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Allgemeine Zeitung. Nr. 148. Augsburg, 27. Mai 1840.

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könnten, besonders fremde Reisende, die etwas über Montenegro schreiben wollen, denn sie finden darin einen Abriß der Geschichte, Geographie und Statistik des Landes, Sagen und Gedichte, die von dem Nationalcharakter, den Sitten und Gebräuchen ein treueres Bild entwerfen, als man durch einem zwanzigstündigen Aufenthalt bei Regen und Nebel, und ohne die geringste Kenntniß der Landessprache erlangen kann.

Zum Schlusse dieser Zeilen bemerke ich nur noch, daß der schönste District von Montenegro die Cernizka Nahia ist - daß Georg Petrovich, der mit dem Vladika nicht im besten Einvernehmen leben soll, nicht dessen Bruder, sondern bloß Vetter ist - daß der Umstand, daß alle Bewohner eines Dorfes denselben Geschlechtsnamen tragen, nicht bloß in dem Dorfe Baize, sondern in gar vielen andern Ortschaften auch des österreichischen Albaniens vorkömmt, indem die Familien sich beisammen halten - und daß endlich der Postbote des Vladika, mit dem Hr. G. F. Rank so zufrieden war, nicht Sbiro oder Sbirro, sondern Spiro oder Spiridion Martinovich heißt.

R.

Die Resultate des Landtags in Ungarn.

(Beschluß.)

Ein Intabulationsgesetz, wodurch die bisher in Ungarn gewöhnliche, widersinnige Intabulation auf das bewegliche Vermögen abgeschafft, und in den königlichen Freistädten die Vormerkung auf speciell benannte liegende Gründe in Verbindung mit dem Grundbuch angenommen wurde, dann eine äußerst strenge und sorgfältig ausgearbeitete Concursordnung vervollständigen die Gesetze zur Hebung des Credits und der Industrie, unter denen sich besonders der Artikel über die Fabriken durch liberale Bestimmungen, der über Erwerbsgesellschaften durch juristisch begründete, lichtvolle, ausführliche Darstellung auszeichnet. Denselben Zweck, die Belebung der Industrie, haben noch die speciellen Gesetze, durch die dem zwischen der Donau und Theiß zu führenden Canal größere Begünstigungen zugesichert wurden, das Expropriationsgesetz auf die Eisenbahnlinie nach Triest, der Verbalproceß auf größere Summen ausgedehnt, die Bewilligung der Moratorien und Sequester beschränkt und der bekannte Pesther Brückencontract ratificirt wurde.

Ein Zeichen der sich immer fester begründenden ungarischen Nationalität ist das Gesetz über die ungarische Sprache, deren officieller Gebrauch wieder ausgedehnt wurde. Besonders wichtig sind die Bestimmungen, daß nach drei Jahren kein Geistlicher mehr angestellt werden dürfe, welcher der ungarischen Sprache nicht mächtig ist, und daß Se. Maj. für die Verbreitung der ungarischen Sprache in der Militärgränze Sorge tragen wolle. An diesen Artikel reiht sich das freiwillige Oblat des Adels für das ungarische Theater in Pesth, zu dessen Unterstützung ein Capital von viermalhundertfünfzigtausend Gulden C. M. votirt wurde.

Dieß sind ungefähr die wichtigsten Gesetze des Landtags in der dreifachen Richtung der Nationalität, der Handels- und Agriculturinteressen, an die sich noch andere specielle Gesetze anschließen, durch welche die Rechte der Jazygen und Kumanen, der Heiducken und der Bürger der königlichen Freistädte ausgedehnt, Gränzberichtigungscommissionen ausgesandt und ergänzt und Gränzberichtigungen, Indigene und Stiftungen verschiedener Art inarticulirt wurden. Bedeutender sind die Deputationen, die ernannt wurden, um bis zum nächsten Landtag ein Strafgesetzbuch zu entwerfen, und die Einführung von Straf- und Besserungshäusern vorzubereiten, um die schwebende Verhandlung über die Verpflegung und Casernirung des Militärs fortzuführen, um die Plane der Donauregulation, die noch nicht so weit gediehen waren, daß man sie den Ständen hätte vorlegen können, zu übernehmen, und einen Vorschlag, wie die dazu nothwendigen Kosten zu erheben seyen, auszuarbeiten.

Weniger glücklich war der Landtag mit zwei andern Gesetzesvorschlägen, deren Ruf längst über die Gränzen gedrungen war, die aber beinahe ohne alle Resultate blieben - ich meine die Religionsfrage und die Judenemancipation. Der Geist der Gerechtigkeit, des Wohlwollens und der Versöhnung wehte in beiden Gesetzen: der eine war auf vollkommene Reciprocität zwischen den christlichen Confessionen gebaut, während der andere sich auf die Humanität gründete, und die Erniedrigung, die nur Jahrtausende alte Gewohnheit dem Juden erträglich macht, mildern sollte. Doch die kirchlichen Wirren in Mitteleuropa waren, wie es scheint, die Ursache, daß bei dem ersten dieser Gesetzesvorschläge keine königliche Resolution erfolgte, während die engherzige, der jetzigen Zeit widerstrebende Reaction, die sich in den königlichen Freistädten, namentlich in Preßburg, gegen die Juden beinahe auf brutale Weise kundgab, den andern Artikel verhinderte und zu der einzigen Concession zusammenschrumpfen ließ, daß die Juden in Zukunft in allen Städten und Theilen des Landes, aus denen sie nicht aus Rücksicht der Bergwerke ausdrücklich ausgeschlossen sind, das Incolat erhalten.

Vielfach beschäftigten den Landtag noch zwei andere Fragen, deren Lösung aber noch immer nicht näher gerückt erscheint: die schon in diesen Blättern ausführlicher besprochene Städtefrage, in deren Hinsicht die von den Ständen vorgeschlagene Deputation die königliche Zustimmung nicht erhielt, und die croatische, die, mit großem Eifer geführt, noch kein baldiges Ende absehen läßt In Croatien erhebt sich nämlich, im Gegensatz zu der ungarischen Sprache, der Illyrismus; mit mittelalterlicher Engherzigkeit wird daselbst noch jetzt den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert, und angeblichen Municipalrechten zufolge sucht Croatien das Votiren seines Steuerquantums ausschließlich seinen eigenen Deputirten vorzubehalten. Alles dieß bildet einen so gewaltigen Gegensatz gegen Ungarn, daß sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen nothwendigerweise ein Kampf um die Nationalität entspann, der die gesetzliche Lösung dieser Frage täglich wünschenswerther macht und ein würdiger Gegenstand der Berathungen für die nächste Legislation bleibt.

Noch zwei Ereignisse sind es, die dem so eben geendeten Landtag eine hohe Wichtigkeit geben. Zuvörderst die Theilnahme zahlreicher Magnaten an den Debatten; Namen, die seit einem Jahrhundert sich dem Nationalleben entzogen hatten, und in den Salons der Hauptstädte Europa's bekannter und heimischer waren, als in ihrem Vaterlande, sind wieder dem ungarischen Interesse zurückgegeben. Mit patriotischem Gefühl sahen jene Männer ein, daß historische Namen und großer Besitz auch große Pflichten haben, und entsagten freudig ihren gewohnten Vergnügungen; sie sprachen wieder die Sprache ihres Volks, sie waren wieder ein integrirender Theil davon. Nicht minder erfreulich ist es für Ungarn, daß die Aufmerksamkeit des Auslands mehr auf uns gerichtet wurde, daß die Zeitungen ihre Spalten auch für uns öffneten, daß jener Bann gelöst ist, der uns und unsere Zustände dem Kreise der europäischen Interessen entrückt hatte. Dieß ist aber (nach dem großherzigen Standpunkt, von dem dabei die Regierung ausging) hauptsächlich das Verdienst des Verfassers der pia desideria, dessen einzelne Behauptungen und Parteiansichten ich schon mehreremal entgegengetreten bin, dem man es aber nicht bestreiten kann, daß er es war, der die Schranken öffnete, und uns auf den Kampfplatz der europäischen Journalistik hinausrief.

könnten, besonders fremde Reisende, die etwas über Montenegro schreiben wollen, denn sie finden darin einen Abriß der Geschichte, Geographie und Statistik des Landes, Sagen und Gedichte, die von dem Nationalcharakter, den Sitten und Gebräuchen ein treueres Bild entwerfen, als man durch einem zwanzigstündigen Aufenthalt bei Regen und Nebel, und ohne die geringste Kenntniß der Landessprache erlangen kann.

Zum Schlusse dieser Zeilen bemerke ich nur noch, daß der schönste District von Montenegro die Cernizka Nahia ist – daß Georg Petrovich, der mit dem Vladika nicht im besten Einvernehmen leben soll, nicht dessen Bruder, sondern bloß Vetter ist – daß der Umstand, daß alle Bewohner eines Dorfes denselben Geschlechtsnamen tragen, nicht bloß in dem Dorfe Baize, sondern in gar vielen andern Ortschaften auch des österreichischen Albaniens vorkömmt, indem die Familien sich beisammen halten – und daß endlich der Postbote des Vladika, mit dem Hr. G. F. Rank so zufrieden war, nicht Sbiro oder Sbirro, sondern Spiro oder Spiridion Martinovich heißt.

R.

Die Resultate des Landtags in Ungarn.

(Beschluß.)

Ein Intabulationsgesetz, wodurch die bisher in Ungarn gewöhnliche, widersinnige Intabulation auf das bewegliche Vermögen abgeschafft, und in den königlichen Freistädten die Vormerkung auf speciell benannte liegende Gründe in Verbindung mit dem Grundbuch angenommen wurde, dann eine äußerst strenge und sorgfältig ausgearbeitete Concursordnung vervollständigen die Gesetze zur Hebung des Credits und der Industrie, unter denen sich besonders der Artikel über die Fabriken durch liberale Bestimmungen, der über Erwerbsgesellschaften durch juristisch begründete, lichtvolle, ausführliche Darstellung auszeichnet. Denselben Zweck, die Belebung der Industrie, haben noch die speciellen Gesetze, durch die dem zwischen der Donau und Theiß zu führenden Canal größere Begünstigungen zugesichert wurden, das Expropriationsgesetz auf die Eisenbahnlinie nach Triest, der Verbalproceß auf größere Summen ausgedehnt, die Bewilligung der Moratorien und Sequester beschränkt und der bekannte Pesther Brückencontract ratificirt wurde.

Ein Zeichen der sich immer fester begründenden ungarischen Nationalität ist das Gesetz über die ungarische Sprache, deren officieller Gebrauch wieder ausgedehnt wurde. Besonders wichtig sind die Bestimmungen, daß nach drei Jahren kein Geistlicher mehr angestellt werden dürfe, welcher der ungarischen Sprache nicht mächtig ist, und daß Se. Maj. für die Verbreitung der ungarischen Sprache in der Militärgränze Sorge tragen wolle. An diesen Artikel reiht sich das freiwillige Oblat des Adels für das ungarische Theater in Pesth, zu dessen Unterstützung ein Capital von viermalhundertfünfzigtausend Gulden C. M. votirt wurde.

Dieß sind ungefähr die wichtigsten Gesetze des Landtags in der dreifachen Richtung der Nationalität, der Handels- und Agriculturinteressen, an die sich noch andere specielle Gesetze anschließen, durch welche die Rechte der Jazygen und Kumanen, der Heiducken und der Bürger der königlichen Freistädte ausgedehnt, Gränzberichtigungscommissionen ausgesandt und ergänzt und Gränzberichtigungen, Indigene und Stiftungen verschiedener Art inarticulirt wurden. Bedeutender sind die Deputationen, die ernannt wurden, um bis zum nächsten Landtag ein Strafgesetzbuch zu entwerfen, und die Einführung von Straf- und Besserungshäusern vorzubereiten, um die schwebende Verhandlung über die Verpflegung und Casernirung des Militärs fortzuführen, um die Plane der Donauregulation, die noch nicht so weit gediehen waren, daß man sie den Ständen hätte vorlegen können, zu übernehmen, und einen Vorschlag, wie die dazu nothwendigen Kosten zu erheben seyen, auszuarbeiten.

Weniger glücklich war der Landtag mit zwei andern Gesetzesvorschlägen, deren Ruf längst über die Gränzen gedrungen war, die aber beinahe ohne alle Resultate blieben – ich meine die Religionsfrage und die Judenemancipation. Der Geist der Gerechtigkeit, des Wohlwollens und der Versöhnung wehte in beiden Gesetzen: der eine war auf vollkommene Reciprocität zwischen den christlichen Confessionen gebaut, während der andere sich auf die Humanität gründete, und die Erniedrigung, die nur Jahrtausende alte Gewohnheit dem Juden erträglich macht, mildern sollte. Doch die kirchlichen Wirren in Mitteleuropa waren, wie es scheint, die Ursache, daß bei dem ersten dieser Gesetzesvorschläge keine königliche Resolution erfolgte, während die engherzige, der jetzigen Zeit widerstrebende Reaction, die sich in den königlichen Freistädten, namentlich in Preßburg, gegen die Juden beinahe auf brutale Weise kundgab, den andern Artikel verhinderte und zu der einzigen Concession zusammenschrumpfen ließ, daß die Juden in Zukunft in allen Städten und Theilen des Landes, aus denen sie nicht aus Rücksicht der Bergwerke ausdrücklich ausgeschlossen sind, das Incolat erhalten.

Vielfach beschäftigten den Landtag noch zwei andere Fragen, deren Lösung aber noch immer nicht näher gerückt erscheint: die schon in diesen Blättern ausführlicher besprochene Städtefrage, in deren Hinsicht die von den Ständen vorgeschlagene Deputation die königliche Zustimmung nicht erhielt, und die croatische, die, mit großem Eifer geführt, noch kein baldiges Ende absehen läßt In Croatien erhebt sich nämlich, im Gegensatz zu der ungarischen Sprache, der Illyrismus; mit mittelalterlicher Engherzigkeit wird daselbst noch jetzt den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert, und angeblichen Municipalrechten zufolge sucht Croatien das Votiren seines Steuerquantums ausschließlich seinen eigenen Deputirten vorzubehalten. Alles dieß bildet einen so gewaltigen Gegensatz gegen Ungarn, daß sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen nothwendigerweise ein Kampf um die Nationalität entspann, der die gesetzliche Lösung dieser Frage täglich wünschenswerther macht und ein würdiger Gegenstand der Berathungen für die nächste Legislation bleibt.

Noch zwei Ereignisse sind es, die dem so eben geendeten Landtag eine hohe Wichtigkeit geben. Zuvörderst die Theilnahme zahlreicher Magnaten an den Debatten; Namen, die seit einem Jahrhundert sich dem Nationalleben entzogen hatten, und in den Salons der Hauptstädte Europa's bekannter und heimischer waren, als in ihrem Vaterlande, sind wieder dem ungarischen Interesse zurückgegeben. Mit patriotischem Gefühl sahen jene Männer ein, daß historische Namen und großer Besitz auch große Pflichten haben, und entsagten freudig ihren gewohnten Vergnügungen; sie sprachen wieder die Sprache ihres Volks, sie waren wieder ein integrirender Theil davon. Nicht minder erfreulich ist es für Ungarn, daß die Aufmerksamkeit des Auslands mehr auf uns gerichtet wurde, daß die Zeitungen ihre Spalten auch für uns öffneten, daß jener Bann gelöst ist, der uns und unsere Zustände dem Kreise der europäischen Interessen entrückt hatte. Dieß ist aber (nach dem großherzigen Standpunkt, von dem dabei die Regierung ausging) hauptsächlich das Verdienst des Verfassers der pia desideria, dessen einzelne Behauptungen und Parteiansichten ich schon mehreremal entgegengetreten bin, dem man es aber nicht bestreiten kann, daß er es war, der die Schranken öffnete, und uns auf den Kampfplatz der europäischen Journalistik hinausrief.

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[1178/0010] könnten, besonders fremde Reisende, die etwas über Montenegro schreiben wollen, denn sie finden darin einen Abriß der Geschichte, Geographie und Statistik des Landes, Sagen und Gedichte, die von dem Nationalcharakter, den Sitten und Gebräuchen ein treueres Bild entwerfen, als man durch einem zwanzigstündigen Aufenthalt bei Regen und Nebel, und ohne die geringste Kenntniß der Landessprache erlangen kann. Zum Schlusse dieser Zeilen bemerke ich nur noch, daß der schönste District von Montenegro die Cernizka Nahia ist – daß Georg Petrovich, der mit dem Vladika nicht im besten Einvernehmen leben soll, nicht dessen Bruder, sondern bloß Vetter ist – daß der Umstand, daß alle Bewohner eines Dorfes denselben Geschlechtsnamen tragen, nicht bloß in dem Dorfe Baize, sondern in gar vielen andern Ortschaften auch des österreichischen Albaniens vorkömmt, indem die Familien sich beisammen halten – und daß endlich der Postbote des Vladika, mit dem Hr. G. F. Rank so zufrieden war, nicht Sbiro oder Sbirro, sondern Spiro oder Spiridion Martinovich heißt. R. Die Resultate des Landtags in Ungarn. (Beschluß.) Ein Intabulationsgesetz, wodurch die bisher in Ungarn gewöhnliche, widersinnige Intabulation auf das bewegliche Vermögen abgeschafft, und in den königlichen Freistädten die Vormerkung auf speciell benannte liegende Gründe in Verbindung mit dem Grundbuch angenommen wurde, dann eine äußerst strenge und sorgfältig ausgearbeitete Concursordnung vervollständigen die Gesetze zur Hebung des Credits und der Industrie, unter denen sich besonders der Artikel über die Fabriken durch liberale Bestimmungen, der über Erwerbsgesellschaften durch juristisch begründete, lichtvolle, ausführliche Darstellung auszeichnet. Denselben Zweck, die Belebung der Industrie, haben noch die speciellen Gesetze, durch die dem zwischen der Donau und Theiß zu führenden Canal größere Begünstigungen zugesichert wurden, das Expropriationsgesetz auf die Eisenbahnlinie nach Triest, der Verbalproceß auf größere Summen ausgedehnt, die Bewilligung der Moratorien und Sequester beschränkt und der bekannte Pesther Brückencontract ratificirt wurde. Ein Zeichen der sich immer fester begründenden ungarischen Nationalität ist das Gesetz über die ungarische Sprache, deren officieller Gebrauch wieder ausgedehnt wurde. Besonders wichtig sind die Bestimmungen, daß nach drei Jahren kein Geistlicher mehr angestellt werden dürfe, welcher der ungarischen Sprache nicht mächtig ist, und daß Se. Maj. für die Verbreitung der ungarischen Sprache in der Militärgränze Sorge tragen wolle. An diesen Artikel reiht sich das freiwillige Oblat des Adels für das ungarische Theater in Pesth, zu dessen Unterstützung ein Capital von viermalhundertfünfzigtausend Gulden C. M. votirt wurde. Dieß sind ungefähr die wichtigsten Gesetze des Landtags in der dreifachen Richtung der Nationalität, der Handels- und Agriculturinteressen, an die sich noch andere specielle Gesetze anschließen, durch welche die Rechte der Jazygen und Kumanen, der Heiducken und der Bürger der königlichen Freistädte ausgedehnt, Gränzberichtigungscommissionen ausgesandt und ergänzt und Gränzberichtigungen, Indigene und Stiftungen verschiedener Art inarticulirt wurden. Bedeutender sind die Deputationen, die ernannt wurden, um bis zum nächsten Landtag ein Strafgesetzbuch zu entwerfen, und die Einführung von Straf- und Besserungshäusern vorzubereiten, um die schwebende Verhandlung über die Verpflegung und Casernirung des Militärs fortzuführen, um die Plane der Donauregulation, die noch nicht so weit gediehen waren, daß man sie den Ständen hätte vorlegen können, zu übernehmen, und einen Vorschlag, wie die dazu nothwendigen Kosten zu erheben seyen, auszuarbeiten. Weniger glücklich war der Landtag mit zwei andern Gesetzesvorschlägen, deren Ruf längst über die Gränzen gedrungen war, die aber beinahe ohne alle Resultate blieben – ich meine die Religionsfrage und die Judenemancipation. Der Geist der Gerechtigkeit, des Wohlwollens und der Versöhnung wehte in beiden Gesetzen: der eine war auf vollkommene Reciprocität zwischen den christlichen Confessionen gebaut, während der andere sich auf die Humanität gründete, und die Erniedrigung, die nur Jahrtausende alte Gewohnheit dem Juden erträglich macht, mildern sollte. Doch die kirchlichen Wirren in Mitteleuropa waren, wie es scheint, die Ursache, daß bei dem ersten dieser Gesetzesvorschläge keine königliche Resolution erfolgte, während die engherzige, der jetzigen Zeit widerstrebende Reaction, die sich in den königlichen Freistädten, namentlich in Preßburg, gegen die Juden beinahe auf brutale Weise kundgab, den andern Artikel verhinderte und zu der einzigen Concession zusammenschrumpfen ließ, daß die Juden in Zukunft in allen Städten und Theilen des Landes, aus denen sie nicht aus Rücksicht der Bergwerke ausdrücklich ausgeschlossen sind, das Incolat erhalten. Vielfach beschäftigten den Landtag noch zwei andere Fragen, deren Lösung aber noch immer nicht näher gerückt erscheint: die schon in diesen Blättern ausführlicher besprochene Städtefrage, in deren Hinsicht die von den Ständen vorgeschlagene Deputation die königliche Zustimmung nicht erhielt, und die croatische, die, mit großem Eifer geführt, noch kein baldiges Ende absehen läßt In Croatien erhebt sich nämlich, im Gegensatz zu der ungarischen Sprache, der Illyrismus; mit mittelalterlicher Engherzigkeit wird daselbst noch jetzt den Protestanten jeder Besitz, ja sogar das Incolat verweigert, und angeblichen Municipalrechten zufolge sucht Croatien das Votiren seines Steuerquantums ausschließlich seinen eigenen Deputirten vorzubehalten. Alles dieß bildet einen so gewaltigen Gegensatz gegen Ungarn, daß sich beim Landtag und in den beiderseitigen Zeitungen nothwendigerweise ein Kampf um die Nationalität entspann, der die gesetzliche Lösung dieser Frage täglich wünschenswerther macht und ein würdiger Gegenstand der Berathungen für die nächste Legislation bleibt. Noch zwei Ereignisse sind es, die dem so eben geendeten Landtag eine hohe Wichtigkeit geben. Zuvörderst die Theilnahme zahlreicher Magnaten an den Debatten; Namen, die seit einem Jahrhundert sich dem Nationalleben entzogen hatten, und in den Salons der Hauptstädte Europa's bekannter und heimischer waren, als in ihrem Vaterlande, sind wieder dem ungarischen Interesse zurückgegeben. Mit patriotischem Gefühl sahen jene Männer ein, daß historische Namen und großer Besitz auch große Pflichten haben, und entsagten freudig ihren gewohnten Vergnügungen; sie sprachen wieder die Sprache ihres Volks, sie waren wieder ein integrirender Theil davon. Nicht minder erfreulich ist es für Ungarn, daß die Aufmerksamkeit des Auslands mehr auf uns gerichtet wurde, daß die Zeitungen ihre Spalten auch für uns öffneten, daß jener Bann gelöst ist, der uns und unsere Zustände dem Kreise der europäischen Interessen entrückt hatte. Dieß ist aber (nach dem großherzigen Standpunkt, von dem dabei die Regierung ausging) hauptsächlich das Verdienst des Verfassers der pia desideria, dessen einzelne Behauptungen und Parteiansichten ich schon mehreremal entgegengetreten bin, dem man es aber nicht bestreiten kann, daß er es war, der die Schranken öffnete, und uns auf den Kampfplatz der europäischen Journalistik hinausrief.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 148. Augsburg, 27. Mai 1840, S. 1178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/augsburgerallgemeine_148_18400527/10>, abgerufen am 28.04.2024.