Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626.Joh. Barclayens Argenis/ Vnterthanen Wiederwillen auff den Hals laden?Wir befleissen vns auch die Nahmen der Tugen- den selber mit solchen Lastern zu beflecken. Man heisset diese Sachen eine Sorge für das zukünffti- ge/ eine Gewonheit zur Arbeit/ eine Demuth/ eine Freygebigkeit. Vnd diese Laster wachsen durch sol- che Lügen nicht allein/ sondern auch geringere Sa- chen. Ja wann sie etwan was verstendiges fürbrin- gen/ so erhebet sich ein solches Frolocken/ welches doch nur zum Scheine geschiehet/ daß mir in Warheit/ welches andern nicht wiederfahren ist/ die Augen vor Scham offtmals gezittert haben. Ich sahe daß sie keine Schew trügen so greifflich zu schmey- cheln/ vnd daß Fürsten auch nur nicht vnwillig worden/ wann man jhrer so leichtfertiger weise spot- tete. Was ist ein solch Spiel anders als eine Co- medie/ da man beyderseit mit außdrücklicher Höh- nerey dieselbigen lobet/ welche man bey sich selber/ wegen jhrer blinden Thorheit/ vernichtet vnd auß- lacht? Wann die Götter den Königen nicht hetten grössern Verstand vnd Geist verliehen als gemeinen Leuten/ wie viel würden jhrer wol auß disem Garne entreissen/ welches die Gewonheit selber angenehm macht/ weil es stracks vmb jhre Wiegen gestellet wird/ vnd es jhnen vnwissend ist/ daß man sie damit befleckt habe? Aber Könige stehen nicht allein in die- ser Gefahr: viel von vns liegen in vnserem Priuat- zustande an königlicher Kranckheit darnieder. Wir sind Könige gegen denen die für vns zuthun haben/ ja gegen
Joh. Barclayens Argenis/ Vnterthanen Wiederwillen auff den Hals laden?Wir befleiſſen vns auch die Nahmen der Tugen- den ſelber mit ſolchen Laſtern zu beflecken. Man heiſſet dieſe Sachen eine Sorge fuͤr das zukuͤnffti- ge/ eine Gewonheit zur Arbeit/ eine Demuth/ eine Freygebigkeit. Vnd dieſe Laſter wachſen durch ſol- che Luͤgen nicht allein/ ſondern auch geringere Sa- chen. Ja wann ſie etwan was verſtendiges fuͤrbrin- gẽ/ ſo erhebet ſich ein ſolches Frolockẽ/ welches doch nur zum Scheine geſchiehet/ daß mir in Warheit/ welches andern nicht wiederfahren iſt/ die Augen vor Scham offtmals gezittert haben. Ich ſahe daß ſie keine Schew truͤgen ſo greifflich zu ſchmey- cheln/ vnd daß Fuͤrſten auch nur nicht vnwillig worden/ wañ man jhrer ſo leichtfertiger weiſe ſpot- tete. Was iſt ein ſolch Spiel anders als eine Co- medie/ da man beyderſeit mit außdruͤcklicher Hoͤh- nerey dieſelbigen lobet/ welche man bey ſich ſelber/ wegen jhrer blinden Thorheit/ vernichtet vnd auß- lacht? Wann die Goͤtter den Koͤnigen nicht hetten groͤſſern Verſtand vnd Geiſt verliehen als gemeinẽ Leuten/ wie viel wuͤrden jhrer wol auß diſem Garne entreiſſen/ welches die Gewonheit ſelber angenehm macht/ weil es ſtracks vmb jhre Wiegen geſtellet wird/ vnd es jhnen vnwiſſend iſt/ daß man ſie damit befleckt habe? Aber Koͤnige ſtehen nicht allein in die- ſer Gefahr: viel von vns liegen in vnſerem Priuat- zuſtande an koͤniglicher Kranckheit darnieder. Wir ſind Koͤnige gegen denen die fuͤr vns zuthun haben/ ja gegen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0560" n="516"/><fw place="top" type="header">Joh. Barclayens Argenis/</fw><lb/> Vnterthanen Wiederwillen auff den Hals laden?<lb/> Wir befleiſſen vns auch die Nahmen der Tugen-<lb/> den ſelber mit ſolchen Laſtern zu beflecken. Man<lb/> heiſſet dieſe Sachen eine Sorge fuͤr das zukuͤnffti-<lb/> ge/ eine Gewonheit zur Arbeit/ eine Demuth/ eine<lb/> Freygebigkeit. Vnd dieſe Laſter wachſen durch ſol-<lb/> che Luͤgen nicht allein/ ſondern auch geringere Sa-<lb/> chen. Ja wann ſie etwan was verſtendiges fuͤrbrin-<lb/> gẽ/ ſo erhebet ſich ein ſolches Frolockẽ/ welches doch<lb/> nur zum Scheine geſchiehet/ daß mir in Warheit/<lb/> welches andern nicht wiederfahren iſt/ die Augen<lb/> vor Scham offtmals gezittert haben. Ich ſahe<lb/> daß ſie keine Schew truͤgen ſo greifflich zu ſchmey-<lb/> cheln/ vnd daß Fuͤrſten auch nur nicht vnwillig<lb/> worden/ wañ man jhrer ſo leichtfertiger weiſe ſpot-<lb/> tete. Was iſt ein ſolch Spiel anders als eine Co-<lb/> medie/ da man beyderſeit mit außdruͤcklicher Hoͤh-<lb/> nerey dieſelbigen lobet/ welche man bey ſich ſelber/<lb/> wegen jhrer blinden Thorheit/ vernichtet vnd auß-<lb/> lacht? Wann die Goͤtter den Koͤnigen nicht hetten<lb/> groͤſſern Verſtand vnd Geiſt verliehen als gemeinẽ<lb/> Leuten/ wie viel wuͤrden jhrer wol auß diſem Garne<lb/> entreiſſen/ welches die Gewonheit ſelber angenehm<lb/> macht/ weil es ſtracks vmb jhre Wiegen geſtellet<lb/> wird/ vnd es jhnen vnwiſſend iſt/ daß man ſie damit<lb/> befleckt habe? Aber Koͤnige ſtehen nicht allein in die-<lb/> ſer Gefahr: viel von vns liegen in vnſerem Priuat-<lb/> zuſtande an koͤniglicher Kranckheit darnieder. Wir<lb/> ſind Koͤnige gegen denen die fuͤr vns zuthun haben/<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ja gegen</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [516/0560]
Joh. Barclayens Argenis/
Vnterthanen Wiederwillen auff den Hals laden?
Wir befleiſſen vns auch die Nahmen der Tugen-
den ſelber mit ſolchen Laſtern zu beflecken. Man
heiſſet dieſe Sachen eine Sorge fuͤr das zukuͤnffti-
ge/ eine Gewonheit zur Arbeit/ eine Demuth/ eine
Freygebigkeit. Vnd dieſe Laſter wachſen durch ſol-
che Luͤgen nicht allein/ ſondern auch geringere Sa-
chen. Ja wann ſie etwan was verſtendiges fuͤrbrin-
gẽ/ ſo erhebet ſich ein ſolches Frolockẽ/ welches doch
nur zum Scheine geſchiehet/ daß mir in Warheit/
welches andern nicht wiederfahren iſt/ die Augen
vor Scham offtmals gezittert haben. Ich ſahe
daß ſie keine Schew truͤgen ſo greifflich zu ſchmey-
cheln/ vnd daß Fuͤrſten auch nur nicht vnwillig
worden/ wañ man jhrer ſo leichtfertiger weiſe ſpot-
tete. Was iſt ein ſolch Spiel anders als eine Co-
medie/ da man beyderſeit mit außdruͤcklicher Hoͤh-
nerey dieſelbigen lobet/ welche man bey ſich ſelber/
wegen jhrer blinden Thorheit/ vernichtet vnd auß-
lacht? Wann die Goͤtter den Koͤnigen nicht hetten
groͤſſern Verſtand vnd Geiſt verliehen als gemeinẽ
Leuten/ wie viel wuͤrden jhrer wol auß diſem Garne
entreiſſen/ welches die Gewonheit ſelber angenehm
macht/ weil es ſtracks vmb jhre Wiegen geſtellet
wird/ vnd es jhnen vnwiſſend iſt/ daß man ſie damit
befleckt habe? Aber Koͤnige ſtehen nicht allein in die-
ſer Gefahr: viel von vns liegen in vnſerem Priuat-
zuſtande an koͤniglicher Kranckheit darnieder. Wir
ſind Koͤnige gegen denen die fuͤr vns zuthun haben/
ja gegen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/560 |
Zitationshilfe: | Barclay, John (Übers. Martin Opitz): Johann Barclaÿens Argenis Deutsch gemacht durch Martin Opitzen. Breslau, 1626, S. 516. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/barclay_argenis_1626/560>, abgerufen am 17.06.2024. |