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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Einleitung.
keit von ihren Lehrmeistern. Im ganzen breitete sich das Steinkohlen-
frischen, der Puddelprozess, rascher aus als das Steinkohlenschmelzen
oder der Koksbetrieb, weil die Hütten, meist im Erzgebiet gelegen, zu
grosse Schwierigkeiten mit dem Bezug von Steinkohlen oder Koks
hatten. Aber selbst in den Kohlengebieten, wie z. B. an der Ruhr, hielt
man an dem gewohnten Betrieb mit Holzkohlen fest unter dem Vor-
wand, dass deutscher Koks ein schlechtes Roheisen gebe, und so
wurde an der Ruhr erst im Jahre 1849 der erste Kokshochofen ange-
blasen. Rascher verbeitete sich die Verwendung der mit Dampf-
maschinen bewegten englischen Cylindergebläse und eine der wichtig-
sten Entdeckungen dieser Periode, die von dem Engländer Neilson
1829 erfundene Wind-Erhitzung beim Hochofenbetrieb.

Die folgenreichste Erfindung für die Eisenindustrie, die ebenfalls in
England gemacht wurde, die den Eisenbedarf ausserordentlich steigerte
und zum Massenbetrieb und zur Gründung grosser Eisenwalzwerke
Veranlassung gab, war die der Eisenbahnen und der Dampfloko-
motive
von Stevenson im Jahre 1830. Die Eisenbahnen breiteten
sich erst in England, dann in Amerika und hierauf auch auf dem
Kontinent aus. Anfangs bezog man den Bedarf für Lokomotiven und
Eisenbahnschienen ausschliesslich aus England. Das Streben, die
ungeheuren Geldsummen, welche dafür dorthin flossen, dem eigenen
Lande zu erhalten, veranlasste in allen hervorragenden eisenerzeugenden
Ländern die Anlage von Schienenwalzwerken und von Maschinen-
fabriken
zum Bau von Lokomotiven. Dadurch wurde die Anlage
viel grösserer Eisenwerke, die Einführung des Massenbetriebes, der
immer grösseren Umfang gewann, vorgeschrieben. Eine hervorragende
Erfindung für die Verarbeitung des Eisens war die des Dampf-
hammers
von James Napier 1845.

Nicht minder wichtig als diese technischen Erfindungen waren
die Fortschritte der Chemie, welche von Männern wie Gay-
Lussac, Davy, Faraday, Berthier, Berzelius, Liebig
und Wöhler
ausgingen und die von hervorragenden Metallurgen, besonders von
Dr. C. J. B. Karsten, für die Metallurgie des Eisens nutzbar gemacht
wurden. Hierdurch wurde diesem Zweig der Technik eine Grund-
lage gegeben, auf welcher dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts die segensreichsten Wirkungen und die glänzendsten Erfolge
erwuchsen.



Einleitung.
keit von ihren Lehrmeistern. Im ganzen breitete sich das Steinkohlen-
frischen, der Puddelprozeſs, rascher aus als das Steinkohlenschmelzen
oder der Koksbetrieb, weil die Hütten, meist im Erzgebiet gelegen, zu
groſse Schwierigkeiten mit dem Bezug von Steinkohlen oder Koks
hatten. Aber selbst in den Kohlengebieten, wie z. B. an der Ruhr, hielt
man an dem gewohnten Betrieb mit Holzkohlen fest unter dem Vor-
wand, daſs deutscher Koks ein schlechtes Roheisen gebe, und so
wurde an der Ruhr erst im Jahre 1849 der erste Kokshochofen ange-
blasen. Rascher verbeitete sich die Verwendung der mit Dampf-
maschinen bewegten englischen Cylindergebläse und eine der wichtig-
sten Entdeckungen dieser Periode, die von dem Engländer Neilson
1829 erfundene Wind-Erhitzung beim Hochofenbetrieb.

Die folgenreichste Erfindung für die Eisenindustrie, die ebenfalls in
England gemacht wurde, die den Eisenbedarf auſserordentlich steigerte
und zum Massenbetrieb und zur Gründung groſser Eisenwalzwerke
Veranlassung gab, war die der Eisenbahnen und der Dampfloko-
motive
von Stevenson im Jahre 1830. Die Eisenbahnen breiteten
sich erst in England, dann in Amerika und hierauf auch auf dem
Kontinent aus. Anfangs bezog man den Bedarf für Lokomotiven und
Eisenbahnschienen ausschlieſslich aus England. Das Streben, die
ungeheuren Geldsummen, welche dafür dorthin flossen, dem eigenen
Lande zu erhalten, veranlaſste in allen hervorragenden eisenerzeugenden
Ländern die Anlage von Schienenwalzwerken und von Maschinen-
fabriken
zum Bau von Lokomotiven. Dadurch wurde die Anlage
viel gröſserer Eisenwerke, die Einführung des Massenbetriebes, der
immer gröſseren Umfang gewann, vorgeschrieben. Eine hervorragende
Erfindung für die Verarbeitung des Eisens war die des Dampf-
hammers
von James Napier 1845.

Nicht minder wichtig als diese technischen Erfindungen waren
die Fortschritte der Chemie, welche von Männern wie Gay-
Lussac, Davy, Faraday, Berthier, Berzelius, Liebig
und Wöhler
ausgingen und die von hervorragenden Metallurgen, besonders von
Dr. C. J. B. Karsten, für die Metallurgie des Eisens nutzbar gemacht
wurden. Hierdurch wurde diesem Zweig der Technik eine Grund-
lage gegeben, auf welcher dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts die segensreichsten Wirkungen und die glänzendsten Erfolge
erwuchsen.



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[6/0022] Einleitung. keit von ihren Lehrmeistern. Im ganzen breitete sich das Steinkohlen- frischen, der Puddelprozeſs, rascher aus als das Steinkohlenschmelzen oder der Koksbetrieb, weil die Hütten, meist im Erzgebiet gelegen, zu groſse Schwierigkeiten mit dem Bezug von Steinkohlen oder Koks hatten. Aber selbst in den Kohlengebieten, wie z. B. an der Ruhr, hielt man an dem gewohnten Betrieb mit Holzkohlen fest unter dem Vor- wand, daſs deutscher Koks ein schlechtes Roheisen gebe, und so wurde an der Ruhr erst im Jahre 1849 der erste Kokshochofen ange- blasen. Rascher verbeitete sich die Verwendung der mit Dampf- maschinen bewegten englischen Cylindergebläse und eine der wichtig- sten Entdeckungen dieser Periode, die von dem Engländer Neilson 1829 erfundene Wind-Erhitzung beim Hochofenbetrieb. Die folgenreichste Erfindung für die Eisenindustrie, die ebenfalls in England gemacht wurde, die den Eisenbedarf auſserordentlich steigerte und zum Massenbetrieb und zur Gründung groſser Eisenwalzwerke Veranlassung gab, war die der Eisenbahnen und der Dampfloko- motive von Stevenson im Jahre 1830. Die Eisenbahnen breiteten sich erst in England, dann in Amerika und hierauf auch auf dem Kontinent aus. Anfangs bezog man den Bedarf für Lokomotiven und Eisenbahnschienen ausschlieſslich aus England. Das Streben, die ungeheuren Geldsummen, welche dafür dorthin flossen, dem eigenen Lande zu erhalten, veranlaſste in allen hervorragenden eisenerzeugenden Ländern die Anlage von Schienenwalzwerken und von Maschinen- fabriken zum Bau von Lokomotiven. Dadurch wurde die Anlage viel gröſserer Eisenwerke, die Einführung des Massenbetriebes, der immer gröſseren Umfang gewann, vorgeschrieben. Eine hervorragende Erfindung für die Verarbeitung des Eisens war die des Dampf- hammers von James Napier 1845. Nicht minder wichtig als diese technischen Erfindungen waren die Fortschritte der Chemie, welche von Männern wie Gay- Lussac, Davy, Faraday, Berthier, Berzelius, Liebig und Wöhler ausgingen und die von hervorragenden Metallurgen, besonders von Dr. C. J. B. Karsten, für die Metallurgie des Eisens nutzbar gemacht wurden. Hierdurch wurde diesem Zweig der Technik eine Grund- lage gegeben, auf welcher dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahr- hunderts die segensreichsten Wirkungen und die glänzendsten Erfolge erwuchsen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/22>, abgerufen am 24.04.2024.