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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895.

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Einleitung.
wandelte es sich in weiches, schmiedbares Eisen, welches gleichmässiger
und in vielen Fällen auch besser war, als das seither in Luppenfeuern
und Stücköfen bereitete. Diese entschiedenen Vorteile, welche die Be-
nutzung der Wasserkraft gewährte, gaben die Veranlassung, dass sich
die Eisenindustrie von den Höhen der Berge, aus der Einsamkeit der
Wälder in die Thäler zog, wo an Stelle zahlreicher kleiner Schmelz-
feuer stattliche Öfen mit Hüttengebäuden, Wasserrädern, Blasebälgen,
Pochwerken und schweren Hämmern entstanden, in denen das Eisen
in grossen Massen im Vergleich zu den armseligen Rennfeuern der
Waldschmieden gewonnen und verarbeitet wurde. Es entstand der
Fabrikbetrieb, die eigentliche Eisenindustrie. Nur langsam vollzog
sich diese tief einschneidende Umwandlung. Ihr entgegen stand die
alte Gewohnheit, die Bequemlichkeit des früheren Verfahrens und die
Kostspieligkeit der neuen Anlagen. Aber unaufhaltsam verbreiteten
sich die neuen Eisenwerke, die alten Waldfeuer immer mehr in ent-
legene, unwirtsame, verkehrsarme Gebiete zurückdrängend. Um das
Jahr 1500, dem Zeitpunkte, mit dem wir diesen Theil unserer Ge-
schichte beginnen, war der Sieg des neuen Verfahrens über das alte,
der Sieg des Hochofenbetriebes über den Rennwerksbetrieb im Prinzip
errungen, und aus dieser Zeit stammt auch das erste litterarische
Zeugnis, welches diesen neuen Hüttenprozess besingt und verherrlicht,
ein Lied des Nikolaus Bourbon, welches wir deshalb hier unverkürzt
in möglichst wortgetreuer Übersetzung mitteilen und an die Spitze
stellen.

Zuvor nur einige Worte zur Einleitung. Nicola Bourbon war
der Sohn eines Eisenhüttenbesitzers von Vandeuvre 1). Er schildert
in poetischer Form in einem lateinischen Gedicht, welches im Jahre
1517 in Paris gedruckt wurde, die Erinnerungen seiner Knabenzeit,
die er im elterlichen Hause auf der Eisenhütte, wo er die Arbeiten
des Vaters und seiner Arbeiter beobachtete, daran teilnahm und sie
lieb gewann, verbracht hatte. Danach hatte er sich wissenschaftlichen
Studien gewidmet, und zwar mit Erfolg, das beweist die Gewandtheit,
mit der er in lateinischen Versen seine Schilderung und seine Be-
geisterung auszudrücken weis, und er schildert anschaulich und mit
liebevoller Wärme den Betrieb des väterlichen Eisenwerkes, wobei
ihm der ernste Zweck der Belehrung deutlich vorschwebt. Deshalb
ist seine Schilderung nicht nur ansprechend, sondern systematisch

1) Vandeuvre, Stadt in der Champagne am Flüsschen Barse, westlich von
Bar le Duc an der Eisenbahn von Chaumont nach Troyes.

Einleitung.
wandelte es sich in weiches, schmiedbares Eisen, welches gleichmäſsiger
und in vielen Fällen auch besser war, als das seither in Luppenfeuern
und Stücköfen bereitete. Diese entschiedenen Vorteile, welche die Be-
nutzung der Wasserkraft gewährte, gaben die Veranlassung, daſs sich
die Eisenindustrie von den Höhen der Berge, aus der Einsamkeit der
Wälder in die Thäler zog, wo an Stelle zahlreicher kleiner Schmelz-
feuer stattliche Öfen mit Hüttengebäuden, Wasserrädern, Blasebälgen,
Pochwerken und schweren Hämmern entstanden, in denen das Eisen
in groſsen Massen im Vergleich zu den armseligen Rennfeuern der
Waldschmieden gewonnen und verarbeitet wurde. Es entstand der
Fabrikbetrieb, die eigentliche Eisenindustrie. Nur langsam vollzog
sich diese tief einschneidende Umwandlung. Ihr entgegen stand die
alte Gewohnheit, die Bequemlichkeit des früheren Verfahrens und die
Kostspieligkeit der neuen Anlagen. Aber unaufhaltsam verbreiteten
sich die neuen Eisenwerke, die alten Waldfeuer immer mehr in ent-
legene, unwirtsame, verkehrsarme Gebiete zurückdrängend. Um das
Jahr 1500, dem Zeitpunkte, mit dem wir diesen Theil unserer Ge-
schichte beginnen, war der Sieg des neuen Verfahrens über das alte,
der Sieg des Hochofenbetriebes über den Rennwerksbetrieb im Prinzip
errungen, und aus dieser Zeit stammt auch das erste litterarische
Zeugnis, welches diesen neuen Hüttenprozeſs besingt und verherrlicht,
ein Lied des Nikolaus Bourbon, welches wir deshalb hier unverkürzt
in möglichst wortgetreuer Übersetzung mitteilen und an die Spitze
stellen.

Zuvor nur einige Worte zur Einleitung. Nicola Bourbon war
der Sohn eines Eisenhüttenbesitzers von Vandeuvre 1). Er schildert
in poetischer Form in einem lateinischen Gedicht, welches im Jahre
1517 in Paris gedruckt wurde, die Erinnerungen seiner Knabenzeit,
die er im elterlichen Hause auf der Eisenhütte, wo er die Arbeiten
des Vaters und seiner Arbeiter beobachtete, daran teilnahm und sie
lieb gewann, verbracht hatte. Danach hatte er sich wissenschaftlichen
Studien gewidmet, und zwar mit Erfolg, das beweist die Gewandtheit,
mit der er in lateinischen Versen seine Schilderung und seine Be-
geisterung auszudrücken weis, und er schildert anschaulich und mit
liebevoller Wärme den Betrieb des väterlichen Eisenwerkes, wobei
ihm der ernste Zweck der Belehrung deutlich vorschwebt. Deshalb
ist seine Schilderung nicht nur ansprechend, sondern systematisch

1) Vandeuvre, Stadt in der Champagne am Flüſschen Barse, westlich von
Bar le Duc an der Eisenbahn von Chaumont nach Troyes.
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[13/0033] Einleitung. wandelte es sich in weiches, schmiedbares Eisen, welches gleichmäſsiger und in vielen Fällen auch besser war, als das seither in Luppenfeuern und Stücköfen bereitete. Diese entschiedenen Vorteile, welche die Be- nutzung der Wasserkraft gewährte, gaben die Veranlassung, daſs sich die Eisenindustrie von den Höhen der Berge, aus der Einsamkeit der Wälder in die Thäler zog, wo an Stelle zahlreicher kleiner Schmelz- feuer stattliche Öfen mit Hüttengebäuden, Wasserrädern, Blasebälgen, Pochwerken und schweren Hämmern entstanden, in denen das Eisen in groſsen Massen im Vergleich zu den armseligen Rennfeuern der Waldschmieden gewonnen und verarbeitet wurde. Es entstand der Fabrikbetrieb, die eigentliche Eisenindustrie. Nur langsam vollzog sich diese tief einschneidende Umwandlung. Ihr entgegen stand die alte Gewohnheit, die Bequemlichkeit des früheren Verfahrens und die Kostspieligkeit der neuen Anlagen. Aber unaufhaltsam verbreiteten sich die neuen Eisenwerke, die alten Waldfeuer immer mehr in ent- legene, unwirtsame, verkehrsarme Gebiete zurückdrängend. Um das Jahr 1500, dem Zeitpunkte, mit dem wir diesen Theil unserer Ge- schichte beginnen, war der Sieg des neuen Verfahrens über das alte, der Sieg des Hochofenbetriebes über den Rennwerksbetrieb im Prinzip errungen, und aus dieser Zeit stammt auch das erste litterarische Zeugnis, welches diesen neuen Hüttenprozeſs besingt und verherrlicht, ein Lied des Nikolaus Bourbon, welches wir deshalb hier unverkürzt in möglichst wortgetreuer Übersetzung mitteilen und an die Spitze stellen. Zuvor nur einige Worte zur Einleitung. Nicola Bourbon war der Sohn eines Eisenhüttenbesitzers von Vandeuvre 1). Er schildert in poetischer Form in einem lateinischen Gedicht, welches im Jahre 1517 in Paris gedruckt wurde, die Erinnerungen seiner Knabenzeit, die er im elterlichen Hause auf der Eisenhütte, wo er die Arbeiten des Vaters und seiner Arbeiter beobachtete, daran teilnahm und sie lieb gewann, verbracht hatte. Danach hatte er sich wissenschaftlichen Studien gewidmet, und zwar mit Erfolg, das beweist die Gewandtheit, mit der er in lateinischen Versen seine Schilderung und seine Be- geisterung auszudrücken weis, und er schildert anschaulich und mit liebevoller Wärme den Betrieb des väterlichen Eisenwerkes, wobei ihm der ernste Zweck der Belehrung deutlich vorschwebt. Deshalb ist seine Schilderung nicht nur ansprechend, sondern systematisch 1) Vandeuvre, Stadt in der Champagne am Flüſschen Barse, westlich von Bar le Duc an der Eisenbahn von Chaumont nach Troyes.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 2: Das XVI. und XVII. Jahrhundert. Braunschweig, 1895, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen02_1895/33>, abgerufen am 16.04.2024.