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Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862.

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Jn allen drei Alphabeten kann man die Grundlage der mei-
sten zaubermystischen Charaktere so wenig verkennen wie die Grund-
lage der geheimen Gaunerzinken, so entstellt und verwischt auch
hier wie dort, zu verschiedenen Orten und Zeiten, die Form des
ursprünglichen Charakters erscheint. Der Vergleich mit den Zauber-
zeichen in den zahllosen Zauberbüchern und selbst schon mit den
wenigen, Th. II, S. 59 fg. dargestellten Gaunerzinken neuerer Zeit,
älterer nicht zu gedenken, gibt Belege genug an die Hand. Noch
deutlicher wird aber der Einfluß dieser Charaktere auf die wäh-
rend des Mittelalters mit großer geheimnißvoller Wichtigkeit in
den Wappen- und Heroldsschulen betriebenen Wissenschaft der
Heraldik und auf die seit dem Mittelalter in oft unerklärlicher
Weise zum Vorschein kommenden Bauornamente, wenn man
ein eigenthümliches kabbalistisches Alphabet damit in Verbindung
bringt, welches man ebenfalls bei Agrippa von Nettesheym,
a. a. O., S. 319, findet. Das Alphabet, welches keinen beson-
dern Namen hat, wurde bei den Kabbalisten in hohen Ehren
und sehr geheim gehalten, jedoch auch wieder sehr rasch bekannt,
sodaß es sogar schon im 15. Jahrhundert für profan und abge-
droschen galt. Es hat unter allen kabbalistischen Alphabeten die
tiefste Begründung und das bündigste System, und scheint auch
für die Geschichte und Sprache der alten Bauhütten mit den sehr
oft völlig räthselhaften Zeichen der Steinmetzen und Maurer von
Jnteresse zu sein. Zu seinem Verständniß muß zunächst auf die
Zahlengeltung der hebräischen Buchstaben verwiesen werden, welche
Th. III, Kap. 81, erklärt worden ist.

Mit Herbeiziehung der fünf Finalbuchstaben stellen die Kab-
balisten die hebräischen Zahlbuchstaben mit bestimmten, hier jedoch
nicht näher zu erörternden Beziehungen 1) in folgenden neun

1) Von der Bedeutung der drei Zahlenreihen sagt Agrippa von Nettes-
heym, a. a. O., S. 318: "Dividantur viginti septem Hebraeorum cha-
racteres in tres classes, quarum quaelibet novem contineat literas: Prima
scil. [fremdsprachliches Material - fehlt] quae sunt signacula numerorum simplicium, rerumque
intellectualium, in novem angelorum ordines distributorum, secunda tenet
[fremdsprachliches Material - fehlt] signacula denariorum, rerumque coelestium, in novem orbi-

Jn allen drei Alphabeten kann man die Grundlage der mei-
ſten zaubermyſtiſchen Charaktere ſo wenig verkennen wie die Grund-
lage der geheimen Gaunerzinken, ſo entſtellt und verwiſcht auch
hier wie dort, zu verſchiedenen Orten und Zeiten, die Form des
urſprünglichen Charakters erſcheint. Der Vergleich mit den Zauber-
zeichen in den zahlloſen Zauberbüchern und ſelbſt ſchon mit den
wenigen, Th. II, S. 59 fg. dargeſtellten Gaunerzinken neuerer Zeit,
älterer nicht zu gedenken, gibt Belege genug an die Hand. Noch
deutlicher wird aber der Einfluß dieſer Charaktere auf die wäh-
rend des Mittelalters mit großer geheimnißvoller Wichtigkeit in
den Wappen- und Heroldsſchulen betriebenen Wiſſenſchaft der
Heraldik und auf die ſeit dem Mittelalter in oft unerklärlicher
Weiſe zum Vorſchein kommenden Bauornamente, wenn man
ein eigenthümliches kabbaliſtiſches Alphabet damit in Verbindung
bringt, welches man ebenfalls bei Agrippa von Nettesheym,
a. a. O., S. 319, findet. Das Alphabet, welches keinen beſon-
dern Namen hat, wurde bei den Kabbaliſten in hohen Ehren
und ſehr geheim gehalten, jedoch auch wieder ſehr raſch bekannt,
ſodaß es ſogar ſchon im 15. Jahrhundert für profan und abge-
droſchen galt. Es hat unter allen kabbaliſtiſchen Alphabeten die
tiefſte Begründung und das bündigſte Syſtem, und ſcheint auch
für die Geſchichte und Sprache der alten Bauhütten mit den ſehr
oft völlig räthſelhaften Zeichen der Steinmetzen und Maurer von
Jntereſſe zu ſein. Zu ſeinem Verſtändniß muß zunächſt auf die
Zahlengeltung der hebräiſchen Buchſtaben verwieſen werden, welche
Th. III, Kap. 81, erklärt worden iſt.

Mit Herbeiziehung der fünf Finalbuchſtaben ſtellen die Kab-
baliſten die hebräiſchen Zahlbuchſtaben mit beſtimmten, hier jedoch
nicht näher zu erörternden Beziehungen 1) in folgenden neun

1) Von der Bedeutung der drei Zahlenreihen ſagt Agrippa von Nettes-
heym, a. a. O., S. 318: „Dividantur viginti septem Hebraeorum cha-
racteres in tres classes, quarum quaelibet novem contineat literas: Prima
scil. [fremdsprachliches Material – fehlt] quae sunt signacula numerorum simplicium, rerumque
intellectualium, in novem angelorum ordines distributorum, secunda tenet
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[7/0019] Jn allen drei Alphabeten kann man die Grundlage der mei- ſten zaubermyſtiſchen Charaktere ſo wenig verkennen wie die Grund- lage der geheimen Gaunerzinken, ſo entſtellt und verwiſcht auch hier wie dort, zu verſchiedenen Orten und Zeiten, die Form des urſprünglichen Charakters erſcheint. Der Vergleich mit den Zauber- zeichen in den zahlloſen Zauberbüchern und ſelbſt ſchon mit den wenigen, Th. II, S. 59 fg. dargeſtellten Gaunerzinken neuerer Zeit, älterer nicht zu gedenken, gibt Belege genug an die Hand. Noch deutlicher wird aber der Einfluß dieſer Charaktere auf die wäh- rend des Mittelalters mit großer geheimnißvoller Wichtigkeit in den Wappen- und Heroldsſchulen betriebenen Wiſſenſchaft der Heraldik und auf die ſeit dem Mittelalter in oft unerklärlicher Weiſe zum Vorſchein kommenden Bauornamente, wenn man ein eigenthümliches kabbaliſtiſches Alphabet damit in Verbindung bringt, welches man ebenfalls bei Agrippa von Nettesheym, a. a. O., S. 319, findet. Das Alphabet, welches keinen beſon- dern Namen hat, wurde bei den Kabbaliſten in hohen Ehren und ſehr geheim gehalten, jedoch auch wieder ſehr raſch bekannt, ſodaß es ſogar ſchon im 15. Jahrhundert für profan und abge- droſchen galt. Es hat unter allen kabbaliſtiſchen Alphabeten die tiefſte Begründung und das bündigſte Syſtem, und ſcheint auch für die Geſchichte und Sprache der alten Bauhütten mit den ſehr oft völlig räthſelhaften Zeichen der Steinmetzen und Maurer von Jntereſſe zu ſein. Zu ſeinem Verſtändniß muß zunächſt auf die Zahlengeltung der hebräiſchen Buchſtaben verwieſen werden, welche Th. III, Kap. 81, erklärt worden iſt. Mit Herbeiziehung der fünf Finalbuchſtaben ſtellen die Kab- baliſten die hebräiſchen Zahlbuchſtaben mit beſtimmten, hier jedoch nicht näher zu erörternden Beziehungen 1) in folgenden neun 1) Von der Bedeutung der drei Zahlenreihen ſagt Agrippa von Nettes- heym, a. a. O., S. 318: „Dividantur viginti septem Hebraeorum cha- racteres in tres classes, quarum quaelibet novem contineat literas: Prima scil. _ quae sunt signacula numerorum simplicium, rerumque intellectualium, in novem angelorum ordines distributorum, secunda tenet _ signacula denariorum, rerumque coelestium, in novem orbi-

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Zitationshilfe: Avé-Lallemant, Friedrich Christian Benedikt: Das Deutsche Gaunerthum. Bd. 4. Leipzig, 1862, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/avelallemant_gaunerthum04_1862/19>, abgerufen am 19.04.2024.