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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Einleitung.
da an beginnt die neueste Zeit, das Zeitalter des Stahls, in
dem wir heute stehen und in dem sich die Eisenindustrie zu staunen-
erregender Grossartigkeit entwickelt hat.

Wenn die geschichtliche Darstellung der Entwickelung der Eisen-
industrie im 19. Jahrhundert nur einigermassen an Gründlichkeit der
der früheren Jahrhunderte entsprechen sollte, so erwies es sich bei der
Fülle der Thatsachen und der reichen Litteratur als unmöglich, dies
in einem Bande zu bewältigen. Es war unumgänglich, den Stoff in
zwei Teile zu zerlegen, und da wir der Übersichtlichkeit wegen die
Einteilung in gewisse kurze Zeitabschnitte zu Grunde gelegt haben,
so haben wir auch die Teilung des Jahrhunderts nach demselben
chronistischen Grundsatz vorgenommen, und für den ersten Teil die
erste Hälfte von 1801 bis 1850, für den zweiten Teil die Zeit von
1851 bis zur Gegenwart gewählt. Ist doch auch die schon vorher zum
Einteilungsprincip genommene Scheidung nach Jahrhunderten keine
sachliche, sondern eine willkürlich zeitliche, die aber ebenfalls den
Vorzug der Übersichtlichkeit hat. Der Schluss des Jahres 1800, mit
dem das 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm, zeigt uns weder in
der politischen noch in der technischen Entwickelung einen natur-
gemässen Abschnitt, vielmehr den innigsten Zusammenhang der Ereig-
nisse vor- und nachher. Die Geschichte des Eisens des 19. Jahrhunderts
steht ganz auf den Schultern des 18. Jahrhunderts. In diesem war nach
drei Richtungen hin die Grundlage für die weitere Entwickelung gelegt,
erstens durch die Verwendung der Steinkohlen sowohl zum Schmelzen
des Eisens aus den Erzen, wie zum Frischen des Roheisens, zweitens
durch die Erfindung der Dampfmaschine von James Watt und
drittens durch die Begründung der metallurgischen Wissenschaft,
besonders durch die grossen Fortschritte der Chemie. Auf diesem drei-
fachen Wege ist die moderne Eisenhüttenkunde vorangeschritten. Der
Kampf zwischen Steinkohle und Holz zieht sich durch das ganze Jahr-
hundert durch, obgleich der Sieg der ersteren auch auf dem Kontinent
von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika schon
um die Mitte des Jahrhunderts entschieden war. Die Benutzung der
Dampfkraft, die Verwendung der Dampfmaschine zu den mannigfaltig-
sten Arbeiten war für die Fortschritte auf mechanischem Gebiete mass-
gebend, sie wurde fast der einzige Motor für grössere Kraftleistungen,
und in dieser Beziehung lässt sich das 19. Jahrhundert auch als das
Jahrhundert der Dampfmaschine
bezeichnen. Ob diese Be-
zeichnung für das nächste Jahrhundert noch Geltung behalten wird,
erscheint bei den grossen Fortschritten der Elektromotoren zweifelhaft.


Einleitung.
da an beginnt die neueste Zeit, das Zeitalter des Stahls, in
dem wir heute stehen und in dem sich die Eisenindustrie zu staunen-
erregender Groſsartigkeit entwickelt hat.

Wenn die geschichtliche Darstellung der Entwickelung der Eisen-
industrie im 19. Jahrhundert nur einigermaſsen an Gründlichkeit der
der früheren Jahrhunderte entsprechen sollte, so erwies es sich bei der
Fülle der Thatsachen und der reichen Litteratur als unmöglich, dies
in einem Bande zu bewältigen. Es war unumgänglich, den Stoff in
zwei Teile zu zerlegen, und da wir der Übersichtlichkeit wegen die
Einteilung in gewisse kurze Zeitabschnitte zu Grunde gelegt haben,
so haben wir auch die Teilung des Jahrhunderts nach demselben
chronistischen Grundsatz vorgenommen, und für den ersten Teil die
erste Hälfte von 1801 bis 1850, für den zweiten Teil die Zeit von
1851 bis zur Gegenwart gewählt. Ist doch auch die schon vorher zum
Einteilungsprincip genommene Scheidung nach Jahrhunderten keine
sachliche, sondern eine willkürlich zeitliche, die aber ebenfalls den
Vorzug der Übersichtlichkeit hat. Der Schluſs des Jahres 1800, mit
dem das 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm, zeigt uns weder in
der politischen noch in der technischen Entwickelung einen natur-
gemäſsen Abschnitt, vielmehr den innigsten Zusammenhang der Ereig-
nisse vor- und nachher. Die Geschichte des Eisens des 19. Jahrhunderts
steht ganz auf den Schultern des 18. Jahrhunderts. In diesem war nach
drei Richtungen hin die Grundlage für die weitere Entwickelung gelegt,
erstens durch die Verwendung der Steinkohlen sowohl zum Schmelzen
des Eisens aus den Erzen, wie zum Frischen des Roheisens, zweitens
durch die Erfindung der Dampfmaschine von James Watt und
drittens durch die Begründung der metallurgischen Wissenschaft,
besonders durch die groſsen Fortschritte der Chemie. Auf diesem drei-
fachen Wege ist die moderne Eisenhüttenkunde vorangeschritten. Der
Kampf zwischen Steinkohle und Holz zieht sich durch das ganze Jahr-
hundert durch, obgleich der Sieg der ersteren auch auf dem Kontinent
von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika schon
um die Mitte des Jahrhunderts entschieden war. Die Benutzung der
Dampfkraft, die Verwendung der Dampfmaschine zu den mannigfaltig-
sten Arbeiten war für die Fortschritte auf mechanischem Gebiete maſs-
gebend, sie wurde fast der einzige Motor für gröſsere Kraftleistungen,
und in dieser Beziehung läſst sich das 19. Jahrhundert auch als das
Jahrhundert der Dampfmaschine
bezeichnen. Ob diese Be-
zeichnung für das nächste Jahrhundert noch Geltung behalten wird,
erscheint bei den grossen Fortschritten der Elektromotoren zweifelhaft.


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[4/0020] Einleitung. da an beginnt die neueste Zeit, das Zeitalter des Stahls, in dem wir heute stehen und in dem sich die Eisenindustrie zu staunen- erregender Groſsartigkeit entwickelt hat. Wenn die geschichtliche Darstellung der Entwickelung der Eisen- industrie im 19. Jahrhundert nur einigermaſsen an Gründlichkeit der der früheren Jahrhunderte entsprechen sollte, so erwies es sich bei der Fülle der Thatsachen und der reichen Litteratur als unmöglich, dies in einem Bande zu bewältigen. Es war unumgänglich, den Stoff in zwei Teile zu zerlegen, und da wir der Übersichtlichkeit wegen die Einteilung in gewisse kurze Zeitabschnitte zu Grunde gelegt haben, so haben wir auch die Teilung des Jahrhunderts nach demselben chronistischen Grundsatz vorgenommen, und für den ersten Teil die erste Hälfte von 1801 bis 1850, für den zweiten Teil die Zeit von 1851 bis zur Gegenwart gewählt. Ist doch auch die schon vorher zum Einteilungsprincip genommene Scheidung nach Jahrhunderten keine sachliche, sondern eine willkürlich zeitliche, die aber ebenfalls den Vorzug der Übersichtlichkeit hat. Der Schluſs des Jahres 1800, mit dem das 19. Jahrhundert seinen Anfang nahm, zeigt uns weder in der politischen noch in der technischen Entwickelung einen natur- gemäſsen Abschnitt, vielmehr den innigsten Zusammenhang der Ereig- nisse vor- und nachher. Die Geschichte des Eisens des 19. Jahrhunderts steht ganz auf den Schultern des 18. Jahrhunderts. In diesem war nach drei Richtungen hin die Grundlage für die weitere Entwickelung gelegt, erstens durch die Verwendung der Steinkohlen sowohl zum Schmelzen des Eisens aus den Erzen, wie zum Frischen des Roheisens, zweitens durch die Erfindung der Dampfmaschine von James Watt und drittens durch die Begründung der metallurgischen Wissenschaft, besonders durch die groſsen Fortschritte der Chemie. Auf diesem drei- fachen Wege ist die moderne Eisenhüttenkunde vorangeschritten. Der Kampf zwischen Steinkohle und Holz zieht sich durch das ganze Jahr- hundert durch, obgleich der Sieg der ersteren auch auf dem Kontinent von Europa und in den Vereinigten Staaten von Nordamerika schon um die Mitte des Jahrhunderts entschieden war. Die Benutzung der Dampfkraft, die Verwendung der Dampfmaschine zu den mannigfaltig- sten Arbeiten war für die Fortschritte auf mechanischem Gebiete maſs- gebend, sie wurde fast der einzige Motor für gröſsere Kraftleistungen, und in dieser Beziehung läſst sich das 19. Jahrhundert auch als das Jahrhundert der Dampfmaschine bezeichnen. Ob diese Be- zeichnung für das nächste Jahrhundert noch Geltung behalten wird, erscheint bei den grossen Fortschritten der Elektromotoren zweifelhaft.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/20>, abgerufen am 24.04.2024.