Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch, siebentes Kapitel.
Sonst fand er seine Lust in einem wühlenden
Fabulieren. Während die Andern ihre Ballspiele
trieben, lief er im Korridor auf und ab
und machte sich zum Helden unmöglicher Ver¬
hältnisse. Ein unglaublicher Ritter war er auf
einem ganz unglaublichen Pferde. Wenn dies
Pferd wieherte, fielen die Wälder um, und wenn
er blos sein Schwert hob, fielen die Köpfe von
ganzen Armeen in den Sand. Aber, wenn die
Obsthökerin kam, so schwanden alle Phantasieen,
und so lange er was Süßes zwischen den Zähnen
hatte, waren ihm seine Heldenthaten ganz gleich¬
giltig.

In der Schule taugte er wenig und am wenigsten
im Rechnen. Aber Deutsch und Religion, das
waren seine Gebiete. Er schrieb unorthographischer,
als es den Ansprüchen seiner Klasse gemäß war,
aber in seinen Aufsätzen war eine gewisse Art von
Liebe am Ausdruck.

Ungemein oft kam bei ihm das Wort Gott vor.
Gleichviel, was er zu schildern hatte: Den Bau des
Maikäfers, die Schlacht bei Salamis, die Pflicht,
fleißig zu sein, die Ferienreise, -- immer lief Alles
auf Gott hinaus.

Gott, das war ihm jetzt, was ihm Miokovitsch

Erſtes Buch, ſiebentes Kapitel.
Sonſt fand er ſeine Luſt in einem wühlenden
Fabulieren. Während die Andern ihre Ballſpiele
trieben, lief er im Korridor auf und ab
und machte ſich zum Helden unmöglicher Ver¬
hältniſſe. Ein unglaublicher Ritter war er auf
einem ganz unglaublichen Pferde. Wenn dies
Pferd wieherte, fielen die Wälder um, und wenn
er blos ſein Schwert hob, fielen die Köpfe von
ganzen Armeen in den Sand. Aber, wenn die
Obſthökerin kam, ſo ſchwanden alle Phantaſieen,
und ſo lange er was Süßes zwiſchen den Zähnen
hatte, waren ihm ſeine Heldenthaten ganz gleich¬
giltig.

In der Schule taugte er wenig und am wenigſten
im Rechnen. Aber Deutſch und Religion, das
waren ſeine Gebiete. Er ſchrieb unorthographiſcher,
als es den Anſprüchen ſeiner Klaſſe gemäß war,
aber in ſeinen Aufſätzen war eine gewiſſe Art von
Liebe am Ausdruck.

Ungemein oft kam bei ihm das Wort Gott vor.
Gleichviel, was er zu ſchildern hatte: Den Bau des
Maikäfers, die Schlacht bei Salamis, die Pflicht,
fleißig zu ſein, die Ferienreiſe, — immer lief Alles
auf Gott hinaus.

Gott, das war ihm jetzt, was ihm Miokovitſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="75"/><fw place="top" type="header">Er&#x017F;tes Buch, &#x017F;iebentes Kapitel.<lb/></fw> Son&#x017F;t fand er &#x017F;eine Lu&#x017F;t in einem wühlenden<lb/>
Fabulieren. Während die Andern ihre Ball&#x017F;piele<lb/>
trieben, lief er im Korridor auf und ab<lb/>
und machte &#x017F;ich zum Helden unmöglicher Ver¬<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e. Ein unglaublicher Ritter war er auf<lb/>
einem ganz unglaublichen Pferde. Wenn dies<lb/>
Pferd wieherte, fielen die Wälder um, und wenn<lb/>
er blos &#x017F;ein Schwert hob, fielen die Köpfe von<lb/>
ganzen Armeen in den Sand. Aber, wenn die<lb/>
Ob&#x017F;thökerin kam, &#x017F;o &#x017F;chwanden alle Phanta&#x017F;ieen,<lb/>
und &#x017F;o lange er was Süßes zwi&#x017F;chen den Zähnen<lb/>
hatte, waren ihm &#x017F;eine Heldenthaten ganz gleich¬<lb/>
giltig.</p><lb/>
          <p>In der Schule taugte er wenig und am wenig&#x017F;ten<lb/>
im Rechnen. Aber Deut&#x017F;ch und Religion, das<lb/>
waren &#x017F;eine Gebiete. Er &#x017F;chrieb unorthographi&#x017F;cher,<lb/>
als es den An&#x017F;prüchen &#x017F;einer Kla&#x017F;&#x017F;e gemäß war,<lb/>
aber in &#x017F;einen Auf&#x017F;ätzen war eine gewi&#x017F;&#x017F;e Art von<lb/>
Liebe am Ausdruck.</p><lb/>
          <p>Ungemein oft kam bei ihm das Wort Gott vor.<lb/>
Gleichviel, was er zu &#x017F;childern hatte: Den Bau des<lb/>
Maikäfers, die Schlacht bei Salamis, die Pflicht,<lb/>
fleißig zu &#x017F;ein, die Ferienrei&#x017F;e, &#x2014; immer lief Alles<lb/>
auf Gott hinaus.</p><lb/>
          <p>Gott, das war ihm jetzt, was ihm Miokovit&#x017F;ch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[75/0089] Erſtes Buch, ſiebentes Kapitel. Sonſt fand er ſeine Luſt in einem wühlenden Fabulieren. Während die Andern ihre Ballſpiele trieben, lief er im Korridor auf und ab und machte ſich zum Helden unmöglicher Ver¬ hältniſſe. Ein unglaublicher Ritter war er auf einem ganz unglaublichen Pferde. Wenn dies Pferd wieherte, fielen die Wälder um, und wenn er blos ſein Schwert hob, fielen die Köpfe von ganzen Armeen in den Sand. Aber, wenn die Obſthökerin kam, ſo ſchwanden alle Phantaſieen, und ſo lange er was Süßes zwiſchen den Zähnen hatte, waren ihm ſeine Heldenthaten ganz gleich¬ giltig. In der Schule taugte er wenig und am wenigſten im Rechnen. Aber Deutſch und Religion, das waren ſeine Gebiete. Er ſchrieb unorthographiſcher, als es den Anſprüchen ſeiner Klaſſe gemäß war, aber in ſeinen Aufſätzen war eine gewiſſe Art von Liebe am Ausdruck. Ungemein oft kam bei ihm das Wort Gott vor. Gleichviel, was er zu ſchildern hatte: Den Bau des Maikäfers, die Schlacht bei Salamis, die Pflicht, fleißig zu ſein, die Ferienreiſe, — immer lief Alles auf Gott hinaus. Gott, das war ihm jetzt, was ihm Miokovitſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/89
Zitationshilfe: Bierbaum, Otto Julius: Stilpe. Ein Roman aus der Froschperspektive. Berlin, 1897, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bierbaum_stilpe_1897/89>, abgerufen am 29.04.2024.