weil ihre Beschränktheit es nicht anders gestattet. Sie schulmeistern die Literatur, er macht sich über sie lustig. Nenne ihn einen Lump, aber ist er es in Gro߬ folio, und wenn Du etwa sagen willst, daß er Schaden anrichtet, so behaupte ich, daß er das Interesse für Litteratur hundertmal stärker anregt, als die anständigsten kritischen Registratoren. Übrigens interessiert er mich im Grunde als Mensch. Ich bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen tragischen Fall.
-- Köstlich! Wenn ein Lyriker es mit der Phychologie hält! Jaja! Ich sage Dir, dieser Mensch fühlt sich in seinem Salonrocke unendlich wohl und verachtet die gesammte schöpferische Litteratur, wenn er nur immer genügend hohes Zeilenhonorar kriegt, um gut essen und trinken zu können. Die Absinth-Flasche hat er schon bald leer.
-- Ja, man sagt, daß er säuft, und das stützt wieder meine Meinung von der Tragik, die hinter diesem Menschen steckt.
-- Du bist wirklich ein Lyriker.
Dann sprachen sie wieder von der Zukunft der deutschen Litteratur.
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Viertes Buch, erſtes Kapitel.
weil ihre Beſchränktheit es nicht anders geſtattet. Sie ſchulmeiſtern die Literatur, er macht ſich über ſie luſtig. Nenne ihn einen Lump, aber iſt er es in Gro߬ folio, und wenn Du etwa ſagen willſt, daß er Schaden anrichtet, ſo behaupte ich, daß er das Intereſſe für Litteratur hundertmal ſtärker anregt, als die anſtändigſten kritiſchen Regiſtratoren. Übrigens intereſſiert er mich im Grunde als Menſch. Ich bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen tragiſchen Fall.
— Köſtlich! Wenn ein Lyriker es mit der Phychologie hält! Jaja! Ich ſage Dir, dieſer Menſch fühlt ſich in ſeinem Salonrocke unendlich wohl und verachtet die geſammte ſchöpferiſche Litteratur, wenn er nur immer genügend hohes Zeilenhonorar kriegt, um gut eſſen und trinken zu können. Die Abſinth-Flaſche hat er ſchon bald leer.
— Ja, man ſagt, daß er ſäuft, und das ſtützt wieder meine Meinung von der Tragik, die hinter dieſem Menſchen ſteckt.
— Du biſt wirklich ein Lyriker.
Dann ſprachen ſie wieder von der Zukunft der deutſchen Litteratur.
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Viertes Buch, erſtes Kapitel.
weil ihre Beſchränktheit es nicht anders geſtattet.
Sie ſchulmeiſtern die Literatur, er macht ſich über ſie
luſtig. Nenne ihn einen Lump, aber iſt er es in Gro߬
folio, und wenn Du etwa ſagen willſt, daß er Schaden
anrichtet, ſo behaupte ich, daß er das Intereſſe
für Litteratur hundertmal ſtärker anregt, als die
anſtändigſten kritiſchen Regiſtratoren. Übrigens
intereſſiert er mich im Grunde als Menſch. Ich
bin zwar blos Lyriker, aber ich wittere hier einen
tragiſchen Fall.
— Köſtlich! Wenn ein Lyriker es mit der
Phychologie hält! Jaja! Ich ſage Dir, dieſer Menſch
fühlt ſich in ſeinem Salonrocke unendlich wohl
und verachtet die geſammte ſchöpferiſche Litteratur,
wenn er nur immer genügend hohes Zeilenhonorar
kriegt, um gut eſſen und trinken zu können. Die
Abſinth-Flaſche hat er ſchon bald leer.
— Ja, man ſagt, daß er ſäuft, und das ſtützt
wieder meine Meinung von der Tragik, die hinter
dieſem Menſchen ſteckt.
— Du biſt wirklich ein Lyriker.
Dann ſprachen ſie wieder von der Zukunft der
deutſchen Litteratur.
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Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/321>, abgerufen am 17.06.2024.
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