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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Fortsetzung. -- Das Recht der Genossenschaft.
allgemeinem Einfluß dagegen, obgleich durchaus eigenthümli-
cher Art und gegenwärtig vielfach beschränkt und gebrochen,
ist die eheliche Genossenschaft des germanischen Rechts.
Doch kommt hier das genossenschaftliche Princip nur beschränkt
zur Anwendung; denn die Dauer der Vereinigung ist eine be-
schränkte, da sie nur auf zwei bestimmte Personen geht, und
die Fortführung über den Tod des einen Ehegatten hinaus,
zwischen dem überlebenden und den Kindern, an sich schon
zufällig und in der Wirkung beschränkt, nur mittelbar mit ihr
zusammenhängt; auch bringt es die Verbindung der Ehegatten,
so innig sie ist, zu keiner selbständigen Persönlichkeit der Ehe,
welche als solche weder berechtigt noch verpflichtet wird. Die
deutsche eheliche Genossenschaft ist daher eher eine Rechtsge-
meinschaft zu nennen, aber eine solche, welche nicht von dem
strengen Princip der römischen communio beherrscht wird.

III. Entstehung der Genossenschaften.

Die Genossenschaft kann auf eine zwiefache Weise entste-
hen: entweder auf dem Wege der historischen Entwicklung oder
durch einen bestimmten Act der Constituirung. Im ersten Fall
führt das Bedürfniß und der im Associationsgeiste begründete
Trieb allmälig zur genossenschaftlichen Vereinigung, indem die
Verbindung der Einzelnen nach und nach so innig mit dem
gemeinsamen Zweck sich identificirt, daß die Gemeinschaft selbst
als eine selbständige Persönlichkeit hervortritt, und sich gleich-
mäßig in ihr eine Verfassung entwickelt, welche der freien Be-
wegung im Innern und nach außen die gehörige Form und
Haltung gewährt. So sehen wir im Mittelalter die Marken-
genossenschaften, die Eides- und Fehdebündnisse freier Ge-
schlechter, die Innungen der Stadtbürger, die ritterschaftlichen

Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft.
allgemeinem Einfluß dagegen, obgleich durchaus eigenthuͤmli-
cher Art und gegenwaͤrtig vielfach beſchraͤnkt und gebrochen,
iſt die eheliche Genoſſenſchaft des germaniſchen Rechts.
Doch kommt hier das genoſſenſchaftliche Princip nur beſchraͤnkt
zur Anwendung; denn die Dauer der Vereinigung iſt eine be-
ſchraͤnkte, da ſie nur auf zwei beſtimmte Perſonen geht, und
die Fortfuͤhrung uͤber den Tod des einen Ehegatten hinaus,
zwiſchen dem uͤberlebenden und den Kindern, an ſich ſchon
zufaͤllig und in der Wirkung beſchraͤnkt, nur mittelbar mit ihr
zuſammenhaͤngt; auch bringt es die Verbindung der Ehegatten,
ſo innig ſie iſt, zu keiner ſelbſtaͤndigen Perſoͤnlichkeit der Ehe,
welche als ſolche weder berechtigt noch verpflichtet wird. Die
deutſche eheliche Genoſſenſchaft iſt daher eher eine Rechtsge-
meinſchaft zu nennen, aber eine ſolche, welche nicht von dem
ſtrengen Princip der roͤmiſchen communio beherrſcht wird.

III. Entſtehung der Genoſſenſchaften.

Die Genoſſenſchaft kann auf eine zwiefache Weiſe entſte-
hen: entweder auf dem Wege der hiſtoriſchen Entwicklung oder
durch einen beſtimmten Act der Conſtituirung. Im erſten Fall
fuͤhrt das Beduͤrfniß und der im Aſſociationsgeiſte begruͤndete
Trieb allmaͤlig zur genoſſenſchaftlichen Vereinigung, indem die
Verbindung der Einzelnen nach und nach ſo innig mit dem
gemeinſamen Zweck ſich identificirt, daß die Gemeinſchaft ſelbſt
als eine ſelbſtaͤndige Perſoͤnlichkeit hervortritt, und ſich gleich-
maͤßig in ihr eine Verfaſſung entwickelt, welche der freien Be-
wegung im Innern und nach außen die gehoͤrige Form und
Haltung gewaͤhrt. So ſehen wir im Mittelalter die Marken-
genoſſenſchaften, die Eides- und Fehdebuͤndniſſe freier Ge-
ſchlechter, die Innungen der Stadtbuͤrger, die ritterſchaftlichen

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[169/0181] Fortſetzung. — Das Recht der Genoſſenſchaft. allgemeinem Einfluß dagegen, obgleich durchaus eigenthuͤmli- cher Art und gegenwaͤrtig vielfach beſchraͤnkt und gebrochen, iſt die eheliche Genoſſenſchaft des germaniſchen Rechts. Doch kommt hier das genoſſenſchaftliche Princip nur beſchraͤnkt zur Anwendung; denn die Dauer der Vereinigung iſt eine be- ſchraͤnkte, da ſie nur auf zwei beſtimmte Perſonen geht, und die Fortfuͤhrung uͤber den Tod des einen Ehegatten hinaus, zwiſchen dem uͤberlebenden und den Kindern, an ſich ſchon zufaͤllig und in der Wirkung beſchraͤnkt, nur mittelbar mit ihr zuſammenhaͤngt; auch bringt es die Verbindung der Ehegatten, ſo innig ſie iſt, zu keiner ſelbſtaͤndigen Perſoͤnlichkeit der Ehe, welche als ſolche weder berechtigt noch verpflichtet wird. Die deutſche eheliche Genoſſenſchaft iſt daher eher eine Rechtsge- meinſchaft zu nennen, aber eine ſolche, welche nicht von dem ſtrengen Princip der roͤmiſchen communio beherrſcht wird. III. Entſtehung der Genoſſenſchaften. Die Genoſſenſchaft kann auf eine zwiefache Weiſe entſte- hen: entweder auf dem Wege der hiſtoriſchen Entwicklung oder durch einen beſtimmten Act der Conſtituirung. Im erſten Fall fuͤhrt das Beduͤrfniß und der im Aſſociationsgeiſte begruͤndete Trieb allmaͤlig zur genoſſenſchaftlichen Vereinigung, indem die Verbindung der Einzelnen nach und nach ſo innig mit dem gemeinſamen Zweck ſich identificirt, daß die Gemeinſchaft ſelbſt als eine ſelbſtaͤndige Perſoͤnlichkeit hervortritt, und ſich gleich- maͤßig in ihr eine Verfaſſung entwickelt, welche der freien Be- wegung im Innern und nach außen die gehoͤrige Form und Haltung gewaͤhrt. So ſehen wir im Mittelalter die Marken- genoſſenſchaften, die Eides- und Fehdebuͤndniſſe freier Ge- ſchlechter, die Innungen der Stadtbuͤrger, die ritterſchaftlichen

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/181>, abgerufen am 28.03.2024.