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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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glauben Sie mir, theuerste Freundin, daß ich stets zittere, wenn mein treuer Philipp mir Briefe bringt. Wird nicht wieder eine Todesnachricht darin stehen? denke ich jedesmal. So verfolgt mich mein dunkler Schatten, die Nacht meiner Gedanken, wie Andere mein unseliger Fluch verfolgt! Haben Sie Acht, was Alles noch wahr wird! Und erst heute, ein Wiedersehen, an dessen nächste Secunden abermals eine Trennung sich knüpfte. Körperlich bin ich gesünder geworden, geistig leide ich mehr als je. Ich habe kein Lebensziel, mein Dasein hat keinen würdigen und erhabenen Zweck, das ist ein Unglück, ich selbst kann mir keinen schaffen, das ist ein noch größeres! Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, einen zu finden, und sollte ich ihn weit, recht weit suchen."

"Leben Sie tausendmal wohl, und froh und reich und glücklich! Ich erwarte auf diesen verworrenen Brief keine Antwort, aber streuen Sie aus der Ferne die frommen Blumen Ihres Segens auf den umdunkelten Lebensweg Ihres

Ludwig."

Der herzogliche Beamte rückte mit dem Kammerdiener Grimm und den zehn Mann Schutzmannschaft Abends in Hildburghausen ein. Als er seinem Gebieter am anderen Morgen vom Erfolg seiner Sendung Bericht erstattete, in der Meinung, der Graf habe dies schon am Abend vorher gethan, fragte der Herzog: Wo ist der Varel, wo ist er? Ist nicht bei mir gewesen, hat mir Nichts gesagt, sagt überhaupt nicht gerne was, der Sonderling, der!

Der Büchsenspanner Eberlein trat ein, und brachte Karten, höfliche Abschiedskarten.

Graf Ludwig war abgereist.

Am nächsten Tage war er vergessen.

Was er Gutes für das Land gethan, auch die ausgewirkte Schutzmannschaft, das Alles wurde jetzt dem Verdienst des Beamten angerechnet, der den Grafen begleitet hatte, er empfing das volle anerkennende Lob seines Herrn, des Herzogs, und nahm es bescheiden hin, wie einem treuen Diener ziemt.

Eins nur fesselte aus jenen Tagen in Hildburghausen dauernd des Grafen Erinnerung. Das war jenes stille friedliche Dorf, wo er zuerst Sophie, wo er Anges wiedergesehen hatte.



glauben Sie mir, theuerste Freundin, daß ich stets zittere, wenn mein treuer Philipp mir Briefe bringt. Wird nicht wieder eine Todesnachricht darin stehen? denke ich jedesmal. So verfolgt mich mein dunkler Schatten, die Nacht meiner Gedanken, wie Andere mein unseliger Fluch verfolgt! Haben Sie Acht, was Alles noch wahr wird! Und erst heute, ein Wiedersehen, an dessen nächste Secunden abermals eine Trennung sich knüpfte. Körperlich bin ich gesünder geworden, geistig leide ich mehr als je. Ich habe kein Lebensziel, mein Dasein hat keinen würdigen und erhabenen Zweck, das ist ein Unglück, ich selbst kann mir keinen schaffen, das ist ein noch größeres! Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, einen zu finden, und sollte ich ihn weit, recht weit suchen.“

„Leben Sie tausendmal wohl, und froh und reich und glücklich! Ich erwarte auf diesen verworrenen Brief keine Antwort, aber streuen Sie aus der Ferne die frommen Blumen Ihres Segens auf den umdunkelten Lebensweg Ihres

Ludwig.“

Der herzogliche Beamte rückte mit dem Kammerdiener Grimm und den zehn Mann Schutzmannschaft Abends in Hildburghausen ein. Als er seinem Gebieter am anderen Morgen vom Erfolg seiner Sendung Bericht erstattete, in der Meinung, der Graf habe dies schon am Abend vorher gethan, fragte der Herzog: Wo ist der Varel, wo ist er? Ist nicht bei mir gewesen, hat mir Nichts gesagt, sagt überhaupt nicht gerne was, der Sonderling, der!

Der Büchsenspanner Eberlein trat ein, und brachte Karten, höfliche Abschiedskarten.

Graf Ludwig war abgereist.

Am nächsten Tage war er vergessen.

Was er Gutes für das Land gethan, auch die ausgewirkte Schutzmannschaft, das Alles wurde jetzt dem Verdienst des Beamten angerechnet, der den Grafen begleitet hatte, er empfing das volle anerkennende Lob seines Herrn, des Herzogs, und nahm es bescheiden hin, wie einem treuen Diener ziemt.

Eins nur fesselte aus jenen Tagen in Hildburghausen dauernd des Grafen Erinnerung. Das war jenes stille friedliche Dorf, wo er zuerst Sophie, wo er Angés wiedergesehen hatte.



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[334/0338] glauben Sie mir, theuerste Freundin, daß ich stets zittere, wenn mein treuer Philipp mir Briefe bringt. Wird nicht wieder eine Todesnachricht darin stehen? denke ich jedesmal. So verfolgt mich mein dunkler Schatten, die Nacht meiner Gedanken, wie Andere mein unseliger Fluch verfolgt! Haben Sie Acht, was Alles noch wahr wird! Und erst heute, ein Wiedersehen, an dessen nächste Secunden abermals eine Trennung sich knüpfte. Körperlich bin ich gesünder geworden, geistig leide ich mehr als je. Ich habe kein Lebensziel, mein Dasein hat keinen würdigen und erhabenen Zweck, das ist ein Unglück, ich selbst kann mir keinen schaffen, das ist ein noch größeres! Aber ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, einen zu finden, und sollte ich ihn weit, recht weit suchen.“ „Leben Sie tausendmal wohl, und froh und reich und glücklich! Ich erwarte auf diesen verworrenen Brief keine Antwort, aber streuen Sie aus der Ferne die frommen Blumen Ihres Segens auf den umdunkelten Lebensweg Ihres Ludwig.“ Der herzogliche Beamte rückte mit dem Kammerdiener Grimm und den zehn Mann Schutzmannschaft Abends in Hildburghausen ein. Als er seinem Gebieter am anderen Morgen vom Erfolg seiner Sendung Bericht erstattete, in der Meinung, der Graf habe dies schon am Abend vorher gethan, fragte der Herzog: Wo ist der Varel, wo ist er? Ist nicht bei mir gewesen, hat mir Nichts gesagt, sagt überhaupt nicht gerne was, der Sonderling, der! Der Büchsenspanner Eberlein trat ein, und brachte Karten, höfliche Abschiedskarten. Graf Ludwig war abgereist. Am nächsten Tage war er vergessen. Was er Gutes für das Land gethan, auch die ausgewirkte Schutzmannschaft, das Alles wurde jetzt dem Verdienst des Beamten angerechnet, der den Grafen begleitet hatte, er empfing das volle anerkennende Lob seines Herrn, des Herzogs, und nahm es bescheiden hin, wie einem treuen Diener ziemt. Eins nur fesselte aus jenen Tagen in Hildburghausen dauernd des Grafen Erinnerung. Das war jenes stille friedliche Dorf, wo er zuerst Sophie, wo er Angés wiedergesehen hatte.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/338>, abgerufen am 25.04.2024.