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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Das Volksrecht als gemeines Ständerecht.
oder Ueberschätzung thatsächlich bestehender Verhältnisse und
noch wirksamer Elemente allein bewahren, während umgekehrt
deren juristisches Verständniß ohne die gehörige Erwägung ih-
rer innern politischen Bedeutung nicht zu erlangen ist, wenn
man nicht eine todte Theorie für eine lebendige Rechtskunde
eintauschen will. Die folgende Darstellung hat es aber allein
mit dem gemeinen deutschen Ständerecht zu thun; was nur
particularrechtlich von den Instituten des älteren Rechts fort-
besteht oder zu einer eigenthümlichen Gestaltung umgebildet ist,
findet keine weitere Berücksichtigung, wie interessant und wich-
tig übrigens auch die nähere Betrachtung desselben seyn mag.

Faßt man nun die ständischen Elemente, welche noch im
heutigen gemeinen Rechte vorhanden sind, scharf ins Auge, so
findet man sie vorzugsweise auf dem Gebiete, welches den Be-
sitz und den Verkehr im weiteren Sinne umschließt, und wo
der Gegensatz von Stadt und Land bei den gesonderten In-
teressen und Bedürfnissen eine bestimmte Abgrenzung zuläßt.
Darnach wäre denn der Stand der Grundbesitzer und der Ge-
werbtreibenden zu unterscheiden, und bei der weiteren Ausfüh-
rung würden auf der einen Seite die Gutsbesitzer und Bauern,
auf der andern die Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker in
ihrer rechtlichen Verschiedenheit näher zu betrachten seyn. Doch
ist auch die Bedeutung der Geburtsstände in Erwägung zu
ziehen, und so ist es am Zweckmäßigsten, die Erörterung an
die hergebrachte Eintheilung in den Stand des Adels, der
Bauern und der Stadtbürger anzuschließen.

I. Der Adel.

Der Charakter eines mit bestimmten Vorrechten versehe-
nen, abgeschlossenen Geburtsstandes läßt sich bloß bei dem

Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht.
oder Ueberſchaͤtzung thatſaͤchlich beſtehender Verhaͤltniſſe und
noch wirkſamer Elemente allein bewahren, waͤhrend umgekehrt
deren juriſtiſches Verſtaͤndniß ohne die gehoͤrige Erwaͤgung ih-
rer innern politiſchen Bedeutung nicht zu erlangen iſt, wenn
man nicht eine todte Theorie fuͤr eine lebendige Rechtskunde
eintauſchen will. Die folgende Darſtellung hat es aber allein
mit dem gemeinen deutſchen Staͤnderecht zu thun; was nur
particularrechtlich von den Inſtituten des aͤlteren Rechts fort-
beſteht oder zu einer eigenthuͤmlichen Geſtaltung umgebildet iſt,
findet keine weitere Beruͤckſichtigung, wie intereſſant und wich-
tig uͤbrigens auch die naͤhere Betrachtung deſſelben ſeyn mag.

Faßt man nun die ſtaͤndiſchen Elemente, welche noch im
heutigen gemeinen Rechte vorhanden ſind, ſcharf ins Auge, ſo
findet man ſie vorzugsweiſe auf dem Gebiete, welches den Be-
ſitz und den Verkehr im weiteren Sinne umſchließt, und wo
der Gegenſatz von Stadt und Land bei den geſonderten In-
tereſſen und Beduͤrfniſſen eine beſtimmte Abgrenzung zulaͤßt.
Darnach waͤre denn der Stand der Grundbeſitzer und der Ge-
werbtreibenden zu unterſcheiden, und bei der weiteren Ausfuͤh-
rung wuͤrden auf der einen Seite die Gutsbeſitzer und Bauern,
auf der andern die Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker in
ihrer rechtlichen Verſchiedenheit naͤher zu betrachten ſeyn. Doch
iſt auch die Bedeutung der Geburtsſtaͤnde in Erwaͤgung zu
ziehen, und ſo iſt es am Zweckmaͤßigſten, die Eroͤrterung an
die hergebrachte Eintheilung in den Stand des Adels, der
Bauern und der Stadtbuͤrger anzuſchließen.

I. Der Adel.

Der Charakter eines mit beſtimmten Vorrechten verſehe-
nen, abgeſchloſſenen Geburtsſtandes laͤßt ſich bloß bei dem

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[199/0211] Das Volksrecht als gemeines Staͤnderecht. oder Ueberſchaͤtzung thatſaͤchlich beſtehender Verhaͤltniſſe und noch wirkſamer Elemente allein bewahren, waͤhrend umgekehrt deren juriſtiſches Verſtaͤndniß ohne die gehoͤrige Erwaͤgung ih- rer innern politiſchen Bedeutung nicht zu erlangen iſt, wenn man nicht eine todte Theorie fuͤr eine lebendige Rechtskunde eintauſchen will. Die folgende Darſtellung hat es aber allein mit dem gemeinen deutſchen Staͤnderecht zu thun; was nur particularrechtlich von den Inſtituten des aͤlteren Rechts fort- beſteht oder zu einer eigenthuͤmlichen Geſtaltung umgebildet iſt, findet keine weitere Beruͤckſichtigung, wie intereſſant und wich- tig uͤbrigens auch die naͤhere Betrachtung deſſelben ſeyn mag. Faßt man nun die ſtaͤndiſchen Elemente, welche noch im heutigen gemeinen Rechte vorhanden ſind, ſcharf ins Auge, ſo findet man ſie vorzugsweiſe auf dem Gebiete, welches den Be- ſitz und den Verkehr im weiteren Sinne umſchließt, und wo der Gegenſatz von Stadt und Land bei den geſonderten In- tereſſen und Beduͤrfniſſen eine beſtimmte Abgrenzung zulaͤßt. Darnach waͤre denn der Stand der Grundbeſitzer und der Ge- werbtreibenden zu unterſcheiden, und bei der weiteren Ausfuͤh- rung wuͤrden auf der einen Seite die Gutsbeſitzer und Bauern, auf der andern die Kaufleute, Fabrikanten und Handwerker in ihrer rechtlichen Verſchiedenheit naͤher zu betrachten ſeyn. Doch iſt auch die Bedeutung der Geburtsſtaͤnde in Erwaͤgung zu ziehen, und ſo iſt es am Zweckmaͤßigſten, die Eroͤrterung an die hergebrachte Eintheilung in den Stand des Adels, der Bauern und der Stadtbuͤrger anzuſchließen. I. Der Adel. Der Charakter eines mit beſtimmten Vorrechten verſehe- nen, abgeſchloſſenen Geburtsſtandes laͤßt ſich bloß bei dem

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/211>, abgerufen am 19.04.2024.