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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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Zwergengold: fünfzig Rechnenpfennige, ein Häring und zwei Spindeln. Es werde sonder Zweifel der dermalige Inhaber besagten Kleinods sich mit ohngefähr vier- bis fünftausend Mark Hamburger Banco zu Dank begnügen lassen, um so mehr, als der hochgnädige Erbherr die frühere übergroße Schenkung großmüthig wolle passiren lassen, ohngeachtet ihm C. 32, Cod. de donationibus und die prononcirte Meinung Schaumburgs in Comp. ff. ad tit. de donat. §. X, nebst andern mehr, hinlänglichen Stoff zu Einreden an die Hand geben könnten.

Ludwig hatte Mühe, in Sophiens Gegenwart seinen Zorn zu beherrschen, der bei Lesung dieser Schrift in ihm aufflammte, aber seine Hände zitterten, während er dieses Memorandum las, bis er es plötzlich, wie es war, mit dem Ausruf: Dänische Spinne! von oben bis unten zerriß und zusammenknitterte.

Was sagte die selige Großmutter? rief er entschlossen. "Sie sollen ihn nicht haben!" sprach sie. "Sie sollen nicht wieder daraus trinken!" Und die Worte eines Sterbenden sollen uns heilig sein! Wohl ist dieses kunstvolle und köstliche Geräth ein hochwerthes Kleinod und für mich in der That ganz unschätzbar -- o es schließt Herzen unsichtbar in sich ein, theure edle Herzen! Aber bedarf es für diese Herzen eines sichtbaren Andenkens? Nein, bei mir nimmermehr, so lange ich athme. Darum will ich rasch mich scheiden von seinem Besitze, ehe List oder Uebereilung oder Raub oder Bitte es mir abdringen.

Schnell war sein Entschluß gefaßt; in den nächsten Minuten saß er schon am Schreibtisch und schrieb an die Herzogin Georgine:

"Hochgnädigste mütterliche Freundin!

Aus der Hand meiner sterbenden Großmutter empfing ich das beifolgende Kunstwerk. Stets auf Reisen und noch ohne dauernden Wohnsitz macht es mir große Sorge, daß ein unglücklicher Zufall mich um dieses mir doppelt heilige Unterpfand hoher Liebe bringen könnte. Die Urkunde über meinen völlig rechtmäßigen Besitz ist dem Kunstwerke beigegeben. Ich sende es Ihnen, wo es sicher und in treuer Hand bewahrt bleibt; heben Sie mir diesen Falken liebevoll auf, bis ich denselben zurückfordere. Geschieht dies nicht, so sei und bleibe der Juwelenfalk, der unter keiner Bedingung an einen andern als an mich selbst, wenn ich denselben wieder fordere, gegeben werden

Zwergengold: fünfzig Rechnenpfennige, ein Häring und zwei Spindeln. Es werde sonder Zweifel der dermalige Inhaber besagten Kleinods sich mit ohngefähr vier- bis fünftausend Mark Hamburger Banco zu Dank begnügen lassen, um so mehr, als der hochgnädige Erbherr die frühere übergroße Schenkung großmüthig wolle passiren lassen, ohngeachtet ihm C. 32, Cod. de donationibus und die prononcirte Meinung Schaumburgs in Comp. ff. ad tit. de donat. §. X, nebst andern mehr, hinlänglichen Stoff zu Einreden an die Hand geben könnten.

Ludwig hatte Mühe, in Sophiens Gegenwart seinen Zorn zu beherrschen, der bei Lesung dieser Schrift in ihm aufflammte, aber seine Hände zitterten, während er dieses Memorandum las, bis er es plötzlich, wie es war, mit dem Ausruf: Dänische Spinne! von oben bis unten zerriß und zusammenknitterte.

Was sagte die selige Großmutter? rief er entschlossen. »Sie sollen ihn nicht haben!“ sprach sie. „Sie sollen nicht wieder daraus trinken!“ Und die Worte eines Sterbenden sollen uns heilig sein! Wohl ist dieses kunstvolle und köstliche Geräth ein hochwerthes Kleinod und für mich in der That ganz unschätzbar — o es schließt Herzen unsichtbar in sich ein, theure edle Herzen! Aber bedarf es für diese Herzen eines sichtbaren Andenkens? Nein, bei mir nimmermehr, so lange ich athme. Darum will ich rasch mich scheiden von seinem Besitze, ehe List oder Uebereilung oder Raub oder Bitte es mir abdringen.

Schnell war sein Entschluß gefaßt; in den nächsten Minuten saß er schon am Schreibtisch und schrieb an die Herzogin Georgine:

„Hochgnädigste mütterliche Freundin!

Aus der Hand meiner sterbenden Großmutter empfing ich das beifolgende Kunstwerk. Stets auf Reisen und noch ohne dauernden Wohnsitz macht es mir große Sorge, daß ein unglücklicher Zufall mich um dieses mir doppelt heilige Unterpfand hoher Liebe bringen könnte. Die Urkunde über meinen völlig rechtmäßigen Besitz ist dem Kunstwerke beigegeben. Ich sende es Ihnen, wo es sicher und in treuer Hand bewahrt bleibt; heben Sie mir diesen Falken liebevoll auf, bis ich denselben zurückfordere. Geschieht dies nicht, so sei und bleibe der Juwelenfalk, der unter keiner Bedingung an einen andern als an mich selbst, wenn ich denselben wieder fordere, gegeben werden

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Zwergengold: fünfzig Rechnenpfennige, ein Häring und zwei Spindeln. Es werde sonder Zweifel der dermalige Inhaber besagten Kleinods sich mit ohngefähr vier- bis fünftausend Mark Hamburger Banco zu Dank begnügen lassen, um so mehr, als der hochgnädige Erbherr die frühere übergroße Schenkung großmüthig wolle passiren lassen, ohngeachtet ihm C. 32, <hi rendition="#aq">Cod. de donationibus</hi> und die prononcirte Meinung Schaumburgs <hi rendition="#aq">in Comp. ff. ad tit. de donat. §. X</hi>, nebst andern mehr, hinlänglichen Stoff zu Einreden an die Hand geben könnten.</p>
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[399/0403] Zwergengold: fünfzig Rechnenpfennige, ein Häring und zwei Spindeln. Es werde sonder Zweifel der dermalige Inhaber besagten Kleinods sich mit ohngefähr vier- bis fünftausend Mark Hamburger Banco zu Dank begnügen lassen, um so mehr, als der hochgnädige Erbherr die frühere übergroße Schenkung großmüthig wolle passiren lassen, ohngeachtet ihm C. 32, Cod. de donationibus und die prononcirte Meinung Schaumburgs in Comp. ff. ad tit. de donat. §. X, nebst andern mehr, hinlänglichen Stoff zu Einreden an die Hand geben könnten. Ludwig hatte Mühe, in Sophiens Gegenwart seinen Zorn zu beherrschen, der bei Lesung dieser Schrift in ihm aufflammte, aber seine Hände zitterten, während er dieses Memorandum las, bis er es plötzlich, wie es war, mit dem Ausruf: Dänische Spinne! von oben bis unten zerriß und zusammenknitterte. Was sagte die selige Großmutter? rief er entschlossen. »Sie sollen ihn nicht haben!“ sprach sie. „Sie sollen nicht wieder daraus trinken!“ Und die Worte eines Sterbenden sollen uns heilig sein! Wohl ist dieses kunstvolle und köstliche Geräth ein hochwerthes Kleinod und für mich in der That ganz unschätzbar — o es schließt Herzen unsichtbar in sich ein, theure edle Herzen! Aber bedarf es für diese Herzen eines sichtbaren Andenkens? Nein, bei mir nimmermehr, so lange ich athme. Darum will ich rasch mich scheiden von seinem Besitze, ehe List oder Uebereilung oder Raub oder Bitte es mir abdringen. Schnell war sein Entschluß gefaßt; in den nächsten Minuten saß er schon am Schreibtisch und schrieb an die Herzogin Georgine: „Hochgnädigste mütterliche Freundin! Aus der Hand meiner sterbenden Großmutter empfing ich das beifolgende Kunstwerk. Stets auf Reisen und noch ohne dauernden Wohnsitz macht es mir große Sorge, daß ein unglücklicher Zufall mich um dieses mir doppelt heilige Unterpfand hoher Liebe bringen könnte. Die Urkunde über meinen völlig rechtmäßigen Besitz ist dem Kunstwerke beigegeben. Ich sende es Ihnen, wo es sicher und in treuer Hand bewahrt bleibt; heben Sie mir diesen Falken liebevoll auf, bis ich denselben zurückfordere. Geschieht dies nicht, so sei und bleibe der Juwelenfalk, der unter keiner Bedingung an einen andern als an mich selbst, wenn ich denselben wieder fordere, gegeben werden

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/403>, abgerufen am 28.03.2024.