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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
England, und diese Einfuhr wurde begünstigt durch eine freihändlerische
Richtung der Zollgesetzgebung. Nachdem die Regierung den grossen
Nachteil der Begünstigung fremder Einfuhr durch eine für die
heimische Industrie nachteilige Zollpolitik erkannt hatte, änderte man
diese und unterstützte das Streben, die Eisenbahnschienen im eigenen
Lande herzustellen. Dies gelang zuerst Peter Cooper im Jahre
1845 in seinem bei Trenton erbauten Schienenwalzwerke. Hand in
Hand mit diesen Fortschritten ging eine erstaunliche Entwickelung
des Maschinenbaues. Zahlreiche andere Verbesserungen werden wir
noch zu erwähnen Gelegenheit haben. Diese technischen Fortschritte
waren aber anfangs durch eine der heimischen Industrie feindliche
Handelspolitik der Regierung sehr erschwert worden. Es war den
reinen Ackerbaustaaten des Südens unter der Führung von Süd-Karo-
lina, welches sogar mit seinem Austritt aus der Union gedroht hatte,
gelungen, die Regierung einzuschüchtern und einen niedrigeren Zoll-
tarif im Jahre 1832 durchzusetzen. Dadurch nahm die Einfuhr fremden
Eisens ganz ausserordentlich zu, so dass sie 1836 und 1837 den Wert
von 24 Millionen Dollar überschritt. Dies war nicht nur ein grosser
Nachteil für die inländische Eisenindustrie, sondern für das ganze
Land und führte 1837 zu einer ernsten Handelskrisis, fast zu einem
Zusammenbruch der heimischen Industrie. Von da ab strebten die
Verständigen nach einem besseren Schutze der Industrie durch ent-
sprechende Einfuhrzölle. Aber erst 1841 kam ein neuer Tarif zu-
stande, der wenigstens einigermassen das heimische Eisengewerbe
schützte.

Die Lage jener Zeit wird am besten beleuchtet in einer von
Nichola Biddle im Jahre 1840 zu Ehren des verdienstvollen Eisen-
industriellen W. Lyman gehaltenen Rede. "Die Vereinigten Staaten",
sagte er, "enthalten nach den besten Schätzungen nicht weniger als
80000 englische Quadratmeilen Steinkohlen, was mehr als das 16 fache
der Kohlenlager Europas ausmacht. Ein einziges dieser riesenhaften
Lager geht in einer Länge von 900 Meilen von Pennsylvanien nach
Alabama und umfasst etwa 50000 Quadratmeilen, soviel wie ganz
England. In Pennsylvanien allein haben wir 10000 Quadratmeilen
Kohlen und Eisen, während ganz Grossbritannien und Irland nur
2000 Quadratmeilen besitzen, so dass Pennsylvanien allein fünfmal
soviel Kohlen und Eisen enthält, als das Land, dem wir jetzt jährlich
8 bis 10 Millionen Dollar für Eisen bezahlen. ... Kohlen und Eisen
haben Grossbritannien zu dem gemacht, was es ist, und haben ihm
die Macht von 400 Millionen Menschen gegeben und die Fabriken

Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850.
England, und diese Einfuhr wurde begünstigt durch eine freihändlerische
Richtung der Zollgesetzgebung. Nachdem die Regierung den groſsen
Nachteil der Begünstigung fremder Einfuhr durch eine für die
heimische Industrie nachteilige Zollpolitik erkannt hatte, änderte man
diese und unterstützte das Streben, die Eisenbahnschienen im eigenen
Lande herzustellen. Dies gelang zuerst Peter Cooper im Jahre
1845 in seinem bei Trenton erbauten Schienenwalzwerke. Hand in
Hand mit diesen Fortschritten ging eine erstaunliche Entwickelung
des Maschinenbaues. Zahlreiche andere Verbesserungen werden wir
noch zu erwähnen Gelegenheit haben. Diese technischen Fortschritte
waren aber anfangs durch eine der heimischen Industrie feindliche
Handelspolitik der Regierung sehr erschwert worden. Es war den
reinen Ackerbaustaaten des Südens unter der Führung von Süd-Karo-
lina, welches sogar mit seinem Austritt aus der Union gedroht hatte,
gelungen, die Regierung einzuschüchtern und einen niedrigeren Zoll-
tarif im Jahre 1832 durchzusetzen. Dadurch nahm die Einfuhr fremden
Eisens ganz auſserordentlich zu, so daſs sie 1836 und 1837 den Wert
von 24 Millionen Dollar überschritt. Dies war nicht nur ein groſser
Nachteil für die inländische Eisenindustrie, sondern für das ganze
Land und führte 1837 zu einer ernsten Handelskrisis, fast zu einem
Zusammenbruch der heimischen Industrie. Von da ab strebten die
Verständigen nach einem besseren Schutze der Industrie durch ent-
sprechende Einfuhrzölle. Aber erst 1841 kam ein neuer Tarif zu-
stande, der wenigstens einigermaſsen das heimische Eisengewerbe
schützte.

Die Lage jener Zeit wird am besten beleuchtet in einer von
Nichola Biddle im Jahre 1840 zu Ehren des verdienstvollen Eisen-
industriellen W. Lyman gehaltenen Rede. „Die Vereinigten Staaten“,
sagte er, „enthalten nach den besten Schätzungen nicht weniger als
80000 englische Quadratmeilen Steinkohlen, was mehr als das 16 fache
der Kohlenlager Europas ausmacht. Ein einziges dieser riesenhaften
Lager geht in einer Länge von 900 Meilen von Pennsylvanien nach
Alabama und umfaſst etwa 50000 Quadratmeilen, soviel wie ganz
England. In Pennsylvanien allein haben wir 10000 Quadratmeilen
Kohlen und Eisen, während ganz Groſsbritannien und Irland nur
2000 Quadratmeilen besitzen, so daſs Pennsylvanien allein fünfmal
soviel Kohlen und Eisen enthält, als das Land, dem wir jetzt jährlich
8 bis 10 Millionen Dollar für Eisen bezahlen. … Kohlen und Eisen
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die Macht von 400 Millionen Menschen gegeben und die Fabriken

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[758/0774] Die Vereinigten Staaten von Nordamerika 1831 bis 1850. England, und diese Einfuhr wurde begünstigt durch eine freihändlerische Richtung der Zollgesetzgebung. Nachdem die Regierung den groſsen Nachteil der Begünstigung fremder Einfuhr durch eine für die heimische Industrie nachteilige Zollpolitik erkannt hatte, änderte man diese und unterstützte das Streben, die Eisenbahnschienen im eigenen Lande herzustellen. Dies gelang zuerst Peter Cooper im Jahre 1845 in seinem bei Trenton erbauten Schienenwalzwerke. Hand in Hand mit diesen Fortschritten ging eine erstaunliche Entwickelung des Maschinenbaues. Zahlreiche andere Verbesserungen werden wir noch zu erwähnen Gelegenheit haben. Diese technischen Fortschritte waren aber anfangs durch eine der heimischen Industrie feindliche Handelspolitik der Regierung sehr erschwert worden. Es war den reinen Ackerbaustaaten des Südens unter der Führung von Süd-Karo- lina, welches sogar mit seinem Austritt aus der Union gedroht hatte, gelungen, die Regierung einzuschüchtern und einen niedrigeren Zoll- tarif im Jahre 1832 durchzusetzen. Dadurch nahm die Einfuhr fremden Eisens ganz auſserordentlich zu, so daſs sie 1836 und 1837 den Wert von 24 Millionen Dollar überschritt. Dies war nicht nur ein groſser Nachteil für die inländische Eisenindustrie, sondern für das ganze Land und führte 1837 zu einer ernsten Handelskrisis, fast zu einem Zusammenbruch der heimischen Industrie. Von da ab strebten die Verständigen nach einem besseren Schutze der Industrie durch ent- sprechende Einfuhrzölle. Aber erst 1841 kam ein neuer Tarif zu- stande, der wenigstens einigermaſsen das heimische Eisengewerbe schützte. Die Lage jener Zeit wird am besten beleuchtet in einer von Nichola Biddle im Jahre 1840 zu Ehren des verdienstvollen Eisen- industriellen W. Lyman gehaltenen Rede. „Die Vereinigten Staaten“, sagte er, „enthalten nach den besten Schätzungen nicht weniger als 80000 englische Quadratmeilen Steinkohlen, was mehr als das 16 fache der Kohlenlager Europas ausmacht. Ein einziges dieser riesenhaften Lager geht in einer Länge von 900 Meilen von Pennsylvanien nach Alabama und umfaſst etwa 50000 Quadratmeilen, soviel wie ganz England. In Pennsylvanien allein haben wir 10000 Quadratmeilen Kohlen und Eisen, während ganz Groſsbritannien und Irland nur 2000 Quadratmeilen besitzen, so daſs Pennsylvanien allein fünfmal soviel Kohlen und Eisen enthält, als das Land, dem wir jetzt jährlich 8 bis 10 Millionen Dollar für Eisen bezahlen. … Kohlen und Eisen haben Groſsbritannien zu dem gemacht, was es ist, und haben ihm die Macht von 400 Millionen Menschen gegeben und die Fabriken

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/774>, abgerufen am 28.03.2024.