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Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.

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im Dienste der Einbildungskraft und fordert vor Allem Anschaulichkeit, p2b_017.002
weshalb er in der gesamten Poesie - die lyrische ausgenommen - sich p2b_017.003
findet. Der höhere Stil ist der Stil des Gefühls, weshalb Erregung, p2b_017.004
Erhabenheit über das Gewöhnliche, Leidenschaft &c. seine Merkmale sind, wenn p2b_017.005
er auch der Deutlichkeit und Anschaulichkeit nicht entraten kann oder will.

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Sofern der höhere Stil neben Belebung des Gefühls auch Deutlichkeit p2b_017.007
erstrebt, ist er der oratorische Stil. Sofern er jedoch mit Erregung des p2b_017.008
Gefühls epische Anschaulichkeit erstrebt, ist er der Stil der Lyrik.

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Die griechischen Rhetoren führen als leidenschaftliche Erregungen des p2b_017.010
Gefühls an: Ethos (ethos) und Pathos (pathos), wofür Quintilian die p2b_017.011
affectus mites und affectus concitatos setzt.

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Die Affekte des Ethos sind sanfter, ruhiger, rührender, gemütlicher Natur, p2b_017.013
die des Pathos lebhafter, bewegter, ergreifender, leidenschaftlich fortreißender Art.

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2. Man teilt den Stil der Lyrik - denselben an sich betrachtet - wieder p2b_017.015
ein in einen niederen, in einen mittleren und in einen höheren Stil der Lyrik. p2b_017.016
Die Elegie, (§ 75) welche dem Lyrischen noch das Epische am meisten beimischt, p2b_017.017
repräsentiert in dieser Beimischung den niedern Stil der Lyrik. Das p2b_017.018
Lied, (§ 62 ff.) welches sich von den epischen Äußerlichkeiten teilweise losringt, p2b_017.019
zeigt den mittleren Stil der Lyrik. Die Ode, (§ 71), der Hymnus (§ 73) p2b_017.020
und der Dithyrambus (§ 74) hingegen, in welchen Gattungen die Empfindung p2b_017.021
zum höchsten Jdealismus sich emporschwingt, zeigt den höheren Stil der Lyrik. p2b_017.022
Jn der rührenden Elegie zeigt sich das Ethos; in der Ode, dem Hymnus &c. p2b_017.023
das Pathos; das Lied steht in der Mitte.

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Von dem Stil der oratorischen Prosa, welcher vor allem Deutlichkeit p2b_017.025
neben Anschaulichkeit und Leidenschaftlichkeit, d. i. eine lebensvolle, schöne Wirklichkeit p2b_017.026
erstrebt, unterscheidet sich der Stil der lyrischen Poesie dadurch, daß er p2b_017.027
nicht das Verstandesmäßige aufsucht, weil das sezierende Verstandesmäßige nur p2b_017.028
eine negative Rolle in der Lyrik spielt, und daß er Wohllaut in der metrischen p2b_017.029
Anordnung der Worte fordert. Sein Ziel ist vielmehr schöner Ausdruck und p2b_017.030
lebhafte Erregung des Gefühls. Dabei ist sein Ausdruck bald Ethos, bald p2b_017.031
Pathos, bald eine Vereinigung beider. Jn seiner niedern Form bedient er p2b_017.032
sich mehr der Figuren, in der höhern der plastischen Tropen. Der niedern Art p2b_017.033
steht der volkstümliche, idyllische Ton gut, weshalb sie sich auch zuweilen der p2b_017.034
Provinzialismen bedient, oder ganze Gedichte in einer der Mundarten bietet, p2b_017.035
während die höhere Form kühnen Gedankenflug, kühne Bilder, Wortschöpfungen, p2b_017.036
Neologismen erstrebt oder gestattet. Die Ode liebt Satzgefüge, die Elegie kürzere p2b_017.037
Sätze (vgl. Schillers Elegie Der Spaziergang mit den Oden Klopstocks &c.).

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Die Lyrik als höchste Gattung der Poesie (die vollkommenste ist das umfassende, p2b_017.039
auch die Lyrik ermöglichende Drama) erhebt aus den Gebieten des p2b_017.040
Sinnlichen zu denen des Jnnerlichen, Übersinnlichen, Geistigen, Gefühlsmäßigen. p2b_017.041
Daher ist der Stil der Lyrik nicht mit der monotonen Wiederkehr gleicher p2b_017.042
Rhythmen zufrieden, wie Epos und Drama, sondern er verlangt eine der p2b_017.043
Bewegung, dem Gefühlsausdruck entsprechende Mannigfaltigkeit in den Verstakten, p2b_017.044
Versen und Strophen. Wie die Gefühlszustände wechseln, so läßt er

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im Dienste der Einbildungskraft und fordert vor Allem Anschaulichkeit, p2b_017.002
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Gefühls epische Anschaulichkeit erstrebt, ist er der Stil der Lyrik.

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Die griechischen Rhetoren führen als leidenschaftliche Erregungen des p2b_017.010
Gefühls an: Ethos (ἦθος) und Pathos (πάθος), wofür Quintilian die p2b_017.011
affectus mites und affectus concitatos setzt.

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Die Affekte des Ethos sind sanfter, ruhiger, rührender, gemütlicher Natur, p2b_017.013
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Zitationshilfe: Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/beyer_poetik02_1883/39>, abgerufen am 28.03.2024.