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Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851.

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Th. II. V. d. einzelnen Verbr. etc. Tit. XXIV. Bankerutt.
handelte nur von Kaufleuten und solchen Personen, denen vom Gesetz
kaufmännische Rechte beigelegt sind; der Entwurf von 1836. §. 648.
bis 653. kehrte aber auch in dieser Beziehung wieder zum Standpunkte
des Allgemeinen Landrechts zurück. In der Staatsraths-Kommission
wurde dafür namentlich angeführt, "daß nicht allein Kaufleute und Ge-
werbtreibende, sondern auch andere Personen, insbesondere Gutsbesitzer,
des persönlichen Kredits bedürfen, daß bei dem gegenseitigen Eingreifen
in den Betrieb der Gewerbe und bei der Art und Weise des üblichen
Lebens ein allgemeiner Kredit erforderlich und eine Beschränkung auf
einzelne Klassen der Gesellschaft nicht möglich sei, und daß sich über-
dies die Strafbarkeit der Handlung, welche hier vorliege, nicht auf den
Mißbrauch des Kredits allein beschränke. Der vorsätzliche Bankerutt
sei eine Art des Betrugs. Werde diese Art des Betruges bei Kauf-
leuten besonders ausgezeichnet, so müsse dies auch bei andern Personen
geschehen, da die strafbare Handlung als solche dieselbe sei. Der Um-
stand, daß der Schuldner ein Kaufmann sei, habe nur eine sekundäre
Bedeutung; das Wesentliche liege darin, daß der Schuldner das in ihn
gesetzte Vertrauen getäuscht, die Rechte Dritter verletzt, und da gewöhn-
lich mehrere Gläubiger betheiligt seien, ein Verbrechen begangen habe,
welches den gemeingefährlichen sich nähere. Ueberdies sei die gesetzliche
Begünstigung des Kredits nicht auf Kaufleute allein beschränkt, da auch
durch andere, als kaufmännische Papiere, das schleunige Verfahren des
Exekutivprozesses begründet werde. Der Schutz sei allem Verkehr, nur
in verschiedenem Grade verliehen; es reiche deshalb auch gegen Andere
als Kaufleute die Strafe des gemeinen Betruges nicht aus, und es sei
erforderlich, unter Annahme des Prinzips der allgemeinen Strafbarkeit,
der Bahn des Allgemeinen Landrechts zu folgen."

In dem entgegengesetzten Sinne wurde bemerkt: "Zuvörderst müsse
man den Gesichtspunkt festhalten, daß, wenn man den Begriff des Ban-
kerutts auf Kaufleute beschränke, hierdurch nicht etwa eine Straflosigkeit
der Nichtkaufleute in Ansehung von Handlungen ausgesprochen würde,
die, wenn sie von Kaufleuten begangen worden, das Verbrechen des
betrügerischen Bankerutts begründen würden. Im Gegentheil trete in
den Fällen, wo das Vermögen über die Seite geschafft, oder erdichtete
Gläubiger aufgestellt würden, die Strafe des Betruges ein, ohne daß
es hierzu einer speziellen Bestimmung bedürfe. Gleichergestalt ziehe das
Schuldenmachen, wenn es die Merkmale des §. 608. (241. des Straf-
gesetzbuchs) enthalte, die Strafe dieses letztern Verbrechens (des Betruges)
nach sich. Es frage sich also blos, ob eine Nothwendigkeit vorhanden
sei, in den erwähnten Fällen die Strafe des Betrugs bei Nichtkaufleu-
ten in gleicher Art, wie bei Kaufleuten zu verschärfen. Diese Frage

Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIV. Bankerutt.
handelte nur von Kaufleuten und ſolchen Perſonen, denen vom Geſetz
kaufmänniſche Rechte beigelegt ſind; der Entwurf von 1836. §. 648.
bis 653. kehrte aber auch in dieſer Beziehung wieder zum Standpunkte
des Allgemeinen Landrechts zurück. In der Staatsraths-Kommiſſion
wurde dafür namentlich angeführt, „daß nicht allein Kaufleute und Ge-
werbtreibende, ſondern auch andere Perſonen, insbeſondere Gutsbeſitzer,
des perſönlichen Kredits bedürfen, daß bei dem gegenſeitigen Eingreifen
in den Betrieb der Gewerbe und bei der Art und Weiſe des üblichen
Lebens ein allgemeiner Kredit erforderlich und eine Beſchränkung auf
einzelne Klaſſen der Geſellſchaft nicht möglich ſei, und daß ſich über-
dies die Strafbarkeit der Handlung, welche hier vorliege, nicht auf den
Mißbrauch des Kredits allein beſchränke. Der vorſätzliche Bankerutt
ſei eine Art des Betrugs. Werde dieſe Art des Betruges bei Kauf-
leuten beſonders ausgezeichnet, ſo müſſe dies auch bei andern Perſonen
geſchehen, da die ſtrafbare Handlung als ſolche dieſelbe ſei. Der Um-
ſtand, daß der Schuldner ein Kaufmann ſei, habe nur eine ſekundäre
Bedeutung; das Weſentliche liege darin, daß der Schuldner das in ihn
geſetzte Vertrauen getäuſcht, die Rechte Dritter verletzt, und da gewöhn-
lich mehrere Gläubiger betheiligt ſeien, ein Verbrechen begangen habe,
welches den gemeingefährlichen ſich nähere. Ueberdies ſei die geſetzliche
Begünſtigung des Kredits nicht auf Kaufleute allein beſchränkt, da auch
durch andere, als kaufmänniſche Papiere, das ſchleunige Verfahren des
Exekutivprozeſſes begründet werde. Der Schutz ſei allem Verkehr, nur
in verſchiedenem Grade verliehen; es reiche deshalb auch gegen Andere
als Kaufleute die Strafe des gemeinen Betruges nicht aus, und es ſei
erforderlich, unter Annahme des Prinzips der allgemeinen Strafbarkeit,
der Bahn des Allgemeinen Landrechts zu folgen.“

In dem entgegengeſetzten Sinne wurde bemerkt: „Zuvörderſt müſſe
man den Geſichtspunkt feſthalten, daß, wenn man den Begriff des Ban-
kerutts auf Kaufleute beſchränke, hierdurch nicht etwa eine Strafloſigkeit
der Nichtkaufleute in Anſehung von Handlungen ausgeſprochen würde,
die, wenn ſie von Kaufleuten begangen worden, das Verbrechen des
betrügeriſchen Bankerutts begründen würden. Im Gegentheil trete in
den Fällen, wo das Vermögen über die Seite geſchafft, oder erdichtete
Gläubiger aufgeſtellt würden, die Strafe des Betruges ein, ohne daß
es hierzu einer ſpeziellen Beſtimmung bedürfe. Gleichergeſtalt ziehe das
Schuldenmachen, wenn es die Merkmale des §. 608. (241. des Straf-
geſetzbuchs) enthalte, die Strafe dieſes letztern Verbrechens (des Betruges)
nach ſich. Es frage ſich alſo blos, ob eine Nothwendigkeit vorhanden
ſei, in den erwähnten Fällen die Strafe des Betrugs bei Nichtkaufleu-
ten in gleicher Art, wie bei Kaufleuten zu verſchärfen. Dieſe Frage

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[486/0496] Th. II. V. d. einzelnen Verbr. ꝛc. Tit. XXIV. Bankerutt. handelte nur von Kaufleuten und ſolchen Perſonen, denen vom Geſetz kaufmänniſche Rechte beigelegt ſind; der Entwurf von 1836. §. 648. bis 653. kehrte aber auch in dieſer Beziehung wieder zum Standpunkte des Allgemeinen Landrechts zurück. In der Staatsraths-Kommiſſion wurde dafür namentlich angeführt, „daß nicht allein Kaufleute und Ge- werbtreibende, ſondern auch andere Perſonen, insbeſondere Gutsbeſitzer, des perſönlichen Kredits bedürfen, daß bei dem gegenſeitigen Eingreifen in den Betrieb der Gewerbe und bei der Art und Weiſe des üblichen Lebens ein allgemeiner Kredit erforderlich und eine Beſchränkung auf einzelne Klaſſen der Geſellſchaft nicht möglich ſei, und daß ſich über- dies die Strafbarkeit der Handlung, welche hier vorliege, nicht auf den Mißbrauch des Kredits allein beſchränke. Der vorſätzliche Bankerutt ſei eine Art des Betrugs. Werde dieſe Art des Betruges bei Kauf- leuten beſonders ausgezeichnet, ſo müſſe dies auch bei andern Perſonen geſchehen, da die ſtrafbare Handlung als ſolche dieſelbe ſei. Der Um- ſtand, daß der Schuldner ein Kaufmann ſei, habe nur eine ſekundäre Bedeutung; das Weſentliche liege darin, daß der Schuldner das in ihn geſetzte Vertrauen getäuſcht, die Rechte Dritter verletzt, und da gewöhn- lich mehrere Gläubiger betheiligt ſeien, ein Verbrechen begangen habe, welches den gemeingefährlichen ſich nähere. Ueberdies ſei die geſetzliche Begünſtigung des Kredits nicht auf Kaufleute allein beſchränkt, da auch durch andere, als kaufmänniſche Papiere, das ſchleunige Verfahren des Exekutivprozeſſes begründet werde. Der Schutz ſei allem Verkehr, nur in verſchiedenem Grade verliehen; es reiche deshalb auch gegen Andere als Kaufleute die Strafe des gemeinen Betruges nicht aus, und es ſei erforderlich, unter Annahme des Prinzips der allgemeinen Strafbarkeit, der Bahn des Allgemeinen Landrechts zu folgen.“ In dem entgegengeſetzten Sinne wurde bemerkt: „Zuvörderſt müſſe man den Geſichtspunkt feſthalten, daß, wenn man den Begriff des Ban- kerutts auf Kaufleute beſchränke, hierdurch nicht etwa eine Strafloſigkeit der Nichtkaufleute in Anſehung von Handlungen ausgeſprochen würde, die, wenn ſie von Kaufleuten begangen worden, das Verbrechen des betrügeriſchen Bankerutts begründen würden. Im Gegentheil trete in den Fällen, wo das Vermögen über die Seite geſchafft, oder erdichtete Gläubiger aufgeſtellt würden, die Strafe des Betruges ein, ohne daß es hierzu einer ſpeziellen Beſtimmung bedürfe. Gleichergeſtalt ziehe das Schuldenmachen, wenn es die Merkmale des §. 608. (241. des Straf- geſetzbuchs) enthalte, die Strafe dieſes letztern Verbrechens (des Betruges) nach ſich. Es frage ſich alſo blos, ob eine Nothwendigkeit vorhanden ſei, in den erwähnten Fällen die Strafe des Betrugs bei Nichtkaufleu- ten in gleicher Art, wie bei Kaufleuten zu verſchärfen. Dieſe Frage

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Kommentar über das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten. Leipzig, 1851, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_kommentar_1851/496>, abgerufen am 18.04.2024.