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[Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866.

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X. Lonin-Verschwörung. Sicherheitsmaassregeln.

Muragaki schien in vollem Ernste besorgt für unsere
Sicherheit und fragte wiederholt, ob der Gesandte die getroffenen
Vorsichtsmaassregeln für ausreichend erachte, oder lieber ein Haus
in dem befestigten Siro, der kaiserlichen Stadt, beziehen wolle; die
Regierung stelle ihm ein solches zur Verfügung und hoffe ihm dort
ausreichenden Schutz gewähren zu können. Wünsche er sich aber
auf die Kriegsschiffe zurückzuziehen, so wollten die Bevollmächtigten
sehr gern auch an Bord die Vertrags-Verhandlungen fortsetzen,
welche ja in einer Woche beendigt sein müssten. -- Dem Grafen,
der von dem späten Besuche der Bunyo's nichts Gutes erwartete,
fiel bei dieser Mittheilung ein Stein vom Herzen; statt der ge-
fürchteten Erklärung, dass die aufgeregte Stimmung den Abbruch
der Vertrags-Verhandlungen fordere, gaben die Bevollmächtigten
den Wunsch zu erkennen, die Unterzeichnung nach Möglichkeit zu
beschleunigen, um der Sorge für unsere Sicherheit loszuwerden.
-- Er lehnte ihre beiden Vorschläge, nach dem Siro oder den
Kriegsschiffen überzusiedeln, dankend ab, sprach seine Befriedigung
über die getroffenen Maassregeln und sein vollkommenes Vertrauen
in die Regierung aus, bot derselben die Mitwirkung der preussischen
Kriegsschiffe zur Unterdrückung der Lonine an und erklärte sich
bereit eines derselben nach Yokuhama zu senden. Die Bunyo's
wollten dem Minister dieses Anerbieten mittheilen. -- Beim Abschied
erzählte Muragaki unter lebhaftem Bedauern, dass Hori Oribe-
no-kami
den Abend zuvor gestorben sei. Schon seit mehreren
Tagen ging das Gerücht, dass er sich entleibt habe, und Graf
Eulenburg fragte die Bevollmächtigten bei einer späteren Zusammen-
kunft darüber; sie leugneten es unter den stärksten Betheuerungen:
"Solche Gerüchte verbreiteten sich, meistens ohne Grund, beim
Tode jedes angesehenen Mannes." -- In den folgenden Wochen
aber kamen Umstände an das Licht, welche uns in der traurigen
Vermuthung von Hori's gewaltsamem Ende bestärkten; sein Tod
stand wahrscheinlich in enger Beziehung zu seinem amtlichen
Verkehr mit den Fremden.

Die Vertheidigungsanstalten der Japaner sahen recht malerisch
aus. Auf den äusseren Höfen von Akabane wuchsen mehrere
Wachthäuser aus dem Boden, sauber gefugte, stattliche Holzge-
bäude, die, in ihre Theile zerlegt, in den Magazinen vorräthig
gewesen sein müssen. Sie standen im Umsehen fertig da, mit Zelt-
vorhängen drappirt, die theils das Wappen des erblichen Gouverneurs

X. Lonin-Verschwörung. Sicherheitsmaassregeln.

Muragaki schien in vollem Ernste besorgt für unsere
Sicherheit und fragte wiederholt, ob der Gesandte die getroffenen
Vorsichtsmaassregeln für ausreichend erachte, oder lieber ein Haus
in dem befestigten Siro, der kaiserlichen Stadt, beziehen wolle; die
Regierung stelle ihm ein solches zur Verfügung und hoffe ihm dort
ausreichenden Schutz gewähren zu können. Wünsche er sich aber
auf die Kriegsschiffe zurückzuziehen, so wollten die Bevollmächtigten
sehr gern auch an Bord die Vertrags-Verhandlungen fortsetzen,
welche ja in einer Woche beendigt sein müssten. — Dem Grafen,
der von dem späten Besuche der Bunyo’s nichts Gutes erwartete,
fiel bei dieser Mittheilung ein Stein vom Herzen; statt der ge-
fürchteten Erklärung, dass die aufgeregte Stimmung den Abbruch
der Vertrags-Verhandlungen fordere, gaben die Bevollmächtigten
den Wunsch zu erkennen, die Unterzeichnung nach Möglichkeit zu
beschleunigen, um der Sorge für unsere Sicherheit loszuwerden.
— Er lehnte ihre beiden Vorschläge, nach dem Siro oder den
Kriegsschiffen überzusiedeln, dankend ab, sprach seine Befriedigung
über die getroffenen Maassregeln und sein vollkommenes Vertrauen
in die Regierung aus, bot derselben die Mitwirkung der preussischen
Kriegsschiffe zur Unterdrückung der Lonine an und erklärte sich
bereit eines derselben nach Yokuhama zu senden. Die Bunyo’s
wollten dem Minister dieses Anerbieten mittheilen. — Beim Abschied
erzählte Muragaki unter lebhaftem Bedauern, dass Hori Oribe-
no-kami
den Abend zuvor gestorben sei. Schon seit mehreren
Tagen ging das Gerücht, dass er sich entleibt habe, und Graf
Eulenburg fragte die Bevollmächtigten bei einer späteren Zusammen-
kunft darüber; sie leugneten es unter den stärksten Betheuerungen:
»Solche Gerüchte verbreiteten sich, meistens ohne Grund, beim
Tode jedes angesehenen Mannes.« — In den folgenden Wochen
aber kamen Umstände an das Licht, welche uns in der traurigen
Vermuthung von Hori’s gewaltsamem Ende bestärkten; sein Tod
stand wahrscheinlich in enger Beziehung zu seinem amtlichen
Verkehr mit den Fremden.

Die Vertheidigungsanstalten der Japaner sahen recht malerisch
aus. Auf den äusseren Höfen von Akabane wuchsen mehrere
Wachthäuser aus dem Boden, sauber gefugte, stattliche Holzge-
bäude, die, in ihre Theile zerlegt, in den Magazinen vorräthig
gewesen sein müssen. Sie standen im Umsehen fertig da, mit Zelt-
vorhängen drappirt, die theils das Wappen des erblichen Gouverneurs

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[139/0159] X. Lonin-Verschwörung. Sicherheitsmaassregeln. Muragaki schien in vollem Ernste besorgt für unsere Sicherheit und fragte wiederholt, ob der Gesandte die getroffenen Vorsichtsmaassregeln für ausreichend erachte, oder lieber ein Haus in dem befestigten Siro, der kaiserlichen Stadt, beziehen wolle; die Regierung stelle ihm ein solches zur Verfügung und hoffe ihm dort ausreichenden Schutz gewähren zu können. Wünsche er sich aber auf die Kriegsschiffe zurückzuziehen, so wollten die Bevollmächtigten sehr gern auch an Bord die Vertrags-Verhandlungen fortsetzen, welche ja in einer Woche beendigt sein müssten. — Dem Grafen, der von dem späten Besuche der Bunyo’s nichts Gutes erwartete, fiel bei dieser Mittheilung ein Stein vom Herzen; statt der ge- fürchteten Erklärung, dass die aufgeregte Stimmung den Abbruch der Vertrags-Verhandlungen fordere, gaben die Bevollmächtigten den Wunsch zu erkennen, die Unterzeichnung nach Möglichkeit zu beschleunigen, um der Sorge für unsere Sicherheit loszuwerden. — Er lehnte ihre beiden Vorschläge, nach dem Siro oder den Kriegsschiffen überzusiedeln, dankend ab, sprach seine Befriedigung über die getroffenen Maassregeln und sein vollkommenes Vertrauen in die Regierung aus, bot derselben die Mitwirkung der preussischen Kriegsschiffe zur Unterdrückung der Lonine an und erklärte sich bereit eines derselben nach Yokuhama zu senden. Die Bunyo’s wollten dem Minister dieses Anerbieten mittheilen. — Beim Abschied erzählte Muragaki unter lebhaftem Bedauern, dass Hori Oribe- no-kami den Abend zuvor gestorben sei. Schon seit mehreren Tagen ging das Gerücht, dass er sich entleibt habe, und Graf Eulenburg fragte die Bevollmächtigten bei einer späteren Zusammen- kunft darüber; sie leugneten es unter den stärksten Betheuerungen: »Solche Gerüchte verbreiteten sich, meistens ohne Grund, beim Tode jedes angesehenen Mannes.« — In den folgenden Wochen aber kamen Umstände an das Licht, welche uns in der traurigen Vermuthung von Hori’s gewaltsamem Ende bestärkten; sein Tod stand wahrscheinlich in enger Beziehung zu seinem amtlichen Verkehr mit den Fremden. Die Vertheidigungsanstalten der Japaner sahen recht malerisch aus. Auf den äusseren Höfen von Akabane wuchsen mehrere Wachthäuser aus dem Boden, sauber gefugte, stattliche Holzge- bäude, die, in ihre Theile zerlegt, in den Magazinen vorräthig gewesen sein müssen. Sie standen im Umsehen fertig da, mit Zelt- vorhängen drappirt, die theils das Wappen des erblichen Gouverneurs

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Zitationshilfe: [Berg, Albert]: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Bd. 2. Berlin, 1866, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien02_1866/159>, abgerufen am 29.03.2024.