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Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873.

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Garten des Camoens. XIX.
zeugt auch die auf einem Felsblock gemalte Dschunke vor der
Terrasse am Uferquai. -- Reizend ist der Blick durch dunkele
Wipfel auf die helle lachende Bucht mit den grünen Inseln und
ferne duftige Berge, reizend auch der Blick vom Wasser auf die
bunten Tempelgebäude, deren zackige Schnörkel im tiefsten Schatten
dunkelgrüner Wipfel schwimmen.48) Mehrere dem Hafen zugekehrte
Felsblöcke tragen riesige Inschriften. Die ganze Anlage soll sehr
alt sein; nach unverbürgter Tradition hätten die Portugiesen diesen
"Ma-kok-Tempel" schon im 16. Jahrhundert vorgefunden und ihre
Colonie danach benannt. Dass in dem geschützten Winkel am
schmalen Eingang des fischreichen Binnenmeeres schon in frühen
Zeiten Seefahrer angesiedelt waren, ist mehr als wahrscheinlich;
der Fleck ist wie geschaffen für Piraten und Fischer, und noch
jetzt der Mittelpunkt des chinesischen Schiffsverkehrs. Eine Reihe
der primitivsten Hütten, deren Bedachung oft ein umgekehrtes Boot
bildet, und mattengedeckte Arbeitsschuppen der Schiffszimmerleute
säumen das felsige Ufer. Nach Westen strekt sich jenseit des
Ma-kok-Tempels das Vorgebirge kahl und steinig in die See.

Am entgegengesetzten östlichen Ende der Stadt liegt der
Garten mit der "Grotte" des Camoens. Zu des Dichters Zeit mag
es eine liebliche Einöde gewesen sein; alte Banyanen umklammern
mit gewaltigem Wurzelnetz die wild über einander gestürzten Fels-
blöcke, zwischen welchen Bambusgebüsch. Pisang und Palmen
spriessen; -- aber den ebenen Boden darunter decken Gemüsefelder
mit graden Gartenwegen; nur an wenigen Stellen lässt sich der
Eindruck unverkümmert geniessen. Die "Grotte" ist ein dunkeler
Schlupfwinkel unter überhängenden Felsen, mit einer angestrichenen
Büste des Dichters; darüber steht ein geschmackloser Pavillon.
Begeisterte Reisende haben sich in Versen und Denksprüchen ver-
ewigt; ein nüchterner Deutscher schrieb dazu das alte "Narrenhände
beschmieren Tisch' und Wände". -- Ein Pfad führt zwischen den
Felsen zu einem höher gelegenen Thürmchen mit reizender Aussicht
auf das Hafenbecken und die angebaute Ebene, die sich bis zum
Isthmus erstreckt; hier machte La Peyrouse eine astronomische Ob-
servation ehe er nach den nordchinesischen Meeren segelte; die
darauf bezügliche Inschrift gilt als die letzte Spur seines Daseins.

Die Ebene zwischen der Stadt und dem Isthmus gleicht einem
Garten; die Chinesen haben sie mit Wassergräben durchfurcht, aus

48) S. Ansichten aus Japan, China und Siam IX.

Garten des Camoens. XIX.
zeugt auch die auf einem Felsblock gemalte Dschunke vor der
Terrasse am Uferquai. — Reizend ist der Blick durch dunkele
Wipfel auf die helle lachende Bucht mit den grünen Inseln und
ferne duftige Berge, reizend auch der Blick vom Wasser auf die
bunten Tempelgebäude, deren zackige Schnörkel im tiefsten Schatten
dunkelgrüner Wipfel schwimmen.48) Mehrere dem Hafen zugekehrte
Felsblöcke tragen riesige Inschriften. Die ganze Anlage soll sehr
alt sein; nach unverbürgter Tradition hätten die Portugiesen diesen
»Ma-kok-Tempel« schon im 16. Jahrhundert vorgefunden und ihre
Colonie danach benannt. Dass in dem geschützten Winkel am
schmalen Eingang des fischreichen Binnenmeeres schon in frühen
Zeiten Seefahrer angesiedelt waren, ist mehr als wahrscheinlich;
der Fleck ist wie geschaffen für Piraten und Fischer, und noch
jetzt der Mittelpunkt des chinesischen Schiffsverkehrs. Eine Reihe
der primitivsten Hütten, deren Bedachung oft ein umgekehrtes Boot
bildet, und mattengedeckte Arbeitsschuppen der Schiffszimmerleute
säumen das felsige Ufer. Nach Westen strekt sich jenseit des
Ma-kok-Tempels das Vorgebirge kahl und steinig in die See.

Am entgegengesetzten östlichen Ende der Stadt liegt der
Garten mit der »Grotte« des Camoens. Zu des Dichters Zeit mag
es eine liebliche Einöde gewesen sein; alte Banyanen umklammern
mit gewaltigem Wurzelnetz die wild über einander gestürzten Fels-
blöcke, zwischen welchen Bambusgebüsch. Pisang und Palmen
spriessen; — aber den ebenen Boden darunter decken Gemüsefelder
mit graden Gartenwegen; nur an wenigen Stellen lässt sich der
Eindruck unverkümmert geniessen. Die »Grotte« ist ein dunkeler
Schlupfwinkel unter überhängenden Felsen, mit einer angestrichenen
Büste des Dichters; darüber steht ein geschmackloser Pavillon.
Begeisterte Reisende haben sich in Versen und Denksprüchen ver-
ewigt; ein nüchterner Deutscher schrieb dazu das alte »Narrenhände
beschmieren Tisch’ und Wände«. — Ein Pfad führt zwischen den
Felsen zu einem höher gelegenen Thürmchen mit reizender Aussicht
auf das Hafenbecken und die angebaute Ebene, die sich bis zum
Isthmus erstreckt; hier machte La Peyrouse eine astronomische Ob-
servation ehe er nach den nordchinesischen Meeren segelte; die
darauf bezügliche Inschrift gilt als die letzte Spur seines Daseins.

Die Ebene zwischen der Stadt und dem Isthmus gleicht einem
Garten; die Chinesen haben sie mit Wassergräben durchfurcht, aus

48) S. Ansichten aus Japan, China und Siam IX.
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[202/0216] Garten des Camoens. XIX. zeugt auch die auf einem Felsblock gemalte Dschunke vor der Terrasse am Uferquai. — Reizend ist der Blick durch dunkele Wipfel auf die helle lachende Bucht mit den grünen Inseln und ferne duftige Berge, reizend auch der Blick vom Wasser auf die bunten Tempelgebäude, deren zackige Schnörkel im tiefsten Schatten dunkelgrüner Wipfel schwimmen. 48) Mehrere dem Hafen zugekehrte Felsblöcke tragen riesige Inschriften. Die ganze Anlage soll sehr alt sein; nach unverbürgter Tradition hätten die Portugiesen diesen »Ma-kok-Tempel« schon im 16. Jahrhundert vorgefunden und ihre Colonie danach benannt. Dass in dem geschützten Winkel am schmalen Eingang des fischreichen Binnenmeeres schon in frühen Zeiten Seefahrer angesiedelt waren, ist mehr als wahrscheinlich; der Fleck ist wie geschaffen für Piraten und Fischer, und noch jetzt der Mittelpunkt des chinesischen Schiffsverkehrs. Eine Reihe der primitivsten Hütten, deren Bedachung oft ein umgekehrtes Boot bildet, und mattengedeckte Arbeitsschuppen der Schiffszimmerleute säumen das felsige Ufer. Nach Westen strekt sich jenseit des Ma-kok-Tempels das Vorgebirge kahl und steinig in die See. Am entgegengesetzten östlichen Ende der Stadt liegt der Garten mit der »Grotte« des Camoens. Zu des Dichters Zeit mag es eine liebliche Einöde gewesen sein; alte Banyanen umklammern mit gewaltigem Wurzelnetz die wild über einander gestürzten Fels- blöcke, zwischen welchen Bambusgebüsch. Pisang und Palmen spriessen; — aber den ebenen Boden darunter decken Gemüsefelder mit graden Gartenwegen; nur an wenigen Stellen lässt sich der Eindruck unverkümmert geniessen. Die »Grotte« ist ein dunkeler Schlupfwinkel unter überhängenden Felsen, mit einer angestrichenen Büste des Dichters; darüber steht ein geschmackloser Pavillon. Begeisterte Reisende haben sich in Versen und Denksprüchen ver- ewigt; ein nüchterner Deutscher schrieb dazu das alte »Narrenhände beschmieren Tisch’ und Wände«. — Ein Pfad führt zwischen den Felsen zu einem höher gelegenen Thürmchen mit reizender Aussicht auf das Hafenbecken und die angebaute Ebene, die sich bis zum Isthmus erstreckt; hier machte La Peyrouse eine astronomische Ob- servation ehe er nach den nordchinesischen Meeren segelte; die darauf bezügliche Inschrift gilt als die letzte Spur seines Daseins. Die Ebene zwischen der Stadt und dem Isthmus gleicht einem Garten; die Chinesen haben sie mit Wassergräben durchfurcht, aus 48) S. Ansichten aus Japan, China und Siam IX.

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Zitationshilfe: Martens, Georg von: Die preussische Expedition nach Ost-Asien. Nach amtlichen Quellen. Vierter Band. Berlin, 1873, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berg_ostasien04_1873/216>, abgerufen am 29.03.2024.