Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

nichts darvon bekommen kan, unter deß aber hilfft ihm einer derer
Freyerschuppere ein, und animiret ihn, daß er immer mehr dran
setzen solle, er müßte gewiß und unfehlbar gewinnen. Wenn nun
der Frembde das Geld verspiehlet, fänget einer derer Freyerschup-
pere an: Gib mir dein Bündel, Degen, oder was du hast, ich
will dir 3. oder 4. Thl. drauff leihen; Wenn nun dies geliehene
Geld auch weg ist, weisen die Spitzbuben die Karte auff, damit
der Frembde sehen kann, daß sie 2. oder 3. Augen mehr als er
gehabt, und so nun der Frembde wegen des verspielten Geldes
oder Bündels kläglich thut, so fänget der Freyerschupper, welcher
dem Frembden Vorschub gethan, auch an zu lamentiren, sagende:
Ach daß Gott erbarme! wo kriege ich nun mein geliehenes Geld
wieder? Jhr müsset mir das Geld schaffen, oder alles miteinander
geben, was ihr am Leibe habt, das könnet ihr euch leichtlich ein-
bilden, daß ich mein Geld haben muß, und es euch nicht schencken
werde! Will nun der Handwercks-Pursche bezahlen, so muß er
alles hingeben, was er an hat. Nach diesem kömmt jener mit
dem Brieffgen gegangen, und wenn er siehet oder höret, daß der
Frembde wegen des verspiehlten Geldes, kläglich thut, beklagt er
selbigen und spricht: Freund, ach, daß Gott erbarme! Wie gehet
es euch denn so übel, ihr armes Mensch, ach hätte ich euch doch
immer lassen hingehen! Weil ihr aber durch mein Brieffgen in
so grossen Schaden kommen seyd, da habt ihr 8. Gr., nehmet mir
doch dieses Brieffgen mit. Lebet wohl, und seyd Gott befohlen."

Die Etymologie ist fast durchgehends klar. Es bedarf daher
nur weniger Bemerkungen zur Aufklärung einiger schwierigerer
Ausdrücke.

Gemsel, verdorben aus Camisol, franz. camisole, ital. ca-
miciuola,
poln. kamyzola, aus dem Mittellat. camisiale, cami-
sile, camisia,
Hemd. Pätz, Mütze, eigentlich rauhe Mütze von
Bären- oder Schaffell, vom oberdeutschen Bätz, Bär, oder vom
aleman. Bätz, Schaf; isländ. besse, Bär. Föhme, Hand, vom
schwed. und dän. Cardinalzahlwort fem, fünf, mit Bezug auf die
fünf Finger der Hand. Dorff, Geldbeutel, vom jüdischd. toraph.
Kobiß, Kobß, span. cabeza, Kopf. Mudel, Muddel, Mutte,

nichts darvon bekommen kan, unter deß aber hilfft ihm einer derer
Freyerſchuppere ein, und animiret ihn, daß er immer mehr dran
ſetzen ſolle, er müßte gewiß und unfehlbar gewinnen. Wenn nun
der Frembde das Geld verſpiehlet, fänget einer derer Freyerſchup-
pere an: Gib mir dein Bündel, Degen, oder was du haſt, ich
will dir 3. oder 4. Thl. drauff leihen; Wenn nun dies geliehene
Geld auch weg iſt, weiſen die Spitzbuben die Karte auff, damit
der Frembde ſehen kann, daß ſie 2. oder 3. Augen mehr als er
gehabt, und ſo nun der Frembde wegen des verſpieltē Geldes
oder Bündels kläglich thut, ſo fänget der Freyerſchupper, welcher
dem Frembden Vorſchub gethan, auch an zu lamentiren, ſagende:
Ach daß Gott erbarme! wo kriege ich nun mein geliehenes Geld
wieder? Jhr müſſet mir das Geld ſchaffen, oder alles miteinander
geben, was ihr am Leibe habt, das könnet ihr euch leichtlich ein-
bilden, daß ich mein Geld haben muß, und es euch nicht ſchencken
werde! Will nun der Handwercks-Purſche bezahlen, ſo muß er
alles hingeben, was er an hat. Nach dieſem kömmt jener mit
dem Brieffgen gegangen, und wenn er ſiehet oder höret, daß der
Frembde wegen des verſpiehlten Geldes, kläglich thut, beklagt er
ſelbigen und ſpricht: Freund, ach, daß Gott erbarme! Wie gehet
es euch denn ſo übel, ihr armes Menſch, ach hätte ich euch doch
immer lasſen hingehen! Weil ihr aber durch mein Brieffgen in
ſo groſſen Schaden kommen ſeyd, da habt ihr 8. Gr., nehmet mir
doch dieſes Brieffgen mit. Lebet wohl, und ſeyd Gott befohlen.“

Die Etymologie iſt faſt durchgehends klar. Es bedarf daher
nur weniger Bemerkungen zur Aufklärung einiger ſchwierigerer
Ausdrücke.

Gemſel, verdorben aus Camiſol, franz. camisole, ital. ca-
miciuola,
poln. kamyzola, aus dem Mittellat. camisiale, cami-
sile, camisia,
Hemd. Pätz, Mütze, eigentlich rauhe Mütze von
Bären- oder Schaffell, vom oberdeutſchen Bätz, Bär, oder vom
aleman. Bätz, Schaf; isländ. besse, Bär. Föhme, Hand, vom
ſchwed. und dän. Cardinalzahlwort fem, fünf, mit Bezug auf die
fünf Finger der Hand. Dorff, Geldbeutel, vom jüdiſchd. toraph.
Kobiß, Kobß, ſpan. cabeza, Kopf. Mudel, Muddel, Mutte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0114" n="102"/>
nichts darvon bekommen kan, unter deß aber hilfft ihm einer derer<lb/>
Freyer&#x017F;chuppere ein, und <hi rendition="#aq">animi</hi>ret ihn, daß er immer mehr dran<lb/>
&#x017F;etzen &#x017F;olle, er müßte gewiß und unfehlbar gewinnen. Wenn nun<lb/>
der Frembde das Geld ver&#x017F;piehlet, fänget einer derer Freyer&#x017F;chup-<lb/>
pere an: Gib mir dein Bündel, Degen, oder was du ha&#x017F;t, ich<lb/>
will dir 3. oder 4. Thl. drauff leihen; Wenn nun dies geliehene<lb/>
Geld auch weg i&#x017F;t, wei&#x017F;en die Spitzbuben die Karte auff, damit<lb/>
der Frembde &#x017F;ehen kann, daß &#x017F;ie 2. oder 3. Augen mehr als er<lb/>
gehabt, und &#x017F;o nun der Frembde wegen des ver&#x017F;pielte&#x0304; Geldes<lb/>
oder Bündels kläglich thut, &#x017F;o fänget der Freyer&#x017F;chupper, welcher<lb/>
dem Frembden Vor&#x017F;chub gethan, auch an zu <hi rendition="#aq">lamenti</hi>ren, &#x017F;agende:<lb/>
Ach daß Gott erbarme! wo kriege ich nun mein geliehenes Geld<lb/>
wieder? Jhr mü&#x017F;&#x017F;et mir das Geld &#x017F;chaffen, oder alles miteinander<lb/>
geben, was ihr am Leibe habt, das könnet ihr euch leichtlich ein-<lb/>
bilden, daß ich mein Geld haben muß, und es euch nicht &#x017F;chencken<lb/>
werde! Will nun der Handwercks-Pur&#x017F;che bezahlen, &#x017F;o muß er<lb/>
alles hingeben, was er an hat. Nach die&#x017F;em kömmt jener mit<lb/>
dem Brieffgen gegangen, und wenn er &#x017F;iehet oder höret, daß der<lb/>
Frembde wegen des ver&#x017F;piehlten Geldes, kläglich thut, beklagt er<lb/>
&#x017F;elbigen und &#x017F;pricht: Freund, ach, daß Gott erbarme! Wie gehet<lb/>
es euch denn &#x017F;o übel, ihr armes Men&#x017F;ch, ach hätte ich euch doch<lb/>
immer las&#x017F;en hingehen! Weil ihr aber durch mein Brieffgen in<lb/>
&#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;en Schaden kommen &#x017F;eyd, da habt ihr 8. Gr., nehmet mir<lb/>
doch die&#x017F;es Brieffgen mit. Lebet wohl, und &#x017F;eyd Gott befohlen.&#x201C;</p><lb/>
                <p>Die Etymologie i&#x017F;t fa&#x017F;t durchgehends klar. Es bedarf daher<lb/>
nur weniger Bemerkungen zur Aufklärung einiger &#x017F;chwierigerer<lb/>
Ausdrücke.</p><lb/>
                <p><hi rendition="#g">Gem&#x017F;el,</hi> verdorben aus Cami&#x017F;ol, franz. <hi rendition="#aq">camisole,</hi> ital. <hi rendition="#aq">ca-<lb/>
miciuola,</hi> poln. <hi rendition="#aq">kamyzola,</hi> aus dem Mittellat. <hi rendition="#aq">camisiale, cami-<lb/>
sile, camisia,</hi> Hemd. <hi rendition="#g">Pätz,</hi> Mütze, eigentlich rauhe Mütze von<lb/>
Bären- oder Schaffell, vom oberdeut&#x017F;chen <hi rendition="#g">Bätz,</hi> Bär, oder vom<lb/>
aleman. <hi rendition="#g">Bätz,</hi> Schaf; isländ. <hi rendition="#aq">besse,</hi> Bär. <hi rendition="#g">Föhme,</hi> Hand, vom<lb/>
&#x017F;chwed. und dän. Cardinalzahlwort <hi rendition="#aq">fem,</hi> fünf, mit Bezug auf die<lb/>
fünf Finger der Hand. <hi rendition="#g">Dorff,</hi> Geldbeutel, vom jüdi&#x017F;chd. <hi rendition="#aq">toraph.</hi><lb/><hi rendition="#g">Kobiß, Kobß,</hi> &#x017F;pan. <hi rendition="#aq">cabeza,</hi> Kopf. <hi rendition="#g">Mudel, Muddel, Mutte,</hi><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0114] nichts darvon bekommen kan, unter deß aber hilfft ihm einer derer Freyerſchuppere ein, und animiret ihn, daß er immer mehr dran ſetzen ſolle, er müßte gewiß und unfehlbar gewinnen. Wenn nun der Frembde das Geld verſpiehlet, fänget einer derer Freyerſchup- pere an: Gib mir dein Bündel, Degen, oder was du haſt, ich will dir 3. oder 4. Thl. drauff leihen; Wenn nun dies geliehene Geld auch weg iſt, weiſen die Spitzbuben die Karte auff, damit der Frembde ſehen kann, daß ſie 2. oder 3. Augen mehr als er gehabt, und ſo nun der Frembde wegen des verſpieltē Geldes oder Bündels kläglich thut, ſo fänget der Freyerſchupper, welcher dem Frembden Vorſchub gethan, auch an zu lamentiren, ſagende: Ach daß Gott erbarme! wo kriege ich nun mein geliehenes Geld wieder? Jhr müſſet mir das Geld ſchaffen, oder alles miteinander geben, was ihr am Leibe habt, das könnet ihr euch leichtlich ein- bilden, daß ich mein Geld haben muß, und es euch nicht ſchencken werde! Will nun der Handwercks-Purſche bezahlen, ſo muß er alles hingeben, was er an hat. Nach dieſem kömmt jener mit dem Brieffgen gegangen, und wenn er ſiehet oder höret, daß der Frembde wegen des verſpiehlten Geldes, kläglich thut, beklagt er ſelbigen und ſpricht: Freund, ach, daß Gott erbarme! Wie gehet es euch denn ſo übel, ihr armes Menſch, ach hätte ich euch doch immer lasſen hingehen! Weil ihr aber durch mein Brieffgen in ſo groſſen Schaden kommen ſeyd, da habt ihr 8. Gr., nehmet mir doch dieſes Brieffgen mit. Lebet wohl, und ſeyd Gott befohlen.“ Die Etymologie iſt faſt durchgehends klar. Es bedarf daher nur weniger Bemerkungen zur Aufklärung einiger ſchwierigerer Ausdrücke. Gemſel, verdorben aus Camiſol, franz. camisole, ital. ca- miciuola, poln. kamyzola, aus dem Mittellat. camisiale, cami- sile, camisia, Hemd. Pätz, Mütze, eigentlich rauhe Mütze von Bären- oder Schaffell, vom oberdeutſchen Bätz, Bär, oder vom aleman. Bätz, Schaf; isländ. besse, Bär. Föhme, Hand, vom ſchwed. und dän. Cardinalzahlwort fem, fünf, mit Bezug auf die fünf Finger der Hand. Dorff, Geldbeutel, vom jüdiſchd. toraph. Kobiß, Kobß, ſpan. cabeza, Kopf. Mudel, Muddel, Mutte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/114
Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/114>, abgerufen am 18.04.2024.