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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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gegen seine Richter in Baireuth an, daß er gerade an dem Tage
seiner Jnhaftirung das neunte schwangere Weib habe ermorden
wollen, wie er das schon bei acht Weibern gethan habe, um ihnen
die Frucht aus dem Leibe zu reißen und das Herz derselben roh
zu verzehren, damit er fliegen könne wie ein Vogel. 1) Noch vor
funfzig Jahren trieb der schöne Karl allen seinen Beischläferinnen
die Frucht ab, um aus dem Fette derselben die sogenannten Schlaf-
lichter zu machen, bei deren Scheine die Bestohlenen vom
Schlummer befallen bleiben. 2) Noch immer, wie zu Zeiten der
Rheinischen Räuberbanden, muß ein "dem Teufel verfallener"
Jude bei einem Kirchendiebstahl zugegen sein, damit der Dieb-
stahl unentdeckt bleibe, und noch im vorigen Jahre hielt ich Leichen-
schau ab über eine zweiundsechzigjährige Weibsperson, die früher
Bordelldirne, dann Kartenschlägerin gewesen, und mit einem ge-
schriebenen Zaubersegen auf der Brust und mit einer in einem
Beutel um den Leib gebundenen lebendigen Katze ins Wasser
gesprungen war, um, nach dem Zaubersegen zu schließen, das
alte Leben in neuer Sphäre, wo möglich noch wucherlicherer, wieder

1) Vgl. in der Literatur "Sammlung merkwürdiger Rechtsfälle", S. 235.
Die Scheußlichkeit wird schon früh erwähnt, z. B. L. Sal. III, 67; Georgisch,
Corpus Juris Germ., S. 127, und Rotharis leg. 379. Noch andere Bei-
spiele führt Jakob Grimm an ("Deutsche Mythologie", S. 611), der aber
irrt, wenn er sagt, daß das Herz aus dem Leib fressen in unsern Hexensagen
schon zurücktritt. Ueber das Opfern, das Blut und das Einmauern von
Kindern vgl. Grimm, a. a. O., S. 665.
2) Falkenberg, welcher in der Horst'schen Untersuchung wesentlich thätig
war, erzählt I, 31, daß Horst's Concubine, Luise Delitz, frühere Beischläferin
des schönen Karl, verdächtig war, sogar selbst ihr eigenes Kind zu dem Zwecke
geschlachtet zu haben. Nach Schäffer's "Jaunerbeschreibung" (Sulz am Neckar
1801), S. 85, "trieb der Laubheimer Toni seiner Concubine mit starken
Sachen das Kind ab, schnitt dem Kind den Bauch auf, fraß das Herz und
schnitt beide Hände ab. Vor dem Einbruch hätten sie dann allemahl die zehn
Fingerlein hiervon angezündet, soviel nun davon gebrannt, soviel Leute haben
auch in dem Haus, in welchem der Einbruch geschehen sollen, schlafen müssen;
wenn hingegen ein Fingerlen nicht gebrannt, so seye eine Person weiter in
dem Haus gelegen, davon sie nichts gewußt, und die hernach auch nicht ge-
schlafen".

gegen ſeine Richter in Baireuth an, daß er gerade an dem Tage
ſeiner Jnhaftirung das neunte ſchwangere Weib habe ermorden
wollen, wie er das ſchon bei acht Weibern gethan habe, um ihnen
die Frucht aus dem Leibe zu reißen und das Herz derſelben roh
zu verzehren, damit er fliegen könne wie ein Vogel. 1) Noch vor
funfzig Jahren trieb der ſchöne Karl allen ſeinen Beiſchläferinnen
die Frucht ab, um aus dem Fette derſelben die ſogenannten Schlaf-
lichter zu machen, bei deren Scheine die Beſtohlenen vom
Schlummer befallen bleiben. 2) Noch immer, wie zu Zeiten der
Rheiniſchen Räuberbanden, muß ein „dem Teufel verfallener“
Jude bei einem Kirchendiebſtahl zugegen ſein, damit der Dieb-
ſtahl unentdeckt bleibe, und noch im vorigen Jahre hielt ich Leichen-
ſchau ab über eine zweiundſechzigjährige Weibsperſon, die früher
Bordelldirne, dann Kartenſchlägerin geweſen, und mit einem ge-
ſchriebenen Zauberſegen auf der Bruſt und mit einer in einem
Beutel um den Leib gebundenen lebendigen Katze ins Waſſer
geſprungen war, um, nach dem Zauberſegen zu ſchließen, das
alte Leben in neuer Sphäre, wo möglich noch wucherlicherer, wieder

1) Vgl. in der Literatur „Sammlung merkwürdiger Rechtsfälle“, S. 235.
Die Scheußlichkeit wird ſchon früh erwähnt, z. B. L. Sal. III, 67; Georgiſch,
Corpus Juris Germ., S. 127, und Rotharis leg. 379. Noch andere Bei-
ſpiele führt Jakob Grimm an („Deutſche Mythologie“, S. 611), der aber
irrt, wenn er ſagt, daß das Herz aus dem Leib freſſen in unſern Hexenſagen
ſchon zurücktritt. Ueber das Opfern, das Blut und das Einmauern von
Kindern vgl. Grimm, a. a. O., S. 665.
2) Falkenberg, welcher in der Horſt’ſchen Unterſuchung weſentlich thätig
war, erzählt I, 31, daß Horſt’s Concubine, Luiſe Delitz, frühere Beiſchläferin
des ſchönen Karl, verdächtig war, ſogar ſelbſt ihr eigenes Kind zu dem Zwecke
geſchlachtet zu haben. Nach Schäffer’s „Jaunerbeſchreibung“ (Sulz am Neckar
1801), S. 85, „trieb der Laubheimer Toni ſeiner Concubine mit ſtarken
Sachen das Kind ab, ſchnitt dem Kind den Bauch auf, fraß das Herz und
ſchnitt beide Hände ab. Vor dem Einbruch hätten ſie dann allemahl die zehn
Fingerlein hiervon angezündet, ſoviel nun davon gebrannt, ſoviel Leute haben
auch in dem Haus, in welchem der Einbruch geſchehen ſollen, ſchlafen müſſen;
wenn hingegen ein Fingerlen nicht gebrannt, ſo ſeye eine Perſon weiter in
dem Haus gelegen, davon ſie nichts gewußt, und die hernach auch nicht ge-
ſchlafen“.
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[22/0034] gegen ſeine Richter in Baireuth an, daß er gerade an dem Tage ſeiner Jnhaftirung das neunte ſchwangere Weib habe ermorden wollen, wie er das ſchon bei acht Weibern gethan habe, um ihnen die Frucht aus dem Leibe zu reißen und das Herz derſelben roh zu verzehren, damit er fliegen könne wie ein Vogel. 1) Noch vor funfzig Jahren trieb der ſchöne Karl allen ſeinen Beiſchläferinnen die Frucht ab, um aus dem Fette derſelben die ſogenannten Schlaf- lichter zu machen, bei deren Scheine die Beſtohlenen vom Schlummer befallen bleiben. 2) Noch immer, wie zu Zeiten der Rheiniſchen Räuberbanden, muß ein „dem Teufel verfallener“ Jude bei einem Kirchendiebſtahl zugegen ſein, damit der Dieb- ſtahl unentdeckt bleibe, und noch im vorigen Jahre hielt ich Leichen- ſchau ab über eine zweiundſechzigjährige Weibsperſon, die früher Bordelldirne, dann Kartenſchlägerin geweſen, und mit einem ge- ſchriebenen Zauberſegen auf der Bruſt und mit einer in einem Beutel um den Leib gebundenen lebendigen Katze ins Waſſer geſprungen war, um, nach dem Zauberſegen zu ſchließen, das alte Leben in neuer Sphäre, wo möglich noch wucherlicherer, wieder 1) Vgl. in der Literatur „Sammlung merkwürdiger Rechtsfälle“, S. 235. Die Scheußlichkeit wird ſchon früh erwähnt, z. B. L. Sal. III, 67; Georgiſch, Corpus Juris Germ., S. 127, und Rotharis leg. 379. Noch andere Bei- ſpiele führt Jakob Grimm an („Deutſche Mythologie“, S. 611), der aber irrt, wenn er ſagt, daß das Herz aus dem Leib freſſen in unſern Hexenſagen ſchon zurücktritt. Ueber das Opfern, das Blut und das Einmauern von Kindern vgl. Grimm, a. a. O., S. 665. 2) Falkenberg, welcher in der Horſt’ſchen Unterſuchung weſentlich thätig war, erzählt I, 31, daß Horſt’s Concubine, Luiſe Delitz, frühere Beiſchläferin des ſchönen Karl, verdächtig war, ſogar ſelbſt ihr eigenes Kind zu dem Zwecke geſchlachtet zu haben. Nach Schäffer’s „Jaunerbeſchreibung“ (Sulz am Neckar 1801), S. 85, „trieb der Laubheimer Toni ſeiner Concubine mit ſtarken Sachen das Kind ab, ſchnitt dem Kind den Bauch auf, fraß das Herz und ſchnitt beide Hände ab. Vor dem Einbruch hätten ſie dann allemahl die zehn Fingerlein hiervon angezündet, ſoviel nun davon gebrannt, ſoviel Leute haben auch in dem Haus, in welchem der Einbruch geſchehen ſollen, ſchlafen müſſen; wenn hingegen ein Fingerlen nicht gebrannt, ſo ſeye eine Perſon weiter in dem Haus gelegen, davon ſie nichts gewußt, und die hernach auch nicht ge- ſchlafen“.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/34>, abgerufen am 25.04.2024.