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Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843.

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Eilftes Kapitel.
und unorganischen Vermischung wesentlicher Hoheitsrechte und
nutzbarer Rechte der verschiedensten Art, aus welcher sie ent-
standen ist, nie zu einer wissenschaftlichen Durchbildung ge-
langt, und hat auch nicht den Charakter einer unbedingten
Gemeinrechtlichkeit gewonnen, auf den es dabei ursprünglich
abgesehen war; aber daß sie dennoch von großer Bedeutung
für das deutsche Staatsrecht, und wenigstens in den Staaten,
deren Verfassung nicht von Grund aus neu geordnet worden,
noch jetzt von practischer Wichtigkeit ist, steht außer Frage.
Denn die meisten Puncte, welche dabei in Betracht kommen,
wurden in früherer Zeit der Vereinbarung zwischen Fürst und
Ständen, und wenn eine solche nicht zu Stande kam und die
Gewalt nicht den Streit entschied, der richterlichen Entscheidung
überlassen, wobei denn den Juristen die Gelegenheit gegeben
war, ihre Theorien weiter auszuspinnen und zur Anwendung
zu bringen, so daß sie allmälig in das geltende Recht über-
gingen. -- Was ferner die Lehre von der Thronfolge betrifft,
so hat sie sich freilich zunächst aus dem Standesrecht des ho-
hen Adels entwickelt, und zwar für die souverainen Häuser in
der Weise, daß das Princip der Erbmonarchie darin zur Ver-
wirklichung gekommen. Es ist dieß aber unter der Vermittlung
der von den Juristen ausgebildeten Theorie von der sogenann-
ten successio ex pacto et providentia majorum
geschehen,
welche, obgleich sie in ihrer vollen doctrinellen Consequenz prac-
tisch nicht durchgeführt werden kann, der ganzen Lehre doch
eine bestimmte Richtung und eigenthümliche Haltung gegeben
hat. Auch ist die Frage über die Feststellung der eventuellen
cognatischen Erbfolge und namentlich über das Verhältniß zwi-
schen der Erbtochter und der Regredienterbin lange Zeit haupt-
sächlich nach den Theorien der Juristen entschieden worden.


Eilftes Kapitel.
und unorganiſchen Vermiſchung weſentlicher Hoheitsrechte und
nutzbarer Rechte der verſchiedenſten Art, aus welcher ſie ent-
ſtanden iſt, nie zu einer wiſſenſchaftlichen Durchbildung ge-
langt, und hat auch nicht den Charakter einer unbedingten
Gemeinrechtlichkeit gewonnen, auf den es dabei urſpruͤnglich
abgeſehen war; aber daß ſie dennoch von großer Bedeutung
fuͤr das deutſche Staatsrecht, und wenigſtens in den Staaten,
deren Verfaſſung nicht von Grund aus neu geordnet worden,
noch jetzt von practiſcher Wichtigkeit iſt, ſteht außer Frage.
Denn die meiſten Puncte, welche dabei in Betracht kommen,
wurden in fruͤherer Zeit der Vereinbarung zwiſchen Fuͤrſt und
Staͤnden, und wenn eine ſolche nicht zu Stande kam und die
Gewalt nicht den Streit entſchied, der richterlichen Entſcheidung
uͤberlaſſen, wobei denn den Juriſten die Gelegenheit gegeben
war, ihre Theorien weiter auszuſpinnen und zur Anwendung
zu bringen, ſo daß ſie allmaͤlig in das geltende Recht uͤber-
gingen. — Was ferner die Lehre von der Thronfolge betrifft,
ſo hat ſie ſich freilich zunaͤchſt aus dem Standesrecht des ho-
hen Adels entwickelt, und zwar fuͤr die ſouverainen Haͤuſer in
der Weiſe, daß das Princip der Erbmonarchie darin zur Ver-
wirklichung gekommen. Es iſt dieß aber unter der Vermittlung
der von den Juriſten ausgebildeten Theorie von der ſogenann-
ten successio ex pacto et providentia majorum
geſchehen,
welche, obgleich ſie in ihrer vollen doctrinellen Conſequenz prac-
tiſch nicht durchgefuͤhrt werden kann, der ganzen Lehre doch
eine beſtimmte Richtung und eigenthuͤmliche Haltung gegeben
hat. Auch iſt die Frage uͤber die Feſtſtellung der eventuellen
cognatiſchen Erbfolge und namentlich uͤber das Verhaͤltniß zwi-
ſchen der Erbtochter und der Regredienterbin lange Zeit haupt-
ſaͤchlich nach den Theorien der Juriſten entſchieden worden.


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[340/0352] Eilftes Kapitel. und unorganiſchen Vermiſchung weſentlicher Hoheitsrechte und nutzbarer Rechte der verſchiedenſten Art, aus welcher ſie ent- ſtanden iſt, nie zu einer wiſſenſchaftlichen Durchbildung ge- langt, und hat auch nicht den Charakter einer unbedingten Gemeinrechtlichkeit gewonnen, auf den es dabei urſpruͤnglich abgeſehen war; aber daß ſie dennoch von großer Bedeutung fuͤr das deutſche Staatsrecht, und wenigſtens in den Staaten, deren Verfaſſung nicht von Grund aus neu geordnet worden, noch jetzt von practiſcher Wichtigkeit iſt, ſteht außer Frage. Denn die meiſten Puncte, welche dabei in Betracht kommen, wurden in fruͤherer Zeit der Vereinbarung zwiſchen Fuͤrſt und Staͤnden, und wenn eine ſolche nicht zu Stande kam und die Gewalt nicht den Streit entſchied, der richterlichen Entſcheidung uͤberlaſſen, wobei denn den Juriſten die Gelegenheit gegeben war, ihre Theorien weiter auszuſpinnen und zur Anwendung zu bringen, ſo daß ſie allmaͤlig in das geltende Recht uͤber- gingen. — Was ferner die Lehre von der Thronfolge betrifft, ſo hat ſie ſich freilich zunaͤchſt aus dem Standesrecht des ho- hen Adels entwickelt, und zwar fuͤr die ſouverainen Haͤuſer in der Weiſe, daß das Princip der Erbmonarchie darin zur Ver- wirklichung gekommen. Es iſt dieß aber unter der Vermittlung der von den Juriſten ausgebildeten Theorie von der ſogenann- ten successio ex pacto et providentia majorum geſchehen, welche, obgleich ſie in ihrer vollen doctrinellen Conſequenz prac- tiſch nicht durchgefuͤhrt werden kann, der ganzen Lehre doch eine beſtimmte Richtung und eigenthuͤmliche Haltung gegeben hat. Auch iſt die Frage uͤber die Feſtſtellung der eventuellen cognatiſchen Erbfolge und namentlich uͤber das Verhaͤltniß zwi- ſchen der Erbtochter und der Regredienterbin lange Zeit haupt- ſaͤchlich nach den Theorien der Juriſten entſchieden worden.

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Zitationshilfe: Beseler, Georg: Volksrecht und Juristenrecht. Leipzig, 1843, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beseler_volksrecht_1843/352>, abgerufen am 25.04.2024.