Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

der Herrlichkeit ihre Cantonnirung angewiesen erhielt. Dieser folgte das englische Freicorps von Salm-Kyrburg; dazwischen hatte Windt über tägliche Lasten zu klagen, Durchmärsche, Plünderungsversuche, Aerger und Verlust im Uebermaß. Dem erwähnten Freicorps folgten Jäger vom Regimente Hompesch -- diesen ein Bataillon von Hohenlohe -- dann kam das achte und das vierzehnte Regiment englische leichte Dragoner. Alles Land von Nimwegen bis Leiden war mit Truppen überschwemmt.

Von Zeit zu Zeit kamen auch mehrere der hohen Befehlshaber aus Arnhem herüber geritten, und eines Tages geschah es, daß der Erbherr den Prinzen Ernst August von Großbritannien und noch einen Herrn in sein Schloß einführte, die Bewohner desselben freundlich begrüßte und sich genau nach allen Verhältnissen erkundigte, da diese jeder kommende Tag wieder anders gestaltete. Prinz Ernst August, von dem Niemand glauben konnte, da ihm noch drei ältere Brüder, Georg, Friedrich von York und Wilhelm, Herzog vom Clarence lebten, welche alle zum Königsthrone gelangten, daß auch er einst die Krone eines Königreichs tragen werde, forderte Windt und Leonardus zu einem Recognitionsritt in die Umgegend auf, und der Erbherr sagte zu seinem Vetter Ludwig, er möge ihm und dem zweiten Gast einstweilen Gesellschaft leisten, indem er seinen Vetter diesem Gaste vorstellte. Dieser Fremde war der niederländische Gesandte, Graf Brantsen, derselbe, der die Ehre gehabt, auf seinem Schlosse Sip den Grafen von Artois zu bewirthen. Als die drei Herren vertraulich beisammen saßen und ihr Gespräch sich, wie es nicht anders sein konnte, auf die bewegte Zeit lenkte, äußerte sich der Gesandte: Dieses Wirrsal kann keine Dauer haben; es müssen Schritte geschehen, die den Völkern und Ländern den Frieden wieder geben. Mit der Waffengewalt geschieht dies noch lange nicht. Dazu führt ungleich schneller und unblutiger jene kleine feine Waffe, zu deren Führung es nicht der beiden Hände oder doch der ganzen Faust, sondern nur dreier Finger bedarf, und ein gewisses Maß von Kenntnissen, mit einem klaren Verstande, nebst redlichem Willen.

Du wirst verstehen, lieber Vetter, was der Herr Ambassadeur meinen, erläuterte der Erbherr: und seine Güte, die ich für dich in Anspruch zu nehmen mich erkühnte, um dir einen recht guten und treuen

der Herrlichkeit ihre Cantonnirung angewiesen erhielt. Dieser folgte das englische Freicorps von Salm-Kyrburg; dazwischen hatte Windt über tägliche Lasten zu klagen, Durchmärsche, Plünderungsversuche, Aerger und Verlust im Uebermaß. Dem erwähnten Freicorps folgten Jäger vom Regimente Hompesch — diesen ein Bataillon von Hohenlohe — dann kam das achte und das vierzehnte Regiment englische leichte Dragoner. Alles Land von Nimwegen bis Leiden war mit Truppen überschwemmt.

Von Zeit zu Zeit kamen auch mehrere der hohen Befehlshaber aus Arnhem herüber geritten, und eines Tages geschah es, daß der Erbherr den Prinzen Ernst August von Großbritannien und noch einen Herrn in sein Schloß einführte, die Bewohner desselben freundlich begrüßte und sich genau nach allen Verhältnissen erkundigte, da diese jeder kommende Tag wieder anders gestaltete. Prinz Ernst August, von dem Niemand glauben konnte, da ihm noch drei ältere Brüder, Georg, Friedrich von York und Wilhelm, Herzog vom Clarence lebten, welche alle zum Königsthrone gelangten, daß auch er einst die Krone eines Königreichs tragen werde, forderte Windt und Leonardus zu einem Recognitionsritt in die Umgegend auf, und der Erbherr sagte zu seinem Vetter Ludwig, er möge ihm und dem zweiten Gast einstweilen Gesellschaft leisten, indem er seinen Vetter diesem Gaste vorstellte. Dieser Fremde war der niederländische Gesandte, Graf Brantsen, derselbe, der die Ehre gehabt, auf seinem Schlosse Sip den Grafen von Artois zu bewirthen. Als die drei Herren vertraulich beisammen saßen und ihr Gespräch sich, wie es nicht anders sein konnte, auf die bewegte Zeit lenkte, äußerte sich der Gesandte: Dieses Wirrsal kann keine Dauer haben; es müssen Schritte geschehen, die den Völkern und Ländern den Frieden wieder geben. Mit der Waffengewalt geschieht dies noch lange nicht. Dazu führt ungleich schneller und unblutiger jene kleine feine Waffe, zu deren Führung es nicht der beiden Hände oder doch der ganzen Faust, sondern nur dreier Finger bedarf, und ein gewisses Maß von Kenntnissen, mit einem klaren Verstande, nebst redlichem Willen.

Du wirst verstehen, lieber Vetter, was der Herr Ambassadeur meinen, erläuterte der Erbherr: und seine Güte, die ich für dich in Anspruch zu nehmen mich erkühnte, um dir einen recht guten und treuen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0214" n="210"/>
der Herrlichkeit ihre Cantonnirung angewiesen erhielt. Dieser folgte das englische Freicorps von Salm-Kyrburg; dazwischen hatte Windt über tägliche Lasten zu klagen, Durchmärsche, Plünderungsversuche, Aerger und Verlust im Uebermaß. Dem erwähnten Freicorps folgten Jäger vom Regimente Hompesch &#x2014; diesen ein Bataillon von Hohenlohe &#x2014; dann kam das achte und das vierzehnte Regiment englische leichte Dragoner. Alles Land von Nimwegen bis Leiden war mit Truppen überschwemmt.</p>
          <p>Von Zeit zu Zeit kamen auch mehrere der hohen Befehlshaber aus Arnhem herüber geritten, und eines Tages geschah es, daß der Erbherr den Prinzen Ernst August von Großbritannien und noch einen Herrn in sein Schloß einführte, die Bewohner desselben freundlich begrüßte und sich genau nach allen Verhältnissen erkundigte, da diese jeder kommende Tag wieder anders gestaltete. Prinz Ernst August, von dem Niemand glauben konnte, da ihm noch drei ältere Brüder, Georg, Friedrich von York und Wilhelm, Herzog vom Clarence lebten, welche alle zum Königsthrone gelangten, daß auch er einst die Krone eines Königreichs tragen werde, forderte Windt und Leonardus zu einem Recognitionsritt in die Umgegend auf, und der Erbherr sagte zu seinem Vetter Ludwig, er möge ihm und dem zweiten Gast einstweilen Gesellschaft leisten, indem er seinen Vetter diesem Gaste vorstellte. Dieser Fremde war der niederländische Gesandte, Graf Brantsen, derselbe, der die Ehre gehabt, auf seinem Schlosse Sip den Grafen von Artois zu bewirthen. Als die drei Herren vertraulich beisammen saßen und ihr Gespräch sich, wie es nicht anders sein konnte, auf die bewegte Zeit lenkte, äußerte sich der Gesandte: Dieses Wirrsal kann keine Dauer haben; es müssen Schritte geschehen, die den Völkern und Ländern den Frieden wieder geben. Mit der Waffengewalt geschieht dies noch lange nicht. Dazu führt ungleich schneller und unblutiger jene kleine feine Waffe, zu deren Führung es nicht der beiden Hände oder doch der ganzen Faust, sondern nur dreier Finger bedarf, und ein gewisses Maß von Kenntnissen, mit einem klaren Verstande, nebst redlichem Willen.</p>
          <p>Du wirst verstehen, lieber Vetter, was der Herr Ambassadeur meinen, erläuterte der Erbherr: und seine Güte, die ich für dich in Anspruch zu nehmen mich erkühnte, um dir einen recht guten und treuen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[210/0214] der Herrlichkeit ihre Cantonnirung angewiesen erhielt. Dieser folgte das englische Freicorps von Salm-Kyrburg; dazwischen hatte Windt über tägliche Lasten zu klagen, Durchmärsche, Plünderungsversuche, Aerger und Verlust im Uebermaß. Dem erwähnten Freicorps folgten Jäger vom Regimente Hompesch — diesen ein Bataillon von Hohenlohe — dann kam das achte und das vierzehnte Regiment englische leichte Dragoner. Alles Land von Nimwegen bis Leiden war mit Truppen überschwemmt. Von Zeit zu Zeit kamen auch mehrere der hohen Befehlshaber aus Arnhem herüber geritten, und eines Tages geschah es, daß der Erbherr den Prinzen Ernst August von Großbritannien und noch einen Herrn in sein Schloß einführte, die Bewohner desselben freundlich begrüßte und sich genau nach allen Verhältnissen erkundigte, da diese jeder kommende Tag wieder anders gestaltete. Prinz Ernst August, von dem Niemand glauben konnte, da ihm noch drei ältere Brüder, Georg, Friedrich von York und Wilhelm, Herzog vom Clarence lebten, welche alle zum Königsthrone gelangten, daß auch er einst die Krone eines Königreichs tragen werde, forderte Windt und Leonardus zu einem Recognitionsritt in die Umgegend auf, und der Erbherr sagte zu seinem Vetter Ludwig, er möge ihm und dem zweiten Gast einstweilen Gesellschaft leisten, indem er seinen Vetter diesem Gaste vorstellte. Dieser Fremde war der niederländische Gesandte, Graf Brantsen, derselbe, der die Ehre gehabt, auf seinem Schlosse Sip den Grafen von Artois zu bewirthen. Als die drei Herren vertraulich beisammen saßen und ihr Gespräch sich, wie es nicht anders sein konnte, auf die bewegte Zeit lenkte, äußerte sich der Gesandte: Dieses Wirrsal kann keine Dauer haben; es müssen Schritte geschehen, die den Völkern und Ländern den Frieden wieder geben. Mit der Waffengewalt geschieht dies noch lange nicht. Dazu führt ungleich schneller und unblutiger jene kleine feine Waffe, zu deren Führung es nicht der beiden Hände oder doch der ganzen Faust, sondern nur dreier Finger bedarf, und ein gewisses Maß von Kenntnissen, mit einem klaren Verstande, nebst redlichem Willen. Du wirst verstehen, lieber Vetter, was der Herr Ambassadeur meinen, erläuterte der Erbherr: und seine Güte, die ich für dich in Anspruch zu nehmen mich erkühnte, um dir einen recht guten und treuen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/214
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/214>, abgerufen am 19.04.2024.