Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Vielleicht hatte die Erregung, mit der sie sprachen, sie der Vorsicht vergessen machen, denn sie hörten plötzlich Lärm, als ob Jemand an einem Laden im Hause raßle, und Beide flohen nach entgegengesetzten Seiten. Lieschen erreichte das Haus noch glücklich und zog die Thür an, huschte die Treppe hinauf, als der Laden aufging und des Vaters Stimme herausrief: Wer, zum Henker! ist denn da im Garten? -- Fritz hatte sich in den nächsten Garten geworfen und beschloß, nicht eher zu gehen, bis er Lieschen in Sicherheit wisse, denn nach Dem, was er erfahren, zitterte er für sie. Sie schien sein Dableiben zu ahnen, denn sie machte ihr Kammerfensterchen auf, welches nach der Seite des Gartens zu ging, und fragte von oben herunter: Was giebt's da im Garten, Vater?

Das weiß Gott, antwortete der Bauer; es war ein Getrappel und ein Geschwatze, ich will gleich mit der Laterne nachsehen. Jetzt hielt es Fritz für gerathen, das Weite zu suchen, denn wenn man ihn fand, war Lieschen überführt. Der Vater trat wirklich in den Garten. Was zum Teufel! rief er, die Hausthür ist ja nur zugeriegelt, der Schlüssel steckt drin. Das Weibsvolk! Ueber die Nachlässigkeit! -- Das arme Lieschen hatte sich bei ihrer Flucht nicht so lange aufhalten dürfen, den Schlüssel herauszuziehen und ihn an seinen Ort zu hängen; sie fürchtete verrathen zu sein. Doch der Vater sagte weiter nichts und ging mit der Laterne in den Garten. Durch den glücklichsten Zufall

Vielleicht hatte die Erregung, mit der sie sprachen, sie der Vorsicht vergessen machen, denn sie hörten plötzlich Lärm, als ob Jemand an einem Laden im Hause raßle, und Beide flohen nach entgegengesetzten Seiten. Lieschen erreichte das Haus noch glücklich und zog die Thür an, huschte die Treppe hinauf, als der Laden aufging und des Vaters Stimme herausrief: Wer, zum Henker! ist denn da im Garten? — Fritz hatte sich in den nächsten Garten geworfen und beschloß, nicht eher zu gehen, bis er Lieschen in Sicherheit wisse, denn nach Dem, was er erfahren, zitterte er für sie. Sie schien sein Dableiben zu ahnen, denn sie machte ihr Kammerfensterchen auf, welches nach der Seite des Gartens zu ging, und fragte von oben herunter: Was giebt's da im Garten, Vater?

Das weiß Gott, antwortete der Bauer; es war ein Getrappel und ein Geschwatze, ich will gleich mit der Laterne nachsehen. Jetzt hielt es Fritz für gerathen, das Weite zu suchen, denn wenn man ihn fand, war Lieschen überführt. Der Vater trat wirklich in den Garten. Was zum Teufel! rief er, die Hausthür ist ja nur zugeriegelt, der Schlüssel steckt drin. Das Weibsvolk! Ueber die Nachlässigkeit! — Das arme Lieschen hatte sich bei ihrer Flucht nicht so lange aufhalten dürfen, den Schlüssel herauszuziehen und ihn an seinen Ort zu hängen; sie fürchtete verrathen zu sein. Doch der Vater sagte weiter nichts und ging mit der Laterne in den Garten. Durch den glücklichsten Zufall

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0047"/>
        <p>Vielleicht hatte die Erregung, mit der sie sprachen, sie der Vorsicht vergessen                machen, denn sie hörten plötzlich Lärm, als ob Jemand an einem Laden im Hause raßle,                und Beide flohen nach entgegengesetzten Seiten. Lieschen erreichte das Haus noch                glücklich und zog die Thür an, huschte die Treppe hinauf, als der Laden aufging und                des Vaters Stimme herausrief: Wer, zum Henker! ist denn da im Garten? &#x2014; Fritz hatte                sich in den nächsten Garten geworfen und beschloß, nicht eher zu gehen, bis er                Lieschen in Sicherheit wisse, denn nach Dem, was er erfahren, zitterte er für sie.                Sie schien sein Dableiben zu ahnen, denn sie machte ihr Kammerfensterchen auf,                welches nach der Seite des Gartens zu ging, und fragte von oben herunter: Was giebt's                da im Garten, Vater?</p><lb/>
        <p>Das weiß Gott, antwortete der Bauer; es war ein Getrappel und ein Geschwatze, ich                will gleich mit der Laterne nachsehen. Jetzt hielt es Fritz für gerathen, das Weite                zu suchen, denn wenn man ihn fand, war Lieschen überführt. Der Vater trat wirklich in                den Garten. Was zum Teufel! rief er, die Hausthür ist ja nur zugeriegelt, der                Schlüssel steckt drin. Das Weibsvolk! Ueber die Nachlässigkeit! &#x2014; Das arme Lieschen                hatte sich bei ihrer Flucht nicht so lange aufhalten dürfen, den Schlüssel                herauszuziehen und ihn an seinen Ort zu hängen; sie fürchtete verrathen zu sein. Doch                der Vater sagte weiter nichts und ging mit der Laterne in den Garten. Durch den                glücklichsten Zufall<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0047] Vielleicht hatte die Erregung, mit der sie sprachen, sie der Vorsicht vergessen machen, denn sie hörten plötzlich Lärm, als ob Jemand an einem Laden im Hause raßle, und Beide flohen nach entgegengesetzten Seiten. Lieschen erreichte das Haus noch glücklich und zog die Thür an, huschte die Treppe hinauf, als der Laden aufging und des Vaters Stimme herausrief: Wer, zum Henker! ist denn da im Garten? — Fritz hatte sich in den nächsten Garten geworfen und beschloß, nicht eher zu gehen, bis er Lieschen in Sicherheit wisse, denn nach Dem, was er erfahren, zitterte er für sie. Sie schien sein Dableiben zu ahnen, denn sie machte ihr Kammerfensterchen auf, welches nach der Seite des Gartens zu ging, und fragte von oben herunter: Was giebt's da im Garten, Vater? Das weiß Gott, antwortete der Bauer; es war ein Getrappel und ein Geschwatze, ich will gleich mit der Laterne nachsehen. Jetzt hielt es Fritz für gerathen, das Weite zu suchen, denn wenn man ihn fand, war Lieschen überführt. Der Vater trat wirklich in den Garten. Was zum Teufel! rief er, die Hausthür ist ja nur zugeriegelt, der Schlüssel steckt drin. Das Weibsvolk! Ueber die Nachlässigkeit! — Das arme Lieschen hatte sich bei ihrer Flucht nicht so lange aufhalten dürfen, den Schlüssel herauszuziehen und ihn an seinen Ort zu hängen; sie fürchtete verrathen zu sein. Doch der Vater sagte weiter nichts und ging mit der Laterne in den Garten. Durch den glücklichsten Zufall

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt, c/o Prof. Dr. Thomas Weitin, TU Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-10T13:46:34Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget: conversion of OCR output to TEI-conformant markup and general correction. (2017-03-10T13:46:34Z)
Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-10T13:46:34Z)

Weitere Informationen:

Die Transkription erfolgte nach den unter http://www.deutschestextarchiv.de/doku/basisformat/ formulierten Richtlinien.

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: nicht gekennzeichnet; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/47
Zitationshilfe: Berthold, Franz [d. i. Adelheid Reinbold]: Irrwisch-Fritze. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 4. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [1]–115. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/berthold_irrwischfritze_1910/47>, abgerufen am 19.04.2024.