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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864.

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Die letzten Missionare. Gänzliche Ausrottung des Christenthumes.
die grausamsten Torturen an, um sie zur Verleugnung ihres Be-
kenntnisses zu bringen. Trotz den streng bewachten Küsten und
dem sicheren matervollen Tode schlichen sich ihrer jährlich noch
mehrere in das Land; sie wanderten tröstend und ermahnend von
Gemeinde zu Gemeinde und vollzogen selbst in dieser Zeit noch
viele Taufen. Nur wenige kehrten zurück, ihre Zahl nahm ungeachtet
des beständigen Zuwachses jährlich ab. Bis zum Jahre 1633 kamen1633.
noch zuweilen ausführliche Berichte nach Europa, voll rührender
Erzählungen von der Treue und Glaubensfreudigkeit der Japaner;
von da an hat man nur spärliche Nachrichten. Bei dem Aufstande
von Arima im Jahre 1637, von welchem später die Rede sein wird,
sind wahrscheinlich keine europäischen Geistlichen gegenwärtig
gewesen, wenigstens giebt es von solchen keine Berichte darüber.
Man weiss, dass 1642 ein Jesuit hingerichtet wurde; 1643 waren
noch drei gefangene Jesuitenväter in Yeddo, die später auch den
Märtyrertod starben. Ein portugiesischer Renegat, der im Jahre 1633
abgefallene Provincial-Vorsteher der Jesuiten in Japan, Ferreira,
war das Hauptwerkzeug zur Verfolgung seiner Glaubensbrüder
geworden; er fungirte als Dolmetscher am Hofe von Yeddo und
leitete mit höhnender Grausamkeit die Verhöre gegen seine ehe-
maligen Amtsgenossen. In der Mitte des Jahrhunderts, während
der Minderjährigkeit des Siogun Jye-tsuna, liess die Strenge gegen
die Christen etwas nach, aber nur auf kurze Zeit. Noch 1658
und 1660 kamen Hinrichtungen in Nangasaki vor. Zur Zeit Kämpfers,
um das Ende des Jahrhunderts, begnügte man sich, die Christen
bei schlechter Kost gefangen zu halten und von Zeit zu Zeit
zur Abschwörung des Glaubens aufzufordern. Es waren ihrer im
Jahre 1692 noch funfzig im Kerker von Nangasaki.

Um 1614 gab es nach den Berichten der Missionare 600,000
Christen in Japan; es ist schwer zu glauben, dass ihre Zahl sich
unter den späteren Verfolgungen noch vergrössert habe 88). Von der
Gesammtzahl der Opfer hat man keine Nachricht, sie muss aber,
wenn auch bei weitem die Meisten den Glauben wieder abschworen,
immer noch sehr beträchtlich gewesen sein.



88) Herr von Siebold giebt die Zahl der Christen, wahrscheinlich nach japani-
schen Nachrichten, auf 1,750,000 an. Sollten die Japaner hier nicht alle meinen,
die sich überhaupt seit 1549 taufen liessen?

Die letzten Missionare. Gänzliche Ausrottung des Christenthumes.
die grausamsten Torturen an, um sie zur Verleugnung ihres Be-
kenntnisses zu bringen. Trotz den streng bewachten Küsten und
dem sicheren matervollen Tode schlichen sich ihrer jährlich noch
mehrere in das Land; sie wanderten tröstend und ermahnend von
Gemeinde zu Gemeinde und vollzogen selbst in dieser Zeit noch
viele Taufen. Nur wenige kehrten zurück, ihre Zahl nahm ungeachtet
des beständigen Zuwachses jährlich ab. Bis zum Jahre 1633 kamen1633.
noch zuweilen ausführliche Berichte nach Europa, voll rührender
Erzählungen von der Treue und Glaubensfreudigkeit der Japaner;
von da an hat man nur spärliche Nachrichten. Bei dem Aufstande
von Arima im Jahre 1637, von welchem später die Rede sein wird,
sind wahrscheinlich keine europäischen Geistlichen gegenwärtig
gewesen, wenigstens giebt es von solchen keine Berichte darüber.
Man weiss, dass 1642 ein Jesuit hingerichtet wurde; 1643 waren
noch drei gefangene Jesuitenväter in Yeddo, die später auch den
Märtyrertod starben. Ein portugiesischer Renegat, der im Jahre 1633
abgefallene Provincial-Vorsteher der Jesuiten in Japan, Ferreira,
war das Hauptwerkzeug zur Verfolgung seiner Glaubensbrüder
geworden; er fungirte als Dolmetscher am Hofe von Yeddo und
leitete mit höhnender Grausamkeit die Verhöre gegen seine ehe-
maligen Amtsgenossen. In der Mitte des Jahrhunderts, während
der Minderjährigkeit des Siogun Jye-tsuna, liess die Strenge gegen
die Christen etwas nach, aber nur auf kurze Zeit. Noch 1658
und 1660 kamen Hinrichtungen in Naṅgasaki vor. Zur Zeit Kämpfers,
um das Ende des Jahrhunderts, begnügte man sich, die Christen
bei schlechter Kost gefangen zu halten und von Zeit zu Zeit
zur Abschwörung des Glaubens aufzufordern. Es waren ihrer im
Jahre 1692 noch funfzig im Kerker von Naṅgasaki.

Um 1614 gab es nach den Berichten der Missionare 600,000
Christen in Japan; es ist schwer zu glauben, dass ihre Zahl sich
unter den späteren Verfolgungen noch vergrössert habe 88). Von der
Gesammtzahl der Opfer hat man keine Nachricht, sie muss aber,
wenn auch bei weitem die Meisten den Glauben wieder abschworen,
immer noch sehr beträchtlich gewesen sein.



88) Herr von Siebold giebt die Zahl der Christen, wahrscheinlich nach japani-
schen Nachrichten, auf 1,750,000 an. Sollten die Japaner hier nicht alle meinen,
die sich überhaupt seit 1549 taufen liessen?
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[85/0115] Die letzten Missionare. Gänzliche Ausrottung des Christenthumes. die grausamsten Torturen an, um sie zur Verleugnung ihres Be- kenntnisses zu bringen. Trotz den streng bewachten Küsten und dem sicheren matervollen Tode schlichen sich ihrer jährlich noch mehrere in das Land; sie wanderten tröstend und ermahnend von Gemeinde zu Gemeinde und vollzogen selbst in dieser Zeit noch viele Taufen. Nur wenige kehrten zurück, ihre Zahl nahm ungeachtet des beständigen Zuwachses jährlich ab. Bis zum Jahre 1633 kamen noch zuweilen ausführliche Berichte nach Europa, voll rührender Erzählungen von der Treue und Glaubensfreudigkeit der Japaner; von da an hat man nur spärliche Nachrichten. Bei dem Aufstande von Arima im Jahre 1637, von welchem später die Rede sein wird, sind wahrscheinlich keine europäischen Geistlichen gegenwärtig gewesen, wenigstens giebt es von solchen keine Berichte darüber. Man weiss, dass 1642 ein Jesuit hingerichtet wurde; 1643 waren noch drei gefangene Jesuitenväter in Yeddo, die später auch den Märtyrertod starben. Ein portugiesischer Renegat, der im Jahre 1633 abgefallene Provincial-Vorsteher der Jesuiten in Japan, Ferreira, war das Hauptwerkzeug zur Verfolgung seiner Glaubensbrüder geworden; er fungirte als Dolmetscher am Hofe von Yeddo und leitete mit höhnender Grausamkeit die Verhöre gegen seine ehe- maligen Amtsgenossen. In der Mitte des Jahrhunderts, während der Minderjährigkeit des Siogun Jye-tsuna, liess die Strenge gegen die Christen etwas nach, aber nur auf kurze Zeit. Noch 1658 und 1660 kamen Hinrichtungen in Naṅgasaki vor. Zur Zeit Kämpfers, um das Ende des Jahrhunderts, begnügte man sich, die Christen bei schlechter Kost gefangen zu halten und von Zeit zu Zeit zur Abschwörung des Glaubens aufzufordern. Es waren ihrer im Jahre 1692 noch funfzig im Kerker von Naṅgasaki. 1633. Um 1614 gab es nach den Berichten der Missionare 600,000 Christen in Japan; es ist schwer zu glauben, dass ihre Zahl sich unter den späteren Verfolgungen noch vergrössert habe 88). Von der Gesammtzahl der Opfer hat man keine Nachricht, sie muss aber, wenn auch bei weitem die Meisten den Glauben wieder abschworen, immer noch sehr beträchtlich gewesen sein. 88) Herr von Siebold giebt die Zahl der Christen, wahrscheinlich nach japani- schen Nachrichten, auf 1,750,000 an. Sollten die Japaner hier nicht alle meinen, die sich überhaupt seit 1549 taufen liessen?

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 1. Berlin, 1864, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien01_1864/115>, abgerufen am 16.04.2024.