Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

verbundene Herzen die einmal unaussprechliche Trennung rasch herbei, und Alles, was den Freunden vergönnt blieb, war, die scheidende Anges auf ihrer Reise mit dem Kinde über den Rhein hinüber zu begleiten, welche Reise sich von Arnhem über Emmerich und Wesel nach Düsseldorf lenkte, und zwar so weit zu begleiten, als noch irgend eine Gefahr zu drohen schien. Dann reiste Anges mit Sophie, auch für den Weiterweg in den Schutz erprobt tapferer Krieger aus der Legion Rohan gestellt, völlig ungefährdet weiter, bis endlich nach langer Fahrt ein stilles Gebirgsdörfchen des Schwarzwaldes sie in seinen Friedensschoos aufnahm, in dem jetzt keines Kriegers Waffe, sondern nur zur Sommerzeit der Mäher Sense über den duftausströmenden Waldeswiesen blinkte, und kein anderer Schuß fiel, als zu Zeiten der eines heiteren Weidgesellen, der auf nichts weniger ausging, als auf Menschenmord. Anges hatte mit festem Sinn die Gluth ihrer Liebe zu Leonardus in sich verschlossen; mit starkem Frauensinn hatte sie sich gelobt, ihrer Leidenschaft, die sie mit tausend Sehnsuchtbanden in die Arme des geliebten Mannes zog, zu bewältigen, und sie ging als Siegerin aus diesem Kampfe hervor, obschon nicht ohne eine tiefschmerzende Seelenwunde. Der Abschied zerriß ihr Herz, und trübe Ahnungen durchschauerten ihre Seele. Ein Briefwechsel wurde, als sich von selbst verstehend, verabredet; Leonardus Briefe sollten alle auf der Post zu Lahr liegen bleiben und von dort durch zuverlässige Boten abgeholt werden.

Frau Windt empfing neben manchem schönen Andenken die Zusicherung nie erlöschender Dankbarkeit. Sie vermißte schmerzlich die gute hülfreiche Anges, als sie sich nun, nach ihres Mannes Lieblingsausdruck, fast fort und fort in "Rep und Ruhr" befand. Diese Verwirrung nahm noch lange kein Ende; doch Windt hatte sich nun eingelebt in das bewegte kriegerische Leben, ritt oft mit den Freunden nach Arnhem, führte erbitterten Krieg gegen alles marodirende Gesindel, und hatte an Philipp dabei einen stets kampflustigen handfesten Gehülfen. Unterdessen dauerten die Kämpfe fort; an der Wahl schlug man sich mit der heftigsten Erbitterung, und der fortwährende Kanonendonner erschütterte den Erdboden so heftig, daß sich Windt's Tisch zitternd bewegte, an dem er saß, an seine Gebieterin schrieb und ihr Bericht erstattete.

verbundene Herzen die einmal unaussprechliche Trennung rasch herbei, und Alles, was den Freunden vergönnt blieb, war, die scheidende Angés auf ihrer Reise mit dem Kinde über den Rhein hinüber zu begleiten, welche Reise sich von Arnhem über Emmerich und Wesel nach Düsseldorf lenkte, und zwar so weit zu begleiten, als noch irgend eine Gefahr zu drohen schien. Dann reiste Angés mit Sophie, auch für den Weiterweg in den Schutz erprobt tapferer Krieger aus der Legion Rohan gestellt, völlig ungefährdet weiter, bis endlich nach langer Fahrt ein stilles Gebirgsdörfchen des Schwarzwaldes sie in seinen Friedensschoos aufnahm, in dem jetzt keines Kriegers Waffe, sondern nur zur Sommerzeit der Mäher Sense über den duftausströmenden Waldeswiesen blinkte, und kein anderer Schuß fiel, als zu Zeiten der eines heiteren Weidgesellen, der auf nichts weniger ausging, als auf Menschenmord. Angés hatte mit festem Sinn die Gluth ihrer Liebe zu Leonardus in sich verschlossen; mit starkem Frauensinn hatte sie sich gelobt, ihrer Leidenschaft, die sie mit tausend Sehnsuchtbanden in die Arme des geliebten Mannes zog, zu bewältigen, und sie ging als Siegerin aus diesem Kampfe hervor, obschon nicht ohne eine tiefschmerzende Seelenwunde. Der Abschied zerriß ihr Herz, und trübe Ahnungen durchschauerten ihre Seele. Ein Briefwechsel wurde, als sich von selbst verstehend, verabredet; Leonardus Briefe sollten alle auf der Post zu Lahr liegen bleiben und von dort durch zuverlässige Boten abgeholt werden.

Frau Windt empfing neben manchem schönen Andenken die Zusicherung nie erlöschender Dankbarkeit. Sie vermißte schmerzlich die gute hülfreiche Angés, als sie sich nun, nach ihres Mannes Lieblingsausdruck, fast fort und fort in „Rep und Ruhr“ befand. Diese Verwirrung nahm noch lange kein Ende; doch Windt hatte sich nun eingelebt in das bewegte kriegerische Leben, ritt oft mit den Freunden nach Arnhem, führte erbitterten Krieg gegen alles marodirende Gesindel, und hatte an Philipp dabei einen stets kampflustigen handfesten Gehülfen. Unterdessen dauerten die Kämpfe fort; an der Wahl schlug man sich mit der heftigsten Erbitterung, und der fortwährende Kanonendonner erschütterte den Erdboden so heftig, daß sich Windt’s Tisch zitternd bewegte, an dem er saß, an seine Gebieterin schrieb und ihr Bericht erstattete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0203" n="199"/>
verbundene Herzen die einmal unaussprechliche Trennung rasch herbei, und Alles, was den Freunden vergönnt blieb, war, die scheidende Angés auf ihrer Reise mit dem Kinde über den Rhein hinüber zu begleiten, welche Reise sich von Arnhem über Emmerich und Wesel nach Düsseldorf lenkte, und zwar so weit zu begleiten, als noch irgend eine Gefahr zu drohen schien. Dann reiste Angés mit Sophie, auch für den Weiterweg in den Schutz erprobt tapferer Krieger aus der Legion Rohan gestellt, völlig ungefährdet weiter, bis endlich nach langer Fahrt ein stilles Gebirgsdörfchen des Schwarzwaldes sie in seinen Friedensschoos aufnahm, in dem jetzt keines Kriegers Waffe, sondern nur zur Sommerzeit der Mäher Sense über den duftausströmenden Waldeswiesen blinkte, und kein anderer Schuß fiel, als zu Zeiten der eines heiteren Weidgesellen, der auf nichts weniger ausging, als auf Menschenmord. Angés hatte mit festem Sinn die Gluth ihrer Liebe zu Leonardus in sich verschlossen; mit starkem Frauensinn hatte sie sich gelobt, ihrer Leidenschaft, die sie mit tausend Sehnsuchtbanden in die Arme des geliebten Mannes zog, zu bewältigen, und sie ging als Siegerin aus diesem Kampfe hervor, obschon nicht ohne eine tiefschmerzende Seelenwunde. Der Abschied zerriß ihr Herz, und trübe Ahnungen durchschauerten ihre Seele. Ein Briefwechsel wurde, als sich von selbst verstehend, verabredet; Leonardus Briefe sollten alle auf der Post zu Lahr liegen bleiben und von dort durch zuverlässige Boten abgeholt werden.</p>
          <p>Frau Windt empfing neben manchem schönen Andenken die Zusicherung nie erlöschender Dankbarkeit. Sie vermißte schmerzlich die gute hülfreiche Angés, als sie sich nun, nach ihres Mannes Lieblingsausdruck, fast fort und fort in &#x201E;Rep und Ruhr&#x201C;  befand. Diese Verwirrung nahm noch lange kein Ende; doch Windt hatte sich nun eingelebt in das bewegte kriegerische Leben, ritt oft mit den Freunden nach Arnhem, führte erbitterten Krieg gegen alles marodirende Gesindel, und hatte an Philipp dabei einen stets kampflustigen handfesten Gehülfen. Unterdessen dauerten die Kämpfe fort; an der Wahl schlug man sich mit der heftigsten Erbitterung, und der fortwährende Kanonendonner erschütterte den Erdboden so heftig, daß sich Windt&#x2019;s Tisch zitternd bewegte, an dem er saß, an seine Gebieterin schrieb und ihr Bericht erstattete.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0203] verbundene Herzen die einmal unaussprechliche Trennung rasch herbei, und Alles, was den Freunden vergönnt blieb, war, die scheidende Angés auf ihrer Reise mit dem Kinde über den Rhein hinüber zu begleiten, welche Reise sich von Arnhem über Emmerich und Wesel nach Düsseldorf lenkte, und zwar so weit zu begleiten, als noch irgend eine Gefahr zu drohen schien. Dann reiste Angés mit Sophie, auch für den Weiterweg in den Schutz erprobt tapferer Krieger aus der Legion Rohan gestellt, völlig ungefährdet weiter, bis endlich nach langer Fahrt ein stilles Gebirgsdörfchen des Schwarzwaldes sie in seinen Friedensschoos aufnahm, in dem jetzt keines Kriegers Waffe, sondern nur zur Sommerzeit der Mäher Sense über den duftausströmenden Waldeswiesen blinkte, und kein anderer Schuß fiel, als zu Zeiten der eines heiteren Weidgesellen, der auf nichts weniger ausging, als auf Menschenmord. Angés hatte mit festem Sinn die Gluth ihrer Liebe zu Leonardus in sich verschlossen; mit starkem Frauensinn hatte sie sich gelobt, ihrer Leidenschaft, die sie mit tausend Sehnsuchtbanden in die Arme des geliebten Mannes zog, zu bewältigen, und sie ging als Siegerin aus diesem Kampfe hervor, obschon nicht ohne eine tiefschmerzende Seelenwunde. Der Abschied zerriß ihr Herz, und trübe Ahnungen durchschauerten ihre Seele. Ein Briefwechsel wurde, als sich von selbst verstehend, verabredet; Leonardus Briefe sollten alle auf der Post zu Lahr liegen bleiben und von dort durch zuverlässige Boten abgeholt werden. Frau Windt empfing neben manchem schönen Andenken die Zusicherung nie erlöschender Dankbarkeit. Sie vermißte schmerzlich die gute hülfreiche Angés, als sie sich nun, nach ihres Mannes Lieblingsausdruck, fast fort und fort in „Rep und Ruhr“ befand. Diese Verwirrung nahm noch lange kein Ende; doch Windt hatte sich nun eingelebt in das bewegte kriegerische Leben, ritt oft mit den Freunden nach Arnhem, führte erbitterten Krieg gegen alles marodirende Gesindel, und hatte an Philipp dabei einen stets kampflustigen handfesten Gehülfen. Unterdessen dauerten die Kämpfe fort; an der Wahl schlug man sich mit der heftigsten Erbitterung, und der fortwährende Kanonendonner erschütterte den Erdboden so heftig, daß sich Windt’s Tisch zitternd bewegte, an dem er saß, an seine Gebieterin schrieb und ihr Bericht erstattete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/203
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/203>, abgerufen am 19.04.2024.