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Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899.

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Frankreich 1851 bis 1860.
sie 2500 Arbeiter und 1800 HP. Maschinenkräfte. Sie hatten damals
die grösste Gussstahlhütte der Welt; auf fünf Hütten (darunter St.
Chommond und Assailly) befanden sich 23 Cementieröfen, 12 grosse
Schmelzöfen für 8 bis 12 Tiegel und 292 Öfen für 2 Tiegel. Die
Produktion wurde auf 1 Mill. kg Gussstahl, 560000 kg Streckstahl
und 1 Mill. Ctr. Cementstahl veranschlagt.

Bougeret, Martenot & Komp. war damals die erste Eisenwerks-
gesellschaft Frankreichs. Sie besass 13 Kokshochöfen und 23 Holz-
kohlenhochöfen, 88 Puddelöfen und 27 Frischfeuer, mit diesen produ-
zierte sie über 1 Mill. Ctr. Waren. Sie beschäftigte 19000 Arbeiter
und hatte einen Jahresumschlag von 22 Millionen Franken.

Die Gebrüder de Dietrich zu Niederbronn besassen sieben Holz-
kohlenhochöfen, die 150000 Ctr. Gusswaren von vorzüglicher Qualität
lieferten; ausserdem fabrizierten sie Eisenbahnräder. Auf der Aus-
stellung erregte eine 7 Fuss lange, gegossene Eisenplatte, welche so
biegsam war, dass man sie zuerst für Blech halten musste, die Be-
wunderung der Sachverständigen. Von den übrigen grossen Eisen-
werken, welche ausgestellt hatten, nennen wir nur noch die anonyme
Gesellschaft Providence zu Hautmont an der belgischen Grenze, welche
2 Kokshochöfen und 40 Puddel- und Schweissöfen betrieb, nur wegen
ihrer vorzüglichen Ausstellung von Faconeisen, namentlich L-, T- und I-
Eisen, welches in Paris bereits vielfach zu Bauzwecken verwendet
wurde. Eine ähnliche Ausstellung hatte Maubeuge. -- Audincourt
hatte gewalzte Röhren und gepresste Holzgefässe, welche aus einem
vortrefflichen Holzkohleneisen gemacht wurden, ausgestellt. J. Holtzer
in Firminy bei St. Etienne hatte ausser Schmelz-, Gärb- und Cement-
stahl auch Puddelstahl vorgeführt, dessen Fabrikation 11/2 Jahr zuvor
der deutsche Ingenieur August Wolf eingeführt hatte.

William Jackson zu St. Seurin, dem Enkel jenes Jackson,
welcher die Gussstahlfabrikation in Frankreich zuerst mit Erfolg be-
trieben hatte, gebührt das Verdienst der ersten Einführung des
Bessemerprozesses. Er begann seine Versuche schon 1856, aber erst
nach 5 Jahren gelang ihm die erfolgreiche Durchführung des Prozesses.

Für den Chenotprozess wurde 1855 die Hütte zu Clichy-la-Garonne
bei Paris erbaut und 1856 wurde dieses Verfahren zu Pontcharra
(Isere) und 1857 zu Hautmont (Nord) eingeführt, wobei spanische
Erze von Sommorostro verarbeitet wurden.

Die kaiserliche Regierung wendete der Eisenindustrie Frankreichs
unausgesetzt lebhaftes Interesse zu und die technischen Fortschritte
hielten gleichen Schritt mit der Zunahme der Produktion.


Frankreich 1851 bis 1860.
sie 2500 Arbeiter und 1800 HP. Maschinenkräfte. Sie hatten damals
die gröſste Guſsstahlhütte der Welt; auf fünf Hütten (darunter St.
Chommond und Assailly) befanden sich 23 Cementieröfen, 12 groſse
Schmelzöfen für 8 bis 12 Tiegel und 292 Öfen für 2 Tiegel. Die
Produktion wurde auf 1 Mill. kg Guſsstahl, 560000 kg Streckstahl
und 1 Mill. Ctr. Cementstahl veranschlagt.

Bougeret, Martenot & Komp. war damals die erste Eisenwerks-
gesellschaft Frankreichs. Sie besaſs 13 Kokshochöfen und 23 Holz-
kohlenhochöfen, 88 Puddelöfen und 27 Frischfeuer, mit diesen produ-
zierte sie über 1 Mill. Ctr. Waren. Sie beschäftigte 19000 Arbeiter
und hatte einen Jahresumschlag von 22 Millionen Franken.

Die Gebrüder de Dietrich zu Niederbronn besaſsen sieben Holz-
kohlenhochöfen, die 150000 Ctr. Guſswaren von vorzüglicher Qualität
lieferten; auſserdem fabrizierten sie Eisenbahnräder. Auf der Aus-
stellung erregte eine 7 Fuſs lange, gegossene Eisenplatte, welche so
biegsam war, daſs man sie zuerst für Blech halten muſste, die Be-
wunderung der Sachverständigen. Von den übrigen groſsen Eisen-
werken, welche ausgestellt hatten, nennen wir nur noch die anonyme
Gesellschaft Providence zu Hautmont an der belgischen Grenze, welche
2 Kokshochöfen und 40 Puddel- und Schweiſsöfen betrieb, nur wegen
ihrer vorzüglichen Ausstellung von Façoneisen, namentlich L-, T- und I-
Eisen, welches in Paris bereits vielfach zu Bauzwecken verwendet
wurde. Eine ähnliche Ausstellung hatte Maubeuge. — Audincourt
hatte gewalzte Röhren und gepreſste Holzgefäſse, welche aus einem
vortrefflichen Holzkohleneisen gemacht wurden, ausgestellt. J. Holtzer
in Firminy bei St. Etienne hatte auſser Schmelz-, Gärb- und Cement-
stahl auch Puddelstahl vorgeführt, dessen Fabrikation 1½ Jahr zuvor
der deutsche Ingenieur August Wolf eingeführt hatte.

William Jackson zu St. Seurin, dem Enkel jenes Jackson,
welcher die Guſsstahlfabrikation in Frankreich zuerst mit Erfolg be-
trieben hatte, gebührt das Verdienst der ersten Einführung des
Bessemerprozesses. Er begann seine Versuche schon 1856, aber erst
nach 5 Jahren gelang ihm die erfolgreiche Durchführung des Prozesses.

Für den Chenotprozeſs wurde 1855 die Hütte zu Clichy-la-Garonne
bei Paris erbaut und 1856 wurde dieses Verfahren zu Pontcharra
(Isère) und 1857 zu Hautmont (Nord) eingeführt, wobei spanische
Erze von Sommorostro verarbeitet wurden.

Die kaiserliche Regierung wendete der Eisenindustrie Frankreichs
unausgesetzt lebhaftes Interesse zu und die technischen Fortschritte
hielten gleichen Schritt mit der Zunahme der Produktion.


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[971/0987] Frankreich 1851 bis 1860. sie 2500 Arbeiter und 1800 . Maschinenkräfte. Sie hatten damals die gröſste Guſsstahlhütte der Welt; auf fünf Hütten (darunter St. Chommond und Assailly) befanden sich 23 Cementieröfen, 12 groſse Schmelzöfen für 8 bis 12 Tiegel und 292 Öfen für 2 Tiegel. Die Produktion wurde auf 1 Mill. kg Guſsstahl, 560000 kg Streckstahl und 1 Mill. Ctr. Cementstahl veranschlagt. Bougeret, Martenot & Komp. war damals die erste Eisenwerks- gesellschaft Frankreichs. Sie besaſs 13 Kokshochöfen und 23 Holz- kohlenhochöfen, 88 Puddelöfen und 27 Frischfeuer, mit diesen produ- zierte sie über 1 Mill. Ctr. Waren. Sie beschäftigte 19000 Arbeiter und hatte einen Jahresumschlag von 22 Millionen Franken. Die Gebrüder de Dietrich zu Niederbronn besaſsen sieben Holz- kohlenhochöfen, die 150000 Ctr. Guſswaren von vorzüglicher Qualität lieferten; auſserdem fabrizierten sie Eisenbahnräder. Auf der Aus- stellung erregte eine 7 Fuſs lange, gegossene Eisenplatte, welche so biegsam war, daſs man sie zuerst für Blech halten muſste, die Be- wunderung der Sachverständigen. Von den übrigen groſsen Eisen- werken, welche ausgestellt hatten, nennen wir nur noch die anonyme Gesellschaft Providence zu Hautmont an der belgischen Grenze, welche 2 Kokshochöfen und 40 Puddel- und Schweiſsöfen betrieb, nur wegen ihrer vorzüglichen Ausstellung von Façoneisen, namentlich L-, T- und I- Eisen, welches in Paris bereits vielfach zu Bauzwecken verwendet wurde. Eine ähnliche Ausstellung hatte Maubeuge. — Audincourt hatte gewalzte Röhren und gepreſste Holzgefäſse, welche aus einem vortrefflichen Holzkohleneisen gemacht wurden, ausgestellt. J. Holtzer in Firminy bei St. Etienne hatte auſser Schmelz-, Gärb- und Cement- stahl auch Puddelstahl vorgeführt, dessen Fabrikation 1½ Jahr zuvor der deutsche Ingenieur August Wolf eingeführt hatte. William Jackson zu St. Seurin, dem Enkel jenes Jackson, welcher die Guſsstahlfabrikation in Frankreich zuerst mit Erfolg be- trieben hatte, gebührt das Verdienst der ersten Einführung des Bessemerprozesses. Er begann seine Versuche schon 1856, aber erst nach 5 Jahren gelang ihm die erfolgreiche Durchführung des Prozesses. Für den Chenotprozeſs wurde 1855 die Hütte zu Clichy-la-Garonne bei Paris erbaut und 1856 wurde dieses Verfahren zu Pontcharra (Isère) und 1857 zu Hautmont (Nord) eingeführt, wobei spanische Erze von Sommorostro verarbeitet wurden. Die kaiserliche Regierung wendete der Eisenindustrie Frankreichs unausgesetzt lebhaftes Interesse zu und die technischen Fortschritte hielten gleichen Schritt mit der Zunahme der Produktion.

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Zitationshilfe: Beck, Ludwig: Die Geschichte des Eisens. Bd. 4: Das XIX. Jahrhundert von 1801 bis 1860. Braunschweig, 1899, S. 971. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beck_eisen04_1899/987>, abgerufen am 20.04.2024.