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Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913.

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innen vergoldet. Weiter vorne ein phantastischer, schemelartiger
Stuhl mit ganz kurzen Füßen und einer sehr hohen spitzen Lehne.

An der linken Wand eine Sammlung von alten indischen,
chinesischen und japanischen Bronzen, fremdartigen Tieren und
seltsamen Götzen.

Die Loge im Hintergrund ist um eine Stufe höher. Der
Boden weißschwarzes Mosaik. An der Wand ein eingebauter
Bücherkasten, bis zur Decke reichend, schwarz, innen gelb, mit
alten, kostbar gebundenen Büchern und Handschriften. Davor
ein hohes gerades schwarzes Sofa; Polster mit astrologischen
und kabbalistischen Zeichen. Neben dem Bücherkasten ein Bogen-
gang in blauem Mosaik. -- Es ist Nachmittag, kurz nach zwei.

Diener (uraltes, zittriges, steifes, zahnloses, ganz kahles
Männchen, mit erloschenen Augen, einer langen, schmalen Nase
und dünnen Lippen, das verrunzelte Gesicht glatt rasiert; hoher
steifer Kragen, weiße Halsbinde, hochgeschlossener schwarzer Rock,
kurze schwarze Hose, Seidenstrümpfe, Schnallenschuhe; hat die
Gewohnheit, beim Sprechen zwei Finger der linken Hand an
die Oberlippe zu legen; durch die Türe rechts, läßt Fidelis ein-
treten, schließt hinter ihm und flüstert geheimnisvoll).
Der Herr
Legationssekretär ist im Augenblick nicht daheim. Ich will
es aber der gnädigen Frau melden. Der Herr Legations-
sekretär muß gleich wiederkommen. Darf ich einstweilen
bitten? (Zeigt auf den Stuhl, geht durch den blauen Gang ab.)
Fidelis (in einem eleganten, aber bequemen, reichlich weiten
Stadtanzug mit großen Taschen; er hat Hut und Mantel drau-
ßen abgelegt; nickt dem Diener kurz zu, setzt sich nicht, sieht sich
neugierig, mißtrauisch und etwas spöttisch den ganzen Raum
an, betrachtet den Totenkopf auf dem Tisch, bemerkt die Stern-
bilder im Boden, geht nach links und steht vor den alten Bron-

innen vergoldet. Weiter vorne ein phantaſtiſcher, ſchemelartiger
Stuhl mit ganz kurzen Fuͤßen und einer ſehr hohen ſpitzen Lehne.

An der linken Wand eine Sammlung von alten indiſchen,
chineſiſchen und japaniſchen Bronzen, fremdartigen Tieren und
ſeltſamen Goͤtzen.

Die Loge im Hintergrund iſt um eine Stufe hoͤher. Der
Boden weißſchwarzes Moſaik. An der Wand ein eingebauter
Buͤcherkaſten, bis zur Decke reichend, ſchwarz, innen gelb, mit
alten, koſtbar gebundenen Buͤchern und Handſchriften. Davor
ein hohes gerades ſchwarzes Sofa; Polſter mit aſtrologiſchen
und kabbaliſtiſchen Zeichen. Neben dem Buͤcherkaſten ein Bogen-
gang in blauem Moſaik. — Es iſt Nachmittag, kurz nach zwei.

Diener (uraltes, zittriges, ſteifes, zahnloſes, ganz kahles
Maͤnnchen, mit erloſchenen Augen, einer langen, ſchmalen Naſe
und duͤnnen Lippen, das verrunzelte Geſicht glatt raſiert; hoher
ſteifer Kragen, weiße Halsbinde, hochgeſchloſſener ſchwarzer Rock,
kurze ſchwarze Hoſe, Seidenſtruͤmpfe, Schnallenſchuhe; hat die
Gewohnheit, beim Sprechen zwei Finger der linken Hand an
die Oberlippe zu legen; durch die Tuͤre rechts, laͤßt Fidelis ein-
treten, ſchließt hinter ihm und fluͤſtert geheimnisvoll).
Der Herr
Legationsſekretär iſt im Augenblick nicht daheim. Ich will
es aber der gnädigen Frau melden. Der Herr Legations-
ſekretär muß gleich wiederkommen. Darf ich einſtweilen
bitten? (Zeigt auf den Stuhl, geht durch den blauen Gang ab.)
Fidelis (in einem eleganten, aber bequemen, reichlich weiten
Stadtanzug mit großen Taſchen; er hat Hut und Mantel drau-
ßen abgelegt; nickt dem Diener kurz zu, ſetzt ſich nicht, ſieht ſich
neugierig, mißtrauiſch und etwas ſpoͤttiſch den ganzen Raum
an, betrachtet den Totenkopf auf dem Tiſch, bemerkt die Stern-
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[66/0072] innen vergoldet. Weiter vorne ein phantaſtiſcher, ſchemelartiger Stuhl mit ganz kurzen Fuͤßen und einer ſehr hohen ſpitzen Lehne. An der linken Wand eine Sammlung von alten indiſchen, chineſiſchen und japaniſchen Bronzen, fremdartigen Tieren und ſeltſamen Goͤtzen. Die Loge im Hintergrund iſt um eine Stufe hoͤher. Der Boden weißſchwarzes Moſaik. An der Wand ein eingebauter Buͤcherkaſten, bis zur Decke reichend, ſchwarz, innen gelb, mit alten, koſtbar gebundenen Buͤchern und Handſchriften. Davor ein hohes gerades ſchwarzes Sofa; Polſter mit aſtrologiſchen und kabbaliſtiſchen Zeichen. Neben dem Buͤcherkaſten ein Bogen- gang in blauem Moſaik. — Es iſt Nachmittag, kurz nach zwei. Diener (uraltes, zittriges, ſteifes, zahnloſes, ganz kahles Maͤnnchen, mit erloſchenen Augen, einer langen, ſchmalen Naſe und duͤnnen Lippen, das verrunzelte Geſicht glatt raſiert; hoher ſteifer Kragen, weiße Halsbinde, hochgeſchloſſener ſchwarzer Rock, kurze ſchwarze Hoſe, Seidenſtruͤmpfe, Schnallenſchuhe; hat die Gewohnheit, beim Sprechen zwei Finger der linken Hand an die Oberlippe zu legen; durch die Tuͤre rechts, laͤßt Fidelis ein- treten, ſchließt hinter ihm und fluͤſtert geheimnisvoll). Der Herr Legationsſekretär iſt im Augenblick nicht daheim. Ich will es aber der gnädigen Frau melden. Der Herr Legations- ſekretär muß gleich wiederkommen. Darf ich einſtweilen bitten? (Zeigt auf den Stuhl, geht durch den blauen Gang ab.) Fidelis (in einem eleganten, aber bequemen, reichlich weiten Stadtanzug mit großen Taſchen; er hat Hut und Mantel drau- ßen abgelegt; nickt dem Diener kurz zu, ſetzt ſich nicht, ſieht ſich neugierig, mißtrauiſch und etwas ſpoͤttiſch den ganzen Raum an, betrachtet den Totenkopf auf dem Tiſch, bemerkt die Stern- bilder im Boden, geht nach links und ſteht vor den alten Bron-

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Zitationshilfe: Bahr, Hermann: Das Phantom. Berlin, 1913, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bahr_phantom_1913/72>, abgerufen am 28.03.2024.