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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Physik des Eisens 1831 bis 1850.

Bei Draht war die Zunahme des specifischen Gewichtes von Ma-
terialeisen bis zum dünnsten Draht von 7,7938 bis 7,8425.

Es war bereits früher nachgewiesen worden, dass bei der Inan-
spruchnahme des Eisens auf seine Festigkeit bleibende und nicht
bleibende Formveränderungen eintreten.

Der berühmte Physiker Weber in Göttingen fand 1), dass, so-
lange hierbei nicht bleibende Formveränderungen eintreten, die
Wärmeerscheinungen den allgemeinen Gesetzen folgen, so dass
bei Ausdehnung eine Wärmeverminderung, bei Zusammendrückung
eine Wärmevermehrung eintritt. Bei bleibenden Formveränderungen
treten dagegen immer bedeutende Temperaturerhöhungen ein. Die
Temperatur des Eisens steigt um 100° C., wenn es um 1/8 ausgezogen
oder zusammengedrückt wird. Die Grösse der Formveränderung steht,
solange die Grenze der vollkommenen Elasticität noch nicht über-
schritten ist, im geraden Verhältnisse zu der Grösse der Kraft, welche
die Formveränderung hervorgebracht hat.

Die Grenze der Elasticität des Eisens zu kennen ist von
grösster Wichtigkeit für die Verwendung des Eisens zu Bauzwecken,
für Maschinen, kurz für jede Verwendung, wobei das Eisen haupt-
sächlich auf seine Festigkeit in Anspruch genommen wird. Auch in
dieser Periode wurden eine grosse Anzahl wichtiger Untersuchungen
hierüber angestellt, von denen wir diejenigen von Karmarsch, Hodg-
kinson
und Brix 2) hervorheben. Die mit Drähten angestellten Ver-
suche von Brix zeichnen sich durch grosse Genauigkeit aus.

Brix fand, dass der Eisendraht durch Ausglühen ca. 38 Proz.
von seiner Festigkeit verliert. Die Festigkeit des geglühten Drahtes
war nicht grösser als die des groben Stabeisens, dessen Festigkeit im
Mittel 60000 Pfd. auf den Quadratzoll beträgt.

Die im grossen angestellten Versuche von Eaton Hodgkinson,
welche er mit Unterstützung der Eisenhüttenbesitzer Fairbairn und
Lillie unternahm, um den für den Bau von Hängebrücken geeignet-
sten Eisenbalken zu prüfen, sind von grosser praktischer Bedeutung 3).


1) Siehe Poggendorffs Annalen XX, 177.
2) Abhandlung über die Kohäsions- und Elasticitätsverhältnisse einiger nach
ihren Dimensionen beim Bau der Hängebrücken in Anwendung kommenden Eisen-
drähte des In- und Auslandes. Mit 2 Tafeln. Berlin 1837.
3) Eaton Hodgkinson veröffentlichte 1831 On Suspension-bridges. An in-
quiry into the proper forms of their Catenaries (Kettenlinien) etc., und 1832
Theoretical and Experimental Researches to ascertain the Strength and best Form
of Iron Beams.
1834 veröffentlichte er eine Abhandlung über die Wirkung des Stosses auf
eiserne Träger.
Physik des Eisens 1831 bis 1850.

Bei Draht war die Zunahme des specifischen Gewichtes von Ma-
terialeisen bis zum dünnsten Draht von 7,7938 bis 7,8425.

Es war bereits früher nachgewiesen worden, daſs bei der Inan-
spruchnahme des Eisens auf seine Festigkeit bleibende und nicht
bleibende Formveränderungen eintreten.

Der berühmte Physiker Weber in Göttingen fand 1), daſs, so-
lange hierbei nicht bleibende Formveränderungen eintreten, die
Wärmeerscheinungen den allgemeinen Gesetzen folgen, so daſs
bei Ausdehnung eine Wärmeverminderung, bei Zusammendrückung
eine Wärmevermehrung eintritt. Bei bleibenden Formveränderungen
treten dagegen immer bedeutende Temperaturerhöhungen ein. Die
Temperatur des Eisens steigt um 100° C., wenn es um ⅛ ausgezogen
oder zusammengedrückt wird. Die Gröſse der Formveränderung steht,
solange die Grenze der vollkommenen Elasticität noch nicht über-
schritten ist, im geraden Verhältnisse zu der Gröſse der Kraft, welche
die Formveränderung hervorgebracht hat.

Die Grenze der Elasticität des Eisens zu kennen ist von
gröſster Wichtigkeit für die Verwendung des Eisens zu Bauzwecken,
für Maschinen, kurz für jede Verwendung, wobei das Eisen haupt-
sächlich auf seine Festigkeit in Anspruch genommen wird. Auch in
dieser Periode wurden eine groſse Anzahl wichtiger Untersuchungen
hierüber angestellt, von denen wir diejenigen von Karmarsch, Hodg-
kinson
und Brix 2) hervorheben. Die mit Drähten angestellten Ver-
suche von Brix zeichnen sich durch groſse Genauigkeit aus.

Brix fand, daſs der Eisendraht durch Ausglühen ca. 38 Proz.
von seiner Festigkeit verliert. Die Festigkeit des geglühten Drahtes
war nicht gröſser als die des groben Stabeisens, dessen Festigkeit im
Mittel 60000 Pfd. auf den Quadratzoll beträgt.

Die im groſsen angestellten Versuche von Eaton Hodgkinson,
welche er mit Unterstützung der Eisenhüttenbesitzer Fairbairn und
Lillie unternahm, um den für den Bau von Hängebrücken geeignet-
sten Eisenbalken zu prüfen, sind von groſser praktischer Bedeutung 3).


1) Siehe Poggendorffs Annalen XX, 177.
2) Abhandlung über die Kohäsions- und Elasticitätsverhältnisse einiger nach
ihren Dimensionen beim Bau der Hängebrücken in Anwendung kommenden Eisen-
drähte des In- und Auslandes. Mit 2 Tafeln. Berlin 1837.
3) Eaton Hodgkinson veröffentlichte 1831 On Suspension-bridges. An in-
quiry into the proper forms of their Catenaries (Kettenlinien) etc., und 1832
Theoretical and Experimental Researches to ascertain the Strength and best Form
of Iron Beams.
1834 veröffentlichte er eine Abhandlung über die Wirkung des Stoſses auf
eiserne Träger.
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[394/0410] Physik des Eisens 1831 bis 1850. Bei Draht war die Zunahme des specifischen Gewichtes von Ma- terialeisen bis zum dünnsten Draht von 7,7938 bis 7,8425. Es war bereits früher nachgewiesen worden, daſs bei der Inan- spruchnahme des Eisens auf seine Festigkeit bleibende und nicht bleibende Formveränderungen eintreten. Der berühmte Physiker Weber in Göttingen fand 1), daſs, so- lange hierbei nicht bleibende Formveränderungen eintreten, die Wärmeerscheinungen den allgemeinen Gesetzen folgen, so daſs bei Ausdehnung eine Wärmeverminderung, bei Zusammendrückung eine Wärmevermehrung eintritt. Bei bleibenden Formveränderungen treten dagegen immer bedeutende Temperaturerhöhungen ein. Die Temperatur des Eisens steigt um 100° C., wenn es um ⅛ ausgezogen oder zusammengedrückt wird. Die Gröſse der Formveränderung steht, solange die Grenze der vollkommenen Elasticität noch nicht über- schritten ist, im geraden Verhältnisse zu der Gröſse der Kraft, welche die Formveränderung hervorgebracht hat. Die Grenze der Elasticität des Eisens zu kennen ist von gröſster Wichtigkeit für die Verwendung des Eisens zu Bauzwecken, für Maschinen, kurz für jede Verwendung, wobei das Eisen haupt- sächlich auf seine Festigkeit in Anspruch genommen wird. Auch in dieser Periode wurden eine groſse Anzahl wichtiger Untersuchungen hierüber angestellt, von denen wir diejenigen von Karmarsch, Hodg- kinson und Brix 2) hervorheben. Die mit Drähten angestellten Ver- suche von Brix zeichnen sich durch groſse Genauigkeit aus. Brix fand, daſs der Eisendraht durch Ausglühen ca. 38 Proz. von seiner Festigkeit verliert. Die Festigkeit des geglühten Drahtes war nicht gröſser als die des groben Stabeisens, dessen Festigkeit im Mittel 60000 Pfd. auf den Quadratzoll beträgt. Die im groſsen angestellten Versuche von Eaton Hodgkinson, welche er mit Unterstützung der Eisenhüttenbesitzer Fairbairn und Lillie unternahm, um den für den Bau von Hängebrücken geeignet- sten Eisenbalken zu prüfen, sind von groſser praktischer Bedeutung 3). 1) Siehe Poggendorffs Annalen XX, 177. 2) Abhandlung über die Kohäsions- und Elasticitätsverhältnisse einiger nach ihren Dimensionen beim Bau der Hängebrücken in Anwendung kommenden Eisen- drähte des In- und Auslandes. Mit 2 Tafeln. Berlin 1837. 3) Eaton Hodgkinson veröffentlichte 1831 On Suspension-bridges. An in- quiry into the proper forms of their Catenaries (Kettenlinien) etc., und 1832 Theoretical and Experimental Researches to ascertain the Strength and best Form of Iron Beams. 1834 veröffentlichte er eine Abhandlung über die Wirkung des Stoſses auf eiserne Träger.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 394. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/410>, abgerufen am 18.04.2024.