Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

Bild:
<< vorherige Seite

Vielfach halten Verheirathete mit Ledigen zusammen, auch lebt
oft genug der Vater mit der Tochter 1), seltener jedoch Bruder
und Schwester in blutschänderischem Concubinate. Auch werden
die Eheweiber häufig gegenseitig nach dem Contracte der Männer
vertauscht, und oft wird ein Draufgeld gegeben. Schäffer erzählt
Beispiele, daß ein Ehemann bei einem Weibertausch einen Pudel
und ein anderer fünf Gulden als Draufgeld erhielt. Ein förm-
licher Tauschcontract, der zwischen den Gaunern Maw und Wells
unterzeichnet und untersiegelt wurde, ist bei Smith, "Straßen-
räuber u. s. w.", S. 395, abgedruckt; Maw gibt danach eine
Dohle für Well's Weib weg; beide bezeichnen die Tauschobjecte
als "unnützen beschwerlichen Hausrath" und entsagen feierlich
allen und jeden Einreden gegen den Tauschcontract. Vielfach
werden die Weiber selbst von ihren Zuhältern oder Männern als
Dappelschiksen an wittsche Leute verkuppelt, wobei die Weiber
sich als geübte Diebinnen erweisen. Noch häufiger kommt es vor,
daß die Weiber in Verabredung mit ihren Beischläfern sich in
flagranti
mit den herbeigelockten Männern ertappen lassen und
dabei mit den Beischläfern den Angelockten gewaltsam berauben, oder
von ihnen eine Geldbuße für den beleidigten angeblichen Ehemann
erpressen. Meistens herrscht ungestörte Freundschaft zwischen dem
Mann und dem notorischen Zuhälter seiner Frau oder Concubine.
Oft hat aber auch der heimliche Betrug die blutigste Rache zur
Folge, wovon die schon erwähnte grausame Ermordung des Toni
durch Hannikel ein schreckliches Beispiel ist. Noch entsetzlicher ist
die in "Rheinische Räuberbanden", I, 59, erzählte Rache des
Johann Müller wider einen an der Untreue seiner Frau völlig
unschuldigen französischen Fuhrknecht. Nicht selten kommt es vor,
daß eine einzige Weibsperson der ganzen männlichen Genossen-
schaft Liebesdienste erweist, ohne die Eintracht zu stören; und

1) Beispiele der Art finden sich sehr viele. So vertrat die Sibylle Schmidt
die Stelle der Beischläferin ihres Vaters, des sogenannten großen oder Her-
zogs Keßler,
obwol die Mutter, Madline, noch mit dem Vater zusam-
menlebte. Vgl. "Sulzer Gaunerliste von 1801", S. 4, Nr. 7, und "Gau-
nerliste von 1787", S. 51, Nr. 235.

Vielfach halten Verheirathete mit Ledigen zuſammen, auch lebt
oft genug der Vater mit der Tochter 1), ſeltener jedoch Bruder
und Schweſter in blutſchänderiſchem Concubinate. Auch werden
die Eheweiber häufig gegenſeitig nach dem Contracte der Männer
vertauſcht, und oft wird ein Draufgeld gegeben. Schäffer erzählt
Beiſpiele, daß ein Ehemann bei einem Weibertauſch einen Pudel
und ein anderer fünf Gulden als Draufgeld erhielt. Ein förm-
licher Tauſchcontract, der zwiſchen den Gaunern Maw und Wells
unterzeichnet und unterſiegelt wurde, iſt bei Smith, „Straßen-
räuber u. ſ. w.“, S. 395, abgedruckt; Maw gibt danach eine
Dohle für Well’s Weib weg; beide bezeichnen die Tauſchobjecte
als „unnützen beſchwerlichen Hausrath“ und entſagen feierlich
allen und jeden Einreden gegen den Tauſchcontract. Vielfach
werden die Weiber ſelbſt von ihren Zuhältern oder Männern als
Dappelſchikſen an wittſche Leute verkuppelt, wobei die Weiber
ſich als geübte Diebinnen erweiſen. Noch häufiger kommt es vor,
daß die Weiber in Verabredung mit ihren Beiſchläfern ſich in
flagranti
mit den herbeigelockten Männern ertappen laſſen und
dabei mit den Beiſchläfern den Angelockten gewaltſam berauben, oder
von ihnen eine Geldbuße für den beleidigten angeblichen Ehemann
erpreſſen. Meiſtens herrſcht ungeſtörte Freundſchaft zwiſchen dem
Mann und dem notoriſchen Zuhälter ſeiner Frau oder Concubine.
Oft hat aber auch der heimliche Betrug die blutigſte Rache zur
Folge, wovon die ſchon erwähnte grauſame Ermordung des Toni
durch Hannikel ein ſchreckliches Beiſpiel iſt. Noch entſetzlicher iſt
die in „Rheiniſche Räuberbanden“, I, 59, erzählte Rache des
Johann Müller wider einen an der Untreue ſeiner Frau völlig
unſchuldigen franzöſiſchen Fuhrknecht. Nicht ſelten kommt es vor,
daß eine einzige Weibsperſon der ganzen männlichen Genoſſen-
ſchaft Liebesdienſte erweiſt, ohne die Eintracht zu ſtören; und

1) Beiſpiele der Art finden ſich ſehr viele. So vertrat die Sibylle Schmidt
die Stelle der Beiſchläferin ihres Vaters, des ſogenannten großen oder Her-
zogs Keßler,
obwol die Mutter, Madline, noch mit dem Vater zuſam-
menlebte. Vgl. „Sulzer Gaunerliſte von 1801“, S. 4, Nr. 7, und „Gau-
nerliſte von 1787“, S. 51, Nr. 235.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0022" n="10"/>
Vielfach halten Verheirathete mit Ledigen zu&#x017F;ammen, auch lebt<lb/>
oft genug der Vater mit der Tochter <note place="foot" n="1)">Bei&#x017F;piele der Art finden &#x017F;ich &#x017F;ehr viele. So vertrat die Sibylle Schmidt<lb/>
die Stelle der Bei&#x017F;chläferin ihres Vaters, des &#x017F;ogenannten <hi rendition="#g">großen</hi> oder <hi rendition="#g">Her-<lb/>
zogs Keßler,</hi> obwol die Mutter, <hi rendition="#g">Madline,</hi> noch mit dem Vater zu&#x017F;am-<lb/>
menlebte. Vgl. &#x201E;Sulzer Gaunerli&#x017F;te von 1801&#x201C;, S. 4, Nr. 7, und &#x201E;Gau-<lb/>
nerli&#x017F;te von 1787&#x201C;, S. 51, Nr. 235.</note>, &#x017F;eltener jedoch Bruder<lb/>
und Schwe&#x017F;ter in blut&#x017F;chänderi&#x017F;chem Concubinate. Auch werden<lb/>
die Eheweiber häufig gegen&#x017F;eitig nach dem Contracte der Männer<lb/>
vertau&#x017F;cht, und oft wird ein Draufgeld gegeben. Schäffer erzählt<lb/>
Bei&#x017F;piele, daß ein Ehemann bei einem Weibertau&#x017F;ch einen Pudel<lb/>
und ein anderer fünf Gulden als Draufgeld erhielt. Ein förm-<lb/>
licher Tau&#x017F;chcontract, der zwi&#x017F;chen den Gaunern Maw und Wells<lb/>
unterzeichnet und unter&#x017F;iegelt wurde, i&#x017F;t bei Smith, &#x201E;Straßen-<lb/>
räuber u. &#x017F;. w.&#x201C;, S. 395, abgedruckt; Maw gibt danach eine<lb/>
Dohle für Well&#x2019;s Weib weg; beide bezeichnen die Tau&#x017F;chobjecte<lb/>
als &#x201E;unnützen be&#x017F;chwerlichen Hausrath&#x201C; und ent&#x017F;agen feierlich<lb/>
allen und jeden Einreden gegen den Tau&#x017F;chcontract. Vielfach<lb/>
werden die Weiber &#x017F;elb&#x017F;t von ihren Zuhältern oder Männern als<lb/>
Dappel&#x017F;chik&#x017F;en an witt&#x017F;che Leute verkuppelt, wobei die Weiber<lb/>
&#x017F;ich als geübte Diebinnen erwei&#x017F;en. Noch häufiger kommt es vor,<lb/>
daß die Weiber in Verabredung mit ihren Bei&#x017F;chläfern &#x017F;ich <hi rendition="#aq">in<lb/>
flagranti</hi> mit den herbeigelockten Männern ertappen la&#x017F;&#x017F;en und<lb/>
dabei mit den Bei&#x017F;chläfern den Angelockten gewalt&#x017F;am berauben, oder<lb/>
von ihnen eine Geldbuße für den beleidigten angeblichen Ehemann<lb/>
erpre&#x017F;&#x017F;en. Mei&#x017F;tens herr&#x017F;cht unge&#x017F;törte Freund&#x017F;chaft zwi&#x017F;chen dem<lb/>
Mann und dem notori&#x017F;chen Zuhälter &#x017F;einer Frau oder Concubine.<lb/>
Oft hat aber auch der heimliche Betrug die blutig&#x017F;te Rache zur<lb/>
Folge, wovon die &#x017F;chon erwähnte grau&#x017F;ame Ermordung des Toni<lb/>
durch Hannikel ein &#x017F;chreckliches Bei&#x017F;piel i&#x017F;t. Noch ent&#x017F;etzlicher i&#x017F;t<lb/>
die in &#x201E;Rheini&#x017F;che Räuberbanden&#x201C;, <hi rendition="#aq">I,</hi> 59, erzählte Rache des<lb/>
Johann Müller wider einen an der Untreue &#x017F;einer Frau völlig<lb/>
un&#x017F;chuldigen franzö&#x017F;i&#x017F;chen Fuhrknecht. Nicht &#x017F;elten kommt es vor,<lb/>
daß eine einzige Weibsper&#x017F;on der ganzen männlichen Geno&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft Liebesdien&#x017F;te erwei&#x017F;t, ohne die Eintracht zu &#x017F;tören; und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0022] Vielfach halten Verheirathete mit Ledigen zuſammen, auch lebt oft genug der Vater mit der Tochter 1), ſeltener jedoch Bruder und Schweſter in blutſchänderiſchem Concubinate. Auch werden die Eheweiber häufig gegenſeitig nach dem Contracte der Männer vertauſcht, und oft wird ein Draufgeld gegeben. Schäffer erzählt Beiſpiele, daß ein Ehemann bei einem Weibertauſch einen Pudel und ein anderer fünf Gulden als Draufgeld erhielt. Ein förm- licher Tauſchcontract, der zwiſchen den Gaunern Maw und Wells unterzeichnet und unterſiegelt wurde, iſt bei Smith, „Straßen- räuber u. ſ. w.“, S. 395, abgedruckt; Maw gibt danach eine Dohle für Well’s Weib weg; beide bezeichnen die Tauſchobjecte als „unnützen beſchwerlichen Hausrath“ und entſagen feierlich allen und jeden Einreden gegen den Tauſchcontract. Vielfach werden die Weiber ſelbſt von ihren Zuhältern oder Männern als Dappelſchikſen an wittſche Leute verkuppelt, wobei die Weiber ſich als geübte Diebinnen erweiſen. Noch häufiger kommt es vor, daß die Weiber in Verabredung mit ihren Beiſchläfern ſich in flagranti mit den herbeigelockten Männern ertappen laſſen und dabei mit den Beiſchläfern den Angelockten gewaltſam berauben, oder von ihnen eine Geldbuße für den beleidigten angeblichen Ehemann erpreſſen. Meiſtens herrſcht ungeſtörte Freundſchaft zwiſchen dem Mann und dem notoriſchen Zuhälter ſeiner Frau oder Concubine. Oft hat aber auch der heimliche Betrug die blutigſte Rache zur Folge, wovon die ſchon erwähnte grauſame Ermordung des Toni durch Hannikel ein ſchreckliches Beiſpiel iſt. Noch entſetzlicher iſt die in „Rheiniſche Räuberbanden“, I, 59, erzählte Rache des Johann Müller wider einen an der Untreue ſeiner Frau völlig unſchuldigen franzöſiſchen Fuhrknecht. Nicht ſelten kommt es vor, daß eine einzige Weibsperſon der ganzen männlichen Genoſſen- ſchaft Liebesdienſte erweiſt, ohne die Eintracht zu ſtören; und 1) Beiſpiele der Art finden ſich ſehr viele. So vertrat die Sibylle Schmidt die Stelle der Beiſchläferin ihres Vaters, des ſogenannten großen oder Her- zogs Keßler, obwol die Mutter, Madline, noch mit dem Vater zuſam- menlebte. Vgl. „Sulzer Gaunerliſte von 1801“, S. 4, Nr. 7, und „Gau- nerliſte von 1787“, S. 51, Nr. 235.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/22
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/22>, abgerufen am 29.03.2024.