alle diejenigen abgenützt, die ihm auf irgend eine Art im Schwefelmonopolstreit ihre Dienste geweiht hatten. Zuerst war es der Fürst von Cassaro, der von der Bühne abtreten mußte. Bald darauf scheint Frhr. v. Lebzeltern sich die Gunst des Königs abgewendet gesehen zu haben. Nachdem sich dieser mehr in den Hintergrund zurückgezogen hatte, ward unser Repräsentant, Marquis v. Crosa, aufgefordert, als Vermittler zwischen Hrn. Temple und der neapolitanischen Regierung aufzutreten. Mit welcher Hingebung sich dieser der Sache annahm, habe ich Ihnen zu seiner Zeit berichtet; der Marquis schmeichelte sich wirklich mit der Hoffnung eines günstigen Resultats; es lag ihm persönlich viel daran, er war zugleich überzeugt, daß er nicht Neapel allein, sondern auch seinem Lande einen wichtigen Dienst leisten würde, wenn es ihm gelingen sollte, den Streit zu applaniren. Seine Bemühungen wurden nicht anerkannt und man will wissen, daß Hr. v. Crosa dermaßen die Gunst des Königs beider Sicilien einbüßte, daß seine Zurückberufung von seinem Posten fast zur Nothwendigkeit werden dürfte. Ebenso gerieth der Secretär des Staatsraths, Commendatore Caprioli, der sich mit Temple und Crosa auf Geheiß des Königs in Communication gesetzt hatte, in Ungnade. Als Hr. Thiers, der bei der Sache der Compagnie Taix mit einer nicht unbedeutenden Summe betheiligt ist, die Vermittlung in Frankreichs Namen übernahm, erwartete man, daß der Streit bald zu seinem Ende gedeihen würde; allein es scheint, daß die gehegte Erwartung etwas voreilig war und die Gefahr eines Bruchs mit England nicht gänzlich vorüber ist. Nach den Instructionen, die Hr. d'Haussonville von Paris erhalten, glaubte dieser vorläufig über einen Ausgleichungsplan mit dem Minister Staatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten, Fürsten von Scilla, einig werden zu sollen. Hr. d'Haussonville hatte mehrere Conferenzen mit dem Fürsten, und als sie endlich sowohl in der Hauptsache als in den Nebendingen übereingekommen waren, unterbreitete Hr. v. Scilla dem König das Ausgleichungsproject. Das Project ward von Sr. Maj. verworfen, indem schon das einleitende Princip mit dem gesunden Verstand und dem Rechtsgefühle in Widerspruch stehe. Die Aufhebung des auf englische Schiffe verhängten Embargo's und der angeordneten Beschlagnahme brittischen Eigenthums stelle sich nur unter der Bedingung als eine billige Forderung dar, daß zugleich die vom Admiral Stopford aufgebrachten neapolitanischen Schiffe bis zur getroffenen Uebereinkunft freigegeben werden. Nun aber wolle man diese Schiffe bis dahin in englischer Detention belassen. Damit könne Se. Maj. so wenig einverstanden seyn, wie mit andern wesentlichen Bestimmungen der durch Hrn. d'Haussonville und den Fürsten von Scilla versuchten Punctation. Der Staatssecretär wagte die Bemerkung, daß die Beschlagnahme englischen Eigenthums nur als Repressalie in Anwendung kommen, man daher füglich mit dem Beginn friedlicher Unterhandlungen auf dieses Recht verzichten könne. Da eigentlich Neapel keine Forderung an England stelle, so scheine die Aufrechthaltung der geschehenen Beschlagnahme weiter nicht motivirt zu seyn, während die detinirten neapolitanischen Schiffe gleichsam als ein Pfand für die von Großbritannien gestellten Entschädigungsansprüche sich darstellen. Auch seyen die von England ergriffenen Zwangsmaaßregeln durch die eingetretene Mediation Frankreichs nur unterbrochen, der englische Admiral halte sich jeden Augenblick zur Wiederaufnahme derselben bereit, mithin sey die Freilassung der auf Malta und Corfu detinirten Schiffe schwerlich zu erwarten, selbst wenn man darauf als auf einer Conditio sine qua non der fernern Unterhandlungen bestehen wollte. Der König soll darauf nichts erwiedert haben. Man ist jedoch für Hrn. v. Scilla besorgt. Der Ausgleichungsplan ist also in seiner gegenwärtigen Gestalt abgelehnt, und man befürchtet, daß das Experiment des Hrn. Thiers nicht glücklicher ausfallen dürfte als die bisher von andern Seiten gemachten Versuche. Ich glaube Ihnen noch, ohne die Richtigkeit der Angabe, die übrigens aus guter Quelle geschöpft ist, verbürgen zu wollen, einige Namen anführen zu müssen, die bei der Unternehmung der Compagnie Taix interessirt sind, und direct oder indirect auf die Entscheidung des Monopolstreites Einfluß nehmen dürften: der neapolitanische Hof selbst, Hr. Thiers, die Herzogin von Berry und andere sehr bedeutende Notabilitäten der französischen Royalisten. Nach Briefen aus Frankreich zu urtheilen, war die Compagnie Taix hinsichtlich ihrer eigenen Entschädigung vollkommen beruhigt, was auch immer für ein Endresultat die politische Seite der Frage erhalten möge. Mit dem letzten Courier, der von London über Paris nach Neapel kam, trafen neue Instructionen sowohl für Hrn. Temple als für Stopford ein; man will wissen, daß der Admiral Befehl erhielt, nach fruchtloser Verstreichung eines bestimmten Termins die begonnenen Coercitivmaaßregeln gegen Neapel wieder aufzunehmen.

Betriebe, daß es nur zu klar am Tage liegt, nicht die Nächstenliebe und theilnahmvolle Sorge für den Handwerksstand, sondern Ehrsucht ohne Talente und oft ohne alle Moralität treibe dieses ganze Wesen aufwärts, und stelle sich drohend gegenüber allen gebildeten Classen der Gesellschaft. Aus diesem, ließe man es gewähren, käme nichts heraus als Clubismus, Propagandismus, ein Weltkrieg verzweifelter Menschen und Despotismen aller Formen. Denn Freiheit ist nicht das Wort der Demagogen, sondern Gewalt; die das nicht verstehen, mögen viele Dinge verstehen – von den Menschen, der Menschenführung, der Geschichte verstehen sie nichts.

Niederlande.

In der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten wurde außer dem Gesetzesentwurf, die ministerielle Verantwortlichkeit betreffend, auch ein Gesetzesentwurf vorgelegt, welcher das von der Vertheidigung des Landes handelnde achte Hauptstück des Staatsgrundgesetzes verändert. – Die Eröffnung der öffentlichen Discussion über die Budgets ist auf nächsten Montag festgesetzt. Die Budgets werden nun unzweifelhaft angenommen.

Italien.

Aus Neapel erfahren wir, daß man dort mit Sehnsucht Nachrichten aus Paris entgegen sieht. Der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus, Bruder des Königs, wird in einigen Tagen eine Reise durch die Schweiz und Deutschland nach Berlin antreten, und seinen Rückweg über München und Wien nehmen. Von dem Prinzen Karl von Capua hat man Briefe erhalten, worin er die in seinem Namen in Umlauf gesetzte Proclamation desavouirt. Von seiner bevorstehenden Abreise nach Italien, von der englische Blätter sagen, weiß man nichts Zuverlässiges. – Hier spricht man viel von Creirung mehrerer Cardinäle zu dem Feste von St. Peter und Paul, und nennt, wie immer, die Namen der Candidaten zu dieser Würde, ohne daß etwas Officielles darüber bekannt geworden wäre. – In unserer Nähe haben wir einen durch nichtige Gründe entstandenen Bauernkrieg zwischen den Bewohnern der beiden Ortschaften Albano und Castel Gandolfo, wodurch bereits einige Menschen das Leben eingebüßt haben und mehrere verwundet sind. Die Regierung hat, um diesen Unfug zu steuern und die Ruhe wieder herzustellen, gestern eine Abtheilung Dragoner dahin abgehen lassen.

Nach und nach haben sich bei dem König von Neapel alle diejenigen abgenützt, die ihm auf irgend eine Art im Schwefelmonopolstreit ihre Dienste geweiht hatten. Zuerst war es der Fürst von Cassaro, der von der Bühne abtreten mußte. Bald darauf scheint Frhr. v. Lebzeltern sich die Gunst des Königs abgewendet gesehen zu haben. Nachdem sich dieser mehr in den Hintergrund zurückgezogen hatte, ward unser Repräsentant, Marquis v. Crosa, aufgefordert, als Vermittler zwischen Hrn. Temple und der neapolitanischen Regierung aufzutreten. Mit welcher Hingebung sich dieser der Sache annahm, habe ich Ihnen zu seiner Zeit berichtet; der Marquis schmeichelte sich wirklich mit der Hoffnung eines günstigen Resultats; es lag ihm persönlich viel daran, er war zugleich überzeugt, daß er nicht Neapel allein, sondern auch seinem Lande einen wichtigen Dienst leisten würde, wenn es ihm gelingen sollte, den Streit zu applaniren. Seine Bemühungen wurden nicht anerkannt und man will wissen, daß Hr. v. Crosa dermaßen die Gunst des Königs beider Sicilien einbüßte, daß seine Zurückberufung von seinem Posten fast zur Nothwendigkeit werden dürfte. Ebenso gerieth der Secretär des Staatsraths, Commendatore Caprioli, der sich mit Temple und Crosa auf Geheiß des Königs in Communication gesetzt hatte, in Ungnade. Als Hr. Thiers, der bei der Sache der Compagnie Taix mit einer nicht unbedeutenden Summe betheiligt ist, die Vermittlung in Frankreichs Namen übernahm, erwartete man, daß der Streit bald zu seinem Ende gedeihen würde; allein es scheint, daß die gehegte Erwartung etwas voreilig war und die Gefahr eines Bruchs mit England nicht gänzlich vorüber ist. Nach den Instructionen, die Hr. d'Haussonville von Paris erhalten, glaubte dieser vorläufig über einen Ausgleichungsplan mit dem Minister Staatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten, Fürsten von Scilla, einig werden zu sollen. Hr. d'Haussonville hatte mehrere Conferenzen mit dem Fürsten, und als sie endlich sowohl in der Hauptsache als in den Nebendingen übereingekommen waren, unterbreitete Hr. v. Scilla dem König das Ausgleichungsproject. Das Project ward von Sr. Maj. verworfen, indem schon das einleitende Princip mit dem gesunden Verstand und dem Rechtsgefühle in Widerspruch stehe. Die Aufhebung des auf englische Schiffe verhängten Embargo's und der angeordneten Beschlagnahme brittischen Eigenthums stelle sich nur unter der Bedingung als eine billige Forderung dar, daß zugleich die vom Admiral Stopford aufgebrachten neapolitanischen Schiffe bis zur getroffenen Uebereinkunft freigegeben werden. Nun aber wolle man diese Schiffe bis dahin in englischer Detention belassen. Damit könne Se. Maj. so wenig einverstanden seyn, wie mit andern wesentlichen Bestimmungen der durch Hrn. d'Haussonville und den Fürsten von Scilla versuchten Punctation. Der Staatssecretär wagte die Bemerkung, daß die Beschlagnahme englischen Eigenthums nur als Repressalie in Anwendung kommen, man daher füglich mit dem Beginn friedlicher Unterhandlungen auf dieses Recht verzichten könne. Da eigentlich Neapel keine Forderung an England stelle, so scheine die Aufrechthaltung der geschehenen Beschlagnahme weiter nicht motivirt zu seyn, während die detinirten neapolitanischen Schiffe gleichsam als ein Pfand für die von Großbritannien gestellten Entschädigungsansprüche sich darstellen. Auch seyen die von England ergriffenen Zwangsmaaßregeln durch die eingetretene Mediation Frankreichs nur unterbrochen, der englische Admiral halte sich jeden Augenblick zur Wiederaufnahme derselben bereit, mithin sey die Freilassung der auf Malta und Corfu detinirten Schiffe schwerlich zu erwarten, selbst wenn man darauf als auf einer Conditio sine qua non der fernern Unterhandlungen bestehen wollte. Der König soll darauf nichts erwiedert haben. Man ist jedoch für Hrn. v. Scilla besorgt. Der Ausgleichungsplan ist also in seiner gegenwärtigen Gestalt abgelehnt, und man befürchtet, daß das Experiment des Hrn. Thiers nicht glücklicher ausfallen dürfte als die bisher von andern Seiten gemachten Versuche. Ich glaube Ihnen noch, ohne die Richtigkeit der Angabe, die übrigens aus guter Quelle geschöpft ist, verbürgen zu wollen, einige Namen anführen zu müssen, die bei der Unternehmung der Compagnie Taix interessirt sind, und direct oder indirect auf die Entscheidung des Monopolstreites Einfluß nehmen dürften: der neapolitanische Hof selbst, Hr. Thiers, die Herzogin von Berry und andere sehr bedeutende Notabilitäten der französischen Royalisten. Nach Briefen aus Frankreich zu urtheilen, war die Compagnie Taix hinsichtlich ihrer eigenen Entschädigung vollkommen beruhigt, was auch immer für ein Endresultat die politische Seite der Frage erhalten möge. Mit dem letzten Courier, der von London über Paris nach Neapel kam, trafen neue Instructionen sowohl für Hrn. Temple als für Stopford ein; man will wissen, daß der Admiral Befehl erhielt, nach fruchtloser Verstreichung eines bestimmten Termins die begonnenen Coërcitivmaaßregeln gegen Neapel wieder aufzunehmen.

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Betriebe, daß es nur zu klar am Tage liegt, nicht die Nächstenliebe und theilnahmvolle Sorge für den Handwerksstand, sondern Ehrsucht ohne Talente und oft ohne alle Moralität treibe dieses ganze Wesen aufwärts, und stelle sich drohend gegenüber allen gebildeten Classen der Gesellschaft. Aus diesem, ließe man es gewähren, käme nichts heraus als Clubismus, Propagandismus, ein Weltkrieg verzweifelter Menschen und Despotismen aller Formen. Denn Freiheit ist nicht das Wort der Demagogen, sondern <hi rendition="#g">Gewalt</hi>; die das nicht verstehen, mögen viele Dinge verstehen &#x2013; von den Menschen, der Menschenführung, der Geschichte verstehen sie nichts.</p><lb/>
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Seine Bemühungen wurden nicht anerkannt und man will wissen, daß Hr. v. Crosa dermaßen die Gunst des Königs beider Sicilien einbüßte, daß seine Zurückberufung von seinem Posten fast zur Nothwendigkeit werden dürfte. Ebenso gerieth der Secretär des Staatsraths, Commendatore Caprioli, der sich mit Temple und Crosa auf Geheiß des Königs in Communication gesetzt hatte, in Ungnade. Als Hr. Thiers, der bei der Sache der Compagnie Taix mit einer nicht unbedeutenden Summe betheiligt ist, die Vermittlung in Frankreichs Namen übernahm, erwartete man, daß der Streit bald zu seinem Ende gedeihen würde; allein es scheint, daß die gehegte Erwartung etwas voreilig war und die Gefahr eines Bruchs mit England nicht gänzlich vorüber ist. Nach den Instructionen, die Hr. d'Haussonville von Paris erhalten, glaubte dieser vorläufig über einen Ausgleichungsplan mit dem Minister Staatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten, Fürsten von Scilla, einig werden zu sollen. Hr. d'Haussonville hatte mehrere Conferenzen mit dem Fürsten, und als sie endlich sowohl in der Hauptsache als in den Nebendingen übereingekommen waren, unterbreitete Hr. v. Scilla dem König das Ausgleichungsproject. Das Project ward von Sr. Maj. verworfen, indem schon das einleitende Princip mit dem gesunden Verstand und dem Rechtsgefühle in Widerspruch stehe. Die Aufhebung des auf englische Schiffe verhängten Embargo's und der angeordneten Beschlagnahme brittischen Eigenthums stelle sich nur unter der Bedingung als eine billige Forderung dar, daß zugleich die vom Admiral Stopford aufgebrachten neapolitanischen Schiffe bis zur getroffenen Uebereinkunft freigegeben werden. Nun aber wolle man diese Schiffe bis dahin in englischer Detention belassen. Damit könne Se. Maj. so wenig einverstanden seyn, wie mit andern wesentlichen Bestimmungen der durch Hrn. d'Haussonville und den Fürsten von Scilla versuchten Punctation. Der Staatssecretär wagte die Bemerkung, daß die Beschlagnahme englischen Eigenthums nur als Repressalie in Anwendung kommen, man daher füglich mit dem Beginn friedlicher Unterhandlungen auf dieses Recht verzichten könne. Da eigentlich Neapel keine Forderung an England stelle, so scheine die Aufrechthaltung der geschehenen Beschlagnahme weiter nicht motivirt zu seyn, während die detinirten neapolitanischen Schiffe gleichsam als ein Pfand für die von Großbritannien gestellten Entschädigungsansprüche sich darstellen. Auch seyen die von England ergriffenen Zwangsmaaßregeln durch die eingetretene Mediation Frankreichs nur unterbrochen, der englische Admiral halte sich jeden Augenblick zur Wiederaufnahme derselben bereit, mithin sey die Freilassung der auf Malta und Corfu detinirten Schiffe schwerlich zu erwarten, selbst wenn man darauf als auf einer Conditio sine qua non der fernern Unterhandlungen bestehen wollte. Der König soll darauf nichts erwiedert haben. Man ist jedoch für Hrn. v. Scilla besorgt. Der Ausgleichungsplan ist also in seiner gegenwärtigen Gestalt abgelehnt, und man befürchtet, daß das Experiment des Hrn. Thiers nicht glücklicher ausfallen dürfte als die bisher von andern Seiten gemachten Versuche. Ich glaube Ihnen noch, ohne die Richtigkeit der Angabe, die übrigens aus guter Quelle geschöpft ist, verbürgen zu wollen, einige Namen anführen zu müssen, die bei der Unternehmung der Compagnie Taix interessirt sind, und direct oder indirect auf die Entscheidung des Monopolstreites Einfluß nehmen dürften: der neapolitanische Hof selbst, Hr. Thiers, die Herzogin von Berry und andere sehr bedeutende Notabilitäten der französischen Royalisten. Nach Briefen aus Frankreich zu urtheilen, war die Compagnie Taix hinsichtlich ihrer eigenen Entschädigung vollkommen beruhigt, was auch immer für ein Endresultat die politische Seite der Frage erhalten möge. Mit dem letzten Courier, der von London über Paris nach Neapel kam, trafen neue Instructionen sowohl für Hrn. Temple als für Stopford ein; man will wissen, daß der Admiral Befehl erhielt, nach fruchtloser Verstreichung eines bestimmten Termins die begonnenen Coërcitivmaaßregeln gegen Neapel wieder aufzunehmen.<lb/></p>
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[1156/0004] Betriebe, daß es nur zu klar am Tage liegt, nicht die Nächstenliebe und theilnahmvolle Sorge für den Handwerksstand, sondern Ehrsucht ohne Talente und oft ohne alle Moralität treibe dieses ganze Wesen aufwärts, und stelle sich drohend gegenüber allen gebildeten Classen der Gesellschaft. Aus diesem, ließe man es gewähren, käme nichts heraus als Clubismus, Propagandismus, ein Weltkrieg verzweifelter Menschen und Despotismen aller Formen. Denn Freiheit ist nicht das Wort der Demagogen, sondern Gewalt; die das nicht verstehen, mögen viele Dinge verstehen – von den Menschen, der Menschenführung, der Geschichte verstehen sie nichts. Niederlande. _ Aus dem Haag, 17 Mai. In der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten wurde außer dem Gesetzesentwurf, die ministerielle Verantwortlichkeit betreffend, auch ein Gesetzesentwurf vorgelegt, welcher das von der Vertheidigung des Landes handelnde achte Hauptstück des Staatsgrundgesetzes verändert. – Die Eröffnung der öffentlichen Discussion über die Budgets ist auf nächsten Montag festgesetzt. Die Budgets werden nun unzweifelhaft angenommen. Italien. _ Rom, 16 Mai. Aus Neapel erfahren wir, daß man dort mit Sehnsucht Nachrichten aus Paris entgegen sieht. Der Prinz Leopold, Graf v. Syrakus, Bruder des Königs, wird in einigen Tagen eine Reise durch die Schweiz und Deutschland nach Berlin antreten, und seinen Rückweg über München und Wien nehmen. Von dem Prinzen Karl von Capua hat man Briefe erhalten, worin er die in seinem Namen in Umlauf gesetzte Proclamation desavouirt. Von seiner bevorstehenden Abreise nach Italien, von der englische Blätter sagen, weiß man nichts Zuverlässiges. – Hier spricht man viel von Creirung mehrerer Cardinäle zu dem Feste von St. Peter und Paul, und nennt, wie immer, die Namen der Candidaten zu dieser Würde, ohne daß etwas Officielles darüber bekannt geworden wäre. – In unserer Nähe haben wir einen durch nichtige Gründe entstandenen Bauernkrieg zwischen den Bewohnern der beiden Ortschaften Albano und Castel Gandolfo, wodurch bereits einige Menschen das Leben eingebüßt haben und mehrere verwundet sind. Die Regierung hat, um diesen Unfug zu steuern und die Ruhe wieder herzustellen, gestern eine Abtheilung Dragoner dahin abgehen lassen. _ Turin, 15 Mai. Nach und nach haben sich bei dem König von Neapel alle diejenigen abgenützt, die ihm auf irgend eine Art im Schwefelmonopolstreit ihre Dienste geweiht hatten. Zuerst war es der Fürst von Cassaro, der von der Bühne abtreten mußte. Bald darauf scheint Frhr. v. Lebzeltern sich die Gunst des Königs abgewendet gesehen zu haben. Nachdem sich dieser mehr in den Hintergrund zurückgezogen hatte, ward unser Repräsentant, Marquis v. Crosa, aufgefordert, als Vermittler zwischen Hrn. Temple und der neapolitanischen Regierung aufzutreten. Mit welcher Hingebung sich dieser der Sache annahm, habe ich Ihnen zu seiner Zeit berichtet; der Marquis schmeichelte sich wirklich mit der Hoffnung eines günstigen Resultats; es lag ihm persönlich viel daran, er war zugleich überzeugt, daß er nicht Neapel allein, sondern auch seinem Lande einen wichtigen Dienst leisten würde, wenn es ihm gelingen sollte, den Streit zu applaniren. Seine Bemühungen wurden nicht anerkannt und man will wissen, daß Hr. v. Crosa dermaßen die Gunst des Königs beider Sicilien einbüßte, daß seine Zurückberufung von seinem Posten fast zur Nothwendigkeit werden dürfte. Ebenso gerieth der Secretär des Staatsraths, Commendatore Caprioli, der sich mit Temple und Crosa auf Geheiß des Königs in Communication gesetzt hatte, in Ungnade. Als Hr. Thiers, der bei der Sache der Compagnie Taix mit einer nicht unbedeutenden Summe betheiligt ist, die Vermittlung in Frankreichs Namen übernahm, erwartete man, daß der Streit bald zu seinem Ende gedeihen würde; allein es scheint, daß die gehegte Erwartung etwas voreilig war und die Gefahr eines Bruchs mit England nicht gänzlich vorüber ist. Nach den Instructionen, die Hr. d'Haussonville von Paris erhalten, glaubte dieser vorläufig über einen Ausgleichungsplan mit dem Minister Staatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten, Fürsten von Scilla, einig werden zu sollen. Hr. d'Haussonville hatte mehrere Conferenzen mit dem Fürsten, und als sie endlich sowohl in der Hauptsache als in den Nebendingen übereingekommen waren, unterbreitete Hr. v. Scilla dem König das Ausgleichungsproject. Das Project ward von Sr. Maj. verworfen, indem schon das einleitende Princip mit dem gesunden Verstand und dem Rechtsgefühle in Widerspruch stehe. Die Aufhebung des auf englische Schiffe verhängten Embargo's und der angeordneten Beschlagnahme brittischen Eigenthums stelle sich nur unter der Bedingung als eine billige Forderung dar, daß zugleich die vom Admiral Stopford aufgebrachten neapolitanischen Schiffe bis zur getroffenen Uebereinkunft freigegeben werden. Nun aber wolle man diese Schiffe bis dahin in englischer Detention belassen. Damit könne Se. Maj. so wenig einverstanden seyn, wie mit andern wesentlichen Bestimmungen der durch Hrn. d'Haussonville und den Fürsten von Scilla versuchten Punctation. Der Staatssecretär wagte die Bemerkung, daß die Beschlagnahme englischen Eigenthums nur als Repressalie in Anwendung kommen, man daher füglich mit dem Beginn friedlicher Unterhandlungen auf dieses Recht verzichten könne. Da eigentlich Neapel keine Forderung an England stelle, so scheine die Aufrechthaltung der geschehenen Beschlagnahme weiter nicht motivirt zu seyn, während die detinirten neapolitanischen Schiffe gleichsam als ein Pfand für die von Großbritannien gestellten Entschädigungsansprüche sich darstellen. Auch seyen die von England ergriffenen Zwangsmaaßregeln durch die eingetretene Mediation Frankreichs nur unterbrochen, der englische Admiral halte sich jeden Augenblick zur Wiederaufnahme derselben bereit, mithin sey die Freilassung der auf Malta und Corfu detinirten Schiffe schwerlich zu erwarten, selbst wenn man darauf als auf einer Conditio sine qua non der fernern Unterhandlungen bestehen wollte. Der König soll darauf nichts erwiedert haben. Man ist jedoch für Hrn. v. Scilla besorgt. Der Ausgleichungsplan ist also in seiner gegenwärtigen Gestalt abgelehnt, und man befürchtet, daß das Experiment des Hrn. Thiers nicht glücklicher ausfallen dürfte als die bisher von andern Seiten gemachten Versuche. Ich glaube Ihnen noch, ohne die Richtigkeit der Angabe, die übrigens aus guter Quelle geschöpft ist, verbürgen zu wollen, einige Namen anführen zu müssen, die bei der Unternehmung der Compagnie Taix interessirt sind, und direct oder indirect auf die Entscheidung des Monopolstreites Einfluß nehmen dürften: der neapolitanische Hof selbst, Hr. Thiers, die Herzogin von Berry und andere sehr bedeutende Notabilitäten der französischen Royalisten. Nach Briefen aus Frankreich zu urtheilen, war die Compagnie Taix hinsichtlich ihrer eigenen Entschädigung vollkommen beruhigt, was auch immer für ein Endresultat die politische Seite der Frage erhalten möge. Mit dem letzten Courier, der von London über Paris nach Neapel kam, trafen neue Instructionen sowohl für Hrn. Temple als für Stopford ein; man will wissen, daß der Admiral Befehl erhielt, nach fruchtloser Verstreichung eines bestimmten Termins die begonnenen Coërcitivmaaßregeln gegen Neapel wieder aufzunehmen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 145. Augsburg, 24. Mai 1840, S. 1156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_145_18400524/4>, abgerufen am 24.04.2024.