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Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

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war, daß zwischen Jever und Kniphausen der russische Grenzpfahl stand, von dem ein Adlerkopf nach Kniphausen, und der andere nach Varel sich neigte, gerade als ob in diesem schlimmen und starken Vogel Lust vorhanden sei, auch diese beiden Herrlichkeiten zu rauben. Es kämpfte daher mächtig in dem Grafen, ob er der erhaltenen Aufforderung Folge leisten solle oder nicht, zumal sich schon halb und halb in ihm ein Plan gebildet hatte, von dem er sich ein reines Zukunftglück versprach, der Sophien Schutz und ihm Freiheit zur Hingabe an seine Lieblingsneigungen und an ein ihm besonders zusagendes gemüthliches Stillleben gewähren sollte.

Gleichwohl ehrte Ludwig die Prinzessin, Sophie und das Geschick Beider zu sehr, um nicht zu fühlen, daß er vor dem Wunsche der Ersteren seine eigene Neigung aufopfern müsse. Er theilte daher der jungen Prinzessin den Brief ihrer Mutter mit und diese, obgleich erst fünfzehn Jahre zählend, war doch hinlänglich durch den Schmerz für den Ernst des Lebens gereift, um nicht die Bedeutung eines solchen Schrittes vollkommen würdigen zu können.

Sie schlug das seelenvolle Auge zu Ludwig auf und sprach bewegt: Ich habe keinen Willen, ich folge der Mutter, ich folge Ihnen, ich beuge mich in Demuth Allem, was über mich verhängt wird.

Sophie, entgegnete Ludwig: mich schmerzt, was Sie mir erwiedern, obschon ich weiß, daß Sie mich nicht durch Ihre Worte verwunden wollen. Wenn auch die Verhältnisse Ihnen die tiefste Zurückhaltung und Verschlossenheit der Welt gegenüber als eine schwer zu tragende Fessel auferlegen, so dürfen Sie doch mir gegenüber sich frei und offen äußern, denn Sie wissen ja, fügte er, um den Ernst seiner Rede zu mildern, im leichten scherzenden Tone hinzu: daß Sie nicht meine Untergebene, sondern meine Gebieterin sind. Daher dürfen Sie Ihr Verhältniß zu mir nicht so nehmen, als seien Sie ein willenloses Lamm oder ein Opfer der Politik, nein, im Gegentheil, ich werde Nichts unternehmen, in das Sie nicht willigen, da ich im Voraus weiß, wie Ihre klare Einsicht Ihnen sagt und Ihr Gefühl Ihnen sagen wird, daß ich nur an Ihr Heil sinne und denke.

Gewiß, dies fühle ich lebhaft, lieber Graf! versetzte Sophie: und ich will mich bessern; da nun aber meine geliebte Mutter befiehlt, so glaube ich, gehorchen zu müssen, wenn Ihre Meinung damit übereinstimmt.

war, daß zwischen Jever und Kniphausen der russische Grenzpfahl stand, von dem ein Adlerkopf nach Kniphausen, und der andere nach Varel sich neigte, gerade als ob in diesem schlimmen und starken Vogel Lust vorhanden sei, auch diese beiden Herrlichkeiten zu rauben. Es kämpfte daher mächtig in dem Grafen, ob er der erhaltenen Aufforderung Folge leisten solle oder nicht, zumal sich schon halb und halb in ihm ein Plan gebildet hatte, von dem er sich ein reines Zukunftglück versprach, der Sophien Schutz und ihm Freiheit zur Hingabe an seine Lieblingsneigungen und an ein ihm besonders zusagendes gemüthliches Stillleben gewähren sollte.

Gleichwohl ehrte Ludwig die Prinzessin, Sophie und das Geschick Beider zu sehr, um nicht zu fühlen, daß er vor dem Wunsche der Ersteren seine eigene Neigung aufopfern müsse. Er theilte daher der jungen Prinzessin den Brief ihrer Mutter mit und diese, obgleich erst fünfzehn Jahre zählend, war doch hinlänglich durch den Schmerz für den Ernst des Lebens gereift, um nicht die Bedeutung eines solchen Schrittes vollkommen würdigen zu können.

Sie schlug das seelenvolle Auge zu Ludwig auf und sprach bewegt: Ich habe keinen Willen, ich folge der Mutter, ich folge Ihnen, ich beuge mich in Demuth Allem, was über mich verhängt wird.

Sophie, entgegnete Ludwig: mich schmerzt, was Sie mir erwiedern, obschon ich weiß, daß Sie mich nicht durch Ihre Worte verwunden wollen. Wenn auch die Verhältnisse Ihnen die tiefste Zurückhaltung und Verschlossenheit der Welt gegenüber als eine schwer zu tragende Fessel auferlegen, so dürfen Sie doch mir gegenüber sich frei und offen äußern, denn Sie wissen ja, fügte er, um den Ernst seiner Rede zu mildern, im leichten scherzenden Tone hinzu: daß Sie nicht meine Untergebene, sondern meine Gebieterin sind. Daher dürfen Sie Ihr Verhältniß zu mir nicht so nehmen, als seien Sie ein willenloses Lamm oder ein Opfer der Politik, nein, im Gegentheil, ich werde Nichts unternehmen, in das Sie nicht willigen, da ich im Voraus weiß, wie Ihre klare Einsicht Ihnen sagt und Ihr Gefühl Ihnen sagen wird, daß ich nur an Ihr Heil sinne und denke.

Gewiß, dies fühle ich lebhaft, lieber Graf! versetzte Sophie: und ich will mich bessern; da nun aber meine geliebte Mutter befiehlt, so glaube ich, gehorchen zu müssen, wenn Ihre Meinung damit übereinstimmt.

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war, daß zwischen Jever und Kniphausen der russische Grenzpfahl stand, von dem ein Adlerkopf nach Kniphausen, und der andere nach Varel sich neigte, gerade als ob in diesem schlimmen und starken Vogel Lust vorhanden sei, auch diese beiden Herrlichkeiten zu rauben. Es kämpfte daher mächtig in dem Grafen, ob er der erhaltenen Aufforderung Folge leisten solle oder nicht, zumal sich schon halb und halb in ihm ein Plan gebildet hatte, von dem er sich ein reines Zukunftglück versprach, der Sophien Schutz und ihm Freiheit zur Hingabe an seine Lieblingsneigungen und an ein ihm besonders zusagendes gemüthliches Stillleben gewähren sollte.</p>
          <p>Gleichwohl ehrte Ludwig die Prinzessin, Sophie und das Geschick Beider zu sehr, um nicht zu fühlen, daß er vor dem Wunsche der Ersteren seine eigene Neigung aufopfern müsse. Er theilte daher der jungen Prinzessin den Brief ihrer Mutter mit und diese, obgleich erst fünfzehn Jahre zählend, war doch hinlänglich durch den Schmerz für den Ernst des Lebens gereift, um nicht die Bedeutung eines solchen Schrittes vollkommen würdigen zu können.</p>
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[403/0407] war, daß zwischen Jever und Kniphausen der russische Grenzpfahl stand, von dem ein Adlerkopf nach Kniphausen, und der andere nach Varel sich neigte, gerade als ob in diesem schlimmen und starken Vogel Lust vorhanden sei, auch diese beiden Herrlichkeiten zu rauben. Es kämpfte daher mächtig in dem Grafen, ob er der erhaltenen Aufforderung Folge leisten solle oder nicht, zumal sich schon halb und halb in ihm ein Plan gebildet hatte, von dem er sich ein reines Zukunftglück versprach, der Sophien Schutz und ihm Freiheit zur Hingabe an seine Lieblingsneigungen und an ein ihm besonders zusagendes gemüthliches Stillleben gewähren sollte. Gleichwohl ehrte Ludwig die Prinzessin, Sophie und das Geschick Beider zu sehr, um nicht zu fühlen, daß er vor dem Wunsche der Ersteren seine eigene Neigung aufopfern müsse. Er theilte daher der jungen Prinzessin den Brief ihrer Mutter mit und diese, obgleich erst fünfzehn Jahre zählend, war doch hinlänglich durch den Schmerz für den Ernst des Lebens gereift, um nicht die Bedeutung eines solchen Schrittes vollkommen würdigen zu können. Sie schlug das seelenvolle Auge zu Ludwig auf und sprach bewegt: Ich habe keinen Willen, ich folge der Mutter, ich folge Ihnen, ich beuge mich in Demuth Allem, was über mich verhängt wird. Sophie, entgegnete Ludwig: mich schmerzt, was Sie mir erwiedern, obschon ich weiß, daß Sie mich nicht durch Ihre Worte verwunden wollen. Wenn auch die Verhältnisse Ihnen die tiefste Zurückhaltung und Verschlossenheit der Welt gegenüber als eine schwer zu tragende Fessel auferlegen, so dürfen Sie doch mir gegenüber sich frei und offen äußern, denn Sie wissen ja, fügte er, um den Ernst seiner Rede zu mildern, im leichten scherzenden Tone hinzu: daß Sie nicht meine Untergebene, sondern meine Gebieterin sind. Daher dürfen Sie Ihr Verhältniß zu mir nicht so nehmen, als seien Sie ein willenloses Lamm oder ein Opfer der Politik, nein, im Gegentheil, ich werde Nichts unternehmen, in das Sie nicht willigen, da ich im Voraus weiß, wie Ihre klare Einsicht Ihnen sagt und Ihr Gefühl Ihnen sagen wird, daß ich nur an Ihr Heil sinne und denke. Gewiß, dies fühle ich lebhaft, lieber Graf! versetzte Sophie: und ich will mich bessern; da nun aber meine geliebte Mutter befiehlt, so glaube ich, gehorchen zu müssen, wenn Ihre Meinung damit übereinstimmt.

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Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 403. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/407>, abgerufen am 25.04.2024.