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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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11. Die Reisenden


Im Geldernlande, westwärts von Arnhem, zwischen dieser Stadt und Wageningen, nahe dem Rheine, der an jenen Ufern bereits einen seiner Arme unter dem Namen der neuen Yssel verloren hat, und trüb und träge, als bereue der einst so lebensfrische, jugendliche, dann mannbarkräftige stolze Strom, sein schönes Deutschland verlassen zu haben, dahin rinnt, um sich bald genug noch mehr zu zertheilen und zu entkräften, liegt die Herrlichkeit Doorwerth mit einem stattlichen kastellartigen Herrenschlosse, Parke und Gärten, Wohnungen für Dienerschaften, Oeconomiegebäuden, mit einem Dorfe und mit einer fruchtbaren reichen Feldflur, die ziemlich frei ist von Sümpfen und Morästen, und trotz der flachen Landschaft, die nur nach Norden hin einige sanfte bebuschte Anhöhen, was man eben in diesen Niederungen Anhöhen nennt, begrenzen, doch nicht ohne landschaftliche Schönheit ist. Rings grüne Matten, Tabaks- und Saatfelder, noch mehr unübersehbare, mit Heerden bedeckte Wiesen, durchzogen von zahllosen kleinen Kanälen und Wasserrinnen, längs deren in malerischen Gruppirungen die schönsten alten Weiden, Erlen, Ulmen und die hochstengeligen Schößlinge buntblühender Stauden wachsen. Wer je die Thier- und Landschaftbilder Nicolaus Berghem's sah und diese Auen, der muß sich sagen, daß in allen Bildern jenes großen Meisters die treueste Wahrheit der Natur herrscht.

Im Frühling des Jahres 1794 war dieser fruchtbare und ergiebige Landstrich noch einer glücklichen Insel zu vergleichen, um die rings empörte Meeresfluthen rollen und branden, aber sie von ihrer Wuth nichts weiter empfinden lassen, als das Geroll ihres Donners.

Rings um das von einem tiefen und breiten Wassergraben umgebene Kastell, dessen Bauart ganz die alter niederländischer Schlösser war, der wir so häufig auf Bildern und Kupferstichen begegnen, standen hohe Bäume, Eschen und Rüstern, uralt und von mächtigem Umfang der

11. Die Reisenden


Im Geldernlande, westwärts von Arnhem, zwischen dieser Stadt und Wageningen, nahe dem Rheine, der an jenen Ufern bereits einen seiner Arme unter dem Namen der neuen Yssel verloren hat, und trüb und träge, als bereue der einst so lebensfrische, jugendliche, dann mannbarkräftige stolze Strom, sein schönes Deutschland verlassen zu haben, dahin rinnt, um sich bald genug noch mehr zu zertheilen und zu entkräften, liegt die Herrlichkeit Doorwerth mit einem stattlichen kastellartigen Herrenschlosse, Parke und Gärten, Wohnungen für Dienerschaften, Oeconomiegebäuden, mit einem Dorfe und mit einer fruchtbaren reichen Feldflur, die ziemlich frei ist von Sümpfen und Morästen, und trotz der flachen Landschaft, die nur nach Norden hin einige sanfte bebuschte Anhöhen, was man eben in diesen Niederungen Anhöhen nennt, begrenzen, doch nicht ohne landschaftliche Schönheit ist. Rings grüne Matten, Tabaks- und Saatfelder, noch mehr unübersehbare, mit Heerden bedeckte Wiesen, durchzogen von zahllosen kleinen Kanälen und Wasserrinnen, längs deren in malerischen Gruppirungen die schönsten alten Weiden, Erlen, Ulmen und die hochstengeligen Schößlinge buntblühender Stauden wachsen. Wer je die Thier- und Landschaftbilder Nicolaus Berghem’s sah und diese Auen, der muß sich sagen, daß in allen Bildern jenes großen Meisters die treueste Wahrheit der Natur herrscht.

Im Frühling des Jahres 1794 war dieser fruchtbare und ergiebige Landstrich noch einer glücklichen Insel zu vergleichen, um die rings empörte Meeresfluthen rollen und branden, aber sie von ihrer Wuth nichts weiter empfinden lassen, als das Geroll ihres Donners.

Rings um das von einem tiefen und breiten Wassergraben umgebene Kastell, dessen Bauart ganz die alter niederländischer Schlösser war, der wir so häufig auf Bildern und Kupferstichen begegnen, standen hohe Bäume, Eschen und Rüstern, uralt und von mächtigem Umfang der

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[140/0144] 11. Die Reisenden Im Geldernlande, westwärts von Arnhem, zwischen dieser Stadt und Wageningen, nahe dem Rheine, der an jenen Ufern bereits einen seiner Arme unter dem Namen der neuen Yssel verloren hat, und trüb und träge, als bereue der einst so lebensfrische, jugendliche, dann mannbarkräftige stolze Strom, sein schönes Deutschland verlassen zu haben, dahin rinnt, um sich bald genug noch mehr zu zertheilen und zu entkräften, liegt die Herrlichkeit Doorwerth mit einem stattlichen kastellartigen Herrenschlosse, Parke und Gärten, Wohnungen für Dienerschaften, Oeconomiegebäuden, mit einem Dorfe und mit einer fruchtbaren reichen Feldflur, die ziemlich frei ist von Sümpfen und Morästen, und trotz der flachen Landschaft, die nur nach Norden hin einige sanfte bebuschte Anhöhen, was man eben in diesen Niederungen Anhöhen nennt, begrenzen, doch nicht ohne landschaftliche Schönheit ist. Rings grüne Matten, Tabaks- und Saatfelder, noch mehr unübersehbare, mit Heerden bedeckte Wiesen, durchzogen von zahllosen kleinen Kanälen und Wasserrinnen, längs deren in malerischen Gruppirungen die schönsten alten Weiden, Erlen, Ulmen und die hochstengeligen Schößlinge buntblühender Stauden wachsen. Wer je die Thier- und Landschaftbilder Nicolaus Berghem’s sah und diese Auen, der muß sich sagen, daß in allen Bildern jenes großen Meisters die treueste Wahrheit der Natur herrscht. Im Frühling des Jahres 1794 war dieser fruchtbare und ergiebige Landstrich noch einer glücklichen Insel zu vergleichen, um die rings empörte Meeresfluthen rollen und branden, aber sie von ihrer Wuth nichts weiter empfinden lassen, als das Geroll ihres Donners. Rings um das von einem tiefen und breiten Wassergraben umgebene Kastell, dessen Bauart ganz die alter niederländischer Schlösser war, der wir so häufig auf Bildern und Kupferstichen begegnen, standen hohe Bäume, Eschen und Rüstern, uralt und von mächtigem Umfang der

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/144>, abgerufen am 29.03.2024.