Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Fenster im hinteren Hofe, eilte in den Stall und sattelte ein Pferd. Alles war das Werk weniger Minuten.

Der Hauptmann saß während dessen, den Kopf in die Hand gestützt, am Tische, wie in düsteres Hinbrüten versunken. Jetzt fuhr er mit glühenden Blicken auf, schlug mit geballter Faust auf den Tisch und that mit rauher Stimme auf Französisch schnell hintereinander mehrere Fragen an den Verwalter, die dieser, der französischen Sprache unkundig, nicht beantworten konnte. Endlich fragte Jener auf Deutsch: Wo ist der Mann hingekommen, der eben hier war? Wer ist der Herr dieses Hauses! Ich will zu ihm, ich muß ihn sprechen! -- Der hochbejahrte Verwalter gerieth in eine große Verlegenheit. Indem trat der Kammergutspachter Kaiser in das Haus, ein Mann von rüstiger Kraft und herkulischem Körperbau; dieser befreite sogleich den zaghaften Verwalter von dem barschen Ungestüm des Fremden. Entschlossen trat er vor den Franzosen und sagte: Was schwadronirt Er da? Ist es nicht genug, daß wir euch zu essen und zu trinken geben, und wenn ihr euch gut aufführt, eine Streu zum Nachtlager obendrein? Zum gnädigen Herrn wollt ihr? Zum Teufel sollt ihr! Denkt ihr, es wäre noch achzehnhundert zwölf? Die Glocke hat anno dreizehn geschlagen! Geht hinauf, der Herr ist oben -- untersteht's euch nur! Hinauf geht ihr, herunter tragen wir euch in eurem Blute. Der Herr schießt euch todt wie einen tollen Hund, daß ihr's wißt. Denkt ihr Lumpenhunde, wir fürchten uns? Muckst euch nur, so ziehen wir die Sturmglocke, schlagen euch mit Dreschflegeln todt, und kein Hahn kräht mehr nach euch! -- Der französische Hauptmann gerieth bei dieser energischen Drohung in eine kaum zu beschreibende Wuth. Bleicher als es war, konnte sein Gesicht nicht werden; grimmig schleuderte er das Glas, aus dem er getrunken, mit einem wilden Fluche zur Erde, knirschte in ohnmächtiger Wuth mit den Zähnen, rief seinen Leuten einige Worte auf Französisch zu und stürzte aus dem Hause. Philipp stand in der Stallthüre und hatte schon das gesattelte Pferd am Zügel, seine Absicht war, nach Hildburghausen zu jagen, Hülfsmannschaft für den bedrohten Ort herbeizuholen und den Hauptmann in Haft nehmen zu lassen, denn er hatte ihn und jener hatte Philipp erkannt -- es war kein Anderer als Berthelmy, Anges' verruchter Meuchelmörder. Wie der

dem Fenster im hinteren Hofe, eilte in den Stall und sattelte ein Pferd. Alles war das Werk weniger Minuten.

Der Hauptmann saß während dessen, den Kopf in die Hand gestützt, am Tische, wie in düsteres Hinbrüten versunken. Jetzt fuhr er mit glühenden Blicken auf, schlug mit geballter Faust auf den Tisch und that mit rauher Stimme auf Französisch schnell hintereinander mehrere Fragen an den Verwalter, die dieser, der französischen Sprache unkundig, nicht beantworten konnte. Endlich fragte Jener auf Deutsch: Wo ist der Mann hingekommen, der eben hier war? Wer ist der Herr dieses Hauses! Ich will zu ihm, ich muß ihn sprechen! — Der hochbejahrte Verwalter gerieth in eine große Verlegenheit. Indem trat der Kammergutspachter Kaiser in das Haus, ein Mann von rüstiger Kraft und herkulischem Körperbau; dieser befreite sogleich den zaghaften Verwalter von dem barschen Ungestüm des Fremden. Entschlossen trat er vor den Franzosen und sagte: Was schwadronirt Er da? Ist es nicht genug, daß wir euch zu essen und zu trinken geben, und wenn ihr euch gut aufführt, eine Streu zum Nachtlager obendrein? Zum gnädigen Herrn wollt ihr? Zum Teufel sollt ihr! Denkt ihr, es wäre noch achzehnhundert zwölf? Die Glocke hat anno dreizehn geschlagen! Geht hinauf, der Herr ist oben — untersteht’s euch nur! Hinauf geht ihr, herunter tragen wir euch in eurem Blute. Der Herr schießt euch todt wie einen tollen Hund, daß ihr’s wißt. Denkt ihr Lumpenhunde, wir fürchten uns? Muckst euch nur, so ziehen wir die Sturmglocke, schlagen euch mit Dreschflegeln todt, und kein Hahn kräht mehr nach euch! — Der französische Hauptmann gerieth bei dieser energischen Drohung in eine kaum zu beschreibende Wuth. Bleicher als es war, konnte sein Gesicht nicht werden; grimmig schleuderte er das Glas, aus dem er getrunken, mit einem wilden Fluche zur Erde, knirschte in ohnmächtiger Wuth mit den Zähnen, rief seinen Leuten einige Worte auf Französisch zu und stürzte aus dem Hause. Philipp stand in der Stallthüre und hatte schon das gesattelte Pferd am Zügel, seine Absicht war, nach Hildburghausen zu jagen, Hülfsmannschaft für den bedrohten Ort herbeizuholen und den Hauptmann in Haft nehmen zu lassen, denn er hatte ihn und jener hatte Philipp erkannt — es war kein Anderer als Berthelmy, Angés’ verruchter Meuchelmörder. Wie der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0435" n="431"/>
dem Fenster im hinteren Hofe, eilte in den Stall und sattelte ein Pferd. Alles war das Werk weniger Minuten.</p>
          <p>Der Hauptmann saß während dessen, den Kopf in die Hand gestützt, am Tische, wie in düsteres Hinbrüten versunken. Jetzt fuhr er mit glühenden Blicken auf, schlug mit geballter Faust auf den Tisch und that mit rauher Stimme auf Französisch schnell hintereinander mehrere Fragen an den Verwalter, die dieser, der französischen Sprache unkundig, nicht beantworten konnte. Endlich fragte Jener auf Deutsch: Wo ist der Mann hingekommen, der eben hier war? Wer ist der Herr dieses Hauses! Ich will zu ihm, ich muß ihn sprechen! &#x2014; Der hochbejahrte Verwalter gerieth in eine große Verlegenheit. Indem trat der Kammergutspachter Kaiser in das Haus, ein Mann von rüstiger Kraft und herkulischem Körperbau; dieser befreite sogleich den zaghaften Verwalter von dem barschen Ungestüm des Fremden. Entschlossen trat er vor den Franzosen und sagte: Was schwadronirt Er da? Ist es nicht genug, daß wir euch zu essen und zu trinken geben, und wenn ihr euch gut aufführt, eine Streu zum Nachtlager obendrein? Zum gnädigen Herrn wollt ihr? Zum Teufel sollt ihr! Denkt ihr, es wäre noch achzehnhundert zwölf? Die Glocke hat <hi rendition="#aq">anno</hi> dreizehn geschlagen! Geht hinauf, der Herr ist oben &#x2014; untersteht&#x2019;s euch nur! Hinauf geht ihr, herunter tragen wir euch in eurem Blute. Der Herr schießt euch todt wie einen tollen Hund, daß ihr&#x2019;s wißt. Denkt ihr Lumpenhunde, wir fürchten uns? Muckst euch nur, so ziehen wir die Sturmglocke, schlagen euch mit Dreschflegeln todt, und kein Hahn kräht mehr nach euch! &#x2014; Der französische Hauptmann gerieth bei dieser energischen Drohung in eine kaum zu beschreibende Wuth. Bleicher als es war, konnte sein Gesicht nicht werden; grimmig schleuderte er das Glas, aus dem er getrunken, mit einem wilden Fluche zur Erde, knirschte in ohnmächtiger Wuth mit den Zähnen, rief seinen Leuten einige Worte auf Französisch zu und stürzte aus dem Hause. Philipp stand in der Stallthüre und hatte schon das gesattelte Pferd am Zügel, seine Absicht war, nach Hildburghausen zu jagen, Hülfsmannschaft für den bedrohten Ort herbeizuholen und den Hauptmann in Haft nehmen zu lassen, denn er hatte ihn und jener hatte Philipp erkannt &#x2014; es war kein Anderer als Berthelmy, Angés&#x2019; verruchter Meuchelmörder. Wie der
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[431/0435] dem Fenster im hinteren Hofe, eilte in den Stall und sattelte ein Pferd. Alles war das Werk weniger Minuten. Der Hauptmann saß während dessen, den Kopf in die Hand gestützt, am Tische, wie in düsteres Hinbrüten versunken. Jetzt fuhr er mit glühenden Blicken auf, schlug mit geballter Faust auf den Tisch und that mit rauher Stimme auf Französisch schnell hintereinander mehrere Fragen an den Verwalter, die dieser, der französischen Sprache unkundig, nicht beantworten konnte. Endlich fragte Jener auf Deutsch: Wo ist der Mann hingekommen, der eben hier war? Wer ist der Herr dieses Hauses! Ich will zu ihm, ich muß ihn sprechen! — Der hochbejahrte Verwalter gerieth in eine große Verlegenheit. Indem trat der Kammergutspachter Kaiser in das Haus, ein Mann von rüstiger Kraft und herkulischem Körperbau; dieser befreite sogleich den zaghaften Verwalter von dem barschen Ungestüm des Fremden. Entschlossen trat er vor den Franzosen und sagte: Was schwadronirt Er da? Ist es nicht genug, daß wir euch zu essen und zu trinken geben, und wenn ihr euch gut aufführt, eine Streu zum Nachtlager obendrein? Zum gnädigen Herrn wollt ihr? Zum Teufel sollt ihr! Denkt ihr, es wäre noch achzehnhundert zwölf? Die Glocke hat anno dreizehn geschlagen! Geht hinauf, der Herr ist oben — untersteht’s euch nur! Hinauf geht ihr, herunter tragen wir euch in eurem Blute. Der Herr schießt euch todt wie einen tollen Hund, daß ihr’s wißt. Denkt ihr Lumpenhunde, wir fürchten uns? Muckst euch nur, so ziehen wir die Sturmglocke, schlagen euch mit Dreschflegeln todt, und kein Hahn kräht mehr nach euch! — Der französische Hauptmann gerieth bei dieser energischen Drohung in eine kaum zu beschreibende Wuth. Bleicher als es war, konnte sein Gesicht nicht werden; grimmig schleuderte er das Glas, aus dem er getrunken, mit einem wilden Fluche zur Erde, knirschte in ohnmächtiger Wuth mit den Zähnen, rief seinen Leuten einige Worte auf Französisch zu und stürzte aus dem Hause. Philipp stand in der Stallthüre und hatte schon das gesattelte Pferd am Zügel, seine Absicht war, nach Hildburghausen zu jagen, Hülfsmannschaft für den bedrohten Ort herbeizuholen und den Hauptmann in Haft nehmen zu lassen, denn er hatte ihn und jener hatte Philipp erkannt — es war kein Anderer als Berthelmy, Angés’ verruchter Meuchelmörder. Wie der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

gutenberg.org: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in HTML. (2013-01-22T14:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus gutenberg.org entsprechen muss.
austrian literature online: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-22T14:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von HTML nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-22T14:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Der Zeilenfall wurde aufgehoben, die Absätze beibehalten.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/435
Zitationshilfe: Bechstein, Ludwig: Der Dunkelgraf. Frankfurt (Main), 1854, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bechstein_dunkelgraf_1854/435>, abgerufen am 24.04.2024.