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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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in ihre Stellen einrücken -- die Geflüchteten sollen zurückkehren -- Holland soll die französische Republik anerkennen, soll sein Bündniß mit England brechen, sich mit Frankreich verbinden und an England, Preußen und Oesterreich den Krieg erklären -- des Statthalters und seiner Partei soll in keiner Weise mehr gedacht werden." -- So drängten sich und wirrten die Nachrichten durcheinander, als schon der October herbeigekommen war.

Ludwig und Leonardus waren als Führer in das berittene Corps eingetreten, das der Erbherr errichtet hatte; Anges mit dem Kinde blieb in Windt's Schutz gestellt in Doorwerth, und für Frau Windt war es ein großer Trost, eine weibliche Seele als Freundin zur Seite zu haben, die ihr manchen Beistand leistete.

Windt bot Alles auf, mehr und mehr Lebensmittel in das Kastell zu schaffen, denn es kam ihm im Geiste vor, als wenn der bedrohliche Zustand sobald nicht enden werde. Man sah ihn häufig, von einem oder zwei Reitknechten begleitet, in seiner kleidsamen Offiziersuniform durch die Fluren und die nächstgelegenen Ortschaften reiten; Graf Ludwig hatte dem redlichen Freund seine Isabella geschenkt, halb aus Liebe zu Windt, halb aus Liebe zur Isabella, deren Leben er dadurch besser zu sichern hoffte, als wenn er das treue Pferd der Gefahr beim Heere aussetzte -- und überall war Windt willkommen; seine Anordnungen wurden genau befolgt, die Bauern liebten ihn, weil er sie von dem Rentmeister befreit, der sie gedrückt und geschunden hatte, um sich zu bereichern, und weil Windt sie menschenfreundlich behandelte. Jeden Morgen fast saß Windt am Schreibpulte und schrieb Briefe an seine Herrin, oft in fliegender Hast und Hetze, Alles bunt durcheinander, aber sie wollte und mußte Alles wissen. Doorwerth und dessen guter Verkauf bildete jetzt einen Theil ihrer noch übrigen Lebenshoffnungen.

"Ich bin im Handgemenge mit den Engländern!" schrieb Windt unter Andern in seiner eigenthümlichen, raschen und keinerlei Umstände machenden Weise, die sein ganzes Wesen an Tag legte: "Gestern war ein hoher Offizier hier, um das Kastell mit Allem, was dazu gehört, für verwundete Offiziere in Besitz zu nehmen, so wie sie die Kirchen in Helsum, Renkum und Velp *) für Kranke in Besitz genommen,

*) Renkum, niederländisch Renekom, Dorf zwischen Helsum und Wageningen; Velp, Dorf ohnweit Arnhem und Rosendael.

in ihre Stellen einrücken — die Geflüchteten sollen zurückkehren — Holland soll die französische Republik anerkennen, soll sein Bündniß mit England brechen, sich mit Frankreich verbinden und an England, Preußen und Oesterreich den Krieg erklären — des Statthalters und seiner Partei soll in keiner Weise mehr gedacht werden.“ — So drängten sich und wirrten die Nachrichten durcheinander, als schon der October herbeigekommen war.

Ludwig und Leonardus waren als Führer in das berittene Corps eingetreten, das der Erbherr errichtet hatte; Angés mit dem Kinde blieb in Windt’s Schutz gestellt in Doorwerth, und für Frau Windt war es ein großer Trost, eine weibliche Seele als Freundin zur Seite zu haben, die ihr manchen Beistand leistete.

Windt bot Alles auf, mehr und mehr Lebensmittel in das Kastell zu schaffen, denn es kam ihm im Geiste vor, als wenn der bedrohliche Zustand sobald nicht enden werde. Man sah ihn häufig, von einem oder zwei Reitknechten begleitet, in seiner kleidsamen Offiziersuniform durch die Fluren und die nächstgelegenen Ortschaften reiten; Graf Ludwig hatte dem redlichen Freund seine Isabella geschenkt, halb aus Liebe zu Windt, halb aus Liebe zur Isabella, deren Leben er dadurch besser zu sichern hoffte, als wenn er das treue Pferd der Gefahr beim Heere aussetzte — und überall war Windt willkommen; seine Anordnungen wurden genau befolgt, die Bauern liebten ihn, weil er sie von dem Rentmeister befreit, der sie gedrückt und geschunden hatte, um sich zu bereichern, und weil Windt sie menschenfreundlich behandelte. Jeden Morgen fast saß Windt am Schreibpulte und schrieb Briefe an seine Herrin, oft in fliegender Hast und Hetze, Alles bunt durcheinander, aber sie wollte und mußte Alles wissen. Doorwerth und dessen guter Verkauf bildete jetzt einen Theil ihrer noch übrigen Lebenshoffnungen.

„Ich bin im Handgemenge mit den Engländern!“ schrieb Windt unter Andern in seiner eigenthümlichen, raschen und keinerlei Umstände machenden Weise, die sein ganzes Wesen an Tag legte: „Gestern war ein hoher Offizier hier, um das Kastell mit Allem, was dazu gehört, für verwundete Offiziere in Besitz zu nehmen, so wie sie die Kirchen in Helsum, Renkum und Velp *) für Kranke in Besitz genommen,

*) Renkum, niederländisch Renekom, Dorf zwischen Helsum und Wageningen; Velp, Dorf ohnweit Arnhem und Rosendael.
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[174/0178] in ihre Stellen einrücken — die Geflüchteten sollen zurückkehren — Holland soll die französische Republik anerkennen, soll sein Bündniß mit England brechen, sich mit Frankreich verbinden und an England, Preußen und Oesterreich den Krieg erklären — des Statthalters und seiner Partei soll in keiner Weise mehr gedacht werden.“ — So drängten sich und wirrten die Nachrichten durcheinander, als schon der October herbeigekommen war. Ludwig und Leonardus waren als Führer in das berittene Corps eingetreten, das der Erbherr errichtet hatte; Angés mit dem Kinde blieb in Windt’s Schutz gestellt in Doorwerth, und für Frau Windt war es ein großer Trost, eine weibliche Seele als Freundin zur Seite zu haben, die ihr manchen Beistand leistete. Windt bot Alles auf, mehr und mehr Lebensmittel in das Kastell zu schaffen, denn es kam ihm im Geiste vor, als wenn der bedrohliche Zustand sobald nicht enden werde. Man sah ihn häufig, von einem oder zwei Reitknechten begleitet, in seiner kleidsamen Offiziersuniform durch die Fluren und die nächstgelegenen Ortschaften reiten; Graf Ludwig hatte dem redlichen Freund seine Isabella geschenkt, halb aus Liebe zu Windt, halb aus Liebe zur Isabella, deren Leben er dadurch besser zu sichern hoffte, als wenn er das treue Pferd der Gefahr beim Heere aussetzte — und überall war Windt willkommen; seine Anordnungen wurden genau befolgt, die Bauern liebten ihn, weil er sie von dem Rentmeister befreit, der sie gedrückt und geschunden hatte, um sich zu bereichern, und weil Windt sie menschenfreundlich behandelte. Jeden Morgen fast saß Windt am Schreibpulte und schrieb Briefe an seine Herrin, oft in fliegender Hast und Hetze, Alles bunt durcheinander, aber sie wollte und mußte Alles wissen. Doorwerth und dessen guter Verkauf bildete jetzt einen Theil ihrer noch übrigen Lebenshoffnungen. „Ich bin im Handgemenge mit den Engländern!“ schrieb Windt unter Andern in seiner eigenthümlichen, raschen und keinerlei Umstände machenden Weise, die sein ganzes Wesen an Tag legte: „Gestern war ein hoher Offizier hier, um das Kastell mit Allem, was dazu gehört, für verwundete Offiziere in Besitz zu nehmen, so wie sie die Kirchen in Helsum, Renkum und Velp *) für Kranke in Besitz genommen, *) Renkum, niederländisch Renekom, Dorf zwischen Helsum und Wageningen; Velp, Dorf ohnweit Arnhem und Rosendael.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/178>, abgerufen am 19.04.2024.