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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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"Noch etwas sonderbares trug sich dieses Jahr (1722) zu,
wodurch man in dem bekannten sonderlichen Betruge mit denen
Brand-Bettlern ein grosses Licht bekam. Es fande sich eine fremde
Weibes-Person nebst einem bey sich habenden Knaben in dem
Armen-Hause ein, ihren daselbst befindlichen Sohn zu besuchen.
Da nun eine unter denen Züchtlingen vorhandene Weibes-Person
angezeiget, daß diese Leute nicht richtig wären, sich auch gemeldtes
Weib und der Knabe durch Hinwegwerffung einiger Brieffe und
sonst mit Reden sehr verdächtig gemacht, so ward zuförderst dem
verstockten Knaben theils mit gütlicher, theils scharffer Vorstellung
auch endlich gar gebrauchter Züchtigung nachdrücklich zugesetzet,
wodurch die Art, der Ort und Beschaffenheit derer falschen ge-
druckten Brand-Brieffe, des Siegelstechens und Aufdrückung dessel-
ben, welche in allen denen richtigen Brieffen so nahe kommen,
daß fast kein Unterschied zu spüren ist, entdecket worden; Noch
über dieses erfuhr man die Herbergen und Zusammenkünfte, die
Nahmen vieler Complicen von ihrer Bande, mancherley Arten
der Spitzbübereyen und besondern Boßheiten. Nicht weniger be-
kam man Nachricht von der ietzo unter diesen bösen Leuten ge-
bräuchlichen so genannten theils Rothwelschen, theils zigeunerischen
Sprache. Solches alles ist umständlich registriret und auf erstat-
teten Bericht zur hochlöbl. Landes-Regierung an verschiedene Orte
zur Verführung der Inquisition gemessenster Befehl ertheilet wor-
den, und hat man übrigens den gegenwärtigen Verstand und Be-
deutung nur erwehnter Sprachen, um theils die Differenz des-
jenigen, was davon schon vor langen Jahren ein ins Land er-
gangenes Generale bekannt gemachet hat, anzuzeigen, theils denen
Obrigkeiten nützliche Anleitung zur Examination dergleichen ein-
gebrachten losen Gesindels zu geben, theils es desto eher zu er-
kennen und zu vertreiben, theils auch vieler vermuthliche Curiosität
zu vergnügen, folgender gestalt benachrichtigen wollen:

„Noch etwas ſonderbares trug ſich dieſes Jahr (1722) zu,
wodurch man in dem bekannten ſonderlichen Betruge mit denen
Brand-Bettlern ein groſſes Licht bekam. Es fande ſich eine fremde
Weibes-Perſon nebſt einem bey ſich habenden Knaben in dem
Armen-Hauſe ein, ihren daſelbſt befindlichen Sohn zu beſuchen.
Da nun eine unter denen Züchtlingen vorhandene Weibes-Perſon
angezeiget, daß dieſe Leute nicht richtig wären, ſich auch gemeldtes
Weib und der Knabe durch Hinwegwerffung einiger Brieffe und
ſonſt mit Reden ſehr verdächtig gemacht, ſo ward zuförderſt dem
verſtockten Knaben theils mit gütlicher, theils ſcharffer Vorſtellung
auch endlich gar gebrauchter Züchtigung nachdrücklich zugeſetzet,
wodurch die Art, der Ort und Beſchaffenheit derer falſchen ge-
druckten Brand-Brieffe, des Siegelſtechens und Aufdrückung deſſel-
ben, welche in allen denen richtigen Brieffen ſo nahe kommen,
daß faſt kein Unterſchied zu ſpüren iſt, entdecket worden; Noch
über dieſes erfuhr man die Herbergen und Zuſammenkünfte, die
Nahmen vieler Complicen von ihrer Bande, mancherley Arten
der Spitzbübereyen und beſondern Boßheiten. Nicht weniger be-
kam man Nachricht von der ietzo unter dieſen böſen Leuten ge-
bräuchlichen ſo genannten theils Rothwelſchen, theils zigeuneriſchen
Sprache. Solches alles iſt umſtändlich registriret und auf erſtat-
teten Bericht zur hochlöbl. Landes-Regierung an verſchiedene Orte
zur Verführung der Inquisition gemeſſenſter Befehl ertheilet wor-
den, und hat man übrigens den gegenwärtigen Verſtand und Be-
deutung nur erwehnter Sprachen, um theils die Differenz des-
jenigen, was davon ſchon vor langen Jahren ein ins Land er-
gangenes Generale bekannt gemachet hat, anzuzeigen, theils denen
Obrigkeiten nützliche Anleitung zur Examination dergleichen ein-
gebrachten loſen Geſindels zu geben, theils es deſto eher zu er-
kennen und zu vertreiben, theils auch vieler vermuthliche Curiosität
zu vergnügen, folgender geſtalt benachrichtigen wollen:

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[112/0124] „Noch etwas ſonderbares trug ſich dieſes Jahr (1722) zu, wodurch man in dem bekannten ſonderlichen Betruge mit denen Brand-Bettlern ein groſſes Licht bekam. Es fande ſich eine fremde Weibes-Perſon nebſt einem bey ſich habenden Knaben in dem Armen-Hauſe ein, ihren daſelbſt befindlichen Sohn zu beſuchen. Da nun eine unter denen Züchtlingen vorhandene Weibes-Perſon angezeiget, daß dieſe Leute nicht richtig wären, ſich auch gemeldtes Weib und der Knabe durch Hinwegwerffung einiger Brieffe und ſonſt mit Reden ſehr verdächtig gemacht, ſo ward zuförderſt dem verſtockten Knaben theils mit gütlicher, theils ſcharffer Vorſtellung auch endlich gar gebrauchter Züchtigung nachdrücklich zugeſetzet, wodurch die Art, der Ort und Beſchaffenheit derer falſchen ge- druckten Brand-Brieffe, des Siegelſtechens und Aufdrückung deſſel- ben, welche in allen denen richtigen Brieffen ſo nahe kommen, daß faſt kein Unterſchied zu ſpüren iſt, entdecket worden; Noch über dieſes erfuhr man die Herbergen und Zuſammenkünfte, die Nahmen vieler Complicen von ihrer Bande, mancherley Arten der Spitzbübereyen und beſondern Boßheiten. Nicht weniger be- kam man Nachricht von der ietzo unter dieſen böſen Leuten ge- bräuchlichen ſo genannten theils Rothwelſchen, theils zigeuneriſchen Sprache. Solches alles iſt umſtändlich registriret und auf erſtat- teten Bericht zur hochlöbl. Landes-Regierung an verſchiedene Orte zur Verführung der Inquisition gemeſſenſter Befehl ertheilet wor- den, und hat man übrigens den gegenwärtigen Verſtand und Be- deutung nur erwehnter Sprachen, um theils die Differenz des- jenigen, was davon ſchon vor langen Jahren ein ins Land er- gangenes Generale bekannt gemachet hat, anzuzeigen, theils denen Obrigkeiten nützliche Anleitung zur Examination dergleichen ein- gebrachten loſen Geſindels zu geben, theils es deſto eher zu er- kennen und zu vertreiben, theils auch vieler vermuthliche Curiosität zu vergnügen, folgender geſtalt benachrichtigen wollen:

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/124>, abgerufen am 18.04.2024.