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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Das Volksrecht und das Gerichtswesen.
ganze Stellung der Behörden, von denen es anzuwenden ist,
verschieden seyn. Es zeigen sich in dieser Beziehung dieselben
Gegensätze und dieselben Uebergänge, welche bereits früher bei
der allgemeinen Erörterung über die Natur und die Bedeu-
tung des Volksrechts betrachtet worden sind; auch mußte da-
bei auf das Gerichtswesen schon einige Rücksicht genommen
werden. Indessen verlangt dieses noch eine besondere Unter-
suchung, welche näher auf die Sache eingehen, und sich mit
einigen Fragen von der höchsten practischen Wichtigkeit, welche
gerade jetzt in Deutschland an der Tagesordnung sind, ausführ-
licher beschäftigen kann. Es ist dabei aber bestimmter, als es
häufig geschieht, die Verfassung der Gerichte von dem gericht-
lichen Verfahren zu trennen, wenn auch beides wieder in ei-
nem nothwendigen und engen Zusammenhange steht.

I. Die Verfassung der Gerichte.

Sieht man einmal von den weniger wesentlichen Bezie-
hungen ab, welche bei der Gerichtsverfassung in Betracht kom-
men können, so wird sich deren Verschiedenheit auf drei For-
men zurückführen lassen, welche von der Art und Weise, wie
die Gerichte besetzt werden, ihre Bestimmung erhalten. Ent-
weder nämlich ist die Rechtspflege in den Händen von Rich-
tern, welche, ohne daß von ihnen ein besonderes Rechtsstudium
verlangt würde, aus dem Volke genommen werden; oder die
Gerichte werden nur mit Juristen besetzt, welche sich zu ihrer
Amtsführung besonders vorbereitet haben, und dieselbe als ih-
ren Hauptberuf ansehen; oder endlich man hat eine Einrich-
tung getroffen, wodurch eine Vermittlung zwischen jenen bei-
den Formen herbeigeführt wird, indem zugleich Volksrichter und
Juristen an der Rechtspflege Theil nehmen. Darnach hat

Das Volksrecht und das Gerichtsweſen.
ganze Stellung der Behoͤrden, von denen es anzuwenden iſt,
verſchieden ſeyn. Es zeigen ſich in dieſer Beziehung dieſelben
Gegenſaͤtze und dieſelben Uebergaͤnge, welche bereits fruͤher bei
der allgemeinen Eroͤrterung uͤber die Natur und die Bedeu-
tung des Volksrechts betrachtet worden ſind; auch mußte da-
bei auf das Gerichtsweſen ſchon einige Ruͤckſicht genommen
werden. Indeſſen verlangt dieſes noch eine beſondere Unter-
ſuchung, welche naͤher auf die Sache eingehen, und ſich mit
einigen Fragen von der hoͤchſten practiſchen Wichtigkeit, welche
gerade jetzt in Deutſchland an der Tagesordnung ſind, ausfuͤhr-
licher beſchaͤftigen kann. Es iſt dabei aber beſtimmter, als es
haͤufig geſchieht, die Verfaſſung der Gerichte von dem gericht-
lichen Verfahren zu trennen, wenn auch beides wieder in ei-
nem nothwendigen und engen Zuſammenhange ſteht.

I. Die Verfaſſung der Gerichte.

Sieht man einmal von den weniger weſentlichen Bezie-
hungen ab, welche bei der Gerichtsverfaſſung in Betracht kom-
men koͤnnen, ſo wird ſich deren Verſchiedenheit auf drei For-
men zuruͤckfuͤhren laſſen, welche von der Art und Weiſe, wie
die Gerichte beſetzt werden, ihre Beſtimmung erhalten. Ent-
weder naͤmlich iſt die Rechtspflege in den Haͤnden von Rich-
tern, welche, ohne daß von ihnen ein beſonderes Rechtsſtudium
verlangt wuͤrde, aus dem Volke genommen werden; oder die
Gerichte werden nur mit Juriſten beſetzt, welche ſich zu ihrer
Amtsfuͤhrung beſonders vorbereitet haben, und dieſelbe als ih-
ren Hauptberuf anſehen; oder endlich man hat eine Einrich-
tung getroffen, wodurch eine Vermittlung zwiſchen jenen bei-
den Formen herbeigefuͤhrt wird, indem zugleich Volksrichter und
Juriſten an der Rechtspflege Theil nehmen. Darnach hat

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[247/0259] Das Volksrecht und das Gerichtsweſen. ganze Stellung der Behoͤrden, von denen es anzuwenden iſt, verſchieden ſeyn. Es zeigen ſich in dieſer Beziehung dieſelben Gegenſaͤtze und dieſelben Uebergaͤnge, welche bereits fruͤher bei der allgemeinen Eroͤrterung uͤber die Natur und die Bedeu- tung des Volksrechts betrachtet worden ſind; auch mußte da- bei auf das Gerichtsweſen ſchon einige Ruͤckſicht genommen werden. Indeſſen verlangt dieſes noch eine beſondere Unter- ſuchung, welche naͤher auf die Sache eingehen, und ſich mit einigen Fragen von der hoͤchſten practiſchen Wichtigkeit, welche gerade jetzt in Deutſchland an der Tagesordnung ſind, ausfuͤhr- licher beſchaͤftigen kann. Es iſt dabei aber beſtimmter, als es haͤufig geſchieht, die Verfaſſung der Gerichte von dem gericht- lichen Verfahren zu trennen, wenn auch beides wieder in ei- nem nothwendigen und engen Zuſammenhange ſteht. I. Die Verfaſſung der Gerichte. Sieht man einmal von den weniger weſentlichen Bezie- hungen ab, welche bei der Gerichtsverfaſſung in Betracht kom- men koͤnnen, ſo wird ſich deren Verſchiedenheit auf drei For- men zuruͤckfuͤhren laſſen, welche von der Art und Weiſe, wie die Gerichte beſetzt werden, ihre Beſtimmung erhalten. Ent- weder naͤmlich iſt die Rechtspflege in den Haͤnden von Rich- tern, welche, ohne daß von ihnen ein beſonderes Rechtsſtudium verlangt wuͤrde, aus dem Volke genommen werden; oder die Gerichte werden nur mit Juriſten beſetzt, welche ſich zu ihrer Amtsfuͤhrung beſonders vorbereitet haben, und dieſelbe als ih- ren Hauptberuf anſehen; oder endlich man hat eine Einrich- tung getroffen, wodurch eine Vermittlung zwiſchen jenen bei- den Formen herbeigefuͤhrt wird, indem zugleich Volksrichter und Juriſten an der Rechtspflege Theil nehmen. Darnach hat

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/259>, abgerufen am 19.04.2024.