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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858.

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Gaunern niemals, wie der christliche Cultus von christlichen Gau-
nern, misachtet worden. Jn der Gemeinschaft dieser schmuzigen
Elemente mit den jüdischen haben letztere, wenn auch von erstern
mit aller Roheit und Verachtung angesehen, doch in der conse-
quenten Beobachtung ihrer religiösen Gebräuche eine so entschiedene
Wirkung auf jene gehabt, daß, wenn auch dadurch die gleich tief
versunkenen socialen Verhältnisse beider Factoren gewiß nicht ge-
hoben werden konnten, doch ein sehr bedeutender Einfluß der
jüdischen religiösen Cultusweise auf das gesammte christliche
Gaunerthum sich geltendmachte, sodaß, wenn irgendeine Cultus-
form an dem gesammten deutschen Gaunerthum bemerklich wird,
diese Form vorherrschend die jüdische ist 1), wogegen sich die christ-
lichen Cultusformen, mit den obenangegebenen geringen Ausnahmen,
fast gänzlich verläugnen. Dadurch wurde auch vielen hebräischen
und rabbinischen Wörtern der Eingang in die geheime Sprache
des nach Versteck und Geheimniß lüsternen Gaunerthums ge-
bahnt, und das um so eher und mannichfaltiger, als die schon
conventionell herangebildete jüdisch-deutsche Sprache sogar als lite-
rarisch abgerundetes Ganzes erschienen war, und in der deutschen
Nationalliteratur sich eine bedeutsame Stelle erworben hatte.



1) Merkwürdig ist das in dieser Hinsicht von Thiele aus der Löwenthal'-
schen Untersuchung mitgetheilte Begehren der christlichen Jnquisiten, an den
Religionsübungen der jüdischen Jnquisiten theilnehmen zu dürfen. Ueber
den zum katholischen Priester bestimmten und erzogenen Damian Hessel und
seinen Genossen Streitmatter vgl. das was schon oben nach Rebmann, a. a. O.,
angeführt ist.

Gaunern niemals, wie der chriſtliche Cultus von chriſtlichen Gau-
nern, misachtet worden. Jn der Gemeinſchaft dieſer ſchmuzigen
Elemente mit den jüdiſchen haben letztere, wenn auch von erſtern
mit aller Roheit und Verachtung angeſehen, doch in der conſe-
quenten Beobachtung ihrer religiöſen Gebräuche eine ſo entſchiedene
Wirkung auf jene gehabt, daß, wenn auch dadurch die gleich tief
verſunkenen ſocialen Verhältniſſe beider Factoren gewiß nicht ge-
hoben werden konnten, doch ein ſehr bedeutender Einfluß der
jüdiſchen religiöſen Cultusweiſe auf das geſammte chriſtliche
Gaunerthum ſich geltendmachte, ſodaß, wenn irgendeine Cultus-
form an dem geſammten deutſchen Gaunerthum bemerklich wird,
dieſe Form vorherrſchend die jüdiſche iſt 1), wogegen ſich die chriſt-
lichen Cultusformen, mit den obenangegebenen geringen Ausnahmen,
faſt gänzlich verläugnen. Dadurch wurde auch vielen hebräiſchen
und rabbiniſchen Wörtern der Eingang in die geheime Sprache
des nach Verſteck und Geheimniß lüſternen Gaunerthums ge-
bahnt, und das um ſo eher und mannichfaltiger, als die ſchon
conventionell herangebildete jüdiſch-deutſche Sprache ſogar als lite-
rariſch abgerundetes Ganzes erſchienen war, und in der deutſchen
Nationalliteratur ſich eine bedeutſame Stelle erworben hatte.



1) Merkwürdig iſt das in dieſer Hinſicht von Thiele aus der Löwenthal’-
ſchen Unterſuchung mitgetheilte Begehren der chriſtlichen Jnquiſiten, an den
Religionsübungen der jüdiſchen Jnquiſiten theilnehmen zu dürfen. Ueber
den zum katholiſchen Prieſter beſtimmten und erzogenen Damian Heſſel und
ſeinen Genoſſen Streitmatter vgl. das was ſchon oben nach Rebmann, a. a. O.,
angeführt iſt.
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[32/0044] Gaunern niemals, wie der chriſtliche Cultus von chriſtlichen Gau- nern, misachtet worden. Jn der Gemeinſchaft dieſer ſchmuzigen Elemente mit den jüdiſchen haben letztere, wenn auch von erſtern mit aller Roheit und Verachtung angeſehen, doch in der conſe- quenten Beobachtung ihrer religiöſen Gebräuche eine ſo entſchiedene Wirkung auf jene gehabt, daß, wenn auch dadurch die gleich tief verſunkenen ſocialen Verhältniſſe beider Factoren gewiß nicht ge- hoben werden konnten, doch ein ſehr bedeutender Einfluß der jüdiſchen religiöſen Cultusweiſe auf das geſammte chriſtliche Gaunerthum ſich geltendmachte, ſodaß, wenn irgendeine Cultus- form an dem geſammten deutſchen Gaunerthum bemerklich wird, dieſe Form vorherrſchend die jüdiſche iſt 1), wogegen ſich die chriſt- lichen Cultusformen, mit den obenangegebenen geringen Ausnahmen, faſt gänzlich verläugnen. Dadurch wurde auch vielen hebräiſchen und rabbiniſchen Wörtern der Eingang in die geheime Sprache des nach Verſteck und Geheimniß lüſternen Gaunerthums ge- bahnt, und das um ſo eher und mannichfaltiger, als die ſchon conventionell herangebildete jüdiſch-deutſche Sprache ſogar als lite- rariſch abgerundetes Ganzes erſchienen war, und in der deutſchen Nationalliteratur ſich eine bedeutſame Stelle erworben hatte. 1) Merkwürdig iſt das in dieſer Hinſicht von Thiele aus der Löwenthal’- ſchen Unterſuchung mitgetheilte Begehren der chriſtlichen Jnquiſiten, an den Religionsübungen der jüdiſchen Jnquiſiten theilnehmen zu dürfen. Ueber den zum katholiſchen Prieſter beſtimmten und erzogenen Damian Heſſel und ſeinen Genoſſen Streitmatter vgl. das was ſchon oben nach Rebmann, a. a. O., angeführt iſt.

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 2. Leipzig, 1858, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum02_1858/44>, abgerufen am 28.03.2024.