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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Eisenbahnen bis 1830.

Die Liverpool-Manchester-Eisenbahn wurde nun rasch fertig-
gestellt. Am 14. Juni 1830 konnte zum erstenmal die ganze Strecke
befahren werden. Bei der Rückfahrt fuhr der Zug mit der neuen
Maschine "Arrow" mit 27 engl. Meilen in der Stunde und durchfuhr
die Linie in 11/2 Stunden. Die feierliche Eröffnung fand unter un-
geheurem Menschenandrang und in Gegenwart des Herzogs von Wel-
lington, der damals Premierminister war, Sir Robert Peels und
anderer hervorragender Persönlichkeiten statt. Acht Lokomotiven
aus Stephensons Werkstatt standen in Dampf und beförderten in
verschiedenen Zügen etwa 600 Festgäste. Es herrschte allgemeiner
Jubel, der aber leider sehr gedämpft wurde durch den traurigen Un-
fall, dass Huskisson, Parlamentsmitglied für Liverpool, vor den
Augen des Herzogs von Wellington und der übrigen hohen Gäste
überfahren wurde.

Ein neuer Abschnitt der Kulturgeschichte begann mit
der Eröffnung der Manchester-Liverpooler-Bahn
. Wie sehr
diese neue Erfindung der Eisenbahnen mit Dampflokomotiven alle
Verhältnisse umgestaltet hat, wie sie die Lebensgewohnheiten verändert,
die Menschen sich näher gebracht, einen internationalen Verkehr, von
dem man vordem keine Ahnung hatte, hervorgerufen hat, das ist zu
bekannt, um weiterer Ausführung zu bedürfen. Am unmittelbarsten
waren ihre Wirkungen auf Handel und Industrie, vor allem aber auf
die Eisenindustrie.

Aus Eisen war sie erzeugt! Von Eisen waren die Schienen, auf
denen sie lief, von Eisen die Maschine, welche die Züge bewegte, von
Eisen Kessel und Feuerung, welche den Dampf erzeugten. Nur da-
durch, dass die Eisenindustrie bereits alle erforderlichen Eisensorten
in ausreichenden Mengen zu liefern vermochte, dass das Eisen so
massenhaft und so billig produziert wurde, war es möglich geworden,
Eisenbahnen zu bauen. Nicht die Erfindung allein konnte die Eisen-
bahnen schaffen, die Eisenindustrie musste so weit vorgeschritten sein,
wie es der Fall war, um die Verwertung einer solchen Erfindung zu
ermöglichen. Hätte Stephenson dieselben Erfindungen 100 Jahre
früher gemacht, so wären sie ohne alle Folgen geblieben, weil die
Eisenindustrie nicht im stande war, Eisen genug zu liefern, um Eisen-
bahnen zu bauen.

Eine neue Zeit des Eisenhüttenwesens begann mit der Einführung
der Eisenbahnen. Der Absatz, den die Eisenindustrie durch die
Eisenbahnen, die jetzt in rascher Aufeinanderfolge entstanden, nicht
nur in England, sondern ebenso auf dem Kontinent und in Amerika

Die Eisenbahnen bis 1830.

Die Liverpool-Manchester-Eisenbahn wurde nun rasch fertig-
gestellt. Am 14. Juni 1830 konnte zum erstenmal die ganze Strecke
befahren werden. Bei der Rückfahrt fuhr der Zug mit der neuen
Maschine „Arrow“ mit 27 engl. Meilen in der Stunde und durchfuhr
die Linie in 1½ Stunden. Die feierliche Eröffnung fand unter un-
geheurem Menschenandrang und in Gegenwart des Herzogs von Wel-
lington, der damals Premierminister war, Sir Robert Peels und
anderer hervorragender Persönlichkeiten statt. Acht Lokomotiven
aus Stephensons Werkstatt standen in Dampf und beförderten in
verschiedenen Zügen etwa 600 Festgäste. Es herrschte allgemeiner
Jubel, der aber leider sehr gedämpft wurde durch den traurigen Un-
fall, daſs Huskisson, Parlamentsmitglied für Liverpool, vor den
Augen des Herzogs von Wellington und der übrigen hohen Gäste
überfahren wurde.

Ein neuer Abschnitt der Kulturgeschichte begann mit
der Eröffnung der Manchester-Liverpooler-Bahn
. Wie sehr
diese neue Erfindung der Eisenbahnen mit Dampflokomotiven alle
Verhältnisse umgestaltet hat, wie sie die Lebensgewohnheiten verändert,
die Menschen sich näher gebracht, einen internationalen Verkehr, von
dem man vordem keine Ahnung hatte, hervorgerufen hat, das ist zu
bekannt, um weiterer Ausführung zu bedürfen. Am unmittelbarsten
waren ihre Wirkungen auf Handel und Industrie, vor allem aber auf
die Eisenindustrie.

Aus Eisen war sie erzeugt! Von Eisen waren die Schienen, auf
denen sie lief, von Eisen die Maschine, welche die Züge bewegte, von
Eisen Kessel und Feuerung, welche den Dampf erzeugten. Nur da-
durch, daſs die Eisenindustrie bereits alle erforderlichen Eisensorten
in ausreichenden Mengen zu liefern vermochte, daſs das Eisen so
massenhaft und so billig produziert wurde, war es möglich geworden,
Eisenbahnen zu bauen. Nicht die Erfindung allein konnte die Eisen-
bahnen schaffen, die Eisenindustrie muſste so weit vorgeschritten sein,
wie es der Fall war, um die Verwertung einer solchen Erfindung zu
ermöglichen. Hätte Stephenson dieselben Erfindungen 100 Jahre
früher gemacht, so wären sie ohne alle Folgen geblieben, weil die
Eisenindustrie nicht im stande war, Eisen genug zu liefern, um Eisen-
bahnen zu bauen.

Eine neue Zeit des Eisenhüttenwesens begann mit der Einführung
der Eisenbahnen. Der Absatz, den die Eisenindustrie durch die
Eisenbahnen, die jetzt in rascher Aufeinanderfolge entstanden, nicht
nur in England, sondern ebenso auf dem Kontinent und in Amerika

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[306/0322] Die Eisenbahnen bis 1830. Die Liverpool-Manchester-Eisenbahn wurde nun rasch fertig- gestellt. Am 14. Juni 1830 konnte zum erstenmal die ganze Strecke befahren werden. Bei der Rückfahrt fuhr der Zug mit der neuen Maschine „Arrow“ mit 27 engl. Meilen in der Stunde und durchfuhr die Linie in 1½ Stunden. Die feierliche Eröffnung fand unter un- geheurem Menschenandrang und in Gegenwart des Herzogs von Wel- lington, der damals Premierminister war, Sir Robert Peels und anderer hervorragender Persönlichkeiten statt. Acht Lokomotiven aus Stephensons Werkstatt standen in Dampf und beförderten in verschiedenen Zügen etwa 600 Festgäste. Es herrschte allgemeiner Jubel, der aber leider sehr gedämpft wurde durch den traurigen Un- fall, daſs Huskisson, Parlamentsmitglied für Liverpool, vor den Augen des Herzogs von Wellington und der übrigen hohen Gäste überfahren wurde. Ein neuer Abschnitt der Kulturgeschichte begann mit der Eröffnung der Manchester-Liverpooler-Bahn. Wie sehr diese neue Erfindung der Eisenbahnen mit Dampflokomotiven alle Verhältnisse umgestaltet hat, wie sie die Lebensgewohnheiten verändert, die Menschen sich näher gebracht, einen internationalen Verkehr, von dem man vordem keine Ahnung hatte, hervorgerufen hat, das ist zu bekannt, um weiterer Ausführung zu bedürfen. Am unmittelbarsten waren ihre Wirkungen auf Handel und Industrie, vor allem aber auf die Eisenindustrie. Aus Eisen war sie erzeugt! Von Eisen waren die Schienen, auf denen sie lief, von Eisen die Maschine, welche die Züge bewegte, von Eisen Kessel und Feuerung, welche den Dampf erzeugten. Nur da- durch, daſs die Eisenindustrie bereits alle erforderlichen Eisensorten in ausreichenden Mengen zu liefern vermochte, daſs das Eisen so massenhaft und so billig produziert wurde, war es möglich geworden, Eisenbahnen zu bauen. Nicht die Erfindung allein konnte die Eisen- bahnen schaffen, die Eisenindustrie muſste so weit vorgeschritten sein, wie es der Fall war, um die Verwertung einer solchen Erfindung zu ermöglichen. Hätte Stephenson dieselben Erfindungen 100 Jahre früher gemacht, so wären sie ohne alle Folgen geblieben, weil die Eisenindustrie nicht im stande war, Eisen genug zu liefern, um Eisen- bahnen zu bauen. Eine neue Zeit des Eisenhüttenwesens begann mit der Einführung der Eisenbahnen. Der Absatz, den die Eisenindustrie durch die Eisenbahnen, die jetzt in rascher Aufeinanderfolge entstanden, nicht nur in England, sondern ebenso auf dem Kontinent und in Amerika

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/322>, abgerufen am 25.04.2024.