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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Winderhitzung 1831 bis 1850.

Die vorteilhafte Verwendung der rohen Steinkohle in den
schottischen Hochöfen
war die unmittelbare Folge der Anwen-
dung des erhitzten Windes. Erst durch diese wurde auch jenes
Problem erfolgreich gelöst.

Es geschah dies zuerst auf der Calder Eisenhütte im Jahre
1831. Der Erfolg war ein so augenfälliger, dass in kurzer Zeit fast
alle schottischen Hochofenwerke zum Betriebe mit roher Steinkohle
und heissem Winde übergingen. Ende 1835 hatten bereits alle schot-
tischen Eisenhütten ausser der zu Carron Warmwindapparate. Die
Ergebnisse auf der Clydehütte waren, wie aus obiger Tabelle ersicht-
lich, so günstig, dass nach Einführung des Steinkohlenbetriebes im
Jahre 1833 durch den heissen Wind mit derselben Menge Brenn-
material dreimal soviel Eisen geschmolzen wurde und dieselbe Wind-
menge das Doppelte leistete als vordem bei kaltem Winde. Solche
Erfolge machten alle theoretischen Bedenken verstummen und trugen
den Ruf von Neilsons Erfindung im Fluge nach allen eisenerzeugen-
den Ländern.

Wesentliche Fortschritte machte aber auch die Konstruktion
der Winderhitzungsapparate
. Nachdem einmal die anfänglichen
Bedenken der Hüttenbesitzer beseitigt und der Nutzen des stärker
erhitzten Windes erwiesen war, zögerte man nicht mehr, selbständige,
zweckmässig konstruierte Heizöfen dafür zu bauen. Die unvollkomme-
nen Apparate, wie sie anfänglich auf der Clydehütte von Neilson
angewendet worden waren und die darin bestanden hatten, dass man
einen Teil der Rohrleitung in einen Kanal legte und sie in diesem
erhitzte, wurden anfangs einfach kopiert und fast unverändert in den
französischen Hütten zu La Voulte und Vienne eingeführt. Zu La
Voulte standen vier Hochöfen in einer Reihe so dicht nebeneinander,
dass gerade noch die Windleitung dazwischen Platz hatte. Jeder
Hochofen hatte drei Formen. Auf die vier Hochöfen kamen aber nur
neun Feuerungen für die Windleitung, indem der zwischen den Öfen
liegende Rohrstrang für je zwei Windzuführungen zu den beiden be-
nachbarten Öfen dienen musste. Für die zwölf Windzuführungen
waren also sechs einfache und drei Doppelroste vorhanden. Die beiden
Hochöfen zu Vienne hatten nur je zwei Formen, und kamen auf die
ganze Windleitung drei Roste. Um das Verschieben der Rohre in-
folge der Ausdehnung durch die Hitze zu erleichtern, liess man sie
auf eisernen Cylindern ruhen. In die Hauptverbindungsmuffen legte
man Ringe von Asbest ein. Überall, wo man mit heissem Winde blies,
bediente man sich der Wasserformen.


Winderhitzung 1831 bis 1850.

Die vorteilhafte Verwendung der rohen Steinkohle in den
schottischen Hochöfen
war die unmittelbare Folge der Anwen-
dung des erhitzten Windes. Erst durch diese wurde auch jenes
Problem erfolgreich gelöst.

Es geschah dies zuerst auf der Calder Eisenhütte im Jahre
1831. Der Erfolg war ein so augenfälliger, daſs in kurzer Zeit fast
alle schottischen Hochofenwerke zum Betriebe mit roher Steinkohle
und heiſsem Winde übergingen. Ende 1835 hatten bereits alle schot-
tischen Eisenhütten auſser der zu Carron Warmwindapparate. Die
Ergebnisse auf der Clydehütte waren, wie aus obiger Tabelle ersicht-
lich, so günstig, daſs nach Einführung des Steinkohlenbetriebes im
Jahre 1833 durch den heiſsen Wind mit derselben Menge Brenn-
material dreimal soviel Eisen geschmolzen wurde und dieselbe Wind-
menge das Doppelte leistete als vordem bei kaltem Winde. Solche
Erfolge machten alle theoretischen Bedenken verstummen und trugen
den Ruf von Neilsons Erfindung im Fluge nach allen eisenerzeugen-
den Ländern.

Wesentliche Fortschritte machte aber auch die Konstruktion
der Winderhitzungsapparate
. Nachdem einmal die anfänglichen
Bedenken der Hüttenbesitzer beseitigt und der Nutzen des stärker
erhitzten Windes erwiesen war, zögerte man nicht mehr, selbständige,
zweckmäſsig konstruierte Heizöfen dafür zu bauen. Die unvollkomme-
nen Apparate, wie sie anfänglich auf der Clydehütte von Neilson
angewendet worden waren und die darin bestanden hatten, daſs man
einen Teil der Rohrleitung in einen Kanal legte und sie in diesem
erhitzte, wurden anfangs einfach kopiert und fast unverändert in den
französischen Hütten zu La Voulte und Vienne eingeführt. Zu La
Voulte standen vier Hochöfen in einer Reihe so dicht nebeneinander,
daſs gerade noch die Windleitung dazwischen Platz hatte. Jeder
Hochofen hatte drei Formen. Auf die vier Hochöfen kamen aber nur
neun Feuerungen für die Windleitung, indem der zwischen den Öfen
liegende Rohrstrang für je zwei Windzuführungen zu den beiden be-
nachbarten Öfen dienen muſste. Für die zwölf Windzuführungen
waren also sechs einfache und drei Doppelroste vorhanden. Die beiden
Hochöfen zu Vienne hatten nur je zwei Formen, und kamen auf die
ganze Windleitung drei Roste. Um das Verschieben der Rohre in-
folge der Ausdehnung durch die Hitze zu erleichtern, lieſs man sie
auf eisernen Cylindern ruhen. In die Hauptverbindungsmuffen legte
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bediente man sich der Wasserformen.


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[409/0425] Winderhitzung 1831 bis 1850. Die vorteilhafte Verwendung der rohen Steinkohle in den schottischen Hochöfen war die unmittelbare Folge der Anwen- dung des erhitzten Windes. Erst durch diese wurde auch jenes Problem erfolgreich gelöst. Es geschah dies zuerst auf der Calder Eisenhütte im Jahre 1831. Der Erfolg war ein so augenfälliger, daſs in kurzer Zeit fast alle schottischen Hochofenwerke zum Betriebe mit roher Steinkohle und heiſsem Winde übergingen. Ende 1835 hatten bereits alle schot- tischen Eisenhütten auſser der zu Carron Warmwindapparate. Die Ergebnisse auf der Clydehütte waren, wie aus obiger Tabelle ersicht- lich, so günstig, daſs nach Einführung des Steinkohlenbetriebes im Jahre 1833 durch den heiſsen Wind mit derselben Menge Brenn- material dreimal soviel Eisen geschmolzen wurde und dieselbe Wind- menge das Doppelte leistete als vordem bei kaltem Winde. Solche Erfolge machten alle theoretischen Bedenken verstummen und trugen den Ruf von Neilsons Erfindung im Fluge nach allen eisenerzeugen- den Ländern. Wesentliche Fortschritte machte aber auch die Konstruktion der Winderhitzungsapparate. Nachdem einmal die anfänglichen Bedenken der Hüttenbesitzer beseitigt und der Nutzen des stärker erhitzten Windes erwiesen war, zögerte man nicht mehr, selbständige, zweckmäſsig konstruierte Heizöfen dafür zu bauen. Die unvollkomme- nen Apparate, wie sie anfänglich auf der Clydehütte von Neilson angewendet worden waren und die darin bestanden hatten, daſs man einen Teil der Rohrleitung in einen Kanal legte und sie in diesem erhitzte, wurden anfangs einfach kopiert und fast unverändert in den französischen Hütten zu La Voulte und Vienne eingeführt. Zu La Voulte standen vier Hochöfen in einer Reihe so dicht nebeneinander, daſs gerade noch die Windleitung dazwischen Platz hatte. Jeder Hochofen hatte drei Formen. Auf die vier Hochöfen kamen aber nur neun Feuerungen für die Windleitung, indem der zwischen den Öfen liegende Rohrstrang für je zwei Windzuführungen zu den beiden be- nachbarten Öfen dienen muſste. Für die zwölf Windzuführungen waren also sechs einfache und drei Doppelroste vorhanden. Die beiden Hochöfen zu Vienne hatten nur je zwei Formen, und kamen auf die ganze Windleitung drei Roste. Um das Verschieben der Rohre in- folge der Ausdehnung durch die Hitze zu erleichtern, lieſs man sie auf eisernen Cylindern ruhen. In die Hauptverbindungsmuffen legte man Ringe von Asbest ein. Überall, wo man mit heiſsem Winde blies, bediente man sich der Wasserformen.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/425>, abgerufen am 25.04.2024.