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Allgemeine Zeitung. Nr. 145. Augsburg, 24. Mai 1840.

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Zugreifens und einseitigen Hingebens; auf der andern Seite war sein besonnener Geist in einer zu reichen Lebensschule großgezogen worden, als daß er die Gespensterfurcht so Vieler vor den Entwicklungen des öffentlichen Lebens hätte theilen können. Als Staatsdiener genoß er das unbedingte Zutrauen seines greisen Herrn, als Mensch und Bürger die allgemeine Achtung; die Theilnahme an seinem Hinscheiden ist daher eben so groß, als die ängstliche Spannung, womit man der Wiederbesetzung seiner Stelle entgegensieht. Es knüpfen sich an diese Wiederbesetzung die ernstesten Rücksichten. War das Ministerium der Unterrichtsangelegenheiten von jeher in Preußen von außerordentlicher Bedeutung, indem die Kraft unsres Staates wesentlich auf der Grundlage einer überlegenen Intelligenz beruht, und seine Geltung als Weltmacht einzig durch ein entschiedenes Einhalten dieser Richtung erhalten werden kann, so ist diese Wichtigkeit neuerdings nur um so entschiedener in den Vordergrund getreten bei der fortdauernden Unentschiedenheit der kirchlichen Differenzen und den auf allen Gebieten des Geistes sich täglich mehr und mehr ergebenden Spannungen und Zerwürfnissen. Ein selbst ausgezeichnetes Verwaltungstalent reicht hier natürlich nicht aus, sondern einzig ein Geist, der völlig auf der Höhe der Zeit ein überschauendes Bewußtsein ihrer auseinandergehenden Richtungen in sich trüge und dabei das seltene Geschick besäße, sich überall die klare Unbefangenheit und das ruhige Gleichgewicht einer staatsmännischen Seele zu bewahren. Man ist daher, wie gesagt, auf die Wiederbesetzung sehr gespannt, und glaubt, unter den obwaltenden Umständen zumal, aus der Wahl des neuen Ministers ziemlich sicher die Richtung prognosticiren zu können, die man von oben herab unserm Bildungsleben zu geben gedenke. Bis jetzt herrschen darüber natürlich nur vage Vermuthungen. Bei einer früheren Krankheit des verstorbenen Ministers bezeichnete ein ziemlich verbreitetes Gerücht als wahrscheinlichen Nachfolger einen Mann, der sich unter andern um den evangelischen Kirchengesang Verdienste erworben, dessen Name aber fürs erste wohl zu sehr persönlich bei den kirchlichen Verwickelungen betheiligt seyn dürfte.

Oesterreich.

Der in Berlin accreditirte türkische Gesandte Nuri Effendi erlitt einige Stunden nach seiner Ankunft in Wien einen heftigen Anfall von Wahnsinn. Schon auf dem Wege hieher hatte man Spuren des sogenannten stillen Wahnsinns an ihm bemerkt; man hatte inzwischen geglaubt, daß es vorübergehende Erscheinungen von Melancholie seyen, die sich bei Fortsetzung der Reise von selbst heben würden. Die herbeigerufenen Aerzte hielten seinen Zustand für gefährlich, und riethen, den Patienten in irgend einer Anstalt aufnehmen zu lassen, wo man sich hauptsächlich mit Behandlung von Gemüthskrankheiten beschäftigt. Nuri Effendi scheint ursprünglich am Heimweh gelitten zu haben.

Der am Berliner Hofe beglaubigt gewesene türkische Geschäftsträger Namik Effendi ist auf der Rückreise nach Konstantinopel dieser Tage hier eingetroffen und plötzlich gestorben. - Heute Abend geht der bei der russischen Capelle dahier angestellte Erzpriester v. Meglitzky von hier nach Darmstadt mit dem von seinem Hofe erhaltenen ehrenvollen Auftrage ab, Ihre Hoh. die Prinzessin Marie, Braut Sr. kais. Hoh. des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland, in der griechischen Religion zu unterrichten. Hr. v. Meglitzky ist als einer der durch Gelehrsamkeit und hohe Bildung ausgezeichnetsten russischen Geistlichen bekannt.

Serbien.

Die Gährung in Serbien nimmt mit jedem Tag zu. Nicht nur in Belgrad, sondern auch auf dem flachen Lande herrscht unverkennbare Verstimmung. Die Partei der Opposition gegen die gegenwärtige Regierung wird von dem Fürsten Ephraim (Jeffrem), dem Bruder des Fürsten Milosch, angeführt; ihre Erbitterung scheint mit jedem Tag in dem Maaß zu steigen, wie ihre Hoffnungen auf Erfolg sich mehren. Diese Partei zählt mitunter sehr entschlossene Anhänger, die sich für den Augenblick mit Drohen begnügen; man darf sich indessen, sobald der geeignete Zeitpunkt kommt, auf das Aergste gefaßt machen. Im ganzen Lande circuliren Drohbriefe und Flugschriften, die darauf berechnet sind, das Landvolk gegen das Bestehende aufzureizen. Hr. Isailovitsch, Mitglied des Senats, fand vor einigen Tagen an seiner Hausthür einen Anschlag, worin ihm und seiner Partei der Tod gedroht und der Fürst beklagt wird, der von solchen "Ränkeschmieden und Vaterlandsverräthern" umgeben sey. "Möge Gott, so schließt der Anschlag, das Land von den Nichtswürdigen befreien, die auf Anstiften Rußlands den unerfahrnen Fürsten in unwiderstehliche Fesseln schlugen." Auf jeden Fall scheinen die ausgestoßenen Drohungen nicht ohne Gewicht, so wie die sogenannten Patrioten nicht ohne Chancen für einen endlichen Sieg zu seyn, da es ihnen durch solche Mittel gelingt, selbst Männer, denen man mehr als gewöhnlichen Muth zuschreibt, schwankend zu machen und völlig einzuschüchtern. So haben in den letzten Tagen sowohl Staatsrath Petroniewitsch als Staatsrath Wucsitsch ihre Dimission bei dem Fürsten eingereicht, indem ein Complot gegen sie angezettelt sey, wodurch ihr Leben und ihr Eigenthum mit augenscheinlicher Gefahr bedroht werde. Man glaubt, Fürst Michael werde die von den genannten Staatsräthen angesuchte Entlassung nicht annehmen.

Griechenland.

Mit dem vorgestern nach Syra abgegangenen Dampfboote "Erzherzog Johann" trat der österreichische Gesandte am griechischen Hofe, Ritter Prokesch v. Osten, seine Rückreise nach Athen an. An Bord des so eben eingelaufenen Dampfboots "Baron Eichhof" befinden sich die HH. Brassier de St. Simon und Graf Waldkirch. - Ihre Majestäten der König und die Königin von Griechenland sind in Kalamachi eingetroffen, und werden von dort eine Rundreise im westlichen Griechenland unternehmen.

Türkei.

Die Aufregung unter den Türken, in Folge der, gemäß des Hattischerifs von Gulhaneh versuchten Steuerumlegung, nimmt in den europäischen Provinzen des Reichs, namentlich in Bosnien, Albanien und Macedonien, so wie in den östlichen Provinzen Asiens, genährt von ägyptischem Einflusse, immer mehr überhand. Es liegen Briefe aus Adrianopel, Philippopel, Sophia, Seres, Skopia, Janina, Ochrida, Scutari, Pristina, Serajevo und andern Städten vor mir, welche einstimmig die Ruhe in den bezeichneten Gegenden als höchst bedroht schildern. Hie und da sprach man von dem Plane der Türken, über die christliche Bevölkerung herzufallen und sie gänzlich auszurotten. Wirklich verlautet, daß zur Ausführung dieses höllischen Vorhabens das griechische Osterfest bestimmt gewesen, und nur die Umsicht der Behörden den Schlag vereitelt habe. In Ermangelung von Truppen blieb den Behörden kaum ein anderes Mittel, als die Christen selbst auf die ihnen drohende Gefahr aufmerksam zu machen, und sie zu ermuntern sich ebenfalls zu bewaffnen,

Zugreifens und einseitigen Hingebens; auf der andern Seite war sein besonnener Geist in einer zu reichen Lebensschule großgezogen worden, als daß er die Gespensterfurcht so Vieler vor den Entwicklungen des öffentlichen Lebens hätte theilen können. Als Staatsdiener genoß er das unbedingte Zutrauen seines greisen Herrn, als Mensch und Bürger die allgemeine Achtung; die Theilnahme an seinem Hinscheiden ist daher eben so groß, als die ängstliche Spannung, womit man der Wiederbesetzung seiner Stelle entgegensieht. Es knüpfen sich an diese Wiederbesetzung die ernstesten Rücksichten. War das Ministerium der Unterrichtsangelegenheiten von jeher in Preußen von außerordentlicher Bedeutung, indem die Kraft unsres Staates wesentlich auf der Grundlage einer überlegenen Intelligenz beruht, und seine Geltung als Weltmacht einzig durch ein entschiedenes Einhalten dieser Richtung erhalten werden kann, so ist diese Wichtigkeit neuerdings nur um so entschiedener in den Vordergrund getreten bei der fortdauernden Unentschiedenheit der kirchlichen Differenzen und den auf allen Gebieten des Geistes sich täglich mehr und mehr ergebenden Spannungen und Zerwürfnissen. Ein selbst ausgezeichnetes Verwaltungstalent reicht hier natürlich nicht aus, sondern einzig ein Geist, der völlig auf der Höhe der Zeit ein überschauendes Bewußtsein ihrer auseinandergehenden Richtungen in sich trüge und dabei das seltene Geschick besäße, sich überall die klare Unbefangenheit und das ruhige Gleichgewicht einer staatsmännischen Seele zu bewahren. Man ist daher, wie gesagt, auf die Wiederbesetzung sehr gespannt, und glaubt, unter den obwaltenden Umständen zumal, aus der Wahl des neuen Ministers ziemlich sicher die Richtung prognosticiren zu können, die man von oben herab unserm Bildungsleben zu geben gedenke. Bis jetzt herrschen darüber natürlich nur vage Vermuthungen. Bei einer früheren Krankheit des verstorbenen Ministers bezeichnete ein ziemlich verbreitetes Gerücht als wahrscheinlichen Nachfolger einen Mann, der sich unter andern um den evangelischen Kirchengesang Verdienste erworben, dessen Name aber fürs erste wohl zu sehr persönlich bei den kirchlichen Verwickelungen betheiligt seyn dürfte.

Oesterreich.

Der in Berlin accreditirte türkische Gesandte Nuri Effendi erlitt einige Stunden nach seiner Ankunft in Wien einen heftigen Anfall von Wahnsinn. Schon auf dem Wege hieher hatte man Spuren des sogenannten stillen Wahnsinns an ihm bemerkt; man hatte inzwischen geglaubt, daß es vorübergehende Erscheinungen von Melancholie seyen, die sich bei Fortsetzung der Reise von selbst heben würden. Die herbeigerufenen Aerzte hielten seinen Zustand für gefährlich, und riethen, den Patienten in irgend einer Anstalt aufnehmen zu lassen, wo man sich hauptsächlich mit Behandlung von Gemüthskrankheiten beschäftigt. Nuri Effendi scheint ursprünglich am Heimweh gelitten zu haben.

Der am Berliner Hofe beglaubigt gewesene türkische Geschäftsträger Namik Effendi ist auf der Rückreise nach Konstantinopel dieser Tage hier eingetroffen und plötzlich gestorben. – Heute Abend geht der bei der russischen Capelle dahier angestellte Erzpriester v. Meglitzky von hier nach Darmstadt mit dem von seinem Hofe erhaltenen ehrenvollen Auftrage ab, Ihre Hoh. die Prinzessin Marie, Braut Sr. kais. Hoh. des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland, in der griechischen Religion zu unterrichten. Hr. v. Meglitzky ist als einer der durch Gelehrsamkeit und hohe Bildung ausgezeichnetsten russischen Geistlichen bekannt.

Serbien.

Die Gährung in Serbien nimmt mit jedem Tag zu. Nicht nur in Belgrad, sondern auch auf dem flachen Lande herrscht unverkennbare Verstimmung. Die Partei der Opposition gegen die gegenwärtige Regierung wird von dem Fürsten Ephraim (Jeffrem), dem Bruder des Fürsten Milosch, angeführt; ihre Erbitterung scheint mit jedem Tag in dem Maaß zu steigen, wie ihre Hoffnungen auf Erfolg sich mehren. Diese Partei zählt mitunter sehr entschlossene Anhänger, die sich für den Augenblick mit Drohen begnügen; man darf sich indessen, sobald der geeignete Zeitpunkt kommt, auf das Aergste gefaßt machen. Im ganzen Lande circuliren Drohbriefe und Flugschriften, die darauf berechnet sind, das Landvolk gegen das Bestehende aufzureizen. Hr. Isailovitsch, Mitglied des Senats, fand vor einigen Tagen an seiner Hausthür einen Anschlag, worin ihm und seiner Partei der Tod gedroht und der Fürst beklagt wird, der von solchen „Ränkeschmieden und Vaterlandsverräthern“ umgeben sey. „Möge Gott, so schließt der Anschlag, das Land von den Nichtswürdigen befreien, die auf Anstiften Rußlands den unerfahrnen Fürsten in unwiderstehliche Fesseln schlugen.“ Auf jeden Fall scheinen die ausgestoßenen Drohungen nicht ohne Gewicht, so wie die sogenannten Patrioten nicht ohne Chancen für einen endlichen Sieg zu seyn, da es ihnen durch solche Mittel gelingt, selbst Männer, denen man mehr als gewöhnlichen Muth zuschreibt, schwankend zu machen und völlig einzuschüchtern. So haben in den letzten Tagen sowohl Staatsrath Petroniewitsch als Staatsrath Wucsitsch ihre Dimission bei dem Fürsten eingereicht, indem ein Complot gegen sie angezettelt sey, wodurch ihr Leben und ihr Eigenthum mit augenscheinlicher Gefahr bedroht werde. Man glaubt, Fürst Michael werde die von den genannten Staatsräthen angesuchte Entlassung nicht annehmen.

Griechenland.

Mit dem vorgestern nach Syra abgegangenen Dampfboote „Erzherzog Johann“ trat der österreichische Gesandte am griechischen Hofe, Ritter Prokesch v. Osten, seine Rückreise nach Athen an. An Bord des so eben eingelaufenen Dampfboots „Baron Eichhof“ befinden sich die HH. Brassier de St. Simon und Graf Waldkirch. – Ihre Majestäten der König und die Königin von Griechenland sind in Kalamachi eingetroffen, und werden von dort eine Rundreise im westlichen Griechenland unternehmen.

Türkei.

Die Aufregung unter den Türken, in Folge der, gemäß des Hattischerifs von Gulhaneh versuchten Steuerumlegung, nimmt in den europäischen Provinzen des Reichs, namentlich in Bosnien, Albanien und Macedonien, so wie in den östlichen Provinzen Asiens, genährt von ägyptischem Einflusse, immer mehr überhand. Es liegen Briefe aus Adrianopel, Philippopel, Sophia, Seres, Skopia, Janina, Ochrida, Scutari, Pristina, Serajevo und andern Städten vor mir, welche einstimmig die Ruhe in den bezeichneten Gegenden als höchst bedroht schildern. Hie und da sprach man von dem Plane der Türken, über die christliche Bevölkerung herzufallen und sie gänzlich auszurotten. Wirklich verlautet, daß zur Ausführung dieses höllischen Vorhabens das griechische Osterfest bestimmt gewesen, und nur die Umsicht der Behörden den Schlag vereitelt habe. In Ermangelung von Truppen blieb den Behörden kaum ein anderes Mittel, als die Christen selbst auf die ihnen drohende Gefahr aufmerksam zu machen, und sie zu ermuntern sich ebenfalls zu bewaffnen,

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Zugreifens und einseitigen Hingebens; auf der andern Seite war sein besonnener Geist in einer zu reichen Lebensschule großgezogen worden, als daß er die Gespensterfurcht so Vieler vor den Entwicklungen des öffentlichen Lebens hätte theilen können. Als Staatsdiener genoß er das unbedingte Zutrauen seines greisen Herrn, als Mensch und Bürger die allgemeine Achtung; die Theilnahme an seinem Hinscheiden ist daher eben so groß, als die ängstliche Spannung, womit man der Wiederbesetzung seiner Stelle entgegensieht. Es knüpfen sich an diese Wiederbesetzung die ernstesten Rücksichten. War das Ministerium der Unterrichtsangelegenheiten von jeher in Preußen von außerordentlicher Bedeutung, indem die Kraft unsres Staates wesentlich auf der Grundlage einer überlegenen Intelligenz beruht, und seine Geltung als Weltmacht einzig durch ein entschiedenes Einhalten dieser Richtung erhalten werden kann, so ist diese Wichtigkeit neuerdings nur um so entschiedener in den Vordergrund getreten bei der fortdauernden Unentschiedenheit der kirchlichen Differenzen und den auf allen Gebieten des Geistes sich täglich mehr und mehr ergebenden Spannungen und Zerwürfnissen. Ein selbst ausgezeichnetes Verwaltungstalent reicht hier natürlich nicht aus, sondern einzig ein Geist, der völlig auf der Höhe der Zeit ein überschauendes Bewußtsein ihrer auseinandergehenden Richtungen in sich trüge und dabei das seltene Geschick besäße, sich überall die klare Unbefangenheit und das ruhige Gleichgewicht einer staatsmännischen Seele zu bewahren. Man ist daher, wie gesagt, auf die Wiederbesetzung sehr gespannt, und glaubt, unter den obwaltenden Umständen zumal, aus der Wahl des neuen Ministers ziemlich sicher die Richtung prognosticiren zu können, die man von oben herab unserm Bildungsleben zu geben gedenke. Bis jetzt herrschen darüber natürlich nur vage Vermuthungen. Bei einer früheren Krankheit des verstorbenen Ministers bezeichnete ein ziemlich verbreitetes Gerücht als wahrscheinlichen Nachfolger einen Mann, der sich unter andern um den evangelischen Kirchengesang Verdienste erworben, dessen Name aber fürs erste wohl zu sehr persönlich bei den kirchlichen Verwickelungen betheiligt seyn dürfte.</p><lb/>
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[1159/0007] Zugreifens und einseitigen Hingebens; auf der andern Seite war sein besonnener Geist in einer zu reichen Lebensschule großgezogen worden, als daß er die Gespensterfurcht so Vieler vor den Entwicklungen des öffentlichen Lebens hätte theilen können. Als Staatsdiener genoß er das unbedingte Zutrauen seines greisen Herrn, als Mensch und Bürger die allgemeine Achtung; die Theilnahme an seinem Hinscheiden ist daher eben so groß, als die ängstliche Spannung, womit man der Wiederbesetzung seiner Stelle entgegensieht. Es knüpfen sich an diese Wiederbesetzung die ernstesten Rücksichten. War das Ministerium der Unterrichtsangelegenheiten von jeher in Preußen von außerordentlicher Bedeutung, indem die Kraft unsres Staates wesentlich auf der Grundlage einer überlegenen Intelligenz beruht, und seine Geltung als Weltmacht einzig durch ein entschiedenes Einhalten dieser Richtung erhalten werden kann, so ist diese Wichtigkeit neuerdings nur um so entschiedener in den Vordergrund getreten bei der fortdauernden Unentschiedenheit der kirchlichen Differenzen und den auf allen Gebieten des Geistes sich täglich mehr und mehr ergebenden Spannungen und Zerwürfnissen. Ein selbst ausgezeichnetes Verwaltungstalent reicht hier natürlich nicht aus, sondern einzig ein Geist, der völlig auf der Höhe der Zeit ein überschauendes Bewußtsein ihrer auseinandergehenden Richtungen in sich trüge und dabei das seltene Geschick besäße, sich überall die klare Unbefangenheit und das ruhige Gleichgewicht einer staatsmännischen Seele zu bewahren. Man ist daher, wie gesagt, auf die Wiederbesetzung sehr gespannt, und glaubt, unter den obwaltenden Umständen zumal, aus der Wahl des neuen Ministers ziemlich sicher die Richtung prognosticiren zu können, die man von oben herab unserm Bildungsleben zu geben gedenke. Bis jetzt herrschen darüber natürlich nur vage Vermuthungen. Bei einer früheren Krankheit des verstorbenen Ministers bezeichnete ein ziemlich verbreitetes Gerücht als wahrscheinlichen Nachfolger einen Mann, der sich unter andern um den evangelischen Kirchengesang Verdienste erworben, dessen Name aber fürs erste wohl zu sehr persönlich bei den kirchlichen Verwickelungen betheiligt seyn dürfte. Oesterreich. _ Wien, 16 Mai. Der in Berlin accreditirte türkische Gesandte Nuri Effendi erlitt einige Stunden nach seiner Ankunft in Wien einen heftigen Anfall von Wahnsinn. Schon auf dem Wege hieher hatte man Spuren des sogenannten stillen Wahnsinns an ihm bemerkt; man hatte inzwischen geglaubt, daß es vorübergehende Erscheinungen von Melancholie seyen, die sich bei Fortsetzung der Reise von selbst heben würden. Die herbeigerufenen Aerzte hielten seinen Zustand für gefährlich, und riethen, den Patienten in irgend einer Anstalt aufnehmen zu lassen, wo man sich hauptsächlich mit Behandlung von Gemüthskrankheiten beschäftigt. Nuri Effendi scheint ursprünglich am Heimweh gelitten zu haben. _ Wien, 19 Mai. Der am Berliner Hofe beglaubigt gewesene türkische Geschäftsträger Namik Effendi ist auf der Rückreise nach Konstantinopel dieser Tage hier eingetroffen und plötzlich gestorben. – Heute Abend geht der bei der russischen Capelle dahier angestellte Erzpriester v. Meglitzky von hier nach Darmstadt mit dem von seinem Hofe erhaltenen ehrenvollen Auftrage ab, Ihre Hoh. die Prinzessin Marie, Braut Sr. kais. Hoh. des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland, in der griechischen Religion zu unterrichten. Hr. v. Meglitzky ist als einer der durch Gelehrsamkeit und hohe Bildung ausgezeichnetsten russischen Geistlichen bekannt. Serbien. _ Von der türkischen Gränze, 10 Mai. Die Gährung in Serbien nimmt mit jedem Tag zu. Nicht nur in Belgrad, sondern auch auf dem flachen Lande herrscht unverkennbare Verstimmung. Die Partei der Opposition gegen die gegenwärtige Regierung wird von dem Fürsten Ephraim (Jeffrem), dem Bruder des Fürsten Milosch, angeführt; ihre Erbitterung scheint mit jedem Tag in dem Maaß zu steigen, wie ihre Hoffnungen auf Erfolg sich mehren. Diese Partei zählt mitunter sehr entschlossene Anhänger, die sich für den Augenblick mit Drohen begnügen; man darf sich indessen, sobald der geeignete Zeitpunkt kommt, auf das Aergste gefaßt machen. Im ganzen Lande circuliren Drohbriefe und Flugschriften, die darauf berechnet sind, das Landvolk gegen das Bestehende aufzureizen. Hr. Isailovitsch, Mitglied des Senats, fand vor einigen Tagen an seiner Hausthür einen Anschlag, worin ihm und seiner Partei der Tod gedroht und der Fürst beklagt wird, der von solchen „Ränkeschmieden und Vaterlandsverräthern“ umgeben sey. „Möge Gott, so schließt der Anschlag, das Land von den Nichtswürdigen befreien, die auf Anstiften Rußlands den unerfahrnen Fürsten in unwiderstehliche Fesseln schlugen.“ Auf jeden Fall scheinen die ausgestoßenen Drohungen nicht ohne Gewicht, so wie die sogenannten Patrioten nicht ohne Chancen für einen endlichen Sieg zu seyn, da es ihnen durch solche Mittel gelingt, selbst Männer, denen man mehr als gewöhnlichen Muth zuschreibt, schwankend zu machen und völlig einzuschüchtern. So haben in den letzten Tagen sowohl Staatsrath Petroniewitsch als Staatsrath Wucsitsch ihre Dimission bei dem Fürsten eingereicht, indem ein Complot gegen sie angezettelt sey, wodurch ihr Leben und ihr Eigenthum mit augenscheinlicher Gefahr bedroht werde. Man glaubt, Fürst Michael werde die von den genannten Staatsräthen angesuchte Entlassung nicht annehmen. Griechenland. _ Triest, 18 Mai. Mit dem vorgestern nach Syra abgegangenen Dampfboote „Erzherzog Johann“ trat der österreichische Gesandte am griechischen Hofe, Ritter Prokesch v. Osten, seine Rückreise nach Athen an. An Bord des so eben eingelaufenen Dampfboots „Baron Eichhof“ befinden sich die HH. Brassier de St. Simon und Graf Waldkirch. – Ihre Majestäten der König und die Königin von Griechenland sind in Kalamachi eingetroffen, und werden von dort eine Rundreise im westlichen Griechenland unternehmen. Türkei. _ Von der türkischen Gränze, 9 Mai. Die Aufregung unter den Türken, in Folge der, gemäß des Hattischerifs von Gulhaneh versuchten Steuerumlegung, nimmt in den europäischen Provinzen des Reichs, namentlich in Bosnien, Albanien und Macedonien, so wie in den östlichen Provinzen Asiens, genährt von ägyptischem Einflusse, immer mehr überhand. Es liegen Briefe aus Adrianopel, Philippopel, Sophia, Seres, Skopia, Janina, Ochrida, Scutari, Pristina, Serajevo und andern Städten vor mir, welche einstimmig die Ruhe in den bezeichneten Gegenden als höchst bedroht schildern. Hie und da sprach man von dem Plane der Türken, über die christliche Bevölkerung herzufallen und sie gänzlich auszurotten. Wirklich verlautet, daß zur Ausführung dieses höllischen Vorhabens das griechische Osterfest bestimmt gewesen, und nur die Umsicht der Behörden den Schlag vereitelt habe. In Ermangelung von Truppen blieb den Behörden kaum ein anderes Mittel, als die Christen selbst auf die ihnen drohende Gefahr aufmerksam zu machen, und sie zu ermuntern sich ebenfalls zu bewaffnen,

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 145. Augsburg, 24. Mai 1840, S. 1159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_145_18400524/7>, abgerufen am 20.04.2024.