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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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van der Valck fort: und dem ruhmvollen und ehrenhaften Hause van Swammerdam eine derartige Verabredung schon in früheren Jahren getroffen worden, so soll dieselbige nunmehr zur Wahrheit werden, und so verloben wir, ich, Adrianus van der Valck, als Sohnesvater, mit meiner ehrsamen Hausfrau Maria Johanna, geborene van Moorsel, unsern einzigen eheleiblichen Sohn Leonardus Cornelius, und der Kauf- und Handelsherr, Herr Nepomuck Theophil van Swammerdam, und dessen ehrsame Gemahlin, Frau Susanna Euphemia van Swammerdam, geborene van Neriske, als Tochtereltern, ihre eheleibliche einzige Tochter, die "adelyke" Jufferouw Sibylla Nikodema zu einem rechten christlichen Brautpaar vor diesen allseits achtbaren, hohen und höchsten Zeugen!

Wie Herr Adrianus bei Nennung beider Namen der Verlobten seine vorher leise Stimme stark erhob, und Vincenz mit den Verlobungsringen, die er bereits in den Händen hielt, leise klingelte, fuhr Anges horchend auf und eiskaltes Entsetzen überrieselte sie vom Wirbel bis zur Zehe. Starr lauschte sie hin, beide Hände fest gepreßt auf die ungestüm wogende Brust, auf das angstvoll klopfende Herz; aber muthig rang sie nach Fassung. -- Kein Laut soll mich, soll ihn verrathen -- zuckte es durch ihr Gehirn -- nicht den Triumph einer Schwäche gönne ihnen, Anges -- denn er ist nicht dein, wie sehr er auch dein ist; du hast an ihn kein Anrecht; du darfst nicht Kummer häufen auf der Eltern Haupt, nicht ihren Fluch auf dich laden! -- Und so stand die schöne, zitternde Gestalt im gewaltigen Kampfe zwischen Liebe und Entsagung da wie die Gestalt einer vom Pfeil des Todesgottes getroffenen Tochter Niobe's, bleich wie ein antikes Bildwerk aus cararischem Marmor.

Und Leonardus? -- In seinem Busen wogten und gährten Höllenangst, Zorn, Schmerz, Liebe, Wuth und Verzweiflung. Außer sich wollte er schon einen unbedachten Schritt thun, da die Mutter auf ihn zukam, ihn nach Brauch und Sitte an die Seite der Braut zu führen, da auch schon Vincentius Martinus vortrat, sein ganzes Gesicht ein geistlicher Adamsapfel; in diesem Augenblicke aber fühlte er seine Hand fest erfaßt und gedrückt, und hinter ihm stand Ludwig und flüsterte: Sei Mann! Verstellung, keine Scene, stelle deine Eltern nicht blos -- wir helfen dir heraus!

Diese Worte hörte Anges nicht, denn sie hörte überhaupt nicht

van der Valck fort: und dem ruhmvollen und ehrenhaften Hause van Swammerdam eine derartige Verabredung schon in früheren Jahren getroffen worden, so soll dieselbige nunmehr zur Wahrheit werden, und so verloben wir, ich, Adrianus van der Valck, als Sohnesvater, mit meiner ehrsamen Hausfrau Maria Johanna, geborene van Moorsel, unsern einzigen eheleiblichen Sohn Leonardus Cornelius, und der Kauf- und Handelsherr, Herr Nepomuck Theophil van Swammerdam, und dessen ehrsame Gemahlin, Frau Susanna Euphemia van Swammerdam, geborene van Neriske, als Tochtereltern, ihre eheleibliche einzige Tochter, die „adelyke“ Jufferouw Sibylla Nikodema zu einem rechten christlichen Brautpaar vor diesen allseits achtbaren, hohen und höchsten Zeugen!

Wie Herr Adrianus bei Nennung beider Namen der Verlobten seine vorher leise Stimme stark erhob, und Vincenz mit den Verlobungsringen, die er bereits in den Händen hielt, leise klingelte, fuhr Angés horchend auf und eiskaltes Entsetzen überrieselte sie vom Wirbel bis zur Zehe. Starr lauschte sie hin, beide Hände fest gepreßt auf die ungestüm wogende Brust, auf das angstvoll klopfende Herz; aber muthig rang sie nach Fassung. — Kein Laut soll mich, soll ihn verrathen — zuckte es durch ihr Gehirn — nicht den Triumph einer Schwäche gönne ihnen, Angés — denn er ist nicht dein, wie sehr er auch dein ist; du hast an ihn kein Anrecht; du darfst nicht Kummer häufen auf der Eltern Haupt, nicht ihren Fluch auf dich laden! — Und so stand die schöne, zitternde Gestalt im gewaltigen Kampfe zwischen Liebe und Entsagung da wie die Gestalt einer vom Pfeil des Todesgottes getroffenen Tochter Niobe’s, bleich wie ein antikes Bildwerk aus cararischem Marmor.

Und Leonardus? — In seinem Busen wogten und gährten Höllenangst, Zorn, Schmerz, Liebe, Wuth und Verzweiflung. Außer sich wollte er schon einen unbedachten Schritt thun, da die Mutter auf ihn zukam, ihn nach Brauch und Sitte an die Seite der Braut zu führen, da auch schon Vincentius Martinus vortrat, sein ganzes Gesicht ein geistlicher Adamsapfel; in diesem Augenblicke aber fühlte er seine Hand fest erfaßt und gedrückt, und hinter ihm stand Ludwig und flüsterte: Sei Mann! Verstellung, keine Scene, stelle deine Eltern nicht blos — wir helfen dir heraus!

Diese Worte hörte Angés nicht, denn sie hörte überhaupt nicht

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[124/0128] van der Valck fort: und dem ruhmvollen und ehrenhaften Hause van Swammerdam eine derartige Verabredung schon in früheren Jahren getroffen worden, so soll dieselbige nunmehr zur Wahrheit werden, und so verloben wir, ich, Adrianus van der Valck, als Sohnesvater, mit meiner ehrsamen Hausfrau Maria Johanna, geborene van Moorsel, unsern einzigen eheleiblichen Sohn Leonardus Cornelius, und der Kauf- und Handelsherr, Herr Nepomuck Theophil van Swammerdam, und dessen ehrsame Gemahlin, Frau Susanna Euphemia van Swammerdam, geborene van Neriske, als Tochtereltern, ihre eheleibliche einzige Tochter, die „adelyke“ Jufferouw Sibylla Nikodema zu einem rechten christlichen Brautpaar vor diesen allseits achtbaren, hohen und höchsten Zeugen! Wie Herr Adrianus bei Nennung beider Namen der Verlobten seine vorher leise Stimme stark erhob, und Vincenz mit den Verlobungsringen, die er bereits in den Händen hielt, leise klingelte, fuhr Angés horchend auf und eiskaltes Entsetzen überrieselte sie vom Wirbel bis zur Zehe. Starr lauschte sie hin, beide Hände fest gepreßt auf die ungestüm wogende Brust, auf das angstvoll klopfende Herz; aber muthig rang sie nach Fassung. — Kein Laut soll mich, soll ihn verrathen — zuckte es durch ihr Gehirn — nicht den Triumph einer Schwäche gönne ihnen, Angés — denn er ist nicht dein, wie sehr er auch dein ist; du hast an ihn kein Anrecht; du darfst nicht Kummer häufen auf der Eltern Haupt, nicht ihren Fluch auf dich laden! — Und so stand die schöne, zitternde Gestalt im gewaltigen Kampfe zwischen Liebe und Entsagung da wie die Gestalt einer vom Pfeil des Todesgottes getroffenen Tochter Niobe’s, bleich wie ein antikes Bildwerk aus cararischem Marmor. Und Leonardus? — In seinem Busen wogten und gährten Höllenangst, Zorn, Schmerz, Liebe, Wuth und Verzweiflung. Außer sich wollte er schon einen unbedachten Schritt thun, da die Mutter auf ihn zukam, ihn nach Brauch und Sitte an die Seite der Braut zu führen, da auch schon Vincentius Martinus vortrat, sein ganzes Gesicht ein geistlicher Adamsapfel; in diesem Augenblicke aber fühlte er seine Hand fest erfaßt und gedrückt, und hinter ihm stand Ludwig und flüsterte: Sei Mann! Verstellung, keine Scene, stelle deine Eltern nicht blos — wir helfen dir heraus! Diese Worte hörte Angés nicht, denn sie hörte überhaupt nicht

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/128>, abgerufen am 25.04.2024.